Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 3 Sa 467/15

Kündigung an falsche Adresse verschickt - Unterlassene Arbeitslosmeldung

(1.) Der Empfänger einer Kündigung kann sich zwar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann nicht auf den fehlenden oder verspäteten Zugang der Kündigung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung als Verzögerung oder -vereitelung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Kündigende z. B. entsprechende maßgebliche und einzuhaltende Fristen gewahrt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Kündigende alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, damit seine Kündigung den Adressaten auch tatsächlich erreichen konnte.

(2.) Wird die Kündigung aufgrund fehlerhafter Adressierung an einen Dritten zugestellt, so hat der Arbeitgeber nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan.

(3.) Eine als PDF-Dokument per E-Mail übersandte Kündigung wahrt die Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) nicht und ist folglich nichtig.

(4.) Eine Anrechnung von böswillig unterlassenem Zwischenverdienst (§ 615 S. 2 BGB bzw. § 11 KSchG) auf den Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers findet nicht deswegen statt, weil der Arbeitnehmer es unterlassen hat sich beider Agentur für Arbeit Arbeitssuchend zu melden. Denn die Vorschriften über den Annahmeverzug begründen keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch zu nehmen

Tenor

1.    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.08.2015, Az: 12 Ca 4899/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund verschiedener ordentlichen Kündigungen der Beklagten sein Ende gefunden hat und des Weiteren darüber, ob dem Kläger Annahmeverzugsentgeltansprüche für die Zeit vom 27.11.2014 bis einschließlich August 2015 sowie weitere Zahlungsansprüche zustehen.

Der Kläger war bei der Beklagten, einer in England ansässigen Ltd., seit dem 26.05.2014 als sog. „Senior Sales -Engineer“ (Vertriebsingenieur) tätig. Der Kläger wickelte seine Vertriebstätigkeit und Arbeitsleistung für die Beklagte zu Hause aus in einem sog. Home Office ab. Hinsichtlich des Inhalts des ausschließlich auf Englisch verfassten Arbeitsvertrages wird auf Blatt 11 bis 16 der Akten Bezug genommen.

Das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt betrug 7.666 € zuzüglich einer sog. „car allowence“ in Höhe monatlich 1.000 € brutto für die Nutzung seines Privatwagens zu dienstlichen Zwecken. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag und aufgrund der während des Arbeitsverhältnisses erfolgten tatsächlichen Übung zahlte die Beklagte das monatliche Gehalt an den Kläger jeweils Mitte des laufenden Monates zum 16. aus. Es bestand zudem eine arbeitsvertragliche Verpflichtung der Beklagten, die für den Betrieb seines Home Office entstehenden Kosten für die Versorgung mit Internet und Mobiltelefon zu erstatten.

Nach Ablauf der Probezeit sieht der Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist einem Monat zum Monatsende vor. Ziffer 2 des Arbeitsvertrages enthält Regelungen über eine Zielerreichungsvergütung. Danach erhält der Kläger bei Erreichen des der Gesellschaft der Beklagten erwarteten Umsatz- und Gewinnergebnisses eine Gratifikation in Höhe 36.800 € brutto jährlich. Die Beklagte erreichte im Jahr 2014 die gesetzten Ziele und leistete entsprechende Zahlungen an andere Mitarbeiter mit gleicher Gratifikationszusage wie bei dem Kläger.

Mit E-Mail vom 15.11.2014 nahm die Beklagte auf ein Kündigungsschreiben vom 12.11.2014 Bezug, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 26.11.2014 beendet haben soll. Da der Kläger den Erhalt dieses Kündigungsschreibens abstritt, übermittelte die Beklagte ihm im Verlauf der weiteren E-Mail Korrespondenz als Anhang eine PDF Datei eines Kündigungsschreibens vom 12.11.2014.

Die Beklagte sprach weitere drei Kündigungen aus, jeweils auf den 07.05.2015 datiert. Sämtliche Kündigungsschreiben sind an Herrn R. A., A-Straße in A-Stadt adressiert. Diese Kündigungsschreiben vom 07.05.2015 erhielt der Kläger am 13.05, am 15.05. sowie am 20.05.2015. Des Weiteren übersandte die Beklagte dem Kläger eine weitere Kündigung vom 20.05.2015. Dieses Kündigungsschreiben wurde durch einen Kurierdienst am 27.05.2015 um 11:25 Uhr in den Briefkasten der Wohnung des Klägers eingeworfen.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien für den Monat November 2014 bis zum 26.11.2014 mit einem Gesamtbruttoentgelt 7.511,11 € abgerechnet; insoweit wird auf die entsprechende Gehaltsabrechnung (vgl. Bl. 19 d.A.) Bezug genommen. Weitere Zahlungen an den Kläger hat die Beklagte nicht geleistet.

Der Kläger war seit Ende November 2014 bis einschließlich 19.12.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog im Januar 2015 Krankengeld. Die Auslagen für die vom Kläger vorgehaltenen Telekommunikationseinrichtungen, Internet und Mobiltelefon betrugen entsprechend der zwischenzeitlich ergangenen Rechnungen für Oktober und November 2014 369,74 €, 105,72 €, für Dezember sowie für die Monate Januar bis März 2015 weitere 170,73 € und 329,17 €.

Mit der am 22.12.2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingereichte Klage sowie den klageerweiternden Schriftsätzen vom 13.04.2015, 03.06.2015 sowie 18.06.2015 wendet sich der Kläger gegen alle Kündigungen der Beklagten. Ferner verlangt er Gehaltszahlungen einschließlich „car allowence“ für die Zeit ab dem 27.11.2014 bis einschließlich 2015 und Auslagen für die Telekommunikationsmittel sowie die anteilige Zahlung der Zielerreichungsvergütung für 7 Monate im Jahr 2014 in Höhe 21.466,67 €.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Kündigung vom 12.11.2014 habe das Arbeitsverhältnis mangels Zustellung nicht beenden können. Bereits nach den Angaben des der Beklagten vorgelegten Zustellnachweises des Transportunternehmens XY hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 42 d. A. Bezug genommen wird, sei als Zustellort eine falsche Adresse angegeben, nämlich A-Straße, B-Stadt. Diese Anschrift gebe es nicht. Die Zustellung des Kündigungsschreibens sei jedenfalls nicht an seine Anschrift in A-Stadt erfolgt, sondern an einen ganz anderen Ort. Tatsächlich sei das Kündigungsschreiben an seinen Verwandten, Herrn F. A. unter der Adresse W. in  M. zugestellt worden. Dieser habe das Schreiben entgegengenommen und den Empfang auch mit seiner Unterschrift quittiert.

Auch die weiteren ordentlichen Kündigungen der Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.06.2015 beenden können, da die sie nicht sozial gerechtfertigt seien. Die Beklagte beschäftigte weltweit mehr als 200 Mitarbeiter in Vollzeit, so dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Sämtliche unternehmerische Entscheidungen der Beklagten in Europa würden der A.Systems Inc. in San Francisco getroffen. Es handele sich daher um einen auch organisatorisch gefassten Gesamtbetrieb, im Rahmen dessen die Beklagte lediglich die Vertretung und Präsenz in Europa übernommen habe. Alle Entscheidungen betreffend die Beklagte und das geschäftliche Auftreten in Europa treffe allein das Direktorium in den USA.

Der Kläger hat beantragt,

1.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit Arbeitsvertrag vom 28.05.2014 begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben vom 12.11.2014 ausgesprochene Kündigung seine Beendigung gefunden hat, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

2.     die Beklagte zu verurteilen,

a)    an den Kläger 1.154,89 € brutto nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.11.2014 sowie

b)   weitere 8.666 € brutto nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.12.2014 zu zahlen.

3.    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 369,74 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 14.04.2015 zu zahlen.

4.    die Beklagte zu verurteilen,

a)    an den Kläger 1.000 € brutto nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.01.2015 zu zahlen sowie

b)   an den Kläger 105,72 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit 14.04.2015 zu zahlen und

c)    an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.02.2015 zu zahlen sowie

d)   an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.03.2015 zu zahlen sowie

e)    an den Kläger 170,73 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit 14.04.2015 zu zahlen sowie

f)     329,17 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 seit 14.04.2015 zu zahlen.

5.    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.466,67 € brutto nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.01.2015 zu zahlen

6.    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit Arbeitsvertrag vom 28.05.2014 begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die mit jeweiligem Schreiben vom 07.05.2015 ausgesprochenen, dem Kläger am 13.05.2015, 15.05.2015 und 20.05.2015 zugestellten Kündigungen seine Beendigung gefunden hat, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

8.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit Arbeitsvertrag vom 28.05.2014 begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die weitere mit Schreiben vom 20.05.2015 ausgesprochene Kündigung seine Beendigung gefunden hat, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

9.    für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1, 7 oder 8 die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen - vollzeitige Tätigkeit des Klägers als Senior Sales Engineer (Vertriebsingenieur) über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiter zu beschäftigen.

10. die Beklagte zu verurteilen,

a)    an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.04.2015 zu zahlen sowie

b)   an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.05.2015 zu zahlen sowie

c)    an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.06.2015 zu zahlen.

11. die Beklagte zu verurteilen

a)    an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.07.2015 zu zahlen sowie

b)   an den Kläger weitere 8.666 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 17.08.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

nach ihrer Auffassung habe die Kündigung vom 12.11.2014 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger innerhalb der Probezeit wirksam zum 26.11.2014 beendet. Die Kündigung sei dem Kläger am 13.11.2014 zugestellt worden, was sich aus dem Zustellnachweis der Firma XY ergebe. Daraus ergebe sich, dass die Sendung an den Kläger wohnhaft „A-Straße“ übermittelt worden sei und dieser durch die Unterschrift mit „A.“ den Empfang auch tatsächlich bestätigt habe.

Selbst nach der Sachverhaltsdarstellung des Klägers, die sie mit Nichtwissen bestreiten müsse, liege eine wirksame Kündigung vor, da er der Kündigung Kenntnis erlangt und auch dem genauen örtlichen Verbleib der Sendung bei seinem Verwandten erfahren habe. Nach jeder Lebenserfahrung sei es mehr als fernliegend, dass der Verwandte des Klägers, Herr F. A., nach der Kenntnisnahme des Sendungsinhaltes nicht umgehend den Kläger über das Kündigungsschreiben informiert habe. Vor diesem Hintergrund müsse sich der Kläger in jedem Fall nach § 242 BGB so behandeln lassen, als sei ihm dieses Schriftstück zugegangen, auch wenn er es nicht bei dem Verwandten tatsächlich abgeholt habe.

Hinsichtlich der weiteren Kündigungen sei davon auszugehen, dass die Beklagte in Deutschland nur zwei Arbeitnehmer beschäftige, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde.

Im Übrigen müsse sich der Kläger im Fall Annahmeverzug einen anderweitigen böswillig unterlassenen Erwerb anrechnen lassen. Er habe sich nicht bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet, so dass er seine Arbeitsvermittlung pflichtwidrig verhindert habe. Aufgrund der erheblich verbesserten Vermittlungschance - der Kläger müsse nunmehr auch geringerwertige Arbeitsangebote annehmen - und aufgrund seiner Expertise und Fähigkeiten hätte dann eine deutlich verbesserte Vermittlungschance für ihn bestanden.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 25.08.2015 festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit Arbeitsvertrag vom 28.05.2014 begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.11.2014 aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.54,89 € brutto nebst Zinsen, 8,666 € brutto nebst Zinsen, 975,36 € netto nebst Zinsen, 1.000,00 € brutto nebst Zinsen, 43.330 € brutto nebst Zinsen, 21.466,67 € brutto nebst Zinsen zu zahlen und sie des Weiteren verurteilt, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt. Die weitergehende Klage hat es dagegen abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 133 - 149 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 11.09.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 07.10.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel zugleich schriftsätzlich begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es liege außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Verwandte des Klägers gegenüber dem Kläger den Empfang der Kündigung verschwiegen habe. Auch sei § 242 BGB nicht richtig angewandt worden, weil der Kläger sich vorliegend nicht auf die angeblich fehlerhafte Zustellung der Kündigung vom 12.11.2014 habe berufen dürfen. Denn der Umstand, dass der Kläger das Kündigungsschreiben nicht bei seinem Verwandten abgeholt habe, obwohl davon auszugehen, dass dieser ihn über die Zustellung informiert habe und die Wegstrecke zur Wohnanschrift dieses Verwandten nur einen geringen zeitlichen Aufwand in Anspruch nehme, sei durchaus geeignet, ein Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu begründen. Die lediglich geringfügige Abweichung der Anschrift sei darauf zurückzuführen, dass die Kündigung in den USA unterzeichneten Versand worden sei, dabei sei dann statt des Landkreises A-Stadt-Z. eine seiner Ortsteile angegeben worden. Der hier gegebene Sachverhalt sei nicht anders zu beurteilen, wie der eines Erklärungsempfängers, der trotz entsprechender Benachrichtigung ein niedergelegtes Schriftstück nicht abhole.

Zudem müsse vorliegend eine Anrechnung böswillig unterlassen anderweitigen Erwerbs erfolgen. Denn der Hinweis des Arbeitsgerichts, § 615 Satz 2 BGB begründe keine Obliegenheit, sich bei der Arbeitsagentur zu melden, werde den gesetzgeberischen Änderungen, die zwischenzeitlich erfolgt seien, nicht hinreichend gerecht. Allein bereits die Mitteilung die Meldung des Arbeitnehmers bei der Arbeitsagentur und der damit einhergehende Bezug Arbeitslosengeld hätte zu einer Schadensminderung beim Arbeitgeber beigetragen. Soweit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger sich nicht arbeitslos gemeldet habe, obwohl aufgrund seiner Expertisenfähigkeiten sehr gute Vermittlungschancen bestanden hätten. Im Übrigen habe der Kläger seine Arbeitsvermittlung vorsätzlich verhindert.

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses zu. Denn ein derartiger Antrag sei jedenfalls dann unbegründet, wenn nach den Feststellungen des Gerichts das Arbeitsverhältnis wirksam beendet worden sei. Dem Arbeitnehmer stehe demnach nur noch ein Anspruch auf Erteilung eines Endzeugnisses zu, der vorliegend nicht streitgegenständlich sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.10.2015 (Bl. 159 - 172 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 173, 174 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 09.12.2015 (Bl. 197 - 199 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.08.2015, Az.: 12 Ca 4899/14 die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Beklagte habe unter Verwendung eines Zustelldienstes den Versuch unternommen, das Kündigungsschreiben vom 12.11.2014 dem Kläger zuzustellen. Eine Zustellung sei aber erkennbar daran gescheitert, dass die Beklagte auf dem Zustellkuvert eine falsche Adresse angegeben habe mit der Folge, dass der Zustelldienst offensichtlich nach eigenen weiteren Recherchen alsdann eine Zustellung nicht bei dem Kläger, sondern bei dem Zeugen F. A. unter dessen 12 km der Heimatanschrift des Klägers entfernten Anschrift in B. vorgenommen habe. Der Kläger habe, nachdem die Beklagte sich auf eine Zustellung berufen habe, mit E-Mail unverzüglich darauf hingewiesen, dass ihm ein entsprechendes Schreiben nicht zugestellt worden sei. Spätestens nach diesen Informationen sei es Verpflichtung der Beklagten gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass eine ordnungsgemäße Zustellung unter richtiger Anschrift, wie sich auch aus dem Arbeitsvertrag ergebe, habe vorgenommen werden müssen.

Im Übrigen sei dem Kläger weder die vorsätzliche Herbeiführung eines Zugangshindernisses vorzuwerfen, noch die der Beklagten behauptete fahrlässig herbeigeführte Zugangserschwerung. Aufgrund der E-Mail des Klägers habe die Beklagte vielmehr hinreichend Anlass gehabt, den ordnungsgemäßen Ablauf einer Zustellung zu prüfen und erforderlichenfalls eine erneute Zustellung vorzunehmen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 09.11.2015 (Bl. 191 - 196 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 14.12.2015.

Entscheidungsgründe

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Das Rechtsmittel der Berufung des Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger sowohl die begehrte Feststellung verlangen kann als auch die Zahlung der im Einzelnen ausgeurteilten Brutto- bzw. Nettobeträge nebst Zinsen.

Der Kläger kann die begehrte Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.11.2014 nicht aufgelöst worden ist.

Denn die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.11.2014 gilt nicht bereit gem. § 7 KSchG als rechtswirksam, weil die 3-Wochen-Frist nach § 4 KSchG nicht eingehalten worden ist. Danach muss der Arbeitnehmer innerhalb 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.

Die für den Zugang einer schriftlichen Kündigung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte ist vorliegend freilich für die Behauptung, die Kündigung sei dem Kläger zugegangen, nach dessen substantiiertem Bestreiten beweisfällig geblieben. Da auch ersichtlich kein Fall einer Zugangsvereitelung vorliegt, konnte, dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, hat mangels zugegangener schriftlicher Kündigung (§ 623 BGB) die 3-Wochen-Frist nach § 4 KSchG nicht zu laufen beginnen.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses hat gem. § 623 BGB schriftlich zu erfolgen (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 4 Rnd. 8 ff.). Des Weiteren muss die Kündigungserklärung dem Kündigungsempfänger zugehen (§ 130 BGB); der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist grundsätzlich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O.; Rnd. 89 ff.).

Wird die Kündigungserklärung unter Anwesenden übergeben, so gilt sie als zugegangen, sobald sie der Empfänger vernimmt. Unter Abwesenden richtet sich der Zugang der Kündigung dagegen nach § 130 BGB. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht. Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, einem Schreiben Kenntnis zu nehmen (BAG 22.03.2012 - 2 AZR 224/11, EzA SD 17/12 S. 3, LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O. Rnr. 95 ff.). Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Der Arbeitgeber hat den vollen Beweis des Zugangs einer Kündigung unter Abwesenden zu führen, denn wenn ein gewöhnlicher Brief der Post zur Beförderung übergeben wird, so gibt es keinen Anscheinsbeweis dafür, dass er auch zugegangen ist (BAG 14.07.1960 AP Nr. 3 zu § 130 BGB).

Ausgehend diesen Grundsätzen hat die Beklagte zwar dargelegt, dass ein Mitarbeiter XY das Kündigungsschreiben dem Kläger am 13.11.2014 persönlich übergeben hat. Damit wäre das Kündigungsschreiben tatsächlich zugegangen. Für diese Tatsachenbehauptung, die der Kläger substantiiert bestritten hat, in dem er seinerseits vorgetragen hat, das Kündigungsschreiben sei einem in M. wohnhaften Verwandten mit gleichem Nachnamen zugestellt worden, ist die Beklagte nicht nur beweisfällig geblieben, sondern sie hat auf dieses substantiierte Vorbringen ihrerseits nicht nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert erwidert. Die als einziges Beweismittel vorgelegte Zustellbescheinigung XY vermag, auch davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen, aber den Beweis für die tatsächliche Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger nicht zu erbringen. Denn diese Bescheinigung ist weder eine öffentliche Urkunde noch eine Privaturkunde i. S. v. § 416 ZPO, da sie dem Aussteller nicht handschriftlich unterschrieben ist. Diesem Schriftstück kommt damit keinerlei Beweiswert zu (vgl. zum Einwurf/Einschreiben LAG Rhld.Pf. 23.09.2013 -5 Sa 18/13-; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Rnr. 128). Weitere Beweismittel hat die Beklagte aber nicht angeboten.

Der Kläger muss sich entgegen der Auffassung der Beklagten mit dem Arbeitsgericht auch nicht so behandeln lassen, als sei ihm dieses Kündigungsschreiben zugegangen. Die Beklagte kann sich insoweit keinesfalls auf § 242 BGB berufen.

Der Empfänger einer Kündigung kann sich zwar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann nicht auf den fehlenden oder verspäteten Zugang der Kündigung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung als Verzögerung oder -vereitelung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Kündigende z. B. entsprechende maßgebliche und einzuhaltende Fristen gewahrt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Kündigende alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, damit seine Kündigung den Adressaten auch tatsächlich erreichen konnte. Deshalb liegt eine Zugangsvereitelung in diesem Sinne z. B. dann vor, wenn dem Arbeitgeber über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses die richtige Anschrift des Arbeitnehmers nicht bekannt war. Dies kann z. B. dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer, nach dem er der Absicht, ihm zu kündigen, erfahren hatte, dem Arbeitgeber erneut bei Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als seine Adresse eine Wohnung angegeben hat, aus der er schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgezogen war und unter der sodann folgerichtig die Zustellung des Kündigungsschreibens erfolglos blieb (BAG 22.09.2005 EzA § 130 BGB 2002 Nr. 5). Entsprechendes gilt dann, wenn der Arbeitnehmer das als Einschreiben mit Rückschein übersandte Kündigungsschreiben nach erfolglosen Zustellversuchen nicht bei der Post abholt.

Mit dem Arbeitsgericht ist vorliegend aber davon auszugehen, dass eine vergleichbare Fallkonstellation nach dem hier maßgeblichen Lebenssachverhalt nicht gegeben ist. Denn das Kündigungsschreiben war bereits falsch adressiert; die Postleitzahl und dementsprechend auch der Ort der Zustellung waren unrichtig. Daher ist das Kündigungsschreiben nach dem Sachvortrag des Klägers, den sich die Beklagte hilfsweise zu eigen gemacht hat, an eine dritte Person an einem anderen Ort übergeben worden. Damit hat die Beklagte aber gerade nicht alles erforderliche getan, damit dieses Schreiben den Kläger auch erreichen konnte. Sie hat vielmehr aufgrund fehlerhafter Adressierung das Kündigungsschreiben an einen Dritten zustellen lassen. Die fehlerhafte Adressierung liegt allein in ihrem Verantwortungsbereich; nur sie hat diesen Mangel zu vertreten bzw. verschuldet. In welchem Verwandtschaftsverhältnis der tatsächliche Adressat zu dem Kläger steht, ist aufgrund des fehlenden näheren tatsächlichen Vorbringens der Beklagten zur etwaigen Empfangszuständigkeit dieser dritten Person unerheblich. Da der Kläger auch nicht behauptet hat, dieses Kündigungsschreiben seinem Verwandten tatsächlich erhalten zu haben, ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass das Schreiben dem Kläger nicht zugegangen ist bzw. nicht als zugegangen gilt.

Auch die dem Kläger als PDF-Dokument per E-Mail übersandte Kündigung wahrt die Schriftform gem. § 126 Abs. 1 BGB nicht und ist folglich nach § 623 BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig.

Da dem Kläger eine schriftliche Kündigung vom 12.11.2014 zu keinem Zeitpunkt zugegangen ist, konnte das Arbeitsverhältnis auch nicht durch diese beendet werden. Allerdings hat die Folgekündigung vom 07.05.2015, dem Kläger am 13.05.2015 zugegangen, sodann das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam zum 30.06.2015 beendet; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, die beiden Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht angegriffen werden, auf S. 13, 14 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 143, 144 d. A.) Bezug genommen.

Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien folglich bis zum 30.06.2015 bestanden hat, hat der Kläger Anspruch auf Zahlung seines Restgehaltes für den Monat November 2014 in Höhe 1154,89 € brutto. Gem. §§ 615, 293 ff. BGB i. V. m. d. Arbeitsvertrag aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Auch davon ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen. Denn das Arbeitsverhältnis bestand bis zum 30.06.2015 fort. Ein Arbeitsangebot des Klägers nach § 296 BGB war entbehrlich, da die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus ihrer Sicht nicht kündigte und sich später im Rahmen der E-Mail Korrespondenz auf diese Kündigung vom 12.11.2014 auch berief und zu diesem Zweck dem Kläger diese sogar als PDF-Datei übersandte. Damit gab sie unmissverständlich zu erkennen, dem Kläger aufgrund des aus ihrer Sicht zwischenzeitlich bereits beendeten Arbeitsverhältnisses keinen vertragsgemäßen Arbeitsplatz mehr zuzuweisen; damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 615, 293 ff. BGB erfüllt (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rdnr. 1603 ff.).

Da das Bruttomonatsgehalt des Klägers einschließlich der "car allowence" 8.666,00 € betrug, aber nur 7.511,11 € brutto abgerechnet wurden, ergibt sich der geltend gemachte und zu Recht ausgeurteilte Differenzbetrag.

Eine Anrechnung böswillig unterlassenem Zwischenverdienst (§ 615 S. 2 BGB bzw. § 11 KSchG) wegen der der Beklagten behaupteten unterlassenen Meldung des Klägers bei der Arbeitsagentur als Arbeitssuchend kommt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in Betracht; anzuwenden ist allein § 615 S. 2 BGB, weil § 11 KSchG als Sonderregelung dazu die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, die das Arbeitsgericht vorliegend zutreffend verneint hat, voraussetzt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitssuchender zu melden, besteht insoweit nicht. Denn die Vorschriften über den Annahmeverzug begründen keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch zu nehmen (BAG 16.05.2002; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Rdnr. 1724). Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt nichts anderes aus § 140 Abs. 3 SGB III. Die Beklagte hat zwar darauf hingewiesen, dass sich durch die zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung der Umfang der in Betracht kommenden Arbeitsangebote deutlich erhöht hat, was eine deutlich erhöhte Vermittlungschance mit sich bringen würde. Dies ändert aber mit dem Arbeitsgericht bereits im Ansatz an der fehlenden Verpflichtung des Arbeitnehmers sich überhaupt als arbeitssuchend zu melden. Im Übrigen hatte der Kläger bereits außergerichtlich auf den fehlenden Zugang einer schriftlichen Kündigung hingewiesen, so dass das Arbeitsverhältnis objektiv gesehen und auch aus Sicht des Klägers ungekündigt fortbestand. Gerade in einer derartigen Situation, in der das Arbeitsverhältnis nicht einmal formal wirksam überhaupt gekündigt bzw. beendet wurde, kann der betroffene Arbeitnehmer nicht darauf verwiesen werden, sich arbeitslos zu melden. Warum es in dieser Situation, die allein der Arbeitgeber zu verantworten hat, dem Kläger verwehrt sein soll, sich ohne vergütungsrechtliche Nachteile auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu berufen und darauf auch zu vertrauen, erschließt sich der Kammer nicht. Ob der Kläger sich deshalb arbeitslos gemeldet hat, oder aber nicht, kann offen bleiben.

Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf Zahlung seines Bruttomonatsgehalts einschließlich der "car allowence" in Höhe jeweils 8.066,00 € für die Monate Dezember 2014 und Februar 2015 - Juni 2015. Des Weiteren hat er Anspruch auf Zahlung der "car allowence" in Höhe 1.000,00 € brutto für den Monat Januar 2015. Alle diese Ansprüche folgen aus § 615, 293 ff. BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und für die Zeiten der Erkrankung des Klägers aus § 3 Abs. 1 EfzG. Des Weiteren kann der Kläger 975,36 € netto (Telekommunikationsmittel Oktober 2014 - März 2015) verlangen. Hinsichtlich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, der die Beklagte inhaltlich nicht entgegen getreten ist, wird zur Vermeidung Wiederholungen auf S. 17 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 147 d. A.) Bezug genommen.

Weiterhin hat der Kläger Anspruch auf Zahlung des Zielerreichungsbonus in Höhe 21.466,67 € brutto; insoweit wird zur Vermeidung Wiederholungen auf S. 17 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 147 d. A.) Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger schließlich auch die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verlangen.

Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses verlangen kann, sind zwar gesetzlich nicht positiv geregelt. Es ist allerdings anerkannt, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses ein Wahlrecht hat, ob er ein Endzeugnis oder ein Zwischenzeugnis verlangt. Insoweit genügt unbeschadet der Anwendbarkeit tarifvertraglicher Normen ein "triftiger Grund" (BAG 21.01.1993 EzA § 630 BGB Nr. 18; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß a.a.O., Kap. 9 Rdnr. 9 ff.). Das Arbeitsgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses ein Wahlrecht hat, ob er ein Endzeugnis oder ein Zwischenzeugnis verlangt; dies liegt nahe, weil sich der Arbeitnehmer -wie vorliegend- auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berufen (Zwischenzeugnis) oder aber trotz rechtshängiger Kündigungsschutzklage auch auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen kann (Endzeugnis), so dass keine Veranlassung besteht, ihn generell dazu zu zwingen, trotz entsprechenden Anspruchs bereits in dieser Prozesssituation ein Endzeugnis zu verlangen. Lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer auf sein Verlangen bereits ein Endzeugnis erhalten hat, kann er nicht zusätzlich noch ein Zwischenzeugnis beanspruchen (LAG Hamm 13.02.2007, NzA RR 2007, 486; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß a.a.O. Kap. 9 Rdnr. 15).

Vorliegend hat der Kläger bislang kein Zeugnis erhalten mit der Folge, dass er nach wie vor die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangen kann.

Auf das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen.   Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Die Ausführungen der Beklagten zu § 130 BGB überzeugen schon deshalb nicht, weil es allein die Beklagte war, die trotz Kenntnis der zutreffenden postalischen Anschrift des Klägers keine ordnungsgemäße Zustellung an diesen bewirkt hat. Irgendein schuldhaftes Mitwirken des Klägers daran lässt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Zu einer ihr gewünschten deutlichen Ausweitung der Risikosphäre des Klägers im Hinblick auf § 242 BGB besteht ersichtlich keine Veranlassung. Nichts anderes gilt im Hinblick auf § 140 SGB III. Für die Kammer erschließt sich nicht, warum die Verpflichtung des Arbeitnehmers, ggf. auch nach vorherigem Recht als unzumutbar anzusehende Tätigkeiten übernehmen zu müssen - zur Meidung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile - im Hinblick auf § 615 S. 2 BGB dazu führen soll, den Arbeitnehmer als - arbeitsrechtlich - verpflichtet anzusehen, sich arbeitslos zu melden. Auch insoweit ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Situation des Annahmeverzuges allein eine durch die Beklagte in ihr zurechenbarer Art und Weise hervorgerufen worden ist.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.



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