Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Beschluss vom - Az: 3 TaBVGa 1/17

Gekündigter Arbeitnehmer darf an Betriebsversammlung teilnehmen

1. Ist ein Arbeitnehmer gekündigt und hat er dagegen Kündigungsschutzklage erhoben, begründet dies in der Regel zwar eine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Gleichwohl ist der Gekündigte hinsichtlich seines Zutrittsrechtes zu einer Betriebsversammlung wie ein Betriebsangehöriger zu behandeln, da nicht feststeht, dass der Gekündigte nicht mehr in den Betrieb zurückkehrt.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Soweit die Durchführung einer Betriebsversammlung betroffen ist, steht das Hausrecht dem Betriebsratsvorsitzenden bzw. den Wahlinitiatoren zu - nicht hingegen dem Arbeitgeber.

(3.) Einem fristlos gekündigten Arbeitnehmer, der Kündigungsschutzklage erhoben hat, steht auch während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ein aktives sowie passives Wahlrecht bei der Wahl des Betriebsrats zu.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – (13 BVGa 1/17) vom 27. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1. begehrt gegenüber der Beteiligten zu 2. mit seiner einstweiligen Verfügung die Gewährung von Zutritt zum Betriebsgelände der Beteiligten zu 2. zur Teilnahme an der am 30.01.2017 ab 14:00 Uhr stattfindenden Betriebsversammlung bis zu deren Beendigung.

Der Beteiligte zu 1. ist seit dem 31.01.2011 bei der Beteiligten zu 2. als Schichtführer und Wickler beschäftigt. Mit den Schreiben vom 22.12.2016 und vom 23.01.2017 kündigte die Beteiligte zu 2. das Arbeitsverhältnis jeweils außerordentlich. Außerdem erteilte die Beteiligte zu 2. dem Beteiligten zu 1. am 10.01.2017 ein Hausverbot.

Gegen die fristlosen Kündigungen hat der Kläger jeweils Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Stralsund – Kammern Neubrandenburg – erhoben (Aktenzeichen 13 Ca 292/16 sowie 13 Ca 20/17).

Mit Schreiben vom 13.12.2016 übersandte der Beteiligte zu 1. dem Geschäftsführer der Beteiligten zu 2. eine Einladung über die Durchführung einer Betriebsversammlung am 30.01.2017 zum Zweck der Bestellung eines Wahlvorstandes zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrates. Das Einladungsschreiben lautet u.a. wie folgt:

 „An alle im Betrieb Beschäftigten

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider besteht in unserem Betrieb bislang noch kein Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft vertreten könnte. Wir wollen dies ändern und laden daher alle im Betrieb Beschäftigten zu einer

Versammlung

am: 30.01.2017

um: 14:00 Uhr

In: auf dem Betriebsgelände in H. ein.

Tagesordnung:

1.                     Ein/e Gewerkschaftssekretär wird die Bedeutung eines Betriebsrates für die Belegschaft und das Verfahren der Betriebsratswahl erläutern.

2.                     Es wird ein Wahlvorstand aus dem Kreise der Beschäftigten gewählt, der die Betriebsratswahl durchführt. Weiterhin wird ein/e Vorsitzende/r des Wahlvorstandes von der Versammlung gewählt. Es wird der Versammlung von den Einladenden/der einladenden Gewerkschaft ein Vorschlag bezüglich der Zusammensetzung des Wahlvorstandes und der Person des/der Vorsitzenden unterbreitet werden. Weitere Vorschläge können auf der Versammlung aus dem Kreise der Beschäftigten eingebracht werden.

…“

Das Einladungsschreiben ist von dem Kläger sowie von den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2. S. und B. unterzeichnet worden.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

der Verfügungsbeklagten aufzugeben, das gegenüber dem Verfügungskläger ausgesprochene Hausverbot für die am 30. Januar 2017 stattfindende Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes zur Wahl eines Betriebsrates ab 14:00 Uhr aufzuheben und dem Verfügungskläger den Zutritt bis zur Beendigung der Betriebsversammlung zu gewähren.

Auf der Grundlage der Anhörung der Beteiligten vom 27.01.2017 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, der Verfügungsanspruch sei vorliegend zugunsten des Beteiligten zu 1. gem. § 20 Abs. 1 BetrVG gegeben. Zwar habe die Beteiligte zu 2. das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Jedoch habe der Beteiligte zu 1. jeweils Kündigungsschutzklage erhoben. Mithin sei ihm ein Zutrittsrecht zur Teilnahme an der Betriebsversammlung zu gewähren, da nach der gebotenen vorläufigen Würdigung des Verfahrens davon auszugehen sei, dass der Beteiligte zu 1. in den jeweiligen Kündigungsschutzverfahren erfolgreich sein werde. Auch der notwendige Verfügungsgrund sei gegeben. Das bestehende aktive Wahlrecht des Beteiligten zu 1. würde ohne einstweilige Regelung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vereitelt. Nennenswerte Beeinträchtigungen oder Gefahren für die Beteiligte zu 2. seien im Falle der Antragsstattgabe nicht ersichtlich.

Gegen diese noch am 27.01.2017 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 28.01.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde nebst Begründung der Beteiligten zu 2.

Die Beteiligte zu 2. beantragt:

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichtes Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 27.01.2017, Aktenzeichen 13 BVGa 1/17, wird der Antrag des Verfügungsklägers abgelehnt.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2. ist der Auffassung, der durch den Beteiligten zu 1. gestellte Antrag sei mangels ausreichender Bestimmtheit gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Es fehle an der zeitlichen und örtlichen Konkretisierung. Die Beteiligte zu 2. verfüge über zwei Betriebsstätten, so dass der gestellte Antrag nicht hinreichend zugeordnet werden könne und es mithin an einem vollstreckungsfähigen Inhalt des gestellten Antrages fehle. Zudem habe das Arbeitsgericht die maßgebliche Entscheidungsform verkannt und das Verfahren im Rahmen eines Beschlussverfahrens entschieden. Ein Beschlussverfahren liege hier jedoch nicht vor. Ein Verfügungsanspruch gem. § 20 Abs. 1 BetrVG sei nicht gegeben. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.05.1997 zum Aktenzeichen 7 ABR 26/96 streite entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes nicht für den Beteiligten zu 1. Denn diese Entscheidung beziehe sich auf die Durchführung der Betriebsratswahl selbst und betreffe nicht – wie hier – die Durchführung einer Betriebsversammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes. Die Sachverhalte seien mithin nicht vergleichbar. Einschlägig sei hier vielmehr die gefestigte Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, wonach die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes in der Regel eine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Folge begründe, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens von einer Verhinderung an der Amtsausübung auszugehen und dementsprechend ein Zutrittsrecht zum Betrieb zu verneinen sei.

Zwar sei nach der benannten Rechtsprechung anerkannt, dass die vorstehenden Grundsätze dann nicht anzuwenden seien, wenn sich eine ausgesprochene arbeitgeberseitige Kündigung als offensichtlich unwirksam erweise. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Kündigungen vom 22.12.2016 und vom 23.01.2017 seien nicht offensichtlich unwirksam. Diesbezüglich fehle es bereits an einer hinreichenden Glaubhaftmachung der offensichtlichen Unwirksamkeit der vorbenannten Kündigungen durch den Beteiligten zu 1. Auch sei ein gerichtlich durchzusetzender vorläufiger Weiterbeschäftigungsanspruch – unstreitig - zugunsten des Beteiligten zu 1. nicht vorhanden. Schließlich fehle es auch am Verfügungsgrund. Ein gesteigertes Interesse zur Teilnahme an der Wahl des Wahlvorstandes bestehe für den Beteiligten zu 1. nicht. Dieser erfahre keinerlei Nachteile aufgrund der fehlenden Teilnahme an der Wahl eines Wahlvorstandes. Es stehe ihm weiterhin frei, sich zur Wahl des Betriebsrates aufstellen zu lassen. Die Durchführbarkeit der Betriebsversammlung vom 30.01.2017 sei von der Anwesenheit des Beteiligten zu 1. nicht abhängig. Der Beteiligte zu 1. habe selbst angegeben, dass auch die IG Metall als im Betrieb vertretene Gewerkschaft zu der Betriebsversammlung eingeladen habe. Die Durchführung der Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes sei im Hinblick auf eine dann durchzuführende Betriebsratswahl somit auch ohne Anwesenheit des Beteiligten zu 1. möglich.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. ist die von dem Beteiligten zu 1. begehrte einstweilige Verfügung zulässig (1) und auch begründet (2), wobei ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gegeben ist (3).

1.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. ist der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig.

a)

Soweit die Beteiligte zu 2. meint, am 27.01.2017 habe eine mündliche Verhandlung stattgefunden, so dass die Kammer gezwungen gewesen sei, im Rahmen des Urteilsverfahrens und nicht im Anwendungsbereich des Beschlussverfahrens zu befinden, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es ist anerkannt, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Einladung und Durchführung einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 2 BetrVG – insbesondere auch in Verbindung mit diesbezüglich streitigen Zutrittsrechten – im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zu entscheiden sind (GK-BetrVG, 10. Auflage/Kreutz, Rn. 51 zu § 17 BetrVG; Däubler u.a. BetrVG, 15. Auflage, Rn. 21 zu § 17 BtrVG). Diesen Umstand hat das Arbeitsgericht richtig erkannt und rechtlich zutreffend nach Anhörung der Beteiligten im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entschieden. Die Bezeichnung der Beteiligten zu 1. und 2. als „Verfügungskläger“ und „Verfügungsbeklagte“ in der Entscheidung vom 27.01.2017 mögen zwar als missverständliche Formulierung zu werten sein. Dies ist jedoch nicht rechtsrelevant. Denn bei der Entscheidung des Arbeitsgerichtes handelt es sich im Übrigen unmissverständlich – und zutreffend – um einen Beschluss im Sinne des § 84 ArbGG und zwar auch dann, wenn das Verfahren ursprünglich zunächst fehlerhaft als Urteilsverfahren eingetragen und später im Zuge der Anhörung der Beteiligten korrigierend als Beschlussverfahren erfasst worden ist.

b)

Die Antragstellung durch den Beteiligten zu 1. ist auch hinreichend bestimmt. Zwar ist der Beteiligten zu 2. zuzugeben, dass in dem Antrag der Ort und die konkrete Uhrzeit der Betriebsversammlung vom 30.01.2017 nicht enthalten sind. Gleichwohl ist erstinstanzlich rechtsfehlerfrei von einer hinreichenden Bestimmtheit des Antrages im Sinne eines vollstreckungsfähigen Inhaltes ausgegangen worden. Denn die Antragsbegründung benennt diese Daten ausdrücklich und nimmt im Übrigen Bezug auf das als Anlage beigefügte Einladungsschreiben selbst. Dort sind die konkrete Uhrzeit und der konkrete Versammlungsort bezeichnet. Mithin war allen Beteiligten aus der Antragstellung selbst in Verbindung mit der Antragsbegründung im Rahmen der anlassbezogenen Auseinandersetzung zweifelsfrei klar, um welche Betriebsversammlung es sich inklusive Uhrzeit und Ort nach Antragstellung handelte.

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren ist auch begründet.

a)

Der Beteiligte zu 1. verfügt gegen die Beteiligte zu 2. gemäß § 17 Abs. 3 i.V.m. § 42 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über einen notwendigen Verfügungsanspruch.

Gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes zu einer Betriebsversammlung einladen. Gemäß § 42 Abs. 1 BetrVG besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebes. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes beschränkt werden, wobei unstreitig auch die Einberufung und Durchführung der Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes einbezogen ist (Fitting u.a./ 28. Auflage Rn. 7 zu § 20 BetrVG). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrates behindern, wobei jede Behinderung gemeint ist und u.a. dann vorliegt, wenn ein Wähler, Wahlkandidat oder sonstiger an der Wahl Beteiligter in der Ausübung seiner Rechte, Befugnisse oder Aufgaben beeinträchtigt oder beschränkt wird (Fitting u.a., a.a.O. Rn. 9 zu § 20 BetrVG).

Aus den benannten Vorgaben folgt, dass allen Arbeitnehmern des Betriebes gemäß § 17 Abs. 3 i.V.m. § 42 Abs. 1 BetrVG jeweils ein Zutrittsrecht zur Betriebsvereinbarung mit dem Ziel der Wahl eines Wahlvorstandes zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl zusteht. An der Beachtung dieser Zutrittsrechte ist auch der grundsätzlich das Hausrecht ausübende Arbeitgeber gem. § 20 Abs. 1 BetrVG gebunden.

aa)

Die dem Beteiligten zu 1. gegenüber ausgesprochenen fristlosen Kündigungen stehen seinem Zutrittsrecht nicht entgegen. Dabei kommt es – entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung – nicht darauf an, ob die vorbenannten Kündigungen als offensichtlich rechtsunwirksam anzusehen sind. Im Gegensatz zur begehrten dauerhaften Ausübung von Betriebsratstätigkeit durch ein außerordentlich gekündigtes Betriebsratsmitglied nach Einreichung einer Kündigungsschutzklage ohne vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch (vgl. diesbezüglich LAG München vom 27.01.2011 – 3 TaBVGa 20/10 – juris Rn. 17) ist für die Bejahung eines Zutrittsrechtes eines fristlos gekündigten Arbeitnehmers an einer – einmaligen und zeitlich begrenzten – Betriebsversammlung im Falle – wie hier – einer erhobenen Kündigungsschutzklage nach zutreffender und herrschender Meinung als weitere Anspruchsvoraussetzung die offensichtliche Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung nicht erforderlich (wie hier: Düwell/Tautphäus, BetrVG 4. Auflage Rn. 9 zu § 42; Däubler u.a./Berg, BetrVG 15. Auflage Rn. 15 unter Hinweis auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes Hamburg vom 14.07.1977 zum Aktenzeichen 14 GaBV 31/77; GK-BetrVG/Weber 10. Auflage Band I, Rn. 16 m.w.N.; a.A. Richardi/Annuß, BetrVG 15. Auflage Rn. 4).

Die von der Beteiligten zu 2. zitierten landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen (insbesondere LAG München vom 27.01.2011, a.a.O.) betreffen den vorstehenden erstgenannten Sachverhalt und sind mithin mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar und daher nicht einschlägig.

Auf die nach § 17 Abs. 3 BetrVG einzuberufende Betriebsversammlung finden die Vorschriften über die Betriebsversammlung nach §§ 42 ff BetrVG Anwendung, soweit sie nicht voraussetzen, dass ein Betriebsrat besteht (BAG vom 07.05.1986 – 2 AZR 349/85 – NZA 1986, Seite 753). Gemäß § 42 Abs. 1 BetrVG besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebes und wird im Fall des § 17 Abs. 3 BetrVG von den Wahlinitiatoren bis zur Wahl eines Versammlungsleiters geleitet (Fitting u.a., a.a.O. Rn. 23 zu § 17). Teilnahmeberechtigt an der Betriebsversammlung sind alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie wahlberechtigt bzw. wählbar sind. Auch verhinderte Arbeitnehmer (z.B. Urlaub/Krankheit und Arbeitnehmer in Eltern- und Pflegezeit) bleiben Arbeitnehmer des Betriebes und sind teilnahmeberechtigt (Fitting u.a., a.a.O. Rn. 14 a m.w.N.). Lediglich wenn feststeht, dass Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb zurückkehren werden (z.B. Altersteilzeit im Block-Modell in der Freistellungsphase), erlischt die Teilnahmeberechtigung nach § 42 Abs. 1 BetrVG. Im Falle eines gekündigten Arbeitnehmers bleibt – wie hier – im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage die rechtswirksame Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und mithin die Zugehörigkeit zur Arbeitnehmerschaft eines Betriebes i.S.d. § 42 Abs. 1 BetrVG ungeklärt. Dieser Unsicherheitszustand führt nach zutreffender Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 14.05.1997 – 7 ABR 26/96 – juris Rn. 17) nicht zum Verlust des aktiven und passiven Wahlrechtes, sondern im Fall der Wahl zum Betriebsrat zur Bejahung eines Verhinderungsfalles hinsichtlich der Mandatsausübung (so zutreffend auch LAG München vom 27.01.2011, a.a.O.). Die vorstehenden Grundsätze könnten es – die fehlende offensichtliche Unwirksamkeit der beiden ausgesprochenen fristlosen Kündigungen gegenüber dem Beteiligten zu 1. zugunsten der Beteiligten zu 2. unterstellt – vorliegend rechtlich als vertretbar erscheinen lassen, hinsichtlich der Mandatsausübung nach § 17 Abs. 3 BetrVG durch den Beteiligten zu 1. von einem Verhinderungsfall auszugehen. Jedoch ist nicht ersichtlich, welcher rechtliche Umstand einem Zutrittsrecht des Beteiligten zu 1. an der Betriebsversammlung vom 30.01.2017 in dessen Eigenschaft als „normaler Arbeitnehmer“ entgegenstehen soll. Wenn – wie das Bundesarbeitsgericht in der oben zitierten Entscheidung vom 14.05.1997 zutreffend ausführt – ein gekündigter Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Wählbarkeit zum Betriebsrat wie ein Betriebsangehöriger zu behandeln ist, so gilt dies nach Auffassung der Kammer auch hinsichtlich seiner Stellung als Arbeitnehmer des Betriebes i.S.d. § 42 Abs. 1 BetrVG verbunden mit einem entsprechenden Teilnahmerecht an einer Betriebsversammlung. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, als auch bei einem gekündigten Arbeitnehmer nach erhobener Kündigungsschutzklage gerade nicht feststeht, dass er nicht mehr in den Betrieb zurückkehren wird.

bb)

Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass ein etwaiges Hausrecht der Beteiligten zu 2. dem Zutrittsrecht des Beteiligten zu 1. nicht entgegensteht, da das Hausrecht anlässlich der Durchführung einer Betriebsversammlung i.S.v. § 42 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsratsvorsitzenden bzw. – wie hier – im Fall des § 17 Abs. 3 BetrVG den Wahlinitiatoren – soweit nicht verhindert – zufällt (Fitting u.a., a.a.O. Rn. 34, m.w.N.). Das diesbezügliche Hausrecht erstreckt sich dabei auf den Versammlungsraum sowie auf die Zugangswege zum Ort der Betriebsversammlung zum Zweck der ordnungsgemäßen Durchführung (BAG vom 22.05.2012 – 1 ABR 11/11 – juris Rn 24 m.w.N.).

b)

Nach den zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung steht dem Beteiligten zu 1. auch der notwendige Verfügungsgrund zur Seite. Das Arbeitsgericht führt diesbezüglich wie folgt aus:

 „Ein Verfügungsgrund liegt bei der auf Befriedigung gerichteten Unterlassungsverfügung vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechtes ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 935, 938 Abs. 2, § 940 ZPO). Zur Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein. Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen. Bei den Anforderungen, die an den Verfügungsgrund zu stellen sind, sind das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für den Arbeitgeber und andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, juris Rn. 44).

Vorliegend würde jedenfalls das nach Auffassung der Kammer bestehende aktive Wahlrecht des Verfügungsklägers ohne einstweilige Regelung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vereitelt. Nennenswerte Beeinträchtigungen oder Gefahren für den Verfügungsbeklagten, für den Fall, dass dem Verfügungskläger Zutritt für die Zeit der Betriebsversammlung gewährt wird, sind nicht ersichtlich.“

Das erkennende Gericht schließt sich den vorstehenden Ausführungen an. Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung ist ergänzend anzumerken, dass die Beteiligte zu 2. den zu befürchtenden Rechtsverlust des aktiven und passiven Wahlrechtes inklusive des Vorschlagsrechts hinsichtlich des zu bestellenden Wahlvorstandes im Falle der Zutrittsverweigerung zur Teilnahme an der Betriebsversammlung zu Lasten des Beteiligten zu 1. verkennt. Zudem setzt sich die Beschwerdebegründung nicht mit der erstinstanzlichen Argumentation auseinander, wonach nennenswerte Beeinträchtigungen oder Gefahren für schützenswerte Rechtspositionen der Beteiligten zu 2. nicht ersichtlich sind. In der Tat sind auch nach Auffassung des erkennenden Gerichtes Gefahren für derartige Rechtspositionen der Beteiligten zu 2. nicht greifbar. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf das dem Beteiligten zu 1. am 10.01.2017 erteilte Hausverbot. Diesbezüglich ist nämlich bereits überaus zweifelhaft, ob das erteilte Hausverbot mit Erlass der einstweiligen Verfügung überhaupt tangiert ist, da die Ausübung des Hausrechtes im Zuge der ordnungsgemäßen Durchführung einer Betriebsversammlung – wie bereits unter II. 2. a) bb) ausgeführt – nicht dem Arbeitgeber zufällt. Unabhängig davon überwiegt nach Ansicht der Kammer aber ohnehin die Sicherstellung des aktiven und passiven Wahlrechtes sowie des Vorschlagsrechtes des Beteiligten zu 1. im Rahmen der Teilnahme an der voraussichtlich zirka zweistündigen und damit zeitlich übersichtlichen Betriebsversammlung am 30.01.2017 offensichtlich das Interesse der Beteiligten zu 2. an einer lückenlosen Aufrechterhaltung des am 10.01.2017 erteilten Hausverbotes.

3.

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG nicht statthaft.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist mithin nicht gegeben.



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