Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 3 Ca 713/93

Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht ärztliches Personal

Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht ärztliches Personal ist rechtlich nur zulässig, wenn der Patient in diese Maßnahme einwilligt, die Art des Eingriffs das persönliche Handeln des Arztes nicht erfordert, der Arzt die Maßnahme anordnet, der ausführende nicht ärztliche Mitarbeiter zur Durchführung der Anordnung befähigt ist und er zur Ausführung der ärztlichen Tätigkeit bereit ist.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

I. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, bei Operationen Tätigkeiten eines Assistenzarztes auszuüben, insbesondere Wundsekret abzusaugen, Gefäße zu koagulieren, Haken zu halten, Fäden abzuschneiden und darauf zu achten, ob Nerven beschädigt werden können.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.000,- DM festgesetzt.

 

Tatbestand 

Der 46 Jahre alte Kläger ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 01.04.1975 (Bl. 5 d.A.) seit dem 01.04.75 bei der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Mit Schreiben vom 15.01.92 hat die  Mitarbeitervertretung die Beklagte darauf hingewiesen, dass 1991 bei mehr als der Hälfte aller Operationen nur ein Arzt anwesend gewesen sei, und um Mitteilung gebeten, ob das OP-Personal zur Assistenz verpflichtet sei oder ob die Assistenz einem Arzt vorbehalten bleiben müsse. Die Beklagte hat am 20.01.92 geantwortet, dass das OPPersonal zur Assistenz verpflichtet sei. Mit der vorliegenden Klage will der Kläger diese Frage gerichtlich geklärt haben. 

Der Kläger trägt vor,
in seiner Abteilung operiere stets nur ein Arzt, dem er assistieren müsse. Dabei müsse er die im Klageantrag bezeichneten Tätigkeiten verrichten, die er für berufsfremd halte. Falls ihm dabei ein Fehler unterlaufe bestehe die Gefahr, dass er sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich belangt werde.

Der Kläger beantragt,
es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, bei Operationen Tätigkeiten eines Assistenzarztes auszuüben, insbesondere Wundsekret abzusaugen, Gefäße zu koagulieren, Haken zu halten, Fäden abzuschneiden und bei operativen Eingriffen auch darauf zu achten, ob Nerven beschädigt werden könnten. 

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,
es sei zulässig, gut ausgebildetes Krankenpflegepersonal, das über qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, unter der Aufsicht und Kontrolle des Arztes bei Operationen einzusetzen. Es handele sich nicht um für einen Krankenpfleger berufsfremde Aufgaben. Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht ärztliches Personal sei zulässig. Ihrer Auffassung nach sei die Einwilligung des Patienten dazu nicht erforderlich. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 24.08.1993 verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe 

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger ist nicht verpflichtet, bei Operationen Sekret abzusaugen, Gefäße zu koagulieren, Haken zu halten, Fäden abzuschneiden und darauf zu achten, ob Nerven beschädigt werden können. Die Kammer vermochte aus eigener Sachkunde zu beurteilen, dass es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die einem Arzt vorbehalten sind. Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht ärztliches Personal ist rechtlich nur zulässig, wenn der Patient in diese Maßnahme einwilligt, die Art des Eingriffs das persönliche Handeln des Arztes nicht erfordert, der Arzt die Maßnahme anordnet, der ausführende nicht ärztliche Mitarbeiter zur Durchführung der Anordnung befähigt ist und er zur Ausführung der ärztlichen Tätigkeit bereit ist. Der Kläger ist mithin, von Notfällen abgesehen, nicht verpflichtet, ärztliche Tätigkeiten zu verrichten. Zwar muß ein Krankenpfleger grundsätzlich ärztlichen Anordnungen nachkommen. Dieses Anweisungsrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die Durchführung von Anordnungen muß dem Untergebenen möglich und zumutbar sein. Beim Einsatz des Klägers bei Operationen ist es dem Kläger nach Auffassung der Kammer nicht zuzumuten, ärztliche Tätigkeiten zu verrichten. Falls dabei Kunstfehler unterlaufen, besteht nämlich die Gefahr, dass der Kläger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. 

Der Klage war mithin stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 61 ArbGG.



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