Landesarbeitsgericht Köln

- Az: 9 TaBV 3/23

Wahlvorschlag für Betriebsratswahl mit Smiley ist unzulässig

Eine Vorschlagliste für die Betriebsratswahl, die in ihrem Kennwort einen Smiley enthält, ist ungültig.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

In dem vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedenen Fall hatten fünf Arbeitnehmer eines weltweit agierenden Logistikunternehmens mit Standorten am Flughafen Köln/Bonn und in Troisdorf die Wahl des 25-köpfigen Betriebsrats angefochten. Nach ihrer Ansicht sei ihr Wahlvorschlag wegen eines Listenkennworts unrechtmäßig abgelehnt worden. Anfänglich reichten sie den Vorschlag "fair.die" ein, der jedoch aufgrund einer möglichen Verwechslung mit der Gewerkschaft ver.di abgelehnt wurde. Die Arbeitnehmer änderten das Kennwort dann auf "FAIR(Smiley-Bild)die Liste", aber auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt, ebenso wie drei weitere Alternativvorschläge mit einem Smiley.
Das LAG entschied, dass ein Bildzeichen als Teil eines Kennworts unzulässig sei, wenn es lediglich eine Stimmung ausdrückt und keine eindeutige Wortersatzfunktion hat. Weiterhin könne auch das Kennwort "FAIR(Smiley-Bild)die Liste" zu Verwechslungen führen, da es lautsprachlich wie "ver.di-Liste" klinge.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

I. Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2022- 7 BV 98/22 - werden zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 11. und 12.05.2022.

Die Arbeitgeberin, ein Logistik- und Dienstleistungsunternehmen, unterhält am K Flughafen einen Betrieb nebst einem Standort im benachbarten T, in dem ca. 400 Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Gemäß dem am 21.03.2022 beschlossenen und am 29.03.2022 ausgehängten Wahlausschreiben hat der Betriebsrat aus 25 Mitgliedern zu bestehen. Beschlossen wurde, dass die Wahl am 11.05.2022, 7.00 Uhr, bis 12.05.202, 5.00, Uhr im Nichtraucher-Aufenthaltsraum des Bürogebäudes Halle 5 am Flughafen sowie von 19.00 Uhr bis 5.00 Uhr im ehemaligen Raucher-Aufenthaltsraum Fracht West am Flughafen stattfindet. Für den Standort T beschloss der Wahlvorstand die Briefwahl gemäß § 24 Abs. 3 WO. Anders als bei den vorangegangenen Betriebsratswahlen wurde dort kein Wahllokal eingerichtet.

Die Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie waren Mitglieder der Vorschlagsliste 4.

Am 08.04.2022 reichten Mitglieder dieser Liste bei dem Wahlvorstand einen Wahlvorschlag ein, der als Kennwort die Bezeichnung ,,fair.die" trug. Mit Schreiben vom 11.04.2022 beanstandete der Wahlvorstand die Vorschlagsliste als ungültig und begründete dies damit, dass eine phonetische Verwechslungsgefahr mit der Gewerkschaft ver.di bestehe. Der Mangel sei innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen zu beheben.

Mit Schreiben vom 12.04.2022 teilte die Listenführerin daraufhin mit, die Vorschlagsliste 4 solle alternativ das Kennwort "FAIR die Liste" tragen. Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Wahlvorstand mit, dass er das alternative Kennwort ebenfalls für unzulässig halte und gab Gelegenheit zur Behebung des Mangels unter Verweis auf die bereits genannte Frist.

Mit Schreiben vom 14.04.2022 unterbreitete die Listenführerin als weitere alternative Kennwörter folgende Vorschläge zur Auswahl des Wahlvorstands, wobei das  in dem Schreiben als ""SmilieSymbol" ausgeschrieben war:

Fairdie

Fair, die Liste für S und CGN

Fair

Mit Schreiben vom 14.04.2022 lehnte der Wahlvorstand alle Alternativkennwörter erneut mit dem Hinweis auf eine bestehende Verwechslungsgefahr zu der Gewerkschaft ver.di ab und ließ den Wahlvorschlag mit dem aus den Vor- und Familiennamen der Antragsteller zu 1. und 5. gebildeten Kennwort zu.

Am 18.05.2022 wurde das Wahlergebnis im Betrieb bekannt gemacht. Danach fielen auf die Vorschlagsliste der Antragsteller 481 der 2.221 abgegebenen gültigen Stimmen. Von den 25 Sitzen im Betriebsrat entfielen 14 Sitze auf die Liste 3, fünf Sitze auf die Liste 4, drei Sitze auf die Liste 2, zwei Sitze auf die Liste 1 und schließlich ein Sitz auf die Liste 5.

Mit ihrem am 01.06.2022 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangenen Antrag machen die Antragsteller die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend. Sie haben gerügt:

- In dem Wahlausschreiben sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die Anfechtung der Wahl auf Grund eines Fehlers der Wählerliste gemäß § 19 Abs. 3 BetrVG nur ausgeschlossen sei, soweit er auf einen Fehler der Wählerliste gestützt werde, der nicht bereits im Wege des Einspruchs gegen die Wählerliste geltend gemacht wurde.

- Im Wahlausschreiben sei die Briefwahl für den Standort T angeordnet worden, ohne dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 WO vorgelegen hätten.

- Die Zurückweisung des Listenkennworts sowie der alternativen Kennwörter auf Grund einer vom Wahlvorstand angenommenen Verwechslungsgefahr mit der Gewerkschaft ver.di sei nicht rechtmäßig.

- Wahlwerbung der Antragsteller sei beschädigt worden.

- Die Briefwahlunterlagen seien nicht gemeinsam mit den im Betrieb bestehenden Wahlvorschlägen sowie dem Wahlausschreiben versandt worden.

- Einzelne Arbeitnehmer hätten keine Briefwahlunterlagen erhalten, obwohl dies, etwa wegen einer bekannten Langzeiterkrankung, angezeigt gewesen sei. Teilweise seien dagegen Briefwahlunterlagen doppelt versandt worden, sodass mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmer mehr als einen Stimmzettel erhalten hätten.

- Ein namentlich bezeichneter Arbeitnehmer habe Briefwahlunterlagen erhalten und seine Stimme abgegeben, obwohl er bereits am 01.05.2022 aus dem Unternehmen der Arbeitgeberin ausgeschieden sei.

- Der Abdruck der Wählerliste habe nicht vom Tag der Einleitung der Wahl bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme ausgelegen.

- Am Tag der Urnenwahl seien die Mitglieder der Liste 3 an verschiedenen Wahllokalen in neongelben Warnwesten mit erkennbarem Logo anwesend gewesen und hätten deutliche Wahlempfehlungen ausgesprochen. In den Wahllokalen sei Wahlwerbung der Liste 3 angebracht gewesen. Ein Mitglied des Wahlvorstandes habe am Wahltag im Wahllokal an einem der Rechner gesessen, die zur Kontrolle der Wahlberechtigung mittels Wählerliste genutzt worden seien, und habe dabei erkennbar eine Weste der Liste 3 getragen. Zudem habe die Arbeitgeberin es mehreren Mitgliedern der Liste 3 - und nur Mitgliedern der Liste 3 - ermöglicht, im Vorfeld der Wahl während der Arbeitszeit Wahlwerbung zu betreiben und die Arbeitnehmer zu diesem Zweck jedenfalls teilweise freigestellt.

- Zwei namentlich benannten Arbeitnehmern sei die persönliche Stimmabgabe durch den Wahlvorstand mit der unzutreffenden Begründung verwehrt worden, dass sie bereits gewählt hätten.

- Der Wahlvorstand habe als Ort für die Stimmauszählung den Nichtraucher-Aufenthaltsraum im Bürogebäude T bestimmt und als Uhrzeit 06:00 Uhr vorgesehen, obwohl die letztmögliche Stimmabgabe bereits bis 05:00 Uhr am K Flughafen erfolgt sei. Damit habe der Wahlvorstand in Kauf genommen, dass zwischen der Stimmabgabe und dem Beginn der Auszählung mindestens ein Zeitraum von 60 Minuten gelegen habe und eine "unverzügliche" Stimmauszählung nicht habe erfolgen können.

- Nach Auszählung der Stimmen seien in der Poststelle insgesamt 103 ungeöffnete Briefwahlumschläge aufgefunden worden, die - obgleich rechtzeitig versandt - nicht bei der Stimmauszählung berücksichtigt worden seien.

Die Antragsteller haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 11.05.2022 und 12.05.2022 im Betrieb der Arbeitgeberin für unwirksam zu erklären.

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie sind den Vorwürfen der Antragsteller entgegengetreten und haben wesentliche Verstöße gegen das Wahlverfahren bestritten.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass der Standort in T vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt liege, da die Fahrtzeit zwischen den Betriebsstätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen 39 Minuten und einer Stunde und sechs Minuten betrage.

Die vorgeschlagenen Kennwörter hätten sämtlich und insbesondere für Nicht-Muttersprachler phonetisch und schriftbildlich einen eindeutigen Bezug zu der Gewerkschaft "ver.di" aufgewiesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich das unzulässige Kennwort bereits bei der Sammlung der Stützunterschriften ausgewirkt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl mit einem am 25.11.2022 verkündeten Beschluss für unwirksam erklärt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, indem er die von den Antragstellern eingereichte Liste 4 nach Streichung des Kennworts mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten bezeichnet habe. Dahinstehen könne insoweit, ob die Antragsteller die Aufnahme eines Smiley-Symbols als Bestandteil des Listenkennworts verlangen konnten. Denn insoweit wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, den bildlichen Bestandteil des gewünschten Kennwortes wegzulassen und ausschließlich den Wortbestandteil zu verwenden. Es sei nicht unbedingt erforderlich, dass der Wahlvorstand die Kennworte aus den Vorschlagslisten völlig unverändert in die Stimmzettel übernehme. Unter Berücksichtigung dieser Wertung wäre es nicht zu beanstanden gewesen, wenn aus einer Wort-Bild-Kombination ein etwaig unzulässiger Bildbestandteil wie das Smiley entfernt und lediglich die Wortbestandteile herangezogen worden wäre. Dem Kennwort "FAIR die Liste" wohne keine Gefahr der Irreführung in dem Sinne inne, dass der unzutreffende Eindruck erweckt werden könnte, es handele sich bei der Liste um einen Wahlvorschlag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auf die Liste 4 eine andere Anzahl von Stimmen und Betriebsratssitzen entfallen wäre, wenn die Liste mit dem vorgeschlagenen Kennwort statt mit den Familien- und Vornamen der beiden ersten in der Liste benannten Wahlbewerbenden bezeichnet worden wäre. Denn dem Kennwort komme eine identitätsstiftende und werbende Funktion zu.

Gegen diesen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin jeweils am 22.12.2022 zugestellten Beschluss richten sich die jeweils am 17.01.2023 eingelegten Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin, welche die Arbeitgeberin nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 22.03.2023 mit einem am 20.03.2023 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz und der Betriebsrat ebenfalls nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 22.03.2023 mit einem an diesem Tag bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

Der Betriebsrat wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, der Wahlvorstand habe die Liste der Antragsteller berechtigterweise nach den ersten beiden aufgeführten Wahlbewerbern benannt. Allen Kennwörtern laste aufgrund der Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Verwechslungsgefahr mit der Gewerkschaft ver.di an. Rechtsfehlerhaft habe das Arbeitsgericht dahinstehen lassen, ob die Antragsteller die Aufnahme des Smiley-Symbols hätten verlangen können. Der Wahlvorstand sei nicht berechtigt, Streichungen von unzulässigen Kennwortbestandteilen vorzunehmen bzw. zulässige Abwandlungen einzubringen.

Auch die Arbeitgeberin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält die Verwendung eines Bildbestandteils für unzulässig. Zudem sei der Bildbestandteil "☺" mehrdeutig und problematisch im Hinblick auf sehbehinderte Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin meinen, der Standort in T sei räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb gelegen. Zu berücksichtigen seien dabei die sicherheitsrelevanten Zugangskontrollen für den Flughafen K. Die Arbeitnehmer des auswärts gelegenen Standorts hätten zunächst einen Sicherheits-Check-In durchlaufen müssen, um das Innere des Flughafengeländes betreten zu können/dürfen. Anschließend wäre ein Shuttle-Transport von der Bushaltestelle oder ein Fußweg bis zum Betrieb notwendig gewesen, was jeweils zusätzlich ca. eine halbe Stunde in Anspruch genommen hätte.

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat beantragen,

den Beschluss des ArbG Köln vom 25.11.2022 - 7 BV 98/22 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die erstinstanzlich vorgebrachten Anfechtungsgründe aufrecht und verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Vertiefung ihres Sachvortrags.

Durch das Weglassen des Smileys wäre es - so die Ansicht der Antragsteller - weder zu einer Irreführung noch zu einer Identitätsveränderung des ursprünglichen Kennwortes gekommen. Das Smiley bilde lediglich einen kreativen Annex zu den Wortbestandteilen "Fair" und "die Liste". Der identitätsbildende und werbende Teil des Kennwortes sei das Wort "Fair".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaften, gemäß §§ 89 Abs. 2, 87Abs. 2 Satz1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegten und insgesamt zulässigen Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin sind unbegründet. Die Betriebsratswahl vom 11.05.2022 und 12.05.2022 ist unwirksam.

1.) Die formellen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind hier erfüllt. Die Antragsteller sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als wahlberechtigte Arbeitnehmer anfechtungsberechtigt. Der auf die Unwirksamkeitserklärung der Betriebsratswahl gerichtete Antrag ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und damit innerhalb der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bei dem Arbeitsgericht eingegangen

2.) Auch die materiellen Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG sind gegeben, weil bei der Wahl gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren verstoßen wurde und dadurch das Wahlergebnis hätte verändert oder beeinflusst werden können.

a) Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung hat der Wahlvorstand aber nicht dadurch gegen eine wesentliche Wahlvorschrift verstoßen, dass er die von den Antragstellern eingereichte Liste 4 nach Streichung des Kennworts mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten bezeichnet hatte.

aa) Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 WO muss der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten, wenn diese nicht mit einem Kennwort versehen sind, mit Familienname und Vorname der beiden an erster Stelle Benannten bezeichnen. Er hat die Vorschlagsliste nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Der Wahlvorstand muss alle Umstände prüfen, die geeignet sind, die Gültigkeit eines Wahlvorschlags in Frage zu stellen und die der Wahlvorstand aufgrund der äußeren Gestaltung der eingereichten Urkunde unschwer erkennen kann (BAG, Beschluss vom 16. Januar 2018 - 7 ABR 11/16 -, Rn. 45, juris). Bei der Prüfung des Vorhandenseins eines Kennworts kann der Wahlvorstand auch dessen Zulässigkeit prüfen (BAG, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 7 ABR 40/11 -, BAGE 145, 120-127, Rn. 19).

bb) Als Kennwörter können grundsätzlich beliebige Begriffe und Namen gewählt werden (GK/Jacobs, 12. Aufl. 2022, § 7 WO, Rn. 6), so lange sie keinen strafbaren, diskriminierenden, beleidigenden oder irreführenden Charakter haben oder eine Verwechslungsgefahr zwischen mehreren Vorschlagslisten eintritt (BAG, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 7 ABR 40/11 -, BAGE 145, 120-127, Rn. 20). Unzulässig ist auch ein Kennwort, wenn es den unzutreffenden Eindruck erweckt, es handele sich bei der Liste um den Wahlvorschlag einer Gewerkschaft (BAG, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - 7 ABR 4/15 -, Rn. 24, juris; BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1966 - VII P 5.65 -, juris).

cc) Die von der Liste 4 angegebenen Kennwörter waren unzulässig.

(1) Das zunächst mit der Vorschlagsliste versehene Kennwort "fair.die" bot eine Verwechslungsgefahr mit der Gewerkschaft ver.di. Dass sich die Kennwörter nach der Schreibweise her nicht gleichen, gilt nicht für ihre Aussprache. In einer mündlichen Diskussion der Wähler im Betrieb über die Wahlvorschläge bestand damit die Gefahr, dass aufgrund des fast gleichen sprachlichen Klangs der beiden Kennwörter diese nicht auseinandergehalten werden konnten und dies letztlich einen irreführenden Einfluss auf die Wähler und damit das Wahlergebnis haben konnte. Hinzu kommt, dass diese Liste durch die Verwendung eines Kennwortes den Eindruck hätte erwecken können, dass hinter ihr eine Gewerkschaft stehe. Dies hat bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall zutreffend aufgezeigt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. August 2020 - 10 TaBV 42/19 -, Rn. 32, juris).

(2) Die Kennwörter, die ein  enthielten, waren ebenfalls unzulässig. Das schließt die mit Schreiben vom 14.04.2022 dem Wahlvorstand zur Auswahl angebotenen Alternativkennwörter ein. Auch wenn die Smileys in diesem Schreiben mit der Bezeichnung "SmilieSymbol" verschriftlicht waren, war klar, dass es der Liste 4 um die Verwendung des Emoticons ging. Die Antragsteller bestätigen dies in der Antragsschrift, indem sie bei der Wiedergabe dieser Kennwörter das  verwenden. Ein Bildzeichen ist aber als Bestandteil eines Kennworts unzulässig, wenn es, wie das Smiley, lediglich einen Stimmungs- oder Gefühlszustand ausdrückt, keine eindeutige Wortersatzfunktion hat und demgemäß üblicherweise nicht mit ausgesprochen wird.

(2.1) § 7 Abs. 2 Satz 1 WO spricht ausdrücklich von einem "Kennwort". Wie sich bereits aus diesem zusammengesetzten Begriff ergibt, muss der Listenname daher nicht nur die notwendige Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft bieten, sondern auch die Eigenschaft eines Wortes aufweisen, also aus einer Buchstabenreihe bestehen, einer definierten Lautfolge entsprechen und mithin aussprechbar sein. Diese Voraussetzung erfüllt ein Emoticon wie das Smiley nicht. Emoticons sind speziell für die schriftliche Kommunikation entwickelt worden, um dem nicht sichtbaren und zuweilen unbekannten Kommunikationspartner die Entschlüsselung des Bedeutungskontextes zu erleichtern. Anders als bei gebräuchlichen Abkürzungen oder mit Worten hinterlegten Sonderzeichen wie etwa dem kaufmännischen "und" (&) kann das Bildzeichen lediglich beschrieben werden. Es lässt sich nicht einfach als "Smiley" aussprechen, da "Smiley" lediglich der Oberbegriff für die grafische Darstellung eines Gesichtsausdrucks ist und je nach Ausgestaltung unterschiedliche Stimmungs- und Gefühlszustände vermittelt.

(2.2) Dass eine namentliche Kennzeichnung aussprechbar sein muss, ist dem deutschen Recht nicht fremd. Denn nur so kann sie im Rechts- und Geschäftsverkehr ihre Namensfunktion erfüllen (vgl. zur Firma eines Kaufmanns BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 - II ZB 15/21 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZB 46/07 -, Rn. 10, juris). Dies gilt auch für das Kennwort einer Vorschlagsliste. Durch nicht aussprechbare Bestandteile würden Gesamtbedeutung und Aussagekraft des aus einer definierten Lautfolge und einem Bildzeichen zusammengesetzten Kennworts in der innerbetrieblichen Diskussion verwässert. Das Kennwort verlöre damit nicht nur wesentlich an Kennzeichnungskraft. Im vorliegenden Fall hätte darüber hinaus eine konkrete Verwechslungsgefahr bestanden. Denn die Kennwörter "FAIR die Liste" und "Fair, die Liste für S und CGN" klingen lautsprachlich wie "ver.di-Liste" bzw. "ver.di-Liste für S und CGN" und hätten so den irreführenden Eindruck erwecken können, dass eine Gewerkschaft hinter der Liste 4 stehe.

(2.3) Hinzu kommt, dass die Kombination eines Wortes mit einem Bildzeichen insbesondere bei mittleren Schriftgrößen, wie sie typischerweise bei der Bekanntmachung der Wahlvorschläge und auf Stimmzetteln verwendet werden, regelmäßig schwerer zu erkennen ist als ein nur aus Buchstaben zusammengesetzter Listenname. Zu Recht weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass etwa sehbehinderte Arbeitnehmer Kennwörter mit Bildzeichen dann unter Umständen nicht so erfassen, wie andere Beschäftigte, die von dem Kennwort sowohl einen akustischen als auch einen visuellen Eindruck erhalten, und die mit dem Bildzeichen verbundenen Ausdruckswillen eher erkennen können.

(3) Der Wahlvorstand hätte die Verwendung eines der mit Schreiben des Betriebsrats vom 14.04.2022 vorgeschlagenen Alternativkennwörter schon deswegen nicht zulassen dürfen, weil ihm die Auswahl des Kennworts überlassen wurde. Die Bestimmung des Kennworts ist als Bestandteil der Vorschlagsliste der Liste selbst vorbehalten (vgl. GK/Jacobs, 12. Aufl. 2022, § 7 WO, Rn. 6). Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung darf der Wahlvorstand ein unzulässiges Kennwort auch nicht nach seinen Vorstellungen im vermeintlichen Interesse der Vorschlagsliste anpassen und auf seinen zulässigen Inhalt reduzieren. Nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 WO darf der Wahlvorstand eine Liste selbst mit einem Kennwort versehen, wobei der Listenname in diesem Fall zwingend aus dem Familiennamen und Vornamen der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten bestehen muss. Darüber hinaus hat der Wahlvorstand kein Recht zur Veränderung der Vorschlagsliste (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 1987 - 6 ABR 79/85 -, BAGE 57, 106-113, Rn. 19). Im Übrigen war es für den Wahlvorstand nicht erkennbar, dass das Smiley lediglich einen kreativen Annex zu den Wortbestandteilen "Fair" und "die Liste" habe bilden sollen. Die Antragsteller hatten dies jedenfalls nicht zu verstehen gegeben. Vielmehr deutete ihr Schreiben vom 14.04.2022 darauf hin, dass die das Emoticon als unverzichtbaren Bestandteil des Kennworts ansahen.

dd) Richtigerweise hat der Wahlvortand die unzulässigen Kennwörter nicht zum Anlass genommen, die Liste 4 von der Wahl auszuschließen. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung regeln nicht ausdrücklich, wie ein Wahlvorstand zu verfahren hat, wenn eine eingereichte Vorschlagsliste ein unzulässiges Kennwort enthält. § 7 Abs. 2 Satz 1 WO betrifft dem Wortlaut nach nur den Fall, dass die Liste gar nicht mit einem Kennwort versehen ist. Auch wenn das Kennwort für alle Beteiligten ein wichtiges Merkmal des eingereichten Wahlvorschlags ist, das Kennwort sich bereits bei der Sammlung von Stützunterschriften ausgewirkt haben kann und die freie Willensentscheidung der Wahlberechtigten verletzt ist, wenn der von ihnen unterzeichnete Wahlvorschlag nachträglich ohne ihr Einverständnis abgeändert wird (BAG, Beschluss vom 15. Dezember 1972 - 1 ABR 8/72 -, BAGE 24, 480-486, Rn. 22), folgt aus der Unzulässigkeit dieses Kennworts nicht die Ungültigkeit des Wahlvorschlags. Vielmehr ist es geboten, § 7 Abs. 2 Satz 1 WO entsprechend anzuwenden und ein unzulässiges Kennwort wie ein fehlendes Kennwort zu behandeln. Es ist auch nicht Aufgabe des Wahlvorstands zu prüfen, ob Wähler bei der Sammlung von Stützunterschriften beim Wahlvorschlag getäuscht wurden (BAG, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 7 ABR 40/11-, BAGE 145, 120-127, Rn. 28, 31). Daher war der Wahlvorstand gehalten, die Kennwörter der Liste 4 abzulehnen und die Liste mit Familiennamen und Vornamen der beiden in der Liste an erster Stelle benannten Wahlbewerber zu bezeichnen.

b) Der Wahlvorstand verstieß jedoch gegen die wesentliche Wahlverfahrensvorschrift des § 24 Abs. 3 WO, als er die schriftliche Stimmabgabe für den Standort T beschloss.

aa) Nach § 24 Abs. 3 WO ist die generelle Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für bestimmte Betriebsbereiche nicht in das Ermessen des Wahlvorstands gestellt, sondern nur für solche zum Wahlbetrieb gehörenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe zulässig, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der durch § 14 Abs. 1 BetrVG gewährleistete Grundsatz der geheimen Wahl bei der Briefwahl größeren Gefahren ausgesetzt ist als bei der Urnenwahl. Die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe kommt auf Grundlage von § 24 Abs. 3 WO nur in Betracht, wenn es den Arbeitnehmern nicht möglich oder nicht zumutbar ist, ihre Stimme persönlich im Wahllokal abzugeben (ausführlich BAG, Beschluss vom 16. März 2022 - 7 ABR 29/20 -, Rn. 24 - 29, juris).

bb) Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben.

(1) Bei dem Standort T handelt es sich zwar um einen Betriebsteil iSd. § 4 Abs. 1 BetrVG, da er unstreitig über ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb am Flughafen verfügt. Der Betriebsteil ist jedoch nicht räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt, sondern liegt in unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände. Der Flughafen ist über die Autobahn A 59 mit einem Kraftfahrzeug regelmäßig in zehn Minuten zu erreichen (Fahrstrecke 8,5 km). Die räumliche Nähe des Betriebsteils zum Hauptbetrieb ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil sich die wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebsteils nach dem Vortrag des Betriebsrats und der Arbeitgeberin einer Sicherheitsüberprüfung hätten unterziehen und weil sie noch sicherheitsrelevante Zugangskontrollen für den Flughafen und den Weg über das Flughafengelände zu den Wahllokalen hätten überwinden müssen. Solche Aspekte sind für die Beurteilung, ob es den Wahlberechtigten außerhalb des Betriebsgeländes liegender Betriebsbereiche aufgrund der geographischen Lage zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vor allem vermögen sie nicht das Fehlen der von § 24 Abs. 3 WO geforderten räumlich weit entfernten Lage zu kompensieren (BAG, Beschluss vom 16. März 2022 - 7 ABR 29/20 -, Rn. 38, juris).

(2) Hinzu kommt, dass der Wahlvorstand den aus seiner Sicht hinderlichen Sicherheitsanforderungen und Wegstrecken auf dem Flughafengelände problemlos durch die Einrichtung eines dritten Wahllokals im Betriebsteil T hätte Rechnung tragen können (vgl. zu dieser Möglichkeit BAG, Beschluss vom 16. März 2022 - 7 ABR 29/20 -‍, Rn. 26, juris).

(3) Dass die Coronapandemie bei Anordnung der Briefwahl noch nicht abgeklungen war und dass wahlberechtigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl im Homeoffice arbeiteten, kann die generelle Anordnung der Briefwahl ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn die Coronapandemie war auch im Hauptbetrieb nicht beendet und den Anliegen der voraussichtlich nicht im Betrieb anwesenden Arbeitnehmern hätte ggf. gemäß § 24 Abs. 2 WO durch Übersendung der Wahlunterlagen Rechnung getragen werden können. Sie hätten dann zwischen der Briefwahl und der persönlichen Stimmabgabe wählen können (vgl. Fitting, 31. Aufl. 2022, § 24 WO, Rn. 18).

c) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 24 Abs. 3 WO anders ausgefallen wäre. Denn es ist nicht undenkbar, dass wahlberechtigte Personen der betroffenen Betriebsstätten, die ihre Stimme bei der Wahl nicht abgegeben haben, an der Wahl teilgenommen hätten, wenn die schriftliche Stimmabgabe für diese Bereiche nicht beschlossen worden wäre. Diese Personen könnten davon ausgegangen sein, ausschließlich per Briefwahl wählen zu können, diese Möglichkeit aber zeitlich verpasst oder den darin liegenden Aufwand gescheut haben. Zudem kann eine Beeinflussung des Wahlverhaltens derjenigen Personen nicht ausgeschlossen werden, die tatsächlich durch Briefwahl gewählt haben. Bei der schriftlichen Stimmabgabe müssen sich die Wähler regelmäßig bereits vor dem eigentlichen Wahltag entscheiden, damit ihr Wahlbrief rechtzeitig beim Wahlvorstand eingeht. Dadurch kommt es für die einzelnen Arbeitnehmer zu zeitlich versetzten Wahlen. Da zwischen der Stimmabgabe unter Umständen mehrere Tage liegen können, ist nicht auszuschließen, dass Wahlberechtigte anders gewählt hätten, wenn sie persönlich ihre Stimme abgegeben hätten (BAG, Beschluss vom 16. März 2022 - 7 ABR 29/20 -, Rn. 43, juris). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass nach der Wahl 103 ungeöffnete Briefwahlumschläge gefunden worden waren und nicht auszuschließen ist, dass die Stimmen dieser Wahlberechtigten bei einer persönlichen Stimmabgabe im Wahlergebnis Berücksichtigung gefunden hätten.

III.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil ihre Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nach den Voraussetzungen für eine generelle schriftliche Stimmabgabe durch das Bundesarbeitsgericht geklärt ist.



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