Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 120/14

Arbeitgeber darf nach 20 Jahren noch versetzen

Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen.

Hier: Wird eine Krankenschwester über etwa 20 Jahre lang auf denselben Stationen beschäftigt, so führt allein diese Tatsache nicht dazu, dass der Arbeitgeber sie nicht auf eine andere Station versetzen darf.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Januar 2014, Az. 4 Ca 2301/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang des Direktionsrechts der Beklagten.

Die 1959 geborene Klägerin ist seit 01.10.1979 im Krankenhaus der Beklagten in A-Stadt angestellt. Sie wurde als Krankenschwester eingestellt, mit Wirkung ab 01.10.1992 zur Gruppenschwester und ab 01.04.2001 zur Stationsschwester befördert. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt einschließlich Stationsleitungszulage € 3.390,12. Die Beklagte beschäftigt in drei Betriebsstätten in C-Stadt und A-Stadt etwa 1.800 Arbeitnehmer. Es besteht eine Mitarbeitervertretung. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung gelten für das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung.

Die Klägerin war vom 16.11.2011 bis 18.04.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss nahm sie ihren Resturlaub bis 21.05.2013. Seit 22.05.2013 wird sie von der Beklagten wieder in A-Stadt beschäftigt. Zwischen den Parteien fanden vor Arbeitsantritt mehrere Gespräche über den Einsatz der Klägerin nach ihrer Genesung statt. Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden. Am 30.04.2013 sandte die Pflegedienstleiterin der Klägerin folgende E-Mail:

"Liebe Schwester ,

hiermit möchten wie Ihnen mitteilen, wo wir uns Ihren Einsatz nach der Krankheitsphase vorstellen können.

Wir werden Ihnen die Möglichkeit geben, auf der Station 1 einzusteigen. Dabei räumen wir Ihnen dieselben Konditionen ein, wie in dem Angebot in C-Stadt als Wiedereinstieg.

Für die Dauer von drei Monaten würde Ihr Frühdienst um 7.00 Uhr beginnen und der Spätdienst um 19.00 Uhr enden. In dieser Zeit haben Sie Gelegenheit, sich in das Fachgebiet einzuarbeiten und wieder in Ihrem Beruf Fuß zu fassen. Anschließend werden Sie gemeinsam mit Schwester W. über Aufgabenteilung im Leitungsbereich beraten. Dies ist so auch mit Schwester W. besprochen.

Alternativ planen wir einen Patientenservice für den Wahlleistungsbereich. Hier geht es um besonderen Service (Hotelleitung) für Wahlleistungspatienten. Wenn Sie daran Interesse haben, lassen Sie es uns wissen. Es ist dann kein spezifischer Arbeitsbereich in der Pflege.

Bitte geben Sie uns eine Rückmeldung zu diesen Optionen."

Mit Anwaltschreiben vom 16.05.2013 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr nach Rückkehr aus dem Erholungsurlaub den arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte sei verpflichtet, sie auf ihre alte Stelle zurückkehren zu lassen. Die Beklagte antwortete mit Anwaltschreiben vom 21.05.2013, sie habe der Klägerin die Tätigkeit als Stationsleitung ab 22.05.2013 zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen auf Station 1 angeboten. Alle übrigen Angebote habe die Klägerin abgelehnt. Eine Vertragsänderung beinhalte die Tätigkeit als Stationsleitung auf Station 1 nicht.

Die Klägerin wurde ab 22.05.2013 auf Station 1 beschäftigt. Sie legte der Beklagten ein ärztliches Attest vom 06.06.2013 vor, wonach sie nicht mehr im Schichtdienst eingesetzt werden könne. Laut fachärztlichem Attest eines Psychiaters vom 02.08.2013 kann die Klägerin ausschließlich im Tagesschichtbetrieb arbeiten. In einer psychotherapeutische Stellungnahme vom 03.08.2013, die die Klägerin der Beklagten ebenfalls vorgelegt hat, heißt es ua.:

"... Frau A. ist seit November 2011 bei mir in psychotherapeutischer Behandlung. Sie hatte eine mittelgradige Erschöpfungsdepression mit erhöhter Angstsymptomatik entwickelt, die im Wesentlichen auf die berufliche Überforderungssituation zurückführbar war. Durch ständige Arbeitsverdichtung, Unklarheit der Strukturen und Zuständigkeiten usw. hatten berufliche Konflikte zugenommen.

...

Aus der medizinischen Reha-Behandlung an den M. H.-Kliniken B. C. (05.12.12-31.01.13) wurde Frau A. arbeitsunfähig entlassen: „... konnte keine psychische Stabilisierung der Pat. erreicht werden. Zusätzlich ist bei Rückkehr in das durch Mobbing belastete Umfeld des letzten Arbeitsplatzes von einer erneuten psychischen Dekompensation auszugehen ... .

..."

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.01.2014 Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Stationsleitung auf den Stationen 4B, 5A und 5B im B.krankenhaus A-Stadt zu beschäftigen,

festzustellen, dass die sich am Schreiben vom 30.04.2013 orientierende Versetzung vom 22.05.2013 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29.01.2014 teilweise stattgegeben und - unter Abweisung der Klage im Übrigen -

die Beklagte verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Stationsleitung zu beschäftigen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Beschäftigungsantrag zu 1) sei zulässig, denn er nenne die Art der begehrten Beschäftigung und die erstrebten Einsatzorte. Der Antrag sei teilweise begründet, denn die Klägerin habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Stationsleitung. Die Beklagte sei verpflichtet, die Klägerin mit allen Aufgaben und Befugnissen einer Stationsleiterin zu versehen. Hierzu gehöre auch die übliche Information über anstehende Leitungstreffen und die Übertragung der Dienstplangestaltung. Der weitergehende Beschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch darauf habe, ausschließlich auf den Stationen 4B,5A und 5B beschäftigt zu werden. Der Klageantrag zu 2) sei zulässig, jedoch unbegründet. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nicht die alleinige Stationsleiterin der Station 1 sei, sondern sich die Aufgaben mit Schwester W. teilen solle. Mit Blick auf das Krankheitsbild der Klägerin (vgl. die psychotherapeutische Stellungnahme vom 03.08.2013) sei die organisatorische Maßnahme nicht unbillig. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 9 bis 18 des erstinstanzlichen Urteils vom 29.01.2014 Bezug genommen.

Gegen das am 10.02.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 10.03.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 07.04.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht zur Begründung der Berufung im Wesentlichen geltend, sie habe einen vertraglichen Anspruch darauf, als Stationsleitung auf den Stationen 4B,5A und 5B beschäftigt zu werden. Zumindest für die Station 5A folge der Anspruch aus dem Schreiben vom 22.07.1992 iVm. dem Schreiben vom 24.07.1992. Bei der "Gruppe 10" handele sich um die heutige Station 5A. Im Übrigen habe sich ihr Anspruch durch langjährige unveränderte Beschäftigung auf den genannten Stationen konkretisiert. Sie habe neben dem Zeitmoment Umstände vorgetragen, aus denen sich ableiten lasse, dass die Beklagte auf ihren Einsatz auf anderen Stationen für alle Zukunft verzichten wolle. Sie habe auf den bisher geleiteten Stationen langjährige Fachkenntnisse erworben, die sie auf Station 1 nicht habe und auch nicht ohne weiteres erwerben könne. Gerade in der Position einer Stationsleitung sei es unabdingbar, auf dem Fachgebiet der entsprechenden Station besondere Kenntnisse zu haben.

Die Zuweisung der Tätigkeit als eine von zwei Stationsleiterinnen auf Station 1 sei unbillig. Die Beklagte habe ihre Belange bei der Ermessensausübung nicht berücksichtigt. Besonders pikant sei, dass ihre Gesundheit zunächst durch einzelne Maßnahmen geschädigt worden sei und anschließend das Krankheitsbild zur Rechtfertigung der Versetzung herangezogen werde. Die Beklagte habe ihr bislang nicht die Aufgaben und Kompetenzen einer Stationsleitung übertragen. Deshalb habe sie zwischenzeitlich ein Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 07.04.2014 und vom 20.06.2014 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.01.2014, Az. 4 Ca 2301/13, teilweise abzuändern und in Gänze nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 12.05.2014 auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die Berufung sei bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ausschließliche Beschäftigung auf den Stationen 4B, 5A und 5 B. Sie habe zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dass sie auf den Einsatz der Klägerin auf anderen Stationen für alle Zukunft verzichten wolle. Die Klägerin werde seit Mai 2013 auf der Station 1 als Stationsleitung beschäftigt. Sie habe im Vorfeld der hier streitgegenständlichen Weisung vom 30.04.2013 die Belange der Klägerin umfassend und angemessen berücksichtigt. Eine weitere Beschäftigung der Klägerin auf den Stationen 4B, 5A und 5B sei schon aus rein tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich, weil diese Stationen nicht mehr in der Form wie vor der Erkrankung der Klägerin bestünden (Neubau der Station 4A, Veränderung des Fachabteilungsspektrums). Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf Station 5 sei auch deshalb nicht möglich, weil sich sowohl die Mitarbeiter der Station als auch der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung gegen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf dieser Station ausgesprochen haben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).

II.  In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Antrag zu 1) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Stationsleiterin auf den Stationen 4B, 5A und 5B des Krankenhauses in A-Stadt beschäftigt zu werden. Der Antrag zu 2), der darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die sich am Schreiben vom 30.04.2013 orientierende Versetzung vom 22.05.2013 unwirksam ist, ist unzulässig.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, von der Beklagten ausschließlich als Stationsleiterin auf den Stationen 4B, 5A und 5B des Krankenhauses in A-Stadt beschäftigt zu werden.

a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO eine andere Krankenhausstation als die bisherige zuzuweisen.

Der schriftliche Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 24.07.1979 enthält keine Festlegung, dass die Klägerin nur auf bestimmten Stationen des Krankenhauses in A-Stadt beschäftigt werden darf. Auch aus den Nachträgen Nr. 2 und Nr. 3 zum Arbeitsvertrag vom 24.07.1992 und vom 08.03.2001 lässt sich eine derartige Festlegung nicht herleiten. In diesen Nachträgen wurde unter ausdrücklicher Beibehaltung aller übrigen vertraglichen Verpflichtungen vereinbart, dass die Klägerin ab 01.10.1992 als Gruppenschwester und ab 01.04.2001 als Stationsschwester beschäftigt wird. Bestimmte Stationen des Krankenhauses sind nicht genannt.

Entgegen der Ansicht der Berufung lässt sich dem Schreiben der Beklagten vom 22.07.1992 kein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf ausschließliche Beschäftigung auf den Stationen 4B, 5A und 5B entnehmen. Die Beklagte hat der Klägerin mit diesem Schreiben lediglich mitgeteilt, dass sie aus der Anzahl von Bewerbern zur "Gruppenleitung auf Gruppe 10" ausgewählt worden sei. Ein darüber hinaus gehender Erklärungswille der Beklagten ist nicht erkennbar.

Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf die Stationen 4B, 5A und 5B konkretisiert, dass sie seit 01.04.2001 nur dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 28.08.2013 - 10 AZR 537/12 - Rn. 34, Juris mwN.).

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass derartige besondere Umstände im Streitfall nicht vorliegen. Allein der langjährige Einsatz der Klägerin auf den Krankenhausstationen 4B, 5A und 5B rechtfertigt nicht das Vertrauen darauf, dass sie "für alle Zukunft" nur noch auf diesen Stationen eingesetzt werden darf. Auch der Hinweis der Berufung auf die langjährigen Fachkenntnisse, die die Klägerin auf den genannten Stationen erworben habe, verfängt nicht. Der Erwerb besonderer Fachkenntnisse ist eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung des Arbeitseinsatzes auf bestimmte Stationen.

b) Die Beklagte hat die Grenzen billigen Ermessens gewahrt. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beklagte die Klägerin seit dem 22.05.2013 auf Station 1 des Krankenhauses in A-Stadt einsetzt. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. näher ua.: BAG 15.05.2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 34 f. mwN).

Diesen Maßgaben wird die von der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung, die Klägerin ab 22.05.2013 auf der Station 1 einzusetzen, gerecht. In der psychotherapeutischen Stellungnahme vom 03.08.2013, die die Klägerin der Beklagten vorgelegt hat, ist ausgeführt, dass sie eine mittelgradige Erschöpfungsdepression mit erhöhter Angstsymptomatik entwickelt habe, die im Wesentlichen auf die "berufliche Überforderungssituation" zurückführbar sei. Sie sei am 31.01.2013 arbeitsunfähig aus der Reha-Behandlung entlassen worden, weil keine psychische Stabilisierung habe erreicht werden. Bei Rückkehr in das durch Mobbing belastete "Umfeld des letzten Arbeitsplatzes" sei von einer erneuten psychischen Dekompensation auszugehen.

Wenn sich die Beklagte unter diesen Umständen - ausweislich des Wortlauts der E-Mail der Pflegedienstleiterin vom 30.04.2013 - dazu entschließt, die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus der langandauernden Krankheitsphase auf der Station 1 einzusetzen, überschreitet sie die Grenzen billigen Ermessens nicht. Die Klägerin übersieht, dass es Sache des Arbeitgebers ist, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, wie sie hier vorliegen (so ausdrücklich: BAG 24.04.1996 - 5 AZR 1031/94 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48). Es ist unstreitig, dass es vor der Erkrankung der Klägerin zu "erheblichen Komplikationen auf den Stationen 4 und 5" gekommen ist.

c) Das Arbeitsgericht hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass keine Zustimmung der Mitarbeitervertretung zum Einsatz der Klägerin ab 22.05.2013 erforderlich war, weil kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliegt.

Nach § 39 MAVO ist nur die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit, die Versetzung an eine andere Einrichtung oder die mit einem Ortswechsel verbundene Versetzung in derselben Einrichtung zustimmungspflichtig. Darum handelt es sich hier nicht. Entgegen der Ansicht der Berufung liegt keine niedriger zu bewertende Tätigkeit vor. An der Wertigkeit der Tätigkeit der Klägerin und ihrer Eingruppierung nach den AVR des Deutschen Caritasverbandes hat sich nichts geändert.

2. Der Feststellungsantrag zu 2) ist unzulässig. Die Klägerin will festgestellt haben, dass die sich am Schreiben (genauer: am Inhalt der E-Mail der Pflegedienstleiterin) vom 30.04.2013 orientierende Versetzung vom 22.05.2013 unwirksam ist. Die Klägerin hat für diesen Antrag kein besonderes Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.

Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Sie können die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen (BAG 25.08.2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 12, AP GewO § 106 Nr. 11). Wie sich aus dem Wort "kann" in § 259 ZPO ergibt, steht den Klägern ein Wahlrecht zu (BAG 29.10.1997 - 5 AZR 573/96 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51). Dies hat die Klägerin im vorliegenden Fall zugunsten der Leistungsklage ausgeübt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte im Urteil vom 29.01.2014 - insoweit rechtskräftig - verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Stationsleitung zu beschäftigen. Mit dem Feststellungsantrag 2) kann die Klägerin nichts Anderes oder Weitergehendes klären. Ein gesondertes Interesse an der mit dem Antrag zu 2) begehrten Feststellung ist weder vorgetragen noch erkennbar.

Auch als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO wäre der Feststellungsantrag zu 2) unzulässig, denn er zeitigt vorliegend keine weitergehenden Folgen als die mit dem Leistungsantrag zu 1) geltend gemachte Verpflichtung, die Klägerin zu "unveränderten Arbeitsbedingungen als Stationsleitung" zu beschäftigen. Darauf, ob das arbeitsgerichtliche Urteil - soweit es der Klage stattgeben hat - bestimmt genug ist, weil der Streit der Parteien darüber, ob die Beklagte im Einzelfall ihr Weisungsrecht nach § 106 GewO ordnungsgemäß ausgeübt hat, nicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren gehört, kommt es hier nicht an.

III.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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