Arbeitsgericht Aachen

- Az: 8 Ca 2199/22

Arbeitnehmer muss Leasingraten für Dienstrad auch bei Krankengelbezug selbst zahlen

1. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Leasingvertrags ein E-Bike zur Verfügung und verpflichtet sich der Arbeitnehmer, die monatlichen Leasingraten dem Arbeitgeber zu erstatten, was nach der Vereinbarung im Rahmen einer Entgeltumwandlung abgewickelt wird, so hat der Arbeitnehmer jedenfalls bei entsprechender Vereinbarung die monatlichen Raten auch während entgeltfreier Beschäftigungszeiten zu entrichten.

2. Die Vereinbarung zur Leistung der Raten auch bei entgeltfreien Beschäftigungszeiten weicht nicht von Rechtsvorschriften ab. Eine Kontrolle nach dem Maßstab allgemeiner Geschäftsbedingungen findet daher nicht statt (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB).

3. Selbst wenn man die Klausel als kontrollfähige Preisnebenabrede ansähe, benachteiligt sie den Arbeitnehmer weder unangemessen noch ist sie als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden.
(Leitsätze des Gerichts)

Im konkreten Streitfall ist die beklagte Arbeitgeberin Leasingnehmerin für zwei Fahrräder, die dem klagenden Arbeitnehmer im Rahmen des sog. „JobRad-Modells“ zur Nutzung überlassen wurden. Die Leasingraten wurden durch eine Entgeltumwandlung vom monatlichen Bruttoarbeitsentgelt abgezogen. Als der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde und Krankengeld erhielt, zahlte er während dieser Zeit keine Leasingraten an die Beklagte. Nach seiner Genesung zog die Beklagte die ausstehenden Leasingraten von der nächsten Entgeltzahlung ab.
Der Kläger klagte auf Rückerstattung des einbehaltenen Entgeltabzugs und argumentierte, dass die Klauseln des Fahrradüberlassungsvertrags nicht transparent seien und er unangemessen benachteiligt werde – ohne Erfolg.
Die Beklagte sei berechtigt, im Rahmen einer Aufrechnung die Leasingraten vom Kläger zu fordern – so das ArbG.
Auch während einer längeren Krankheit bestünde die Nutzungsmöglichkeit und damit auch die Verpflichtung zur Gegenleistung – namentlich die Zahlung der Leasingrate. Insbesondere habe der Kläger den Leasingvertrag initiiert und das Dienstrad selbst ausgewählt, welches er leasen wollte. Der Kläger finanziere die Nutzung des Dienstrads faktisch aus seinem Einkommen selbst, so das Gericht.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: 807,60 €

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die vollständige Vergütung für den Monat August 2022 an den Kläger zu zahlen und damit materiell um einen zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch der Beklagten.

Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte ist Leasingnehmerin zweier Fahrräder, die dem Kläger im Rahmen des sog. "JobRad-Modells" zur Nutzung überlassen wurden. Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsüberlassungsvertrag (Bl. 12 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Dieser Nutzungsüberlassungsvertrag lautet auszugsweise:

Der/die Mitarbeiter/in beauftragt hiermit den Arbeitgeber, dieses Fahrzeug zum Zweck der Überlassung bei folgendem Fachhändler zu bestellen:

Fachhändler (...)

Vereinbarter Kaufpreis 2.953,99 EUR (inkl. MwSt)

UVP 3.403,99 EUR (inkl. MwSt)

Fahrzeugversicherung Ja

Versicherungsrate trägt Der Arbeitgeber

Laufzeit 36 Monate

Gesamtnutzungsrate 90,11 EUR/Monat (zzgl. MwSt.)

Umwandlungsrate 81,42 EUR/Monat

1. Entgeltumwandlung, Gehaltsextra

Der Mitarbeiter wandelt, in entsprechender Abänderung des bestehenden Arbeitsvertrags, aus seinem Anspruch auf Brutto-Arbeitsentgelt monatlich einen Teilbetrag in Höhe der auf Seite 1 genannten Umwandlungsrate in einen Anspruch auf Nutzung des vorstehend genannten, vom Arbeitgeber geleasten Fahrrads, Pedelecs oder S-Pedelecs inklusive Ieasingfähigem Zubehör (nachfolgend "Fahrzeug") um. Die Entgeltumwandlung beginnt mit dem auf die Übernahme des Fahrzeugs folgenden Monatsersten und endet mit dem Ende der Nutzungsüberlassung. Entfällt während der Dauer der Vertragslaufzeit die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung, besteht die Pflicht des Mitarbeiters zur Zahlung der auf Seite 1 genannten Umwandlungsrate vorbehaltlich der Regelungen in Ziffer 3.2 ff fort.

(...)

3. Vertragslaufzeit, Beendigung der Nutzungsüberlassung, Widerruf der Nutzungsmöglichkeit

3.1 Dieser Nutzungsüberlassungsvertrag ist befristet abgeschlossen und endet automatisch nach Ablauf von 36 Monaten, gerechnet ab dem auf den Zeitpunkt der Übernahme (Ziff. 2.2) folgenden Monatsersten, ohne dass es hierzu einer gesonderten Kündigung durch eine der Vertragsparteien bedarf. (...)

3.2 Eine vorzeitige Beendigung des Nutzungsüberlassungsvertrages ist grundsätzlich nicht möglich, es sei denn, dass vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit

a) der Arbeitgeber dem Mitarbeiter das Fahrzeug aus Gründen nicht mehr zur Nutzung überlassen kann, die aus dem Vertragsverhältnis des Arbeitgebers mit dem Leasinggeber herrühren (z.B. Vertragsbeendigung des Einzel-Leasingvertrags, Insolvenz einer der Vertragsparteien, sonstiger Verlust des Rechts zur Besitzüberlassung);

b) das Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien beendet wird;

c) der Mitarbeiter verstirbt;

d) der Mitarbeiter erheblich gegen seine vertraglichen Pflichten aus dem Nutzungsüberlassungsvertrag verstößt und Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen;

e) die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung aus anderen Gründen dauerhaft entfällt (insbesondere im Falle einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit des Mitarbeiters);

(...)

3.4. Der Arbeitgeber behält sich vor, das Recht zur Nutzung des Fahrzeugs gegenüber dem Mitarbeiter bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und unter Berücksichtigung der Interessen des Mitarbeiters dauerhaft oder zeitweilig durch schriftliche Erklärung zu widerrufen, insbesondere

a) bei einer Freistellung des Mitarbeiters nach Ausspruch einer Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags für die Dauer der Freistellung, beginnend mit dem Ende des Monats, in dem die Kündigung oder der Abschluss des Aufhebungsvertrags erfolgt sind;

b) wenn der Mitarbeiter beim Arbeitgeber eine Stelle außerhalb Europas antritt;

c) bei einem temporären Wegfall der Möglichkeit zur Entgeltumwandlung für die Dauer des Wegfalls, z.B. bei Bezug von Krankengeld sowie Elterngeld;

d) im Falle von Gehaltspfändungen, sofern und solange durch die Pfändungsmaßnahme die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung entfällt.

3.5. Im Falle eines Widerrufs durch den Arbeitgeber entfällt die Pflicht zur Leistung der Umwandlungsrate durch den Mitarbeiter für die Dauer des Widerrufs.

3.6. Im Falle eines temporären Wegfalls der Möglichkeit zur Entgeltumwandlung (Ziff. 3.4.c)) sowie im Falle einer Gehaltspfändung (Ziff. 3.4.d)) kann der Arbeitgeber anstelle des Widerrufs der Nutzungsmöglichkeit dem Mitarbeiter gestatten, die monatliche Umwandlungsrate direkt an den Arbeitgeber zu bezahlen. Ein Anspruch des Mitarbeiters hierauf besteht nicht. Der steuerliche Vorteil durch die Gehaltsumwandlung entfällt für diesen Zeitraum.

Der Kläger 2021 ab einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 06.12.2021 (Bl. 127.G d.A.) wies die Beklagte ihn darauf hin, dass er die Leasingrate während des bevorstehenden Krankengeldbezugs selbst zu entrichten habe.

Der Kläger bezog zwischen Januar und Mai 2022 Krankengeld. Eine Zahlung an die Beklagte aufgrund der Nutzungsüberlassungsvereinbarung erfolgte nicht.

Nach entsprechender Ankündigung zog die Beklagte dem Kläger die fünf monatlichen Beträge aus dem Nutzungsüberlassungsvertrag für Januar bis Mai 2022 in rechnerisch unstreitiger Höhe mit der Abrechnung für August 2022, auf die Bezug genommen wird (Bl. 153 d.A.), ab.

Mit seiner am 15.09.2022 zugestellten Klage verfolgt der Kläger die vollständige Zahlung des Entgelts für August 2022.

Der Kläger ist der Auffassung, ein Gegenanspruch der Beklagten, der diese zur Aufrechnung berechtige, existiere nicht. Es benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen, wenn der Arbeitgeber den Vertrag widerrufen könne. Hierzu hat der Kläger auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Osnabrück (Urteil vom 05.11.2019 - 3 Ca 229/19 - juris) Bezug genommen. Danach habe das Gericht Klauseln, die auch hier verwendet worden seien, als intransparent und als den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligend beurteilt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 807,60 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Regelungen des Vertrags hinreichend transparent seien und auch nicht unangemessen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschriften sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die vollständige Vergütung für August 2022, da die Beklagte wirksam die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch erklärt hat.

A. Der Entgeltanspruch des Klägers aus § 611a Abs. 2 BGB ist unstreitig.

B. Die Beklagte hat allerdings wirksam mit einem Gegenanspruch aufgerechnet. Die Aufrechnung ist zulässig, insbesondere wurde sie erklärt und verstößt auch nicht gegen § 394 BGB. Da es sich um eine Forderung "netto gegen netto" handelt, sind die Forderungen auch gleichartig im Sinne von § 387 BGB.

I. Die Beklagte hat gemäß § 388 BGB die Aufrechnung erklärt. Dies geschah nach entsprechender Ankündigung im Rahmen der Abrechnungserteilung. Die Aufrechnung war auch hinreichend bestimmt, zumal sie diese Vorgehensweise vorher angekündigt hatte und der Kläger sich folglich klar darüber war, um welchen konkreten Gegenanspruch es bei dem Abzug ging.

II. Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht. Die Beklagte hat - wie unstreitig wurde - nicht durch die Aufrechnung in das pfändungsfreie Einkommen des Klägers (§ 394 BGB i.V.m. § 850cZPO) eingegriffen.

III. Es bestand auch eine Aufrechnungslage im Sinne von § 387 BGB.

1. Die Forderungen sind zunächst gleichartig, weil die Beklagte mit ihrem Anspruch gegen den Nettoanspruch des Klägers aufgerechnet hat (vgl. dazu BAG, Urt. v. 16.3.1994 - 5 AZR 411/92n.v.; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.3.1995 - 16 Sa 132/94 n.v.; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 11.1.2001 - 4 Sa 379/00 n.v.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 568; LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.6.2004 - 12 Sa 361/04, NZA-RR 2005, 317).

2. Die Beklagte hat auch aus Abschnitt 1 Satz 3 des Nutzungsüberlassungsvertrags einen Anspruch in Höhe von 807,60 EUR gegen den Kläger.

a) Die Regelung, dass die Zahlungspflicht auch bei entgeltfreien Beschäftigungszeiten fortbesteht, ist keine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB.

aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil (vgl. dazu BAG, Urt. v. 19.02.2014 - 5 AZR 920/12 - juris; BAG, Urt. v. 19.08.2010 - 8 AZR 645/09 - juris; BAG, Urt. v. 14.12.2010 - 9 AZR 642/09 - juris; BAG, Urt. v. 16.05.2012 - 5 AZR 331/11 - juris). Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrags ergeben kann, ist es möglich, dass das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG, Urt. v. 19.02.2014 - 5 AZR 920/12 - juris; BAG, Urt. v. 23.02.2005 - 4 AZR 139/04 - juris; BAG, Urt. v. 21.06.2011 - 9 AZR 203/10 - juris).

bb) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Klausel nicht als überraschend. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass sich die Klarstellung, dass er die Zahlung auch während entgeltfreier Beschäftigungszeiten zu erbringen hat, nicht aus der Überschrift des Abschnitts 1 des Nutzungsvertrags ergibt, sondern lediglich aus dem im Fließtext formulierten Satz 3 von insgesamt sieben Sätzen dieses Abschnitts.

Allerdings steht Abschnitt 1 Satz 3 nicht im Widerspruch zu dem übrigen Vertragsinhalt und ist daher auch nicht ungewöhnlich. Vielmehr ist diese Klausel geradezu die Klarstellung einer Selbstverständlichkeit. Der Vertrag ist so formuliert, dass der Kläger die Beklagte mit der Bestellung eines bestimmten Fahrrades bei einem bestimmten Händler "beauftragt". Hieraus wird schon deutlich, dass bei dieser Vertragsgestaltung die Initiative vom Arbeitnehmer ausgeht und dieser seinen Arbeitgeber als Zwischenhändler für die Lieferung eines Fahrrades einsetzt. Auch ist nach dem Inhalt des Vertrags klar, dass auch während einer längeren Krankheit die Nutzungsmöglichkeit und damit auch die Verpflichtung zur Gegenleistung erhalten bleiben sollte.

Anders als etwa bei einem Dienstwagen, der unmittelbar als Gegenleistung für geleistete Dienste gewährt wird und daher ohne anderweitige Abrede selbstverständlich das Schicksal des Entgeltanspruchs teilt (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.07.2009 - 15 Sa 25/09 - juris; LAG Köln, Urt. v. 29.11.1995 - 2 Sa 843/95 - juris), finanziert bei dem hier vorliegenden Modell der Arbeitnehmer die Nutzung des Fahrrads faktisch selbst aus dem ohnehin geschuldeten Einkommen. Dies ist nur konsequent, geht schließlich auch die Nutzung des von ihm ausgewählten Fahrrades auf seine Initiative zurück, zumal kein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Nutzung eines nicht gewollten Fahrrades, das der Arbeitnehmer auch noch selbst finanzieren soll, aufdrängen könnte. Sieht man von den steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen dieses Modells ab, besteht kein Unterschied, ob der Kläger sich das Fahrrad aus seinem Privatvermögen kauft, es selber least oder eben - wie hier - seinen Arbeitgeber als Zwischenhändler einsetzt. In beiden erstgenannten Fällen trüge der Arbeitnehmer selbstverständlich selbst das Risiko, plötzlich in wirtschaftliche Not zu geraten oder dauerhaft mit dem Fahrrad nichts mehr anfangen zu können. Daher besteht auch kein Grund, den dritten Fall abweichend zu behandeln.

Hierdurch entsteht auch kein Widerspruch zu der Problematik, die aus der Situation zur Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung bekannt ist. Auch hier war es schon vor der gesetzlichen Klarstellung in § 1a Abs. 4 S. 1 BetrAVG herrschende Meinung, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, mit eigenen Mitteln einzustehen, wenn eine Entgeltumwandlung mangels zu zahlendem Entgelt nicht mehr möglich ist (vgl. BAG, Urt. v. 15.02.1994 - 3 AZR 708/93 - juris; Blomeyer, NZA 2000, 281, 287). § 1a Abs. 4 S. 1 BetrAVG geht dabei selbstverständlich davon aus, dass der Arbeitgeber mit der auf Entgeltumwandlung beruhenden Versorgungsanwartschaft während entgeltfreier Beschäftigungszeiten nichts zu tun hat, sondern statuiert lediglich das Recht für den Arbeitnehmer, die Anwartschaft durch eigene Beträge weiter anwachsen zu lassen. Der hier zu beurteilende Nutzungsüberlassungsvertrag regelt diese Situation in ganz ähnlicher und zulässiger Weise.

b) Auch eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB durch die Verpflichtung zur Übernahme der Raten bei Unmöglichkeit der Entgeltumwandlung ist nicht ersichtlich.

aa) Zunächst enthält die Regelung, wonach der Arbeitnehmer unabhängig davon, ob er Entgelt bezieht oder nicht, für die Leasingraten aufkommen muss, keine von gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Was damit gemeint ist, formuliert Art. 4 Abs. 2 RL 93/13 EWG viel besser als die genannte Gesetzesvorschrift (ErfK/Preis, §§ 305-310 BGB Rn. 34): "Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind." Im Anschluss hieran formuliert das Bundesarbeitsgericht:

"Der eingeschränkten Kontrolle unterliegen Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen festlegen (MüKoBGB/Wurmnest 9. Aufl. § 307 Rn. 13 ff.). Zu prüfen ist deshalb, ob die entsprechende Klausel selbst eine unmittelbare Regelung der Hauptleistung ist (CKK/Klumpp AGB-Arbeitsrecht 2. Aufl. § 307 BGB Rn. 31). Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt (MHdB ArbR/Benecke 5. Aufl. § 37 Rn. 36; Bieder in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 13. Aufl. Anh. § 310 BGB Rn. 30; Däubler/Deinert/Walser/Däubler 5. Aufl. § 307 Rn. 268; CKK/Klumpp aaO Rn. 28; ErfK/Preis 22. Aufl. BGB §§ 305-310 Rn. 36 f.; HWK/Roloff 10. Aufl. § 307 BGB Rn. 4; MüKoBGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 61). Die originäre Festlegung von Leistung und Gegenleistung sowie das Äquivalenzverhältnis zwischen beiden sind grundsätzlich weder kontrollfähig noch kontrollbedürftig (Staudinger/Wendland [2022] § 307 Rn. 284, 310 ff.). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über die §§ 305 ff. BGB den "gerechten Preis" zu ermitteln (BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 792/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 143, 212)" (BAG, Urt. v. 07.09.2022 - 5 AZR 128/22 - juris).

Im vorliegenden Fall stellt Abschnitt 1 Satz 3 des Nutzungsüberlassungsvertrags lediglich klar, dass die Gegenleistung für die Nutzung während der gesamten Vertragslaufzeit zu erbringen ist. Dies ist eine unmittelbar die Gegenleistung betreffende Regelung, die daher auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von gesetzlichen Vorschriften abweicht.

bb) Selbst wenn man dies anders sähe und die Klausel als kontrollfähige "Preisnebenabrede" (vgl. dazu wiederum BAG, Urt. v. 07.09.2022 - 5 AZR 128/22 - juris) einordnete, ist eine unangemessene Benachteiligung des Klägers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht ersichtlich.

Insbesondere ist die Klausel nicht mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Der Kläger hat die Beklagte unbedingt zur Lieferung von Fahrrädern zur Nutzungsüberlassung beauftragt. Es ist selbstverständlich und unstreitig, dass die Beklagte in dieser Lieferkette die Leasingraten unabhängig von der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation des Klägers weiter an den Leasinggeber entrichten muss. Insofern ist es nicht unbillig, wenn der Kläger, der ja weiter den Nutzungsvorteil hat, auch wie bisher die wirtschaftliche Last dieses Geschäfts trägt. Dieser Aspekt des Nutzungsvorteils zeigt sich im Übrigen hier in besonderer Weise, weil der Kläger hier sogar zwei Fahrräder erhalten hat. Im Kammertermin war davon die Rede, dass das zweite Rad für seine Ehefrau bestimmt war. Diese Vorgehensweise zeigt aber, dass es nicht nur nicht unangemessen benachteiligend, sondern völlig konsequent ist, Leistung und Gegenleistung unabhängig von der gesundheitlichen oder finanziellen Situation des Klägers bestehen zu lassen.

cc) Ebenso wenig greift § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unter dem Aspekt ein, dass in Abschnitt 3 des Nutzungsüberlassungsvertrags ein differenziertes System geregelt ist, welches der Beklagten in der konkreten Situation ermöglicht hätte, auch die Fahrräder zurückzufordern, statt auf die Erfüllung zu dringen.

(1) Es kann dahinstehen, ob das System dieser Klauseln in Abschnitt 3.2., 3.4 und 3.6 - möglicherweise auch unter dem Aspekt, dass die Regelung nicht klar und verständlich sein könnte (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) - den Kläger unangemessen benachteiligt. Zunächst würde eine Einordnung der entsprechenden Klauseln als unangemessene Benachteiligung dem Kläger nicht helfen. Denn selbst wenn letztlich die differenzierten Handlungsoptionen der Beklagten in entgeltfreien Beschäftigungszeiten wegen unangemessener Benachteiligung nicht Vertragsbestandteil geworden wären, spielte dies im vorliegenden Fall keine Rolle, da die Beklagte von diesen Optionen keinen Gebrauch gemacht hat. Eine rechtliche Beurteilung, wonach diese Option nicht Vertragsbestandteil geworden wäre, hätte folglich auf den vorliegenden Prozess keinen Einfluss.

Die von der Beklagten dagegen wahrgenommene Option, dem Kläger während des Krankengeldbezugs die direkte Zahlung an sie zu ermöglichen, ist allerdings Ausfluss des Synallagmas. Insoweit ist die Klausel in Abschnitt 3.6 Satz 1 des Nutzungsvertrags ohnehin nur klarstellender Natur. Eine Beurteilung dieser Klausel als unangemessen hätte auf den vorliegenden Prozess ebenfalls keinen Einfluss. Denn dann ergäbe sich aus dem Nutzungsvertrag und dem Synallagma selbst, dass die entsprechenden Raten im Wege der (nachholenden) Entgeltumwandlung - wie hier durch die Aufrechnung geschehen - zu entrichten wären.

(2) Schließlich ist auch eine unangemessene Benachteiligung des Klägers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht darin zu erkennen, dass der Beklagten - und nicht auch dem Kläger - die Rückforderungsoptionen zur Verfügung stehen. Denn in der vorbeschriebenen "Lieferkette" trägt die Beklagte selbstverständlich das Insolvenzrisiko des Klägers. Die in Abschnitt 3.2. und 3.4 des Nutzungsüberlassungsvertrags getroffenen Regelungen tragen dieser Situation Rechnung und dienen einer Risikobegrenzung der Beklagten. So ist es nachvollziehbar, dass ein Arbeitgeber, der möglicherweise um die prekäre Lebenssituation seines Arbeitnehmers weiß, in einer Situation längerer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers befürchtet, die Leasingraten weiter an den Leasinggeber entrichten zu müssen, ohne jemals die vertraglich geschuldete Leistung vom Arbeitnehmer erhalten zu können. Dass ihm in dieser Situation das Recht zusteht, sich zumindest zu entscheiden, ob er das Risiko weiter in Kauf nehmen will oder den eigenen Schaden durch Rückforderung der Fahrräder zu mindern, benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen.

(3) Im Übrigen hat der Kläger die Beklagte nicht einmal gebeten, von dem Rücknahmerecht Gebrauch zu machen, jedenfalls nicht während des fraglichen Zeitraums des Krankengeldbezugs. Hierzu wäre aber Gelegenheit gewesen, hatte die Beklagte den Kläger schließlich vor Auslaufen des Entgeltfortzahlungsanspruchs darauf aufmerksam gemacht, dass die Raten künftig durch Überweisung zu entrichten seien.

Die Klage war daher abzuweisen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91Abs. 1 ZPO. Die Streitwertentscheidung (§ 61 Abs. 1 ArbGG) beruht auf § 3 ZPO. Die Kammer hat die Berufung unabhängig von dem ohnehin erreichten Berufungswert aufgrund von § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil zu der konkreten Frage bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verfügung steht.



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