Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil vom - Az: 1 Sa 61/13

Ausgleichsklauseln sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam

1. Ein in einer Generalquittung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarter beidseitiger Verzicht auf Ansprüche "gleich aus welchem Rechtsgrund" im Rahmen eines vom Arbeitgeber gestellten Formulars stellt typischerweise eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam (im Anschluss an: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.11.2011 - Aktenzeichen 5 Sa 1524/11). (amtlicher Leitsatz)

(2.) Formularmäßige Verzichtsvereinbarungen ohne kompensatorische Gegenleistung stellen in der Regel eine unangemessene Benachteiligung dar.
Gegen eine unangemessene Benachteiligung kann allerdings ein beiderseitiger Anspruchsverzicht sprechen. Dann muss aber das Risiko eines beiderseitigen Anspruchsverlustes in etwa gleich hoch sein. Dies ist bei Arbeitsverträgen durchschnittlich keineswegs der Fall, bei denen regelmäßig der Arbeitgeber keinerlei Ansprüche mehr gegen den Arbeitnehmer hat, da dieser ihm nach § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist.

(3.) Mit dieser Entscheidung bestätigt das Gericht die Rechtsansicht des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.11.2011 - Aktz. 5 Sa 1524/11).
Demgegenüber hat das LAG Hamm (Urteil vom 06.02.2013 - Aktz. 3 Sa 1026/12) eine solche Ausgleichsklausel als rechtmäßig eingestuft.
Es ist daher eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu erwarten.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.01.2013 - 1 Ca 758 b/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers und insoweit insbesondere über die Wirksamkeit einer Ausgleichsquittung.

Der Kläger war vom 09.03.-30.04.2012 als Krankenpfleger bei der Beklagten, die gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt.

Am 21.05.2012 suchte der Kläger nach vorheriger Absprache den Betrieb der Beklagten auf. Er erhielt dort diverse Arbeitspapiere, Lohnabrechnungen für April, eine Vormonatskorrekturabrechnung für Mai sowie einen Gehaltsscheck. Außerdem unterzeichnete er ein mit „Empfangsbestätigung/Generalquittung“ überschriebenes Schriftstück, das am Ende auszugsweise lautet:

 „Der Arbeitnehmer & Arbeitgeber bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass alle gegenseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis, außer die oben genannten Ansprüche, und in Verbindung mit dessen Beendigung erfüllt sind.

Der Arbeitnehmer hat auch den ihm zustehenden Urlaub und das gemäß Lohnabrechnung ausstehende Gehalt in natura erhalten bzw. abgegolten bekommen.“

Unter der Überschrift: „Weitere Ansprüche bestehen nicht mit folgenden Ausnahmen“ finden sich keine Eintragungen. Ergänzend wird wegen der äußeren Form dieses Schreibens auf die Anlage B 1 (Bl. 34 d. A.) Bezug genommen.

Mit seiner Klage macht der Kläger restliche nicht abgerechnete Vergütung für März von EUR 395,12 brutto und April 2012 von EUR 506,64 brutto geltend.

Hierzu hat er vorgetragen:

Im März 2012 habe er 120,65 Stunden gearbeitet, so dass ihm ein Gehalt von EUR 1.327,15 brutto zustehe. Hierauf habe die Beklagte ausweislich der Abrechnungen EUR 819,84 brutto und EUR 111,79 brutto gezahlt, so dass noch ein Betrag von EUR 395,52 brutto fehle. Für April fehle noch die Vergütung für 42 Stunden Arbeitsunfähigkeit vom 23. - 30.04.2012, also EUR 409,92 brutto sowie ein Restbetrag aus der Zeit vom 01. - 22.04.2012 in Höhe von EUR 96,72 brutto.

Auf diese Ansprüche habe er auch nicht wirksam verzichtet. Er sei zu dem Gespräch am 21.05.2012 gebeten worden, um seine Arbeitspapiere persönlich abzuholen. Mit keinem Wort sei im Vorfeld über seine noch offenen Gehaltsansprüche gesprochen worden. Im Betrieb habe Herr M. ihm dann gesagt, er solle die Papiere und den Empfang des Schecks quittieren; ohne Unterschrift werde er weder die Papiere noch den Scheck erhalten. Eine Prüfung der Papiere vor Unterschrift sei ihm nicht möglich gewesen. Nach Unterzeichnung sei er gebeten worden, den Raum zu verlassen. Die von der Beklagten vorgelegte formularmäßige Ausgleichsquittung sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 902,16 EUR brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf 395,52 EUR brutto seit dem 16.04.2012, auf 506,64 EUR brutto seit dem 16.05.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert:

Sie habe die Monate März und April ordnungsgemäß abgerechnet und vergütet.

Im Übrigen bestünden etwaige Ansprüche nach Unterzeichnung der Ausgleichsquittung am 21.05.2012 nicht mehr. Herr M. sei mit dem Kläger die auf der Quittung erwähnten Punkte durchgegangen. Er habe diesem insbesondere erläutert, dass durch den Erhalt des Schecks und die Quittierung auf der Generalquittung sämtliche Leistungsansprüche beider Seiten ausgeglichen wären. Herr M. habe auch auf die Möglichkeit hingewiesen, eventuell Ansprüche von der Ausgleichsquittung auszuschließen. Der Kläger habe diesen Wunsch nicht geäußert, sondern nach ausführlicher Prüfung die Quittung unterzeichnet. Bedenken gegen deren Wirksamkeit bestünden nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das vom Kläger unterzeichnete Schriftstück stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB dar. Der darin enthaltene Anspruchsverzicht sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da dem Verzicht des Klägers auf seine Ansprüche kein angemessener Ausgleich entgegenstehe.

Gegen dieses ihr am 05.02.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.02.2013 Berufung eingelegt und diese am 27.03.2013 begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zur Erläuterung und Durchsicht der Generalquittung durch ihren Mitarbeiter M. und den Kläger und zu der sich hieran anschließenden Unterzeichnung. Das Arbeitsgericht habe das Schriftstück unzutreffend als Allgemeine Geschäftsbedingung eingeordnet. Sie stelle die in dem Schreiben enthaltenen Regelungen durchaus zur Disposition. So werde Nichtzutreffendes im ersten Abschnitt der Erklärung gestrichen. Auch könnten noch nicht erfüllte Ansprüche der Parteien eingefügt werden. Dieses Feld sei jedoch gestrichen worden. Der Kläger habe die Urkunde erst nach Durchsicht unterzeichnet.

Aber auch als Allgemeine Geschäftsbedingung sei der Verzicht wirksam. Es handele sich um ein beidseitiges negatives konstitutives Schuldanerkenntnis, in dem nicht nur der Kläger, sondern auch sie auf Ansprüche verzichte. Damit liege keine einseitige unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen des BAG und des LAG Schleswig-Holstein.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.01.2013 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus der ersten Instanz und verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts. Ihm sei weder die Abrechnung erläutert noch der Inhalt und die Bedeutung einer Generalquittung erklärt worden. Vielmehr habe Herr M. gesagt, er werde ohne Unterschrift seine Papiere und das Arbeitsentgelt nicht erhalten. Die Quittung sei als Allgemeine Geschäftsbedingung zu bewerten und benachteilige ihn unangemessen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte, form - und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag sowie für die Zeit vom 23. - 30.04.2012, in der der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 EFZG.

I.

Der Anspruch ist nach Grund und Höhe entstanden. Der Kläger hat erstinstanzlich im Einzelnen dargelegt, welche Stunden er geleistet hat und inwieweit diese von der Beklagten abgerechnet worden sind. Hiergegen hat die Beklagte konkrete Einwendungen weder in erster Instanz erhoben, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, noch in zweiter Instanz ergänzende Ausführungen gemacht. Der Vortrag des Klägers gilt damit als zugestanden

II.

Die Ansprüche sind nicht gemäß § 397 Abs. 2 BGB erloschen.

Nach dieser Vorschrift erlischt ein Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.

1. Die Parteien haben ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis im Sinne des § 397 Abs. 2 BGB im unteren Teil des am 21.05.2012 unterzeichneten Formulars vereinbart. Der obere Teil des Formulars enthält allein eine Empfangsbestätigung und damit eine Erklärung über Tatsachen. Im letzten fett gedruckten Absatz bestätigen sich die Parteien hingegen, dass zwischen ihnen ein Schuldverhältnis nicht mehr besteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Rechtsqualität und der Umfang einer Ausgleichsklausel durch Auslegung zu ermitteln. Als technische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen (BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 139/04 - Juris, Rn 47).

Nach der gewählten Formulierung wollten die Parteien sämtliche Ansprüche des Klägers und der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis „gleich aus welchem Rechtsgrund“ und damit auch ihnen nicht bekannte Ansprüche zum Erlöschen bringen. Eine solche Erklärung ist ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (vergleiche auch BAG, aaO., Rn 48).

2. Dieses konstitutive negative Schuldanerkenntnis ist jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da es den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Bei dem vom Kläger unterzeichneten Formular handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass das Formular in der Anlage B 1 von der Beklagten vorformuliert und von ihr zum wiederholten Gebrauch bestimmt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat im Berufungstermin ausgeführt, der Beklagten liege es gerade an einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, weil sie das entsprechende Formular wiederholt und regelmäßig verwendet habe und verwende im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit ihren Arbeitnehmern.

Der Inhalt der Ausgleichsquittung ist auch nicht zwischen den Parteien ausgehandelt und nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB einer Kontrolle entzogen. Nach dieser Vorschrift liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Aushandeln im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass der Vertragsinhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht. „Ausgehandelt“ im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt (BAG, Urteil vom 01.03.2006 - 5 AZR 363/05 - Juris, Rn 21).

Danach genügt der Vortrag der Beklagten, Herr M. sei mit dem Kläger die Klauseln im Einzelnen durchgegangen und habe diesem den Inhalt und die Bedeutung erläutert, nicht, um von einer ausgehandelten Klausel im Sinne des Gesetzes auszugehen. Selbst wenn Herr M. nach dem - vom Kläger bestrittenen -Vortrag der Beklagten bereit gewesen sein sollte, einzelne Ansprüche von der Ausgleichsquittung auszunehmen, beseitigt das den Inhalt der Ausgleichsquittung nicht. Es bleibt dabei, dass sämtliche Ansprüche, an die der Kläger etwa anlässlich der Vertragsverhandlungen noch gar nicht gedacht hat, von der Generalquittung umfasst werden. Nicht die Ausgleichsquittung ist von der Beklagten zur Disposition gestellt worden, sondern allein die Möglichkeit eröffnet worden, Ansprüche, von denen die Parteien wussten, vom Erlöschen auszunehmen.

Demzufolge bedurfte es auch der von der Beklagten im Berufungstermin angeregten Beweisaufnahme durch Vernehmung des Herrn M. über ihre Behauptungen zum Inhalt des Gesprächs zwischen dem Kläger und Herrn M. nicht. Auch wenn dieser die Behauptungen der Beklagten bestätigen sollte, lägen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des Gesetzes vor.

c) Die Ausgleichsquittung ist auch nicht als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB kein Vertragsbestandteil geworden. Sie ist in der vorliegenden äußeren Form nicht überraschend im Sinne dieser Vorschrift.

Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Klauseln im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB liegen dann vor, wenn ihnen ein Überrumpelungseffekt innewohnt, weil sie eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrages ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 139/04 - Juris, Rn 59).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine überraschende Klausel nicht vor.

Ein Überraschungsmoment ergibt sich nicht bereits aus den Umständen anlässlich der Unterzeichnung der Ausgleichsquittung. Zwar hat der Kläger vorgetragen, er sei aufgefordert worden, seine Papiere abzuholen. Es ist jedoch im Arbeitsleben nicht ungewöhnlich, sondern im Gegenteil üblich, dass anlässlich der Übergabe der letzten Papiere eine Ausgleichsquittung unterzeichnet wird. Jedenfalls ist dies nicht nach den Umständen nicht so ungewöhnlich, dass der Arbeitnehmer nicht damit zu rechnen braucht.

Auch die äußere Form der Generalquittung führt nicht dazu, den Anspruchsverzicht als überraschend einzuordnen. So ist das Formular fett gedruckt und mit größerem Schriftbild auch als Generalquittung überschrieben. Der Verzicht selbst ist ebenfalls fett gedruckt und deutlich abgesetzt vom sonstigen Formulartext. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer sowohl die Empfangsbestätigung als auch die Ausgleichsquittung durch eine einzige Unterschrift bestätigt, macht den Anspruchsverzicht aus Sicht des Berufungsgerichts noch nicht überraschend im Sinne des Gesetzes (anderer Ansicht LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.11.2011 - 5 Sa 1524/11 - Juris, Rn 86 zu einer ähnlichen Klausel).

d) Schließlich ist die Generalquittung auch kontrollfähig im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt u. a. § 307 Abs. 1 BGB nur für eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Tatsächlich regelt vorliegend das konstitutive negative Schuldanerkenntnis keine Hauptleistungspflicht, sondern erfolgt im Kontext mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vergleiche BAG vom 21.06.2011 - 9 AZR 203/10 - Juris, Rn 40 - 44).

e) Die Ausgleichsquittung der Parteien ist unwirksam, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die typischen Interessen der Vertragspartner sind unter besonderer Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen wechselseitig zu bewerten. Die Unangemessenheit richtet sich nach einem generellen typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstab unter Berücksichtigung von Gegenstand, Zweck und Eigenart des jeweiligen Geschäftsinhalts der beteiligten Verkehrskreise (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 722/06 - Juris, Rn 33). Formularmäßige Verzichtsvereinbarungen ohne kompensatorische Gegenleistung stellen in der Regel eine unangemessene Benachteiligung dar (Nachweise bei Preis, in: ErfKomm., 12. Auflage, §§ 305 - 310 BGB, Rn 77). Nach der Empfehlung von Preis, aaO, sollten echte Ausgleichsquittungen in vorformulierten Verträgen nicht verwendet werden, da sie regelmäßig unwirksam sind. Allerdings kann ein beiderseitiger Anspruchsverzicht gegen eine unangemessene Benachteiligung sprechen. Dann muss aber das Risiko eines beiderseitigen Anspruchsverlustes in etwa gleich hoch sein. Dies ist bei Arbeitsverträgen durchschnittlich keineswegs der Fall, bei denen regelmäßig der Arbeitgeber keinerlei Ansprüche mehr gegen den Arbeitnehmer hat, da dieser ihm nach § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist. Würde man allein wegen der gleichzeitigen Verzichtserklärung des Arbeitgebers annehmen, dass keine unangemessene Benachteiligung vorläge, könnte der Arbeitgeber, der erkennbar keinerlei Ansprüche mehr gegen den Arbeitnehmer hat, allein dadurch die Unwirksamkeit einer einseitigen Verzichtserklärung des Arbeitnehmers umgehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.11.2011 - 5 Sa 1524/11 - Juris, Rn 91).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt vorliegend eine unangemessene Benachteiligung des Klägers vor. Der Verzicht der Beklagten auf etwaige Ansprüche gegen den Kläger ist keine ausreichende Kompensation für dessen Verzicht auf eigene Ansprüche. Die Berufungskammer schließt sich insoweit der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg (aaO) ausdrücklich an. Zwar ist es im Einzelfall denkbar, dass auch der Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche gegen den Arbeitnehmer hat, etwa auf Schadensersatz oder wegen überzahlten Lohnes. Typischerweise ist dies aber gerade nicht der Fall. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ist aber auf den typisierten Regelfall und nicht auf die Situation im Einzelfall abzustellen. Ein (theoretischer) Verzicht des Arbeitgebers auf seine Ansprüche führt nicht zu einer angemessenen Kompensation für den Verzicht des Arbeitnehmers auf dessen Ansprüche.

III.

Zinsen stehen dem Kläger gemäß den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB zu.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.



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