Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss vom - Az: 10 TaBVGa 146/14

Aussage bei Betriebsratssitzung: "Arbeitsbedingungen wie in einem KZ"

1. Auch ein unsäglicher Vergleich der Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn es nicht um Sachkritik geht, sondern eine Person ohne Tatsachenkern herabgewürdigt werden soll.
(Leitsatz)

(2.) Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) verlangt wechselseitige Rücksichtnahmepflichten und Loyalität zwischen der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat und den einzelnen Betriebsratsmitgliedern.
Das einzelne Betriebsratsmitglied hat sich bei seiner Betriebsratstätigkeit innerhalb der Grenzen zu halten, die sich aus den allgemeinen Vorschriften der Rechtsordnung, insbesondere aus denen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben.

(3.) Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG ist für die freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend und gewährleistet zugleich eine der wesentlichen Äußerungsformen der menschlichen Persönlichkeit.
Meinungen fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden.
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellt.

Hier:
Die Aussage eines -sichtlich erregten - Betriebsratsmitglieds während einer BR-Sitzung gegenüber der Personalleiterin, die Arbeitsbedingungen seien "wie in einem KZ" stellt eine überzogene Sachkritik dar, wenn sie im Rahmen einer Diskussion über geänderte Arbeitszeiten geäußert wird. Selbst wenn man in der Aussage eine Beleidigung gegenüber der Personalleiterin sehen wollte, diente diese als Stütze eines Werturteils und wäre somit ebenfalls von der Meinungsfreiheit geschützt.
Der Antrag des Arbeitgebers, dem betreffenden BR-Mitglied wg. Verletzung seiner Amtspflichten die Amtsausübung zu untersagen, wird daher abgelehnt.
Ob ein solcher Antrag im einstweiligen Rechtsschutz überhaupt statthaft ist, ist streitig, wurde jedoch nicht entschieden.

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 11. Dezember 2013 - 4 BVGa 9/13 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

Gründe

Die Beteiligten streiten noch über den Antrag der Arbeitgeberin, dem Beteiligten zu 2) die Ausübung seines Betriebsratsamtes bis zur Rechtskraft des ihn betreffenden Verfahrens nach § 103 BetrVG vor dem ArbG Cottbus (5 BV 105/13) zu untersagen.

Im Betrieb werden derzeit 186 Stamm- und ca. 40 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 2) ist 51 Jahre alt (13. Januar 1963), verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er ist seit dem 24. März 2003 als Schichtleiter beschäftigt und Mitglied des Betriebsrates. Im November 2013 existierte noch keine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit, wurde aber zu der Zeit in einer Einigungsstelle verhandelt. Der Beteiligte zu 2) war einer der drei vom Betriebsrat bestellten Beisitzer für die Einigungsstelle, die erstmals am 4. November 2013 tagte. An der regulären Betriebsratssitzung am 7. November 2013 nahm neben den sieben Betriebsratsmitgliedern ab 15:45 Uhr auch die Personalleiterin des Werkes Frau B. teil, um mit ihr unter anderem das Thema Zeiterfassung zu diskutieren. Auch das Thema der Arbeitszeit der Schichtleiter wurde in ihrer Gegenwart erörtert. Dabei ergriff der Beteiligte zu 2) das Wort und der Ton wurde zunehmend schärfer. Er beklagte sich über die schlechten Arbeitsbedingungen für die 4-Schicht-Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin führt aus, dass der Beteiligte zu 2) nicht mehr zu beruhigen gewesen sei und sich in Rage geredet habe. Auch der Hinweis von Frau B., dass das Problem jetzt nicht gelöst werden müsse, habe ihn nicht wieder beruhigt.

Die Arbeitgeberin meint, dass der Beteiligte zu 2) am Ende erklärt habe, dass „die Arbeitsbedingungen wie in einem KZ“ seien oder dass es „hier wie in einem KZ sei“. Den genauen Wortlaut erinnere Frau B. nicht mehr. Der genaue Wortlaut lasse sich nur schwer wiedergeben, da der Beteiligte zu 2) lautstark und erregt sehr viel über „die sowieso schon sehr schlechten Arbeitsbedingungen der 4-Schicht-Mitarbeiter“ monologisiert und sich dann abschließend lautstark geäußert habe.

Die Arbeitgeberin hat unter dem 12. November 2013 beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des Beteiligten zu 2) beantragt. Nachdem der Betriebsrat die Erteilung einer solchen Zustimmung abgelehnt hatte, beantragte die Arbeitgeberin unter dem 21. November 2013 beim Arbeitsgericht Cottbus, diese fehlende Zustimmung zu ersetzen sowie hilfsweise, den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat auszuschließen. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme über den Inhalt der Äußerung des Beteiligten zu 2) in der Betriebsratssitzung am 7. November 2013 beschloss die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus am 5. März 2014, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2) zu ersetzen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig

In einer eidesstattlichen Versicherung vom 2. Dezember 2013 hat Frau B. erklärt:

Am 07.11.2013 wurde ich gegen 15:45 Uhr durch den Betriebsrat zu der zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Betriebsratssitzung hinzu gebeten. Auf Betriebsratsseite waren alle ordentlich gewählten Betriebsratsmitglieder anwesend, d.h. ... Es wurden mit mir verschiedene Themen wie die Gehaltsabrechnung, Pausenzeiten, Maschinenführer- und Stellvertreter-Regelung sowie das Zeiterfassungssystem erörtert. Wortführer auf Betriebsratsseite war dabei Herr G.. Im Verlauf der Erörterungen wurde Herr G. zunehmend erregter und lauter. Als dann das von uns im Betrieb angewandte Zeiterfassungssystem Tiso-Ware erörtert wurde, wies ich Herrn G. darauf hin, dass wir das (Zeit-)Problem der Schichtleiter und deren Arbeitszeit durchaus erkannt hätten und deshalb von uns auch im Rahmen der derzeit laufenden Einigungsstellenverhandlung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“ angeregt worden sei, dass die Arbeitszeit der Schichtleiter, wie mit diesen auch einzelvertraglich vereinbart, mit 40 Stunden/Woche klargestellt werden müsse.

Herr G. wurde dann aus unerfindlichen Gründen äußerst ungehalten und ließ sich dann auch nicht mehr durch das von mir vorgebrachte Argument, dass dieses Thema jetzt nicht gelöst werden müsse, beruhigen. Herr G. war geradezu außer sich und hielt mir lautstark (sinngemäß) vor, dass es immer „zu Lasten der 4-Schicht-Mitarbeiter gehe, mit denen könne man es ja machen. Die 4-Schichtler hätten sowieso schon eine sehr starke Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitsbedingungen“. Dann fiel der wörtliche Vergleich mit einem KZ. Den genauen Wortlaut dieses Vergleichs durch Herrn G. kann ich nicht 100%-ig wiedergeben, da ich von der lautstark und erregt seitens Herrn G. vorgetragenen verbalen Tirade zu den „sowieso schon schlechten Arbeitsbedingungen der 4-Schicht-Mitarbeiter“ sehr betroffen war. Ich bin mir aber 100 % sicher, dass Herr G. lautstark äußerte, „die Arbeitsbedingungen seien wie in einem KZ“ oder „es sei hier wie in einem KZ“.

Nach der Äußerung von Herrn G. herrschte betretenes Schweigen im Raum. Nach meinem Eindruck waren neben mir alle anderen anwesenden Betriebsratsmitglieder von der Äußerung von Herrn G. geschockt.

Ich habe dann versucht, die Situation zu deeskalieren, indem ich gegenüber Herrn G. sinngemäß äußerte, „er solle jetzt mal wieder runterkommen“.

Dann wurde noch ein anderes Thema (Klausurtagung in Oberjosbach) besprochen, wobei sich Herr G. an dieser Erörterung dann nicht mehr beteiligte. Anschließend habe ich die Betriebsratssitzung gegen 16:45 Uhr wieder verlassen.

Am 11. November 2013 wies der Beteiligte zu 2) in einem Personalgespräch bei der Arbeitgeberin darauf hin, dass er den Begriff „KZ“ nicht verwendet habe. Er entschuldigte sich dennoch bei der Arbeitgeberin, was die Arbeitgeberin jedoch nicht als nachdrücklich und ehrlich empfand.

Die Arbeitgeberin geht davon aus, dass es sich bei den Äußerungen des Beteiligten zu 2) in der Betriebsratssitzung am 7. November 2013 um eine üble Nachrede handele und die Arbeitgeberin selbst sowie Frau B. grob beleidigt worden seien. Da die Äußerung in einer Betriebsratssitzung gefallen sei, rechtfertige dass neben der außerordentlichen Kündigung auch den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Beides habe die Arbeitgeberin mit Anträgen vom 21. November 2013 auf den Weg gebracht. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung müsse dem Beteiligten zu 2) die Amtsausübung untersagt werden, da es der Arbeitgeberin unzumutbar sei, mit dem Beteiligten zu 2) noch vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die - von der Arbeitgeberin behauptete und hier unterstellte - Äußerung einmalig und in einer nicht betriebsöffentlichen Sitzung des Betriebsrates gefallen sei, so dass der Betriebsfrieden durch die Äußerung nicht gestört worden sei. Auch sei die Äußerung in einer angespannten Situation mit erregtem Gemütszustand gefallen. Deshalb sei eine vorübergehende Untersagung der Amtsausübung nicht gerechtfertigt.

Gegen diesen den Vertretern der Arbeitgeberin am 19. Dezember 2013 zugestellten Beschluss legten diese am 13. Januar 2014 Beschwerde ein und begründeten diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 19. März 2014.

In der Beschwerdebegründung räumt die Arbeitgeberin ein, dass sie in diesem Verfahren nur obsiegen könne, wenn ihr die weitere Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 2) nicht einmal mehr vorübergehend zuzumuten sei. Die Annahme der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus, dass es sich nicht um eine „derart grobe Amtspflichtverletzung“ handele, sei falsch. Das belege auch das stattgebende Ergebnis im Verfahren nach § 103 BetrVG vor der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus vom 5. März 2014. Es habe sich um eine grobe Beleidigung und Verleumdung der Arbeitgeberin gehandelt. Eine solche schließe eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aus. Der Personalleiterin und dem Werksleiter sei es nicht zuzumuten, mit dem Beteiligten zu 2) an einem Verhandlungstisch zu sitzen, der sie noch vor Kurzem mit einem KZ-Schergen verglichen und mit dem NS-Terrorregime und dessen Unrechtstaten gleichgesetzt habe. Die dazu erfolgte Wertung des Arbeitsgerichts sei lebensfremd. Die Äußerung sei auch nicht durch Vertraulichkeit geschützt gewesen, da die Sitzung mit der Einladung der Personalleiterin öffentlich geworden sei. Der Betriebsfrieden sei auch schon durch deren Beleidigung und Verleumdung gestört. Ein solch schrecklicher Vergleich verbiete sich auch bei einem erregten Gemütszustand.

Die Relevanz der vorübergehenden Untersagung der Amtsausübung sei mittlerweile gesteigert, weil der Beteiligte zu 2) nicht nur bei der turnusmäßigen Neuwahl erneut in den Betriebsrat gewählt worden sei. Vielmehr habe das Gremium den Beteiligten zu 2) nunmehr zu seinem Vorsitzenden gewählt. Damit sei die Arbeitgeberin praktisch täglich dem Kontakt mit dem Beteiligten zu 2) ausgesetzt. Das sei angesichts dessen schwerwiegender Verfehlungen für die Arbeitgeberin nicht nur völlig unzumutbar, sondern unerträglich. Dieses sei auch im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Soweit das Beschwerdegericht zwischenzeitlich Zweifel am Fortbestehen des Verfügungsgrundes durch eine „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“ angesprochen habe, weil die Arbeitgeberin die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde habe verlängern lassen und diese verlängerte Frist auch bis zum Ende ausgeschöpft habe, sei die Fristverlängerung und das Ausschöpfen dieser Frist im Hinblick auf den Stand des Hauptsacheverfahrens gerechtfertigt gewesen. Denn durch den anstehenden Kammertermin im Hauptsacheverfahren sei eine Aufklärung des hier zu Grunde liegenden - streitigen - Sachverhalts zu erwarten gewesen. Dieses sei in einer mehrstündigen Beweisaufnahme und in dem mittlerweile zugestellten Beschluss der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus auch umfassend rechtlich gewürdigt erfolgt. Mit der Fristverlängerung habe die Arbeitgeberin das Ziel verfolgt, der summarischen, kursorischen Prüfung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens den vollständig ermittelten Sachverhalt eines Hauptsacheverfahrens gegenüber zu stellen. Auch wenn ein Verfahren auf einstweilige Untersagung der Amtsausübung nicht vollständig deckungsgleich mit einem Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat bzw. auf Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes sei, handele es sich materiell- rechtlich letztlich doch um das entsprechende Hauptsacheverfahren.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 19. Dezember 2013 - 4 BVGa 9/13 abzuändern und dem Beteiligten zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, sein Betriebsratsamt bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn und den Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Cottbus unter dem Aktz.: 5 BV 105/13 laufenden Zustimmungsersetzungs- bzw. Ausschlussverfahrens auszuüben.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 2) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 2) weisen darauf hin, dass die Arbeitgeberin in der Beschwerdebegründung dem Beteiligten zu 2) neue Formulierungen vorwerfe, die dieser - bislang unstreitig - nicht getätigt habe. Dass die Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 2) nicht unzumutbar sei, habe der Verlauf der Zeit seit November 2013 gezeigt. Angesichts der Freistellung von der Arbeitsleistung habe der Beteiligte zu 2) seine Betriebsratstätigkeit intensiviert. In der gesamten Zeit sei es aber zu keiner einzigen unüblichen Auseinandersetzung zwischen der Arbeitgeberin und dem Beteiligten zu 2) gekommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin vom 19. März 2014 sowie deren Schriftsätze vom 2. Mai 2014 und vom 4. Juni 2014, auf die Beschwerdeerwiderung des Betriebsrates und des Beteiligten zu 2) vom 5. Mai 2014 und das Sitzungsprotokoll vom 5. Juni 2014 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 8 Abs. 4 und 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet worden.

Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Beteiligten zu 2) in der Betriebsratssitzung am 7. November 2013 in Gegenwart der Personalleiterin getätigte Äußerung, auch in der in der eidesstattlichen Versicherung der Personalleiterin dargestellten Form keinen Grund für eine vorübergehende Untersagung der Ausübung des Amtes als Betriebsratsmitglied und auch nicht als Betriebsratsvorsitzender darstellt.

1.

Die Kammer hatte bereits Zweifel, ob die vorübergehende Untersagung der Ausübung eines Betriebsratsamtes im Wege der einstweiligen Verfügung rechtlich zulässig ist.

1.1

Es wird in der Literatur überwiegend und vereinzelt in der Rechtsprechung vertreten, dass bei schwerwiegenden Amtspflichtverletzungen eines Betriebsratsmitgliedes diesem die gesetzmäßige Amtsausübung durch das Arbeitsgericht auf Antrag im Beschlussverfahren durch einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Ausschluss des Mitglieds des Betriebsrates aus diesem Gremium untersagt werden kann (vgl. GK-BetrVG-Oetker § 23 RN 102 m.w.N.; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2012 - 16 TaBVGa 1218/12).

Im Gesetz ist ein solches Verfahren nicht vorgesehen. Dort sieht § 23 Abs. 1 BetrVG allein den Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Betriebsrat vor. Ein solcher Ausschluss ist nach einhelliger Auffassung durch einstweilige Verfügung nicht möglich (vgl. ArbG Wiesbaden, Beschluss vom 11. April 1984 - 6 BVGa 1/84; ArbG Aachen, Beschluss vom 19. März 2009 - 8 BVGa 3/09; ebenso Joost/MünchArbR § 222 Rn. 17; GK-BetrVG-Oetker § 23 RN 103). Denn wenn eine Gestaltungsentscheidung schon vor deren späterer Rechtskraft eine Rechtsänderung herbeiführen soll, bedarf es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. BAG, Beschluss vom 27. Januar 1983 - 6 ABR 15/82 m.w.N.)

1.2

Mit der Bindung an Gesetz und Recht besteht für jede Richterin und jeden Richter die Aufgabe nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Ihre Aufgabe ist es auch, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent sind, aber in den Texten des geschriebenen Gesetzes nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Dabei muss man sich von Willkür freihalten. Die Entscheidung muss auf rationaler Argumentation beruhen. Man muss unter Umständen einsichtig machen können, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem nach den Wertentscheidungen des Grundgesetzes gerecht zu lösen, nicht erfüllt.

Richterliche Rechtsfortbildung darf aber nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13). Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, Urteile vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08).

Ob über den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Unterlassung der weiteren Amtsausübung geboten ist, wenn objektiv wegen der Art der Amtspflichtverletzung jede weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem betreffenden Betriebsratsmitglied unzumutbar ist (BAG, Beschluss vom 29. April 1969 - 1 ABR 19/68; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2012 - 16 TaBVGa 1218/12; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, Anhang zu §§ 935, 940 - III. Betriebsverfassungsrecht Rz. 302) muss in diesem Verfahren letztlich aber nicht entschieden werden.

2.

Unentschieden kann auch die Frage bleiben, ob sich das Verfahren durch den Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrates am 31. Mai 2014 erledigt hat. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht bereits im Beschluss vom 29. April 1969 (1 ABR 19/68) zur früheren, aber insoweit vergleichbaren Rechtslage deutlich gemacht, dass grundsätzlich nur solche Umstände berücksichtigt werden dürften, die in der laufenden Amtszeit des Betriebsrates eingetreten seien, nicht aber aus einer früheren Amtszeit. Denn wenn das Ausschlussverfahren in der alten Amtszeit abgeschlossen worden sein sollte, gebe es von Gesetzes wegen keinen Grund, dass eine auf diesem Wege ausgeschlossene Person für eine neue Amtszeit nicht erneut kandidiert. Der Verlust der Wählbarkeit würde nur bei strafgerichtlicher Verurteilung (§ 45 StGB) eintreten. Deshalb würde es von Zufälligkeiten abhängen, ob die Ausschlussgründe - wegen nicht rechtzeitiger gerichtlicher Entscheidung - in die neue Amtszeit wirken würden oder - bei rechtzeitiger gerichtlicher Entscheidung - die neue Amtszeit von früheren Vorwürfen unberührt bleibe.

Zwar wird vielfach vertreten, dass bei gröblichen Verstößen eines Betriebsratsmitgliedes die Amtspflichtverletzung für die Amtsausübung dieses Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke, so dass es zulässig bleiben müsse, dessen Ausschluss jedenfalls noch in der folgenden Amtsperiode zu betreiben GK-BetrVG-Oetker § 23 RN 55 m.w.N.). Denn eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten werde nicht dadurch irrelevant, dass der Betriebsrat neu gewählt worden sei. Dieses Argument konsequent zu Ende gedacht würde jedoch nach jeder Neuwahl ein neues Ausschlussverfahren aus den bisherigen Gründen zulassen. Auch die Klärung dieser Frage kann aber letztlich in diesem Verfahren offen bleiben.

3.

Wie das Beschwerdegericht bereits in dem Hinweisschreiben vom 6. Mai 2014 ausgeführt hat, ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit für ein einstweiliges Verfügungsverfahren durch prozessuales Verhalten der antragstellenden Partei entfallen kann, sogenannte „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“. Dies wird unter anderem dann angenommen, wenn sich der erstinstanzlich unterlegene Beteiligte die Frist zur Begründung der Beschwerde nicht unerheblich verlängern lässt, diese Verlängerung voll ausschöpft und ein Hauptsacheverfahren nicht einleitet (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 12 SaGa 3/13; LAG München, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 Sa 677/06; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. März 2014 - 5 SaGa 13/13; LAG Hamm, Urteil vom 10. Februar 2006 - 7 Sa 2307/05; KG Berlin, Beschluss vom 16. April 2009 - 8 U 249/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2002 - 20 U 74/02; OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2010 - 5 U 38/10; OLG Köln, Beschluss vom 19. Januar 2012 - 15 U 195/11; OLG München, Beschluss vom 5. August 1990 - 6 U 3296/90; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 5. Juli 1990 - 6 U 156/88; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. Juli 1987 - 3 U 1135/87).

Maßgeblich sind dabei die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die Gesamtbetrachtung des prozessualen Vorgehens der Arbeitgeberin ergibt aber jedenfalls, dass sie ihr Begehren in diesem Verfahren nicht mit besonderem Nachdruck verfolgt hat. Dieses zeitverzögernde Verhalten verfehlt die den Vorschriften der §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intention. Ein Interesse der Arbeitgeberin an einer zügigen Rechtsdurchsetzung in diesem Verfahren ist kaum zu erkennen.

Der Justizgewährungsanspruch auf effektiven Rechtsschutz gilt nicht nur für den Anspruchsteller, sondern ebenso für den Anspruchsgegner. Er wird, richtig verstanden, primär durch das Hauptverfahren verwirklicht. So vermag die erstinstanzliche Entscheidung im ordentlichen Beschlussverfahren schon die gebotene Vorklärung des geltend gemachten Anspruchs erbringen. Für das Eilverfahren gilt dies jedenfalls nicht. Indem hier nur eine summarische, kursorische Prüfung stattfindet, die Gewährung rechtlichen Gehörs verkürzt und die Anforderung an die gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts herabgesetzt werden, steigt das Risiko rechtlicher Fehlbeurteilung sowie unzutreffender tatsächlicher Annahmen, weil etwa entscheidungserheblicher Sachverhalt nicht vollständig und wahrheitsgemäß vorgetragen wird. Damit erhöht sich die Gefahr, dass die Verfügung, wenn zu Unrecht erlassen oder nicht erforderliche Anordnungen enthaltend, irreversible Nachteile und irreparable Schäden zeitigt.

Die Arbeitgeberin hat die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist mit dem parallel betriebenen erstinstanzlichen Verfahren nach § 103 BetrVG begründet. Da eine Entscheidung in jenem Verfahren nicht vorläufig vollstreckbar ist (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG), führt die erstinstanzliche Entscheidung zunächst zu keiner - anderen - Sicherung des in diesem Verfahren geltend gemachten Rechts der Arbeitgeberin. Dieses ist der Arbeitgeberin bekannt, wie sie im Schriftsatz vom 2. Mai 2014 auf Seite 2 selbst ausgeführt hat.

Ob die von der Arbeitgeberin in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnisse aus dem erstinstanzlichen Verfahren nach § 103 BetrVG bzw. dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat tatsächlich die Entscheidung in diesem Verfahren erleichtern, kann aber dahinstehen. Denn die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist nicht entscheidungserheblich.

4.

Entscheidungserheblich ist, dass § 23 Abs. 1 BetrVG die Verletzung einer gesetzlichen Pflicht des Beteiligten zu 2) verlangt. § 2 Abs. 1 BetrVG mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verlangt wechselseitige Rücksichtnahmepflichten und Loyalität zwischen der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat und den einzelnen Betriebsratsmitgliedern. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG, der den Arbeitgeber und den Betriebsrat zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, bezieht sich nicht allein auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat als Gremium. Auch das einzelne Betriebsratsmitglied ist danach verpflichtet, durch sein Verhalten die Grundlagen des gegenseitigen Vertrauens nicht nachhaltig zu stören. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat sich bei seiner Betriebsratstätigkeit innerhalb der Grenzen zu halten, die sich aus den allgemeinen Vorschriften der Rechtsordnung, insbesondere aus denen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben (vgl. BAG, Beschluss vom 21. Februar 1978 - 1 ABR 54/76).

4.1

Der Beteiligte zu 2) hat mit dem von ihm angestellten Vergleich eine unsägliche Provokation und Verhöhnung der Opfer der Konzentrationslager und ihrer Hinterbliebenen begangen, sofern er die in der eidesstattlichen Versicherung der Personalleiterin beschriebene Äußerung getätigt haben sollte, wofür unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme vom 5. März 2013 im Verfahren 5 BV 105/13 vor dem ArbG Cottbus viel spricht. Allerdings sind auch unsäglich Provokationen im Lichte des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 11 Abs. 1 GRCh, Art 5 Abs. 1 GG) zu sehen.

4.2

Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG ist für die freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend und gewährleistet zugleich eine der wesentlichen Äußerungsformen der menschlichen Persönlichkeit. Bei seiner großen Bedeutung ist seine Berücksichtigung jeweils im Rahmen des Möglichen geboten. Mit der elementaren Bedeutung des Grundrechts aus Art 5 GG wäre es unvereinbar, wollte der Meinungsäußerung dem Bereich der betrieblichen Arbeitswelt, die die Lebensgestaltung zahlreicher Staatsbürger wesentlich bestimmt, schlechthin fernhalten (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73).

4.2.1

Meinungen fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden. Soweit Tatsachenbehauptungen enthalten sind, die zur Stützung der Werturteile dienen, stehen diese wegen dieses Zusammenhangs ebenfalls unter dem Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1998 - 1 BvR 287/93).

Der Einfluss des Grundrechts wird verkannt, wenn die Gerichte ihrer Beurteilung eine Äußerung zugrunde legen, die so nicht gefallen ist, wenn sie dieser einen Sinn geben, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat, oder wenn sie sich unter mehreren objektiv möglichen Deutungen für die zur Verurteilung führende entscheiden, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen.

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner dann verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einstufen mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maße am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - 1 BvR 327/91).

4.2.2

Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 AZR 584/04). Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellt.

Voraussetzung jeder Abwägung ist, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst worden ist. Die Auslegung hat vom „Wortlaut“ der Äußerung auszugehen, darf aber den Kontext, in dem sie steht, sowie die für den Empfänger erkennbaren Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht unberücksichtigt lassen. Die isolierte Betrachtung eines bestimmten Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht. Einer Äußerung darf kein Sinn beigelegt werden, den sie nicht besitzt; bei mehrdeutigen Äußerungen muss eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden. Bei Aussagen, die bildlich eingekleidet sind, müssen sowohl die Aussage der Einkleidung selbst als auch die sogenannte Kernaussage je für sich daraufhin überprüft werden, ob sie die gesetzlichen Grenzen überschreiten. Auf diese Weise lässt sich ein wirksamer Schutz der grundrechtlichen Meinungsfreiheit gewährleisten.

4.2.3

Allerdings findet das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch in den Betrieben seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch §§ 185-187 StGB. Handelt es sich aber um Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschränken, ist dabei das eingeschränkte Grundrecht zu beachten, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Dies erfordert regelmäßig eine Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Doch ist in der Rechtsprechung eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt worden, die Kriterien für die konkrete Abwägung vorgegeben. Wegen der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Ordnung spricht eine Vermutung für die freie Rede, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht. Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, nicht aber eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts tritt umso mehr zurück, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. In der öffentlichen Auseinandersetzung, insbesondere im politischen Meinungskampf, muss daher auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohte (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04).

Bei herabsetzenden Äußerungen allerdings, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung erweisen, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik aber eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13).

4.3

Wie der eidesstattlichen Versicherung der Personalleiterin entnommen werden kann, erfolgte die Äußerung des Beteiligten zu 2) im Rahmen einer Diskussion bzw. am Ende im Rahmen eines Monologs über die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen der 4-Schicht-Mitarbeiter. Der Beteiligte zu 2) äußerte den unsäglichen Vergleich im Rahmen einer „lautstark und erregt vorgetragenen verbalen Tirade“. Der Beteiligte zu 2) war bei seinem Monolog „geradezu außer sich“. Dieses führte dazu, dass die Personalleiterin den Beteiligten zu 2) dahin ansprach, dass er „jetzt mal wieder runterkommen“ solle.

Die Meinungsäußerung des Beteiligten zu 2) erfolgte zwar in drastischer Wortwahl, die geeignet ist, Anstoß zu erregen. Der - streitige - KZ-Vergleich mag von der Personalleiterin als Erklärungsempfängerin als beleidigend empfunden werden. In der Betriebsratssitzung hat sie entsprechendes aber nicht geäußert. In harter Form geäußerte Sachkritik führt ihrer Natur nach regelmäßig zu einer wertenden Herabsetzung persönlicher Leistungen des Erklärungsempfängers. Eine Schmähung liegt indes erst vor, wenn der Kritik kein Tatsachenkern zugrunde liegt oder der Erklärende bewusst falsche Tatsachen streut. Hierfür fehlen aber im konkreten Fall greifbare Anhaltspunkte.

Es ist möglich, dass der Beteiligte zu 2) mit dem unsäglichen Vergleich der Personalleiterin (und dem Werkleiter) persönlich vorwerfen wollte, dass diese für derartige Arbeitsbedingungen verantwortlich seien. Ebenso ist es aber möglich, dass der Beteiligte zu 2) ohne persönlichen Angriff die Arbeitsbedingungen im Betrieb brandmarken wollte. Die gesamte Darstellung des Sachverhaltes in der eidesstattlichen Versicherung der Personalleiterin spricht aber für eine - in dieser Form völlig unpassende - Sachkritik bezüglich der Arbeitsbedingungen der 4-Schicht-Mitarbeiter. Selbst wenn man der Meinungsäußerung des Beteiligten zu 2) einen beleidigenden, herabwürdigenden Tatsachenkern entnehmen sollte, diente dieser der Stützung der Werturteile über die Arbeitsbedingungen im Betrieb und steht wegen dieses Zusammenhangs ebenfalls unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.

5.

Nach alledem hat die Beschwerde der Arbeitgeberin keinen Erfolg.

III.

Die Entscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gerichtskostenfrei.

IV.

Gegen diese Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 92 Abs.1 Satz 3 ArbGG von Rechts wegen ausgeschlossen.



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