Landesarbeitsgericht Hessen

Beschluss vom - Az: 9 TaBV 17/13

Ausschluss eines BR-Mitglieds wegen Hitler-Vergleich

Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat ist gerechtfertigt, wenn dieses einen groben Verstoß gegen gesetzliche Pflichten begeht. Erforderlich ist, dass diese Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.
Diffamierende persönliche Beleidigungen stellen eine grobe Pflichtverletzung im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Betriebsrat dar. Ehrverletzungen müssen, um den notwendigen Schweregrad einer Diffamierung zu erreichen, allerdings ein objektiv erhebliches Gewicht erreichen und zu offensichtlich schwerwiegenden Störungen der Zusammenarbeit führen. Dies ist in der Regel erst bei groben und böswilligen Beleidigungen oder Beschimpfungen der Fall.
Die Äußerung gegenüber der Betriebsratsvorsitzenden, „33 hat sich schon mal so jemand an die Macht gesetzt mit solchen Methoden“, stellt gerade wegen des persönlichen Vergleichs eine Beleidigung dar und somit den Ausschluss aus dem Betriebsrat.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I GG) ist im Falle von ehrverletzenden Äußerungen insoweit begrenzt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. November 2012 - 10 BV 3/12 - abgeändert.

Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsratsgremium.

Die Beteiligten zu 3) bis 6) betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb in A. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat. Er besteht aus dreizehn Mitgliedern. Im Verfahren 11 BV 11/11 / 9 TaBV 225/12 wird auf der Grundlage eines Quorums von zuletzt 251 Arbeitnehmern, das sind über ein Viertel der Belegschaft, über den Antrag auf Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Gremium gestritten. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat dem Ausschließungsantrag stattgegeben. Den sog. Initiatoren des Ausschließungsverfahrens gehörte auch der Beteiligte zu 2) an. Am 28. Jan. 2011 war den sog. Initiatoren im Rahmen einer Unterredung mit Geschäftsführer und Personalleiter zugesichert worden, dass die Arbeitgeberin die Kosten einer anwaltlichen Beratung und Vertretung in Höhe von EUR 250 pro Stunde übernehmen würde. Zu diesem Satz waren bis dahin auch die für den Betriebsrat tätigen Anwälte immer vergütet worden. Dies war ein jahrelang praktiziertes Verfahren. Im Februar 2011 kürzten die Beteiligten zu 3) bis 6) ihre Leistungszusagen gegenüber dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern auf die nach dem RVG zu zahlende Anwaltsvergütung. Zu dieser Zeit war die Vergütungsvereinbarung mit dem Rechtsberater der sog. Initiatoren bereits getroffen worden. Ein gegen die Änderung eingeleitetes Beschlussverfahren blieb in zwei Instanzen erfolglos. Im Februar 2012 wurden im Verfahren 11 BV 11/11 für die Antragsteller des Ausschließungsantrages jeweils eine weitere Vollmacht vorgelegt.

Am 5. März 2012 äußerte der Beteiligte zu 2) anlässlich einer Betriebsratssitzung in B: „33 hat sich schon mal so jemand an die Macht gesetzt mit solchen Methoden.“ Er hat sich mit undatiertem Schreiben, zu dessen Inhalt auf Bl. 70 d. A. verwiesen wird, bei der Betriebsratsvorsitzenden entschuldigt. Ein deswegen eingeleitetes Verfahren vor dem Amtsgericht Düsseldorf wurde nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Eine wegen dieser Äußerung ausgesprochene arbeitgeberseitige Abmahnung hat der Beteiligte zu 2) akzeptiert.

Der Beteiligte zu 1) hat mit seinem Antrag vom 20. März 2012 den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat begehrt. Er ist der Ansicht gewesen, der Beteiligte zu 2) sei wegen grober Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Betriebsrat auszuschließen. Er trägt vor, die sog. Initiatoren hätten im Zusammenwirken mit der sie vertretenden Anwaltskanzlei sowie dem Geschäftsführer und dem Personalleiter den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Gremium betrieben. Die Geschäftsleitungen unterstützten das Vorhaben finanziell und logistisch. Er gehe davon aus, dass außer der Rechnung vom 12. April 2011 (Bl. 8 bis 10 d. A.) die laufenden Arbeitsstunden im Verfahren 11 BV 11/11 von der Beteiligten zu 3) bezahlt würden. Die Business Manager und Coaches seien mit einer von den Geschäftsleitungen zur Verfügung gestellten Unterschriftenliste per E-Mail an die untergebenen Mitarbeiter herangetreten und hätten diese zur Unterzeichnung der Listen aufgefordert. Die Prozessvollmachten der Unterstützer seien unter falschen Behauptungen gesammelt worden (vgl. E-Mail vom 20. Dez. 2011, Bl. 11 d. A.). Die Zusage der Kostenübernahme sei eine unzulässige Begünstigung des Beteiligten zu 2) und seiner Kollegen/innen, da der Arbeitgeber zur Übernahme der Kosten für das Ausschließungsverfahren nicht verpflichtet sei. Eine §§ 40 Abs. 1, 20 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift fehle bei § 23 Abs. 1 BetrVG. Jedenfalls hätte die Zusage auf die gesetzlichen Gebühren beschränkt werden müssen. Abgesehen davon habe der Beteiligte zu 2) die Betriebsratsvorsitzende wiederholt grob beleidigt. Am 28. Febr. 2012 habe er in Bezug auf die Betriebsratsvorsitzende geäußert: „Ich gehe sogar noch weiter, 33 hat sich auch schon so einer an die Macht gesetzt“ (Beweis: Zeugnis C u.a.).

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen, außer der Zusage der Kostenübernahme habe es keine weiteren Unterstützungsleistungen seitens der Geschäftsleitungen gegeben. Seine Äußerung vom 5.März 2012 über 1933 sei vor dem Hintergrund des Verhaltens der Betriebsratsvorsitzenden zu sehen. Am 28. Febr. 2012 habe er geäußert, dass man nicht einfach so jemandem einen Freifahrtschein geben könne. Man hätte so etwas früher schon einmal gemacht und sei damit auf die Nase gefallen. Die ihm unterstellte Äußerung, 33 habe sich auch schon so einer an die Macht gesetzt, sei an diesem Tag von ihm nicht gefallen (Beweis: Zeugnis D u.a.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat den Antrag durch Beschluss vom 22. Nov. 2012 - 10 BV 3/12 - zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Der Beschluss ist dem Beteiligten zu 1) am 22. Jan. 2013 zugestellt worden. Er hat dagegen am 12. Febr. 2013 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der Beteiligte zu 1) trägt vor, ausreichende Ausschließungsgründe gegen die Betriebsratsvorsitzende seien im Verfahren 9 TaBV 225/12 nicht vorgetragen. Die sog. Initiatoren führten das Ausschließungsverfahren offenbar mit Unterstützung der Beteiligten zu 3). Sie nähmen erkennbar die Interessen der Geschäftsleitung wahr. Die Unterstützer des Antrages hatten keinerlei eigene Interessen. Wegen der Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des Ausschließungs- und Beschwerdeverfahrens nimmt der Beteiligte zu 1) Bezug auf seinen Vortrag in den Verfahren 9 TaBV 189/239/259 und 294/12.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. November 2012 abzuändern und den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 3) bis 6) stellen keinen Antrag.

Der Beteiligte zu 2) trägt vor, die Unterstützer des Ausschließungsantrages hätten allein das Interesse einer ordnungsgemäßen Betriebsratsarbeit. Er bestreitet eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung dieses Beschluss- und Beschwerdeverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 23. Mai 2013 verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und zulässig, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 87 Abs. 2, 89, 66 Abs. 1 ArbGG). Ein von einem Verfahrensbevollmächtigten namens des Betriebsrats gestellter Antrag in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bedarf allerdings einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Kollegialorgans über die Einleitung des Verfahrens und eines Rechtsmittels. Fehlt es hieran, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (BAG Beschluss vom 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - Juris). Der Beteiligte zu 2) hat das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses zur Einleitung des Ausschließungsverfahrens und insbesondere dieses Rechtsmittelverfahrens zunächst pauschal bestritten. Nach der Darlegung des Verlaufs der Beschlussfassung unter Vorlage der Einladung, Tagesordnung und des Sitzungsprotokolls durch den Betriebsrat im Verfahren 9 TaBV 294/12, auf das der Betriebsrat Bezug nimmt, hat der Beteiligte zu 2) eine mangelnde Information der geladenen Ersatzmitglieder E und F gerügt. Der Tagesordnungspunkt

 „§ 23 BetrVG Herr G

Einlegung von Rechtsmitteln ggf. gegen den Beschluss des AG Wiesbaden bezgl. des Verfahrens § 23 BetrVG, Ausschluss Herr G, sowie ggf. gegen den Beschluss LAG durch die H. Besprechung und Beschlussfassung“

stand auf der Tagesordnung. Im Verfahren 9 TaBV 294/12 wurde gerügt, dass Frau F in der Sitzung erklärt hat, sie sähe sich mangels ausreichender Informationen außerstande, über diese Tagesordnungspunkte abzustimmen und die Sitzung verlassen hat, ebenso Herr E, nachdem er ausweislich des Protokolls von der Betriebsratsvorsitzenden darauf hingewiesen worden ist, dass er nach den Unterlagen hätte fragen müssen, er hätte sie im Betriebsratsbüro einsehen können. Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses setzt voraus, dass er in einer Betriebsratssitzung gefasst worden ist, zu der die Mitglieder des Betriebsrats gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (BAG a.a.O.). Der Betriebsrat muss sich auf Grund einer ordnungsgemäßen Ladung als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben (BAG a.a.O.). Dabei müssen in der Tagesordnung die zu stellenden Anträge nicht bereits im Einzelnen formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet sind. Nach dem Sitzungsprotokoll (TOP 17) wurde ein Antrag gestellt, der mehrheitlich angenommen wurde. Dass die Betriebsratsmitglieder F und E vergeblich versucht hätten, eine Erörterung des Tagesordnungspunktes zu erreichen oder sich vor der Sitzung im Betriebsratsbüro zu informieren, hat der Beteiligte zu 2) nicht vorgetragen. Hierzu dient aber auch die Diskussion und Erörterung in der Sitzung. Das erstmalige Bestreiten einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung zur Einleitung des Ausschließungsverfahrens ins Blaue hinein im Beschwerdeverfahren ohne irgendeinen Anhaltspunkt, obwohl der Beteiligte zu 2) selbst Betriebsratsmitglied ist und von Anfang an von demselben Verfahrensbevollmächtigten vertreten war, ist unzulässig. Das Bestreiten kann sich jedenfalls bei Betriebsratsmitgliedern nicht darin erschöpfen, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte ins Blaue hinein einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zu bestreiten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO ist nur zulässig, wenn dem keine eigene Wahrnehmung zugrunde lag. Der Beteiligte zu 2) muss jedoch die Einladungen erhalten haben, die Tagesordnung, das Sitzungsprotokoll und war lediglich bei der Beschlussfassung verhindert.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Ausschließungsantrag des Beteiligten zu 1) ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Ein den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten liegt dann vor, wenn diese Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (BAG Beschluss vom 22. Juni 1993 - 1 ABR 62/92 - EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 35; Hess. LAG Beschlüsse vom 21. Febr. 2013 - 9 TaBV 189/12, 239/12, 259/12 -; Hess. LAG Beschluss vom 13. Sept. 2012 - 9 TaBV 79/12 - Juris; Hess. LAG Beschluss vom 9. Juni 2005 - 9 TaBV 186/04 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 16. Sept. 2004 - 9 TaBV 33/04 -n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 4. Mai 2000 - 12 TaBV 100/99 - Juris). Das arbeitsgerichtliche Erkenntnisverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist auf ein zukünftiges Verhalten des Betriebsratsmitglieds, nicht aber auf Sanktionen gegen ihn gerichtet. Das Tatbestandsmerkmal der groben Pflichtverletzung hat für das Verfahren eine ähnliche Bedeutung wie bei negatorischen Klagen die in den materiell-rechtlichen Vorschriften bezeichnete Wiederholungsgefahr und wie bei einer Klage auf künftige Leistungen die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung. Es stellt also eine Rechtsschutzvoraussetzung dar (BAG Beschluss vom 23. Juni 1992 - 1 ABR 11/92 - EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 51; Hess. LAG Beschluss vom 13. Sept. 2012 - 9 TaBV 79/12 - Juris; Hess. LAG Beschluss vom 9. Juni 2005 - 9 TaBV 186/04 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 16. Sept. 2004 - 9 TaBV 33/04 - n.v.).

3 a) Ein Ausschließungsgrund kann zwar nicht darin gesehen werden, dass der Beteiligte zu 2) als Betriebsratsmitglied sog. Initiator und Antragsteller des Ausschließungsverfahrens gegen die Betriebsratsvorsitzende ist. Auch Betriebsratsmitglieder haben als Arbeitnehmer das Recht, einen Ausschließungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG gegen einzelne Mitglieder zu unterstützen wie auch der Betriebsrat ja selbst einen derartigen Antrag stellen kann. Allerdings wäre es im Betriebsratsgremium untragbar und eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich, wenn ein Betriebsratsmitglied im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber und mit dessen finanzieller Unterstützung, die über den Freistellungsanspruch nach § 40 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 BetrVG hinausgeht, den Ausschluss eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds betreibt. Das Betriebsratsmitglied handelte dann zwar als Arbeitnehmer, aber sein Verhalten ließe sich nicht von seiner Amtsausübung im Betriebsrat trennen. Es bedeutete einen massiven Eingriff in die Betriebsverfassung, wenn sich das Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber Honorarzusagen machen ließe, die weit über die Vergütung nach dem RVG hinausgehen, denn beide erhoffen sich dadurch eine noch engagiertere und bessere Rechtsvertretung. Dadurch würden dem Betriebsratsmitglied Vorteile gewährt, die ihm im Rahmen des Freistellungsanspruchs nach §§ 40 Abs. 1, 23 Abs. 1 BetrVG nicht zustünden.

b) Die Zusage der Übernahme der Anwaltsvergütung für das Ausschließungsverfahren gegen die Betriebsratsvorsitzende war vorliegend jedoch keine Verschaffung von Vorteilen seitens des Arbeitgebers, auf die der Beteiligte zu 2) keinen Anspruch hatte. Grundsätzlich kann ein Unterstützer des Quorums zum Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Gremium Freistellung von einer erforderlichen Anwaltsvergütung beanspruchen. Es handelt sich um durch die Tätigkeit des Betriebsrats bzw. eines seiner Mitglieder entstandene Kosten. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Soweit hierzu erforderliche Zahlungsverbindlichkeiten eingegangen und noch nicht erfüllt sind, besteht die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung darin, den Zahlungsverpflichteten von der Verbindlichkeit freizustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAG Beschluss vom 19. April 1989 - 7 ABR 6/88 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 62). Zu den Kosten im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG können gegenständlich auch solche Kosten zählen, die einem Betriebsratsmitglied in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten über seine Rechtsstellung gegenüber dem Betriebsrat entstanden sind. Dies gilt z.B. auch für den Fall, dass die Aufwendungen des Betriebsratsmitgliedes durch seine Verteidigung gegen in Beschlussverfahren erhobene Anträge entstehen, die nach § 23 Abs. 1 BetrVG auf seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat gerichtet sind. Ein stärkerer rechtlicher Eingriff in die Rechtsstellung des Betriebsratsmitgliedes ist nicht denkbar (BAG a.a.O.). Das muss im Gegenzug aber auch für denjenigen gelten, der den Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG stellt, vorausgesetzt, dass der Antrag durch das Verhalten des Betriebsratsmitglieds schlüssig begründet ist und ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG vertretbar daraus abgeleitet werden kann. Anderenfalls ist die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich. In diesem Sinne ist das BAG (a.a.O.) ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die dortigen Antragsteller von Anfang an durch Rechtsanwälte vertreten waren (wie hier etwa Däubler BetrVG § 23 Rz. 36; ErfK § 40 BetrVG Rz. 6). Darauf, ob der Ausschließungsantrag am Ende begründet ist, kommt es nicht an. Vor dem Hintergrund der beschlossenen Beweisaufnahme im Verfahren 9 TaBV 225/12 ist er jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet.

c) Auch die Vergütungszusage der Beteiligten zu 3) stellt vorliegend keine unzulässige Begünstigung dar. Eine Honorarzusage, die zu einer höheren Vergütung führt, insbesondere auch die Vereinbarung eines Zeithonorars, darf der Betriebsrat zwar regelmäßig nicht für erforderlich halten, es sei denn, der Betriebsrat hätte sonst keinen qualifizierten Rechtsanwalt gefunden (BAG Beschluss vom 20. Okt. 1999 - 7 ABR 25/98 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 89; Hess. LAG Beschluss vom 27. Aug. 2009 - 9 TaBV 39/09 - LAGE § 111 BetrVG 2001 Nr. 9 = Juris). Dementsprechend ist auch eine die RVG-Vergütung übersteigende Honorarzusage des Arbeitgebers gegenüber den Antragstellern eines Antrages nach § 23 Abs. 1 BetrVG gegen ein Betriebsratsmitglied unzulässig. Wie das Arbeitsgericht unwidersprochen festgestellt hat und was auch mit der Beschwerde nicht angegriffen worden ist, haben die mit der betriebsverfassungsrechtlichen Beratung betrauten Rechtsanwälte bis dahin immer auf der Basis einer Stundenvergütung von EUR 250 abgerechnet. Es stellt keine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten dar, wenn sich auch die Zusage der Kostenübernahme der den Ausschließungsantrag betreibenden Arbeitnehmer auf diese Höhe belief.

4. Was den Vortrag des Beteiligten zu 1) betrifft, die Arbeitgeberinnen und die Vorgesetzten seien die eigentlichen Initiatoren des Ausschließungsantrages, hat das Arbeitsgericht beanstandet, es handele sich um bloße Vermutungen ohne greifbare Anhaltspunkte. Dies ist indessen vom Beteiligten zu 1) in diesem Verfahren auch in der Beschwerdeinstanz nicht vertieft worden. Dies hätte gemäß § 87 Abs. 3 Satz 2 ArbGG mit der Beschwerdebegründung vorgebracht werden müssen.

5. Die Ausschließung des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat ist allerdings durch dessen ehrverletzende Äußerungen über die Betriebsratsvorsitzende gerechtfertigt. Der Beteiligte zu 2) hat sich nicht nur einmalig im Ton vergriffen, sondern den Hitler-Vergleich zweimal im Wochenabstand geäußert. Das Entschuldigungsschreiben ohne Datum kann die Entgleisung nicht rechtfertigen.

a) Dieser Ausschließungsgrund ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Der Vorrang der Aufklärungspflicht gilt auch zweitinstanzlich. Anhaltspunkten im erstinstanzlichen Vortrag muss nachgegangen werden, auch wenn sie in der Beschwerdebegründung nicht aufgegriffen werden. Die Prüfung der Beschwerde ist nicht auf den Tatsachenvortrag beschränkt, den der Beschwerdeführer zur Grundlage seiner Beschwerde gemacht hat (so auch ErfK-Koch § 87 ArbGG Rz. 4).

b) Diffamierende persönliche Beleidigungen stellen eine grobe Pflichtverletzung im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Betriebsrat dar. Ehrverletzungen müssen, um den notwendigen Schweregrad einer Diffamierung zu erreichen, allerdings ein objektiv erhebliches Gewicht erreichen und zu offensichtlich schwerwiegenden Störungen der Zusammenarbeit führen. Dies ist in der Regel erst bei groben und böswilligen Beleidigungen oder Beschimpfungen der Fall. Zu berücksichtigen sind bei der notwendigen Bewertung die jeweiligen Gesamtumstände des Geschehens, ebenso wie die sich aus der Meinungsfreiheit ergebenden Betätigungsfreiräume des sich Artikulierenden (etwa LAG Rheinland-Pfalz 17. Dez. 2009 - 5 TaBV 16/09 - Juris). Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes stellen sich die Äußerungen des Beteiligten zu 2) vom 28. Febr. und 5. März 2012 als grobe Pflichtverletzungen dar. Es handelt sich um einen groben Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Betriebsratsvorsitzenden.

c) Das Arbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, wie der Beteiligte zu 2) sich am 28. Febr. 2012 geäußert hat. Es spricht nur von den Äußerungen des Beteiligten zu 2). Der Vortrag der Beteiligten zu 1) und 2) hierzu weicht jedoch voneinander ab. Beide Seiten haben hierzu gegensätzlich vorgetragen und jeweils für ihre Behauptung Beweis angeboten. Aber auch dann, wenn der Vortrag des Beteiligten zu 2) zugrunde gelegt wird, man könne nicht einfach so jemandem einen Freifahrtschein geben, man hätte so etwas früher schon einmal gemacht und sei damit auf die Nase gefallen, ist die Zielrichtung unverkennbar. Durch seine weitere Äußerung vom 5. März 2012, 33 habe sich auch schon so einer an die Macht gesetzt mit solchen Methoden, hat der Beteiligte zu 2) gezeigt, was er damit gemeint hat, nämlich die Gleichsetzung der Betriebsratsvorsitzenden mit Hitler, der durch die Wahlen vom Juli 1932 und das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 an die Macht gekommen ist. Die Gleichsetzung der Betriebsratsvorsitzenden und ihrer Methoden - ob diese im Betriebsrat noch tragbar ist, wird im Verfahren 9 TaBV 225/12 geprüft - mit Hitler und seinen Methoden (im Ergebnis also Terror, Gewalt, die Ermordung von Millionen von Menschen und die Provozierung des zweiten Weltkriegs mit 50 Millionen Toten) ist eine solche Diffamierung, dass der Beteiligte zu 2) im Betriebsrat nicht mehr tragbar ist. Der Hitlervergleich wird im Allgemeinen als Mittel gebraucht, um Widersacher zu beleidigen und zu diffamieren, und war auch vom Beteiligten zu 2) so gemeint. Der Nazi- und Hitlervergleich gehört in der politischen Auseinandersetzung zum Totschlagargument. Der Beteiligte zu 2) vergleicht nicht etwa diktatorische Methoden der Betriebsratsvorsitzenden und Hitlers, sondern in erster Linie auch die Personen, indem er ausführt, 33 hätte sich schon mal „so jemand“ an die Macht gesetzt mit solchen Methoden. Die Methoden führt der Beteiligte zu 2) erst in zweiter Linie an. „So jemand“ setzt die Betriebsratsvorsitzende unmittelbar mit Hitler gleich. Das Entschuldigungsschreiben rettet die Situation nicht. Dort versucht der Beteiligte zu 2) von dem direkten Personenvergleich abzulenken in Richtung Methodenvergleich und eine mögliche Anspielung auf die Machtergreifung in Deutschland im Jahr 1933. Abgesehen davon, dass es sich nicht um eine mögliche Anspielung, sondern eine direkte Gleichsetzung handelt, entschuldigt sich der Beteiligte zu 2) für den Vergleich der Betriebsratsvorsitzenden („so jemand“) mit Hitler nicht.

d) Auf seine Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG kann der Beteiligte zu 2) sich nicht berufen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen, namentlich im öffentlichen Meinungskampf, in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) kann der Meinungsfreiheit jedoch hier Grenzen ziehen (vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Dez. 1991 -1 BvR 327/91- NJW 1992, 2013 = Juris). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genießt die Äußerung des Beteiligten zu 2) nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Es ist eine herabsetzende Äußerung, die geeignet ist, das Persönlichkeitsrecht der Betriebsratsvorsitzenden zu verletzen.

Der Hitlervergleich durch den Beteiligten zu 2) fiel zwar anlässlich einer - wie vom Arbeitsgericht im Einzelnen dargestellt - von der Betriebsratsvorsitzenden autoritär geführten Betriebsratssitzung, in der sie Wortbeiträge und Meinungsäußerungen des Beteiligten zu 2) rabiat abschnitt. Das mag schon kaum einen Methodenvergleich der Betriebsratsvorsitzenden und Hitlers rechtfertigen (wie etwa: das sind Nazi-Methoden), aber auf keinen Fall einen Personenvergleich der Betriebsratsvorsitzenden und Hitlers. Der Begriff "Nazi" ließe wegen der Weite seines Bedeutungsgehaltes verschiedenste Verwendungsweisen zu, die von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichen (vgl. BVerfG a.a.O.). Der direkte Vergleich mit Hitler bedeutet dagegen einen diffamierenden Angriff auf die Person der Betriebsratsvorsitzenden, wobei der Angriff nicht in einer privaten Atmosphäre, sondern anlässlich einer Betriebsratssitzung erfolgt ist. Die Äußerung ist nicht durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, denn das in Frage stehende autoritäre Verhalten der Betriebsratsvorsitzenden rechtfertigt unter keinen Umständen einen personalisierten Hitlervergleich.

Die Entscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG gebührenfrei.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht durch einen der gesetzlich bestimmten Gründe gemäß §§ 92, 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Sachverhaltswürdigung.



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