Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 18 Sa 492/11

Außerordentliche Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit - Ersatz von Detektivkosten

(1.) Eine (außerordentliche) Verdachtskündigung ist rechtlich zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Hier: Der Arbeitnehmer wird durch eine beauftragte Detektei bei Tätigkeiten beobachtet, die dem attestierten Krankheitsbild widersprechen. Im Berufungsverfahren bestätigt ein Sachverständigengutachten den Verdacht.
(2.) Ein Arbeitgeber kann die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er den Detektiv anlässlich eines konkreten Tatverdachts, z.B. wegen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, beauftragt hat und der Arbeitnehmer dann einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde.
(3.) Es kann nach Ansicht der Kammer für die Frage der Erstattung erforderlicher und angemessener Detektivkosten keinen Unterschied machen, ob die Bestätigung der Verdachtsmomente zu einer sicheren Feststellung einer vorsätzlichen Vertragsverletzung führt oder (lediglich) genügt, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Dies gilt zumindest dann, wenn das Verhalten, welches zu dem schwerwiegenden und erheblichen Verdacht führt, für sich betrachtet bereits pflichtwidrig ist und eine Tatkündigung deshalb scheitert, weil bestimmte Umstände in der Sphäre des Arbeitnehmers kaum aufklärbar sind.
Hier: Nur teilweiser Ersatz der Detektivkosten.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom   21. Februar 2011 - 2 Ca 3494/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63,41 EUR (in Worten: Dreiundsechzig und 41/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Oktober 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.000,00 EUR (in Worten: Eintausend und 00/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 60%, die Beklagte 40% zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger und die Beklagte in Bezug auf die Widerklage zugelassen. Darüber hinaus wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen und um Annahmeverzugsvergütung. Die Arbeitgeberin macht im Wesentlichen geltend der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und verlangt widerklagend den Ersatz von Detektivkosten.

Die Beklagte ist ein Busunternehmen mit Sitz in A. Sie beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am XX.XX.19XX geborene Kläger ist verheiratet und hat Unterhaltspflichten gegenüber drei Kindern. Er ist seit 09. Oktober 2000 bei der Beklagten als Busfahrer im Schichtdienst mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 2.100,00 € beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages der Parteien wird auf den befristeten Vertrag vom 09. Oktober 2000 und den Anschlussvertrag vom 09. April 2001 verwiesen (Kopien s. Anlage zur Klageschrift, Bl. 12 ff., 19 d.A.).

Soweit die Beklagte dem Kläger das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit vorwirft und daher am 14. Mai 2010 Kündigungen erklärte, welche diesem am 15. Mai 2010 zugingen, ist folgender unstreitiger Sachverhalt zu Grunde zu legen:

Der Kläger fehlte im Jahr 2009 insgesamt neunmal wegen ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit für Zeitspannen zwischen 5 Tagen und mehr als 5 Wochen (vgl. vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Aufstellung der B, Anlage zum Schriftsatz vom 12. September 2011, Bl. 406 f. d.A.). Nach einer Arbeitsunfähigkeit, die vom 04. Januar 2010 bis 28. Januar 2010 andauerte, reichte der Kläger beginnend ab dem 22. Februar 2010 erneut eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten ein, zunächst bis 06. März 2010. Auf Antrag der Beklagten vereinbarte die B für den Kläger einen Untersuchungstermin bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen am 02. März 2010 und lud ihn dazu schriftlich ein. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr, was der Beklagten mitgeteilt wurde. Am 09. März 2010 veranlasste die B einen weiteren Untersuchungstermin für den Kläger am 11. März 2010. Die Einladung zu der Untersuchung bei dem Medizinischen Dienst wurde dem Kläger am 09. März 2010 durch einen Mitarbeiter der B in den Briefkasten geworfen. Die Ehefrau des Klägers rief am 11. März 2010 bei der B an und teilte mit, dass ihr Ehemann die Einladung erst am 11. März 2010 erhalten habe. Auf Vorhalt eines Mitarbeiters der B, dass dieser Brief am 09. März 2010 eingeworfen wurde, gab sie an, sie schaue nicht täglich in den Briefkasten.

Nachdem der Kläger weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis einschließlich 22. März 2010 einreichte, ließ die Beklagte den Kläger in der Zeit vom 16. März bis 21. März 2010 von einer Detektei observieren. Die Beobachtungen des Detektivbüros ergaben, dass sich der Kläger täglich in dem Bistro „C“ in D aufhielt. Der Kläger machte in dieser Zeit verschiedene Einkäufe mit dem Pkw, holte seine Ehefrau ab und wurde dabei gesehen, dass er an der Eingangstür ein Schild mit neuen Öffnungszeiten befestigte und einmal zwei volle Getränkekisten aus dem Kofferraum seines Autos in das Bistro trug. Inhaber des Bistros ist der Schwiegervater des Klägers. Der Kläger gibt selbst an, das Bistro werde von seiner Ehefrau geführt.

Mit Schreiben vom 31. März 2010, welches am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde, konfrontierte die Beklagte den Kläger mit dem Verdacht, dass er sich zweimal der Untersuchung durch den Medizinischen Dienst entzogen habe, um nicht feststellen zu lassen, dass Arbeitsfähigkeit vorliege. Dem Kläger wurde eine Kündigung angedroht und eine Frist zur Stellungnahme wegen der Verdachtsmomente bis zum 09. April 2010 gesetzt (vgl. Kopie des Anhörungsschreibens als Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 54 f. d.A.). Der Kläger legte beginnend ab 01. April 2010 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Mit Anwaltsschreiben vom 08. April 2010 erklärte der Kläger, er habe die Einladung zur Untersuchung am 02. März 2011 nicht erhalten, die Einladung zum Termin am 11. März 2010 sei erst am selben Tag im Briefkasten vorgefunden worden. Er sei arbeitsunfähig gewesen und auch derzeit noch arbeitsunfähig, voraussichtlich werde er Anfang der nächsten Woche seine Arbeit wieder aufnehmen. Außerdem wurde die Beklagte aufgefordert, dem Kläger seine vollständige Vergütung für März 2010 zu zahlen (vgl. Kopie der Stellungnahme als weitere Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 56 f. d.A.). Nachdem die Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 19. April 2010 fortdauerte und der Kläger am 21. April 2010 eine Bescheinigung bis einschließlich 05. Mai 2010 vorlegte, ließ die Beklagte den Kläger ab 23. April 2010 erneut durch die Detektei beobachten.

Nach dem Bericht des Detektivbüros, welcher ebenfalls im Berufungsverfahren als Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. September 2011 vorgelegt wurde, erschien der Kläger am 23. April 1010 um 16:30 Uhr im Bistro (vgl. Bl. 384 ff. d.A.). Ab 18:10 Uhr maß er die Terrasse des Bistros aus, er hatte zuvor in einem Baumarkt Holz gekauft. Der Kläger transportierte Holzbalken aus dem Auto in den hinteren Bereich des Bistros sowie einen Eimer mit Spannschrauben und eine Tüte mit Pfostenhaltern aus Metall. Am Samstag, dem 24. April 2010, wurde der Kläger von einem Mitarbeiter des Detektivbüros dabei beobachtet, wie er zwischen 17:11 Uhr und 20:49 Uhr, unterbrochen durch Pausen, mit einem Freund einen niedrigen Zaun als Umrandung einer Terrasse im Außenbereich des Bistros baute. Dabei arbeitete der Kläger mit einer Säge, einem Hammer und einem Akkuschrauber. Hierüber fertigte der Detektiv die Fotos, die als Bl. 64 bis 81 zur Akte genommen wurden (Teil der Foto-Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010). Ab 21:00 Uhr spielte der Kläger bis 0:51 Uhr American Dart, trank Bier und auch hochprozentige alkoholische Getränke. Nach der Beobachtung des Detektivs, welcher an den Dart-Spielen teilnahm, machte der Kläger nicht den Eindruck, dass er körperlich beeinträchtigt sei (vgl. weiterer Bericht, Bl. 386 - 388 d.A.). Am Sonntag, dem 24. April 2010, machte der auf den Kläger angesetzte Detektiv bis 14:00 Uhr keine Beobachtungen.

Auf Veranlassung der Beklagten war der Kläger bereits mit Schreiben vom 22. April 2010 erneut zu einer Untersuchung bei dem Medizinischen Dienst am 27. April 2010 geladen worden. Der Medizinische Dienst stellte am 27. April 2010 die Arbeitsfähigkeit des Klägers fest, beginnend ab 28. April 2010. Der Kläger nahm seine Arbeit am 28. April 2010 wieder auf.

Mit Schreiben vom 30. April 2010, welches dem Kläger am selben Tag zugestellt wurde, konfrontierte die Beklagte diesen erneut mit dem Verdacht, seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen zu haben. Sie hielt ihm vor, dass er in dem Bistro „C“ Aktivitäten nachgegangen sei, die einer Arbeitstätigkeit gleichgesetzt werden könnten oder zumindest einer Genesung abträglich waren. Dem Kläger wurde eine Kündigung für den Fall in Aussicht gestellt, dass er die Verdachtsmomente nicht entkräften könne und eine Frist zur Stellungnahme bis 04. Mai 2010 gesetzt (vgl. im Übrigen: Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 84 f. d.A.)

Der Kläger erschien am 07. Mai 2010 im Beisein eines Betriebsratsmitglieds bei dem Personalleiter E der Beklagten und gab an, die Vorwürfe seien unzutreffend. Der genaue Inhalt seiner Äußerung ist streitig. Der Personalleiter verlangte eine schriftliche Erklärung des Klägers. Der Kläger unterzeichnete dann ein Stellungnahme mit folgendem Inhalt (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 86 d.A.):

 „Stellungnahme

Ich, F, bestätige hiermit den Erhalt des Schreibens vom 30.04.2010 der G wegen meiner angeblichen Aktivitäten/Arbeiten im Bistro C, H, in der Zeit vom 23.04.2010 bis 25.04.2010.

Ich versichere hiermit ausdrücklich, dass die erhobenen Vorwürfe nicht wahr sind. Ich habe in dem Bistro weder gearbeitet noch andere Aktivitäten dort verrichtet.“

Am 10. Mai 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Wegen des Inhalts der Betriebsratsanhörung wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010 verwiesen (Bl. 86 - 91 d.A.). Der Betriebsrat widersprach mit Beschluss vom 12. Mai 2010 (vgl. Bl. 92 d.A.). Die Beklagte kündigte folgend das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit zwei vom 14. Mai 2010 datierenden Schreiben, welche dem Kläger am 15. Mai 2010 zugingen, einmal außerordentlich und einmal fristgemäß zum Ablauf des 31. August 2010 (Anlagen zur Klageschrift, Bl. 21, 22 d.A.).

Ab 12. Mai 2010 bis 19. Mai 2010 war der Kläger nach der im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung der B vom 31. August 2010 erneut krank geschrieben (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 12. September 2011, Bl. 406 d.A.).

Die Detektei stellte der Beklagten mit Datum vom 23. März 2010 für den Einsatz vom 16. März bis 22. März 2010 insgesamt 11.946,88 € zuzüglich MwSt und für den zweiten Einsatz vom 23. April bis 25. April 2010 1.000,00 € zuzüglich MwSt in Rechnung (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 93, 94 d.A.).

Die Beklagte hat Widerklage auf Ersatz von Detektivkosten in Höhe von 12.946,88 € erhoben.

Soweit die Beklagte das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger mit Schreiben vom 11. November 2010 erneut außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigte, liegt dem als unstreitig zu Grunde, dass der Kläger Fahrgelder in Höhe von insgesamt 452,05 €, die er in der Zeitspanne vom 28. April bis 11. Mai 2010 als Busfahrer zu vereinnahmen hatte, bisher nicht an die Beklagte weiterleitete. Wegen des Inhalts dieser Kündigung wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25. November 2010 verwiesen (Bl. 143 d.A.)

Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat ist vor dieser Kündigung mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 angehört worden. Der Betriebsrat teilte am 06. Oktober 2010 mit, er werde vor einer Klärung der Kündigungen vom 14. Mai 2010 nicht Stellung nehmen (vgl. Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 06. Dezember 2010, Bl. 185 - 187, 188 d.A.).

Die Beklagte hat von der Vergütung des Klägers Abzüge gemacht, da sie der Auffassung ist, sie sei nicht verpflichtet gewesen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Für März 2010 zahlte sie nur 1.590,46 € brutto, was 1.291,71 € netto entsprach. Für April 2010 berechnete sie einen Vergütungsanspruch von 864,50 € brutto, was einen Nettoverdienst von 695,45 € ergab. Da der Kläger im Laufe des April 2010 eine Abschlagszahlung in Höhe von 1.400,00 € netto erhalten hatte, wie im Berufungsverfahren unstreitig gestellt wurde, ermittelte die Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 704,55 € netto. Für Mai 2010 berechnete die Beklagte einen Bruttolohn von 978,35 € und eine Nettovergütung von 767,34 €. Aufgrund der angenommenen Überzahlung aus dem April 2010 zahlte die Beklagte an den Kläger nur 62,79 € netto aus. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten. Wegen des genauen Inhalts der Abrechnungen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 04. Oktober 2010 Bezug genommen (Bl. 125 - 127 d.A.).

Ab 21. Mai 2010 hat der Kläger Arbeitslosengeld erhalten (vgl. weitere Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 04. Oktober 2010 (Bl. 128 f. d.A.).

Der Kläger hat am 18. Mai 2010 Kündigungsschutzklage erhoben.

Er hat im Hinblick auf die Kündigungen vom 14. Mai 2010 behauptet, er sei vom 22. Februar bis 26. März 2010 sowie vom 01. April bis 27. April 2010 wegen einer Entzündung der Schultergelenkskapsel arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die Diagnose seines Hausarztes sei durch fachärztliche Untersuchungen bestätigt worden. Er hat dazu den Bericht der Radiologischen Praxisgemeinschaft D vom 05. Juli 2010, ein Schreiben seines Hausarztes I vom 24. September 2010 und ein Attest des „Zentrums für Orthopädie - Naturheilkunde J“ vom 07. Oktober 2010 vorgelegt (s. Anlagen zum Schriftsatz vom 04. Oktober 2010, Bl. 130 bis 132 d.A.) und erklärt, er befreie die Ärzte von ihrer Schweigepflicht.

Der Kläger hat behauptet, er habe die Einladung zur Untersuchung durch den Medizinischen Dienst am 02. März 2010 nicht erhalten. Die Einladung zur Untersuchung am 11. März 2010 habe seine Ehefrau erst an diesem Tag aus dem Briefkasten genommen.

Er behauptet weiter, er habe sich in der Zeit von 16. März bis 22. März 2010 im Bistro „C“ aufgehalten, weil seine Ehefrau in dieser Zeit häufiger im Bistro sein musste um ihren Vater zu vertreten, der in K gewesen sei. Er stehe in keinem Arbeitsverhältnis zu seinem Schwiegervater. Er habe allenfalls kleine Handreichungen für seine Ehefrau erbracht, wie sie nach Dauer und Beanspruchung auch bei jeder Haushaltstätigkeit anfallen würden. Sie seien bei einer Entzündung der Schulter nicht ausgeschlossen und stellten auch kein genesungswidriges Verhalten dar. Der Kläger hat insbesondere geltend gemacht, dass seine durch die Detektei beobachteten Aktivitäten in der Zeit von 16. März bis 22. März 2010 keine Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit begründeten.

Der Kläger hat weiter behauptet, er sei auch in der Zeit vom 01. April bis zum 05. Mai 2010 wegen einer Entzündung der Schultergelenkskapsel arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die gegenüber dem Arzt geäußerten Beschwerden seien durch objektive Befunde bestätigt worden. Der Kläger hat gemeint, seine von dem Detektiv am 23. und 24. April 2010 beobachteten Aktivitäten seien allenfalls als geringfügige Bastelarbeiten zu bewerten, die ohne körperliche Anstrengung und ohne nennenswerten Zeitaufwand verrichtet werden konnten. Er behauptet, dass seine Aktivitäten, wie das Einkaufen und kurze Tragen von wenigen leichten Holzlatten, das Verlegen und Kürzen der Holzlatten, das Setzen und Befestigen von Pfosten, das Anbringen von Holztüren und das Bedienen eines Akkuschraubers, alles nur für einige wenige Minuten, ebenso wie das Dartspielen, nicht geeignet seien, die attestierte Arbeitsunfähigkeit in Frage zustellen oder als genesungswidriges Verhalten beurteilt werden könnten. Solche Verrichtungen seien auch trotz seiner Erkrankung auszuführen gewesen und widerlegten nicht die Diagnose.

Der Kläger hat behauptet, dass der Arzt des Medizinischen Dienstes ihn am 27. April 2010 nicht richtig untersucht habe. Dieser habe nicht die erforderlichen Untersuchungen vorgenommen, um die Befunde und die Diagnose des Arztes überprüfen zu können, welcher ihn krankgeschrieben hatte.

Er hat schließlich behauptet, er habe anlässlich seiner Anhörung am 07. Mai 2010 gegenüber dem Betriebsrat erklärt, dass er in dem Bistro weder gearbeitet noch etwas getan habe, was er nicht hätte tun dürfen. Das ihn begleitende Betriebsratsmitglied, Herr L, habe daraufhin für ihn die zu den Akten gereichte Stellungnahme vom 07. Mai 2010 abgefasst, da er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.

Schließlich hat der Kläger geltend gemacht, das Anhörungsverfahren des Betriebsrats wegen der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sei noch nicht abgeschlossen gewesen, da die Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist zugegangen sei.

In Bezug auf die ihm mit Datum vom 11. November 2010 hilfsweise erklärten Kündigungen hat der Kläger geltend gemacht, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß gehört worden.

Mit Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010, welche 12. Oktober 2010 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt einging, forderte der Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Annahmeverzugslohn. Für März 2010 hat er weitere 634,16 € brutto verlangt. Für April 2010 forderte der Kläger 1.179,54 € brutto. Für Mai 2010 hat der Kläger 2.056,52 € brutto verlangt, wobei er sich Arbeitslosengeld in Höhe von 238,23 € netto abziehen lässt. Weiter begehrte er für die Monate Juni bis September 2010 jeweils 1.965,90 € brutto abzüglich des Arbeitslosengeldes für den Gesamtzeitraum in Höhe von 3.176,40 € netto.

Der Kläger hatte geltend gemacht, er sei tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die ihm mit Datum vom 14. Mai 2010 erklärten Kündigungen seien unwirksam.

Wegen der Widerklage der Beklagten auf Erstattung von Aufwendungen für die Beobachtung des Klägers durch eine Detektei hat der Kläger eingewendet, die Rechnung des Detektivbüros vom 23. März 2010 sei überzogen und nicht nachvollziehbar. Er hat bestritten, dass das Detektivbüro Leistungen - wie in Rechnung gestellt - erbracht und die Beklagte tatsächlich auf die Rechnungen gezahlt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 nicht zum 31. August 2010 aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu 1) und 2) zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Omnibusfahrer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge zu 1) und 2) weiter zu beschäftigen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für März 2010 weitere 634,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für April 2010 weitere 1.179,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Mai 2010 2.056,42 € brutto abzüglich 238,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Juni 2010 bis einschließlich September 2010 7.863,60 € brutto abzüglich 3.176,50 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

8. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. November 2010 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

sowie widerklagend,

 den Kläger zu verurteilen, an sie 12.946,88 € nebst Zinsen in Höhe von der 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. Juni 2010 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 14. Mai 2010 sei als fristlose Kündigung berechtigt, weil der Kläger Krankmeldungen vorlegte, obwohl er nicht arbeitsunfähig war. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert. Der Kläger habe sich im Bistro „C“ wie der Chef verhalten. Sein Schwiegervater sei als Inhaber wahrscheinlich nur Strohmann. Der Kläger habe sich den Untersuchungen durch den Medizinischen Dienst mit fadenscheinigen Gründen entzogen. Es müsse als Schutzbehauptung bewertet werden, dass er die Ladung zur Untersuchung am 02. März 2010 nicht erhalten habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er ihren Personalleiter über seine Aktivitäten im „C“ belogen habe. Die Getränkekisten, die von dem Kläger in das Bistro getragen wurden, müssten jeweils ca. 12 kg gewogen haben. Die Arbeiten, welche am 23. und 24. April 2010 beobachtet wurden, seien keine leichten Arbeiten gewesen und führten bei einer tatsächlichen vorliegenden Schultergelenkskapselentzündung zu erheblichen Schmerzen.

Die vorgelegten Atteste ließen keine Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Klägers im März und April 2010 zu. Insbesondere werde durch sie nicht nachgewiesen, dass der Kläger damals an einer Entzündung der Schultergelenkskapsel gelitten habe.

Die Beklagte hat weiter geltend gemacht, der Kläger habe sich zumindest genesungswidrig verhalten. Sie hat behauptet, die beobachteten Aktivitäten des Klägers hätten zumindest den Heilungsverlauf verzögert. Bei einer Entzündung der Schultergelenkskapsel werde das Schultergelenk ruhiggestellt.

In Bezug auf die hilfsweise mit Datum vom 11. November 2010 erklärte Kündigung hat die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe Fahrgelder unterschlagen. Der Kläger habe ausreichend Gelegenheit gehabt, die Einnahmen an sie weiter zu leiten.

Zu den Zahlungsanträgen des Klägers hat die Beklagte klargestellt, dass sie dem Kläger für die Zeit von 11. März bis 20. März und die Zeitspanne von 10. April bis 27. April 2010 keine Vergütung abrechnete und auszahlte. Die Überzahlung aus dem April 2010 wegen des Vorschusses über 1.400,00 € netto sei mit der dem Kläger bis 14. Mai 2010 zustehenden Vergütung verrechnet worden.

Zu Widerklage hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei in der Zeit von 16. März bis 22. März 2010 von zwei Mitarbeitern des Detektivbüros insgesamt 111,5 Stunden observiert worden.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Anträge des Klägers durch am 21. Februar 2011 verkündetes Urteil - 2 Ca 3494/10 - abgewiesen und der Widerklage nur im Umfang von 1.000,00 € nebst Zinsen stattgegeben. Zur Wiedergabe der Begründung sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das angefochtene Urteils verwiesen (Bl. 213 - 231 d.A.).

Gegen dieses Urteil, welches dem Kläger und der Beklagten am 07. März 2011 zugestellt wurde war, haben beide mit am 07. April 2011 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit am 24. Mai 2011 eingereichten Schriftsatz begründet, die Beklagte mit einem Schriftsatz, der am 07. Juni 2011 bei dem Berufungsgericht einging. Beide Parteien hatten zuvor fristgerecht die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis 07. Juni 2011 beantragt.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er behauptet, er sei schon vor dem 20. Februar 2010 wegen einer Entzündung der Schultergelenkskapsel und einer damit verbundenen schmerzhaften Einschränkung des Bewegungsapparats im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der Schultergelenke arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Auslöser der Arbeitsunfähigkeit seien dauerhafte Schmerzen gewesen, insbesondere in Ruhehaltung und bei weit ausholenden Lenkbewegungen. Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe über seine Behauptung, dass seine Erkrankung nicht durch seine Aktivitäten in dem Bistro widerlegt würden, den angebotenen Beweis erheben müssen.

Unter Bezugnahme auf einen Hinweis der Kammervorsitzenden durch Beschluss vom 23. August 2011 (Bl. 352 f. d.A.) hat der Kläger die bereits zitierte Aufstellung der AOK vom 31. August 2010 über seine Arbeitsunfähigkeitszeiten und die erstellten Diagnosen vorgelegt und sich darauf bezogen (Anlage zum Schriftsatz vom 12. September 2011, Bl. 406 bis 409 d.A.). Er behauptet, sein Hausarzt I habe ihn mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Novalgin behandelt und ihm geraten, Sport zu treiben, um die entzündlichen Prozesse durch eine bessere Durchblutung zu bekämpfen. Als die Symptome heftiger wurden, habe ihn der Hausarzt im Frühjahr 2010 an die Facharztpraxis Dr. M und Kollegen überwiesen. Nachdem eine in dieser Praxis durchgeführte Elektrotherapie keine Linderung der Beschwerden erbracht habe, sei ein MRT in Auftrag gegeben worden. Deren Ergebnis sei in dem Attest der radiologischen Praxis Dr. N vom 05. Juli 2010 niedergelegt worden (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 04. Oktober 2010, Bl. 130 d.A.). Im Herbst 2010 sei er an die orthopädische Universitätsklinik überwiesen worden, deren Arzt in erster Linie eine Operation, hilfsweise die Fortsetzung der Schmerzmedikation sowie Krankengymnastik empfohlen hätte (vgl. Bericht der Universitätsklinik als Anlage zur Berufungsbegründung, Bl. 277 d.A.). Der Kläger hat sich auf das Zeugnis sämtlicher ihn behandelnder Ärzte bezogen, welche er von ihrer Schweigepflicht befreit hat.

Der Kläger behauptet weiter, sein Hausarzt habe ihn wegen der Schmerzzustände, welche insbesondere bei ausholenden Lenkbewegungen und während des Schlafs auftraten, sowie den dadurch eingetretenen Schlafstörungen und Schlafdefiziten in Verbindung mit den möglichen Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente nicht für fähig gehalten, als Busfahrer in der Personenbeförderung zu arbeiten. Ausschlaggebend für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seien die Medikation, Aufmerksamkeitsdefizite in Folge von Schmerzen und Schlafmangel, die einseitige Beanspruchung der Arme und Hände und die anhaltenden Armvorhalte bei einer Fahrtätigkeit gewesen.

Der Arzt des Medizinischen Dienstes habe am 27. April 2010 eine Fehldiagnose gestellt, er sei auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin arbeitsunfähig gewesen.

In Bezug auf die erklärte Kündigung vom 11. November 2011 behauptet der Kläger, er habe die Fahrgelder ordnungsgemäß eingebucht und getrennt von seinem Privatvermögen aufbewahrt, so dass von einer Unterschlagung keine Rede sein könne.

Der Kläger verteidigt die überwiegende Abweisung der Widerklage durch das Urteil des Arbeitsgerichts. Es habe im März 2010 kein konkreter Verdacht vorgelegen, die Kosten seien zumindest unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2011 - 2 Ca 3494/10 - teilweise abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 nicht zum 31. August 2010 aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu 1) und 2) zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Omnibusfahrer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge zu 1) und 2) weiter zu beschäftigen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für März 2010 weitere 634,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für April 2010 1.965,90 € brutto abzüglich 1.400,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Mai 2010 2.056,42 € brutto abzüglich 238,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Juni 2010 bis einschließlich September 2010 7.863,60 € brutto abzüglich 3.176,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 zu zahlen;

8. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

sowie die Widerklage vollständig abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2011 - 2 Ca 3494/10 - teilweise abzuändern und

den Kläger zu verurteilen, an sie weitere 11.946,88 € nebst Zinsen in Höhe von der 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. Juni 2010 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil, soweit die Kündigungsschutzklage und der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abgewiesen wurden, und nimmt Bezug auf ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie bestreitet, dass dem Kläger Schmerzmittel verschrieben wurden und er diese einnahm. Sie macht geltend, dass die vorgelegten Atteste keine Aussagen über den Gesundheitszustand des Klägers im März und April 2010 erlaubten.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Vortrag dazu, dass hilfsweise auch die Kündigung vom 11. November 2010 gerechtfertigt sei.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie die Überzahlung aus dem April 2011 auf den Vergütungsanspruch des Klägers für Mai 2011 verrechnen konnte, da es sich um einen Vorschuss gehandelt habe. Außerdem sei davon auszugehen, dass der Kläger neben seiner Arbeitsvergütung Einnahmen aus dem Betrieb des Bistros erziele.

Wegen der Abweisung der Widerklage in Höhe von 11.946,86 € macht die Beklagte geltend, dass sie bei der Beauftragung der Detektei im März 2010 davon ausgehen musste, dass der Kläger zweimal willentlich eine Untersuchung beim Medizinischen Dienst versäumt hatte. Aufgrund des Verdachts, dass sich der Kläger einer Überprüfung seiner Arbeitsunfähigkeit entziehen wolle, habe sie ihn observieren lassen. Das Schreiben des Klägers vom 08. April 2010, weshalb er nicht bei dem Medizinischen Dienst erschien (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 56 f. d.A.), habe erkennen lassen, dass der Kläger zumindest den Zugang der zweiten Ladung vereiteln wollte. Dies habe auch vermuten lassen, dass er bereits die erste Ladung erhalten hatte. Es sei deshalb gerechtfertigt gewesen, den Kläger wegen der erneut bescheinigten Arbeitsunfähigkeit des Klägers wieder beobachten zu lassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Observierung des Klägers sei in dem erfolgten Umfang notwendig gewesen, da sich seine Aktivitäten bis in die Abendstunden erstreckten. Zum Nachweis bezieht sich die Beklagte auf die mit Schriftsatz vom 12. September 2011 eingereichten Tätigkeitsberichte der Detektei (Bl. 370 - 389 d.A.). Sie behauptet außerdem, dass schon das beobachtete Verhalten des Klägers im März 2010, wie das Tragen der Getränkekisten, bei dem behaupteten Krankheitsbild nicht möglich, zumindest aber als genesungswidrig beurteilt werden müsse.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 05. Oktober 2011, 30. November 2011 und 29. August 2012 (Bl. 423 f., 450 f., 602 - 607 d.A.) verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches auf die Einwände des Klägers (Schriftsatz vom 31. Juli 2012, Bl. 578 - 580 d.A.) ergänzend schriftlich (Stellungnahme vom 13. August 2012, Bl. 590 593 d.A.) und mündlich erläutert wurde, und die Vernehmung des Hausarztes des Klägers als Zeugen. Zur Wiedergabe des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf das Protokoll des Verkündungstermins vom 30. November 2011 verwiesen (Bl. 450 f. d.A.). Wegen des Inhalts des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. O vom 29. Mai 2012 wird auf Bl. 528 - 547 d.A., wegen der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen unter der Aussage des Zeugen auf die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2012 Bezug genommen (Bl. 602 - 607 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main sind gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft. Die Parteien haben sie auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

I. Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klageanträge wegen der Kündigungen des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2011 mit Ablauf des 15. Mai 2011 beendet worden.

1. Der Kläger hat mit der am 18. Mai 2010 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, welche der Beklagten am 27. Mai 2010 zugestellt wurde, die Frist gem. §§ 4 Satz 1, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gewahrt, so dass die Wirksamkeit der ihm gegenüber mit den Schreiben vom 14. Mai 2010 erklärten Kündigungen zu überprüfen war.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aus wichtigem Grund iSd. § 626 BGB mit Ablauf des 15. Mai 2010 geendet. Gegen den Kläger besteht der schwere Verdacht, dass er seine Arbeitsunfähigkeit vortäuschte und zu Unrecht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bezog. Eine Tatkündigung scheidet aus. Es bestehen zwar schwerwiegende und erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger ab dem 19. April 2010 noch an Schmerzen, verbunden mit Bewegungseinschränkungen, litt. Außerdem war er zumindest am 27. April 2010 arbeitsfähig. Es war aber nicht zur Überzeugung der Kammer auszuschließen, dass der Kläger wegen der Einnahme von Medikamenten keinen Bus hätte führen dürfen, obwohl er privat mit seinem Fahrzeug unterwegs und offensichtlich Alltagsbelastungen gewachsen war.

a) § 626 Abs. 1 BGB wird in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Ist hiernach ein Sachverhalt grundsätzlich tauglich, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob diese nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dabei nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen.

Eine Verdachtskündigung ist danach rechtlich zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 748/10 - NZA 2011, 798; BAG Urteil vom 06. November 2003 - 2 AZR 631/02 - NZA 2004, 919; BAG Urteil vom 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - NZA 2003, 991).

b) Die Beklagte hat den Kläger vor Ausspruch der Kündigung angehört.

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung. Dabei sind strenge Anforderungen an sie zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstößt anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Die Anhörung muss sich auf einen Sachverhalt beziehen, der jedenfalls soweit konkretisiert ist, dass sich der Arbeitnehmer darauf substantiiert einlassen kann. Der Arbeitgeber darf dem Betroffenen keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits besitzt (BAG Urteil vom 06. November 2003 - 2 AZR 631/02 - NZA 2004, 919; BAG Urteil vom 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - NZA 2003, 991).

Das Anhörungsschreiben vom 30. April 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 84 f. d.A.) genügt diesen Anforderungen. Die Beklagte hat dem Kläger konkret vorgeworfen, er sei in der Zeit vom 23. April bis 25. April 2010 in dem Bistro Aktivitäten nachgegangen, die einer Arbeitstätigkeit gleichgesetzt werden könnten, zumindest aber genesungswidrig waren. Sie hat außerdem nicht verschwiegen, dass sie über sein Verhalten Informationen besitze. Durch seine Stellungnahme vom 07. Mai 2010 hat der Kläger generell abgestritten, in dem Lokal gearbeitet oder andere Aktivitäten ausgeübt zu haben. Er war danach von vornherein nicht bereit, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen genauer zu äußern und an der Aufklärung mitzuwirken. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, ihre Vorwürfe zu präzisieren, und den Kläger beispielsweise vorzuhalten, bei welchen Tätigkeiten er wann beobachtet wurde.

aa) Ein nicht zu widerlegender Verdacht, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht und im vermeintlichen Krankheitszeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bezieht, rechtfertigt generell eine außerordentliche Kündigung. Dem Arbeitgeber ist es dann grundsätzlich nicht zumutbar, die Frist für eine ordentliche Kündigung einzuhalten. Diese hätte für den Kläger nach § 17 Abs. 3 des arbeitsvertraglich vereinbarten Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen (folgend MTV) drei Monate zum Ende des Kalendermonats betragen, das Arbeitsverhältnis wäre also zum Ablauf des 31. August 2010 beendet worden.

bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen starke und nicht zu widerlegende Verdachtsmomente, dass der Kläger zumindest ab dem 19. April 2010 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt war. Sie rechtfertigen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien eine sofortige Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Diese ist nicht unverhältnismäßig.

(1) Die Beweisaufnahme basierte auf folgenden unstreitigen Tatsachen: Der Kläger war nach einer kurzen Arbeitsphase in der Zeit von 22. März bis 31. März 2010 ab 01. April 2010 erneut krankgeschrieben. Am 19. April 2010 attestierte der Hausarzt I dem Kläger eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bis 05. Mai 2010. Nachdem der Medizinische Dienst aufgrund der Untersuchung vom 27. April 2010 die Arbeitsfähigkeit des Klägers feststellte, nahm der Kläger beginnend ab 28. April 2010 seine Arbeit wieder auf. Am 23. April und 24. April 2010 war der Kläger von der Detektei P bei Arbeiten an einer Terrasse des Bistros und beim Dart-Spielen beobachtet worden.

Die Kammer ist daher davon ausgegangen, dass der Beweiswert des Folgeattests vom 19. April 2010 erschüttert war. Denn der Kläger hatte angegeben, er sei an einer Entzündung der Schultergelenkskapsel und schmerzhaften Einschränkungen des Bewegungsapparats erkrankt gewesen, so dass er nicht in der Lage gewesen sei einen Bus zu fahren. Über die Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers war Beweis zu erheben, da dieser behauptet hatte, er habe die Tätigkeiten, bei denen er beobachtet wurde, trotz des mitgeteilten Krankheitsbildes ausüben können. Er habe unter dauerhaften Schmerzen, insbesondere in Ruhehaltung und bei weit ausholenden Lenkbewegungen gelitten. Außerdem sei er wegen Schlafdefiziten und möglichen Nebenwirkungen von Medikamenten nicht als Busfahrer einsetzbar gewesen. Sein Arzt habe ihm jedoch Bewegung empfohlen. Soweit der Kläger im Kammertermin vom 05. Oktober 2011 behauptet hatte, er sei kurz nach dem 27. April 2010 nochmals vom Medizinischen Dienst untersucht und zu diesem Zeitpunkt als arbeitsunfähig beurteilt worden, hat er diese Behauptung nicht mehr aufrechterhalten. Das übrige Vorbringen des Klägers war jedoch erheblich, so dass ein Sachverständigengutachten einzuholen war.

(2) Die Beklagte hat Beweis dafür erbracht, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest ab dem 19. April 2010 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt war und seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuschte. Die Behauptungen des Klägers, für die er sich erstinstanzlich auf ein Sachverständigengutachten bezogen hat, sind nicht bestätigt worden.

Der Sachverständige Dr. O hat in seinem Gutachten vom 29. Mai 2012 (Bl. 528 - 546) ausgeschlossen, dass der Kläger am 23. April und 24. April 2010 noch arbeitsunfähig erkrankt war. Die von der Detektei beobachten Tätigkeiten, wie das Fahren eines Pkws, das Einkaufen im Baumarkt, der Transport von Holzbalken, das Sägen und sonstige mittelschwere Tätigkeiten sowie das Dart-Spielen wären dem Kläger nicht möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit ein entzündlicher, schmerzender und die Bewegung einschränkender Gelenkskapselreizzustand vorgelegen hätte. Dabei hat der Gutachter berücksichtigt, dass der Kläger zumindest seit 2004 an einer Arthrose (Omarthrose) des linken Schultergelenks leidet, bei der es sich um eine über die Jahre fortschreitende Verschleißerkrankung handelt. Anfang Juli 2010, also etwas mehr als zwei Monate nach seiner Beobachtung durch die Detektei, ist außerdem eine akute Entzündung durch eine MRT-Untersuchung belegt. Schließlich hat der Gutachter angeführt, dass Anfang 2011 auf Veranlassung der Bundesagentur für Arbeit ein Gutachten nach Aktenlage erstattet wurde, wonach festgestellt worden ist, dass der Kläger eine Tätigkeit als Busfahrer nicht mehr verrichten kann.

Der Gutachter hat schriftlich und mündlich erläutert, dass die Feststellung, der Kläger sei Ende April 2010 arbeitsfähig gewesen, nicht in Widerspruch zu der Diagnose steht, dass der Kläger an einer fortschreitenden Arthrose der linken Schulter leidet. Er hat erläutert, dass bei derartigen Verschleißerkrankungen beschwerdefreie oder beschwerdearme Intervalle mit Zeiten akuter Entzündungen abwechseln können, bei denen dann schmerzbedingt auch erhebliche Bewegungseinschränkungen vorliegen. Insgesamt könne bei einer Arthroseerkrankung, die regelmäßig über Jahre und Jahrzehnte langsam ablaufe, noch lange eine Arbeitsfähigkeit bestehen, die zeitweilig allerdings durch akute entzündliche Erkrankungen im Rahmen der Grunderkrankung unterbrochen werde. Das beobachtete Verhalten des Klägers schließe eine akute Erkrankung Ende April 2010 aus, da der Kläger bei einer solchen akuten Entzündung unter starken Schmerzen und erheblichen Bewegungseinschränkungen gelitten hätte. Der akute Gelenkreizzustand im Juli 2010, der bei der Kernspintomographie festgestellt worden sei, lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass dieser schon früher vorgelegen haben müsse. Die Entwicklung einer akuten Entzündung könne schnell oder langsam erfolgen, ihr Beginn lasse sich nicht rückschauend feststellen.

Bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens am 29. August 2012 hat der Gutachter weiter erklärt, dass der Kläger auch arbeitsfähig gewesen sei, falls er Schmerzmittel nahm. Die Bewegungseinschränkungen bei einer akuten Entzündung seien schmerzbedingt. Bei Wegfall des Schmerzes entfalle auch die Bewegungseinschränkung. Medikamente wie Ibuprofen oder Diclophenac schränkten die Möglichkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr nicht ein, auch nicht für einen Busfahrer. Eine Einwirkung auf das zentrale Nervensystem sei als Komplikation eine mögliche Nebenwirkung eines Medikaments. Es müsse vom Arzt geprüft werden, ob dies beim konkreten Patienten ein Risiko sei. Da der Kläger mit seinem Privatwagen am Straßenverkehr teilgenommen habe, gehe er davon aus, dass bei ihm diese Komplikation nicht eingetreten sei. Der Sachverständige hat dazu auch ausgeführt, dass bei Verschleißerkrankungen typischerweise Schmerzmittel genommen würden, um über die Unterdrückung des Schmerzes die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

Die Kammer folgt den Angaben des Sachverständigen. Sowohl das Gutachten als auch dessen mündliche und schriftliche Erläuterung waren nachvollziehbar. Danach führt die Grunderkrankung, ein Verschleiß der Schulter, grundsätzlich nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit, sofern sie nicht weit fortgeschritten ist. Arbeitsunfähigkeit besteht jedoch bei akuten und schmerzhaften Entzündungen des Gelenks.

Die Behauptung des Klägers, bei seiner Erkrankung sei Bewegung angezeigt, steht dazu nicht in Widerspruch. Der Sachverständige hat erläutert, dass eine Bewegung ohne Gewichtsbelastung in Phasen ohne akute Entzündung empfehlenswert ist. Andererseits hat er plastisch geschildert, dass die Schmerzen, welche bei einer akuten Entzündung der Schultergelenkskapsel auftreten können, die Bewegungsfähigkeit stark einschränken und der Patient von sich aus die Schulter ruhig hält.

Schließt man sich der Bewertung des Gutachters an, dass bei einer bestehenden Verschleißerkrankung des linken Schultergelenks Phasen der Arbeitsfähigkeit mit Phasen der Arbeitsunfähigkeit wechseln, ist es zulässig, von dem unstreitigen und durch Bilder dokumentierten Verhalten des Klägers darauf zu schließen, dass bei diesem Ende April 2010 keine akute schmerzhafte Entzündung vorlag. Dies schließt ein, dass die am 02. Juli 2010 festgestellte akute Entzündung keinen (bildlich formulierten) „Vorlauf“ hatte, was auch dadurch bestätigt wird, dass der Kläger in der Zeit ab 28. April 2010 bis Anfang Juli 2010 arbeitete und nur in der Zeitspanne vom 12. Mai bis 19. Mai 2010 wegen einer anderen Erkrankung arbeitsunfähig war.

Eine danach verbleibende Unsicherheit, die sich auf eine mögliche Fahruntüchtigkeit des Klägers durch die Einnahme von Medikamenten stützt, ist im Rahmen der Bewertung der Verdachtsmomente zu berücksichtigen, widerspricht aber nicht der Beurteilung des Sachverständigen. Dieser hat zur Frage der Fahrtüchtigkeit des Klägers ausgeführt, dass eine Einnahme von Medikamenten mit Einfluss auf das zentrale Nervensystem, insbesondere auf Morphinbasis, nicht belegt ist.

(3) Die Behauptungen des Klägers über seine Arbeitsunfähigkeit Ende April 2010 sind durch seinen Hausarzt nicht bestätigt und teilweise sogar widerlegt worden. Auch nach der Aussage des Hautarztes I ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen, zumindest ab dem 19. April 2010.

Der Zeuge, der Hausarzt des Klägers, hat dessen Grunderkrankung bestätigt. Außerdem hat er bekundet, dass der Kläger wiederkehrend unter akuten Entzündungen litt. Er hat angegeben, dass er den Kläger vor den Krankschreibungen am 01. April und 19. April 2010 untersuchte. Darüber hinaus war die Aussage des Zeugen I wenig ergiebig. Der Zeuge hat keine belastbaren Angaben dazu gemacht, welche Untersuchungen er bei dem Kläger tatsächlich durchführte, was er feststellte und welche Medikamente der Kläger von ihm erhielt. Dies betrifft zumindest die Untersuchung vom 19. April 2010, welche Grundlage der Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers war.

Die wortreichen, aber wenig detaillierten Ausführungen des Zeugen über Untersuchungen bezogen sich im Wesentlichen darauf, welche Untersuchungen er üblicherweise bei einer Omarthritis durchführt. Es lässt sich aber nicht sicher davon ausgehen, dass sie auf einer konkreten Erinnerung über die Behandlung des Klägers beruhten. Ebenso kann nicht angenommen werden, dass der Zeuge in der Lage gewesen ist, den Gesundheitszustand des Klägers anhand seiner handschriftlichen Patientenakte zu rekonstruieren, welche er bei seiner Befragung mit sich führte. So hat der Zeuge angegeben, der Kläger habe „in der Zeit“ Krankengymnastik bekommen und sei beim Orthopäden gewesen. Auf Nachfrage hatte er dann klargestellt, dass er dem Kläger keine Krankengymnastik verordnet hatte und ihn auch nicht zum Orthopäden überwies. Der Zeuge musste weiter einräumen, dass er von einem MRT vom 02. Juli 2010, der Untersuchung des Klägers durch den Orthopäden Dr. Q und später verordneter Krankengymnastik erst kurz vor seiner Befragung am Terminstag von der Ehefrau des Klägers erfahren hatte. Soweit der Zeuge eingangs seiner Befragung angab, er habe dem Kläger Schmerzmittel verschrieben und ihn mit Musterpräparaten behandelt, hat er diese Aussage erheblich eingeschränkt. Der Zeuge hatte noch anfangs bekundet, er habe den Kläger nach dem 01. April 2010 mit Tramal-Tropfen, einem Morphinderivat, behandelt. Zum Ende seiner Vernehmung hat er diese Aussage eingeschränkt und sich darauf zurückgezogen, er habe dies bei mehreren Patienten so gemacht, er könne aber nicht sicher sagen, dass er den Kläger auf diese Weise behandelte. Danach kann nicht als bewiesen angesehen werden, dass der Kläger wegen der Einnahme von Medikamenten nicht als Busfahrer arbeiteten durfte.

Bedenken gegen die Verlässlichkeit der Angaben des Zeugen bestehen auch deshalb, weil er trotz Zuhilfenahme seiner Aufzeichnungen nicht bestätigen oder verneinen konnte, ob er den Kläger im Mai 2010 erneut krank schrieb. Ein von dem Zeugen ausgestelltes Attest über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 12. Mai bis 19. Mai 2010 ist durch die B bescheinigt worden (vgl. Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Kennziffer des Zeugen, Schreiben der AOK vom 31. August 2010, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 12. September 2011, Bl. 406 d.A.).

Hervorzuheben ist, dass der Zeuge seine Diagnose einer Arbeitsunfähigkeit infrage stellte, als ihm die Tätigkeiten des Klägers im April 2010, insbesondere das Dart-Spielen, vorgehalten wurde und er die Fotos zur Kenntnis nehmen konnte, die den Kläger beim Tragen, Sägen und Befestigen von Holzbalken zeigten. Der Zeuge hat ausdrücklich erklärt, dass er angesichts der Bilder „...der erste gewesen (wäre), der gesagt hätte, es besteht keine Arbeitsunfähigkeit“. Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit wäre dann „...medizinisch unverantwortlich“. Der Zeuge hat bestätigt, dass auch nach seiner Einschätzung auf eine Arbeitsfähigkeit geschlossen werden dürfe, wenn Kästen getragen, Holz gesägt und Dart gespielt werde. In diesem Zusammenhang hat er erläutert, dass er wegen der Vielzahl der Patienten und des Zeitdrucks, unter dem er arbeite, diese nicht ständig kontrollieren könne. Schließlich hatte der Zeuge die Aussage des Sachverständigen sinngemäß wiederholt, dass ein an einer Omarthrose erkrankter Patient sich bei einer akuten schmerzhaften Entzündung schonen müsse und in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sei.

Der Zeuge hat sich durch diese Aussage von seiner Diagnose einer Arbeitunfähigkeit abgekehrt und nicht ausgeschlossen, dass er getäuscht wurde. Er hat nicht bestätigt, dass der Kläger sich konform mit der festgestellten Krankheit verhielt.

(4) Der danach gegen den Kläger bestehende Verdacht, er sei zumindest ab dem 19. April 2010 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen und habe entweder seinen Hausarzt über das Vorliegen einer schmerzhaften Schultergelenksentzündung getäuscht oder sei von diesem gar nicht untersucht worden, wiegt schwer. Er wird auch durch Umstände, die außerhalb der Angaben des Sachverständigen und der Aussage des Zeugen liegen, nicht widerlegt, sondern bekräftigt.

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den am 23. April und 24. April 2010 beobachteten Tätigkeiten nicht um „geringfügige Bastelarbeiten“ handelte, wie der Kläger sie bewertet hat. Nach dem unstreitigen Inhalt des Berichts vom 23. April 2010 hat der Kläger an diesem Tag die Terrasse des Bistros ausgemessen, in einem Baumarkt Holz gekauft und die Holzbalken sowie einen Eimer mit Schrauben und eine Tüte mit Pfostenhaltern aus Metall getragen. Außerdem spielte er an diesem Tag zumindest 1,5 Stunden Dart. Am 24. April 2010 hat der Kläger von 17:11 Uhr bis 20:29 Uhr mit zwei Unterbrechungen eine Terrasse gebaut und dabei auch einen Holzbalken mit einer Säge gekürzt. Anschließend spielte er über 4 Stunden lang American Dart (Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. September 2011, Bl. 384 - 388 d.A.).

Gegenüber der Beklagten hat der Kläger in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 07. Mai 2010 dazu wahrheitswidrig erklärt, dass er in dem Bistro weder gearbeitet noch andere Aktivitäten verrichtet habe. Dies verstärkt den Verdacht, dass der Kläger nicht arbeitsunfähig erkrankt war und die Beklagte über vermeintliche Leistungseinschränkungen täuschen wollte. Die Erläuterung des Klägers, er habe die Erklärung nicht selbst formuliert, diese stamme von dem Betriebsratsmitglied L, ändert nichts an dieser Bewertung. Der Kläger hat angegeben, er habe auch gegenüber seinem ebenfalls R stämmigen Betriebsratskollegen erklärt, dass er in dem Bistro nicht gearbeitet habe. Dies trifft nicht zu, er arbeitete. Zum Anderen sind die Sprachkenntnisse des Klägers nach dem Eindruck, den die Mitglieder der Kammer in den Verhandlungen vom 05. Oktober 2011 und 19. August 2012 gewinnen konnten, nicht so schlecht, dass unterstellt werden kann, er habe die vorformulierte Erklärung nicht verstanden. Dass die Beklagte ihm das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit oder zumindest ein genesungswidriges Verhalten vorwarf, war nach deren Anhörungsschreiben vom 30. April 2010 eindeutig (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 84 f. d.A.).

Für die Argumentation des Klägers, er sei trotz seiner von ihm als unerheblich bewerteten Aktivitäten zumindest wegen der Einnahme starker Medikamente nicht in der Lage gewesen als Busfahrer zu arbeiten, lassen sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte feststellen. Es ist nicht naheliegend oder nur wahrscheinlich, dass er zwar fähig war, seinen Privat-PKW zu führen, einzukaufen, sich im Bistro aufzuhalten und zu arbeiten, andererseits wegen der möglichen Gefährdung von Fahrgästen aber keinen Omnibus führen durfte.

Der Vortrag des Klägers ist oberflächlich geblieben und ließ keine Überprüfung zu seiner Entlastung zu. Der Kläger hat nämlich nicht genauer angegeben, welche Medikamente ihm verschrieben wurden und welche Dosis welchen Medikaments er wann nahm, möglicherweise auch ohne ärztlichen Rat. Er hat vielmehr nur pauschal Medikamente angeführt, die er generell bei Schmerzen einnahm. Der Hausarzt hat keine Verschreibungen bekundet. Der Zeuge hat alle zu Beginn seiner Aussage von ihm gemachten Angaben während seiner Vernehmung relativiert oder zurückgenommen. Nach seiner Aussage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger Tramal-Tropfen nahm. Bei der Einnahme dieses Morphinderivats wäre von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Hinzu kommt, dass nur der Zeuge und nicht der Kläger selbst dieses Medikament erwähnt hatte.

Die von dem Kläger beschriebenen Schmerzmittel wie Ibuprofen, Diclophenac oder Novalgin führen, wie der Sachverständige erläutert hat, im Regelfall nicht zu einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit. Sie werden eingenommen, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Der Kläger hat nicht angegeben, dass diese Medikamente bei ihm Nebenwirkungen auslösen. Auch der Hausarzt hat dies nicht erklärt. Die vom Zeugen I bekundete Behandlung mit Diclophenac, welches subkutan indiziert worden sein soll, schränkt die Fahrtüchtigkeit ebenfalls nicht ein.

(5) Eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses war danach nicht unverhältnismäßig und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers gerechtfertigt. Wie ausgeführt, kann aus der unstreitigen Grunderkrankung des Klägers, einem Verschleiß des linken Schultergelenks (Omarthrose), nicht auf eine ständige Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden. Die Frage, ob der Kläger Ende April 2010 an einer akuten und schmerzhaften Entzündung der Schultergelenkkapsel litt, welche seine Arbeitsfähigkeit aufhob, kann nicht mehr vollständig aufgeklärt werden. Die vorstehend erörterten Verdachtsmomente sowie die Untersuchung des Klägers durch den Medizinischen Dienst am 27. April 2010 sprechen dafür, dass der Kläger zumindest die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit über den 19. April 2010 hinaus vortäuschte. Die Beklagte hat die ihr offen stehenden Möglichkeiten genutzt, die Arbeitsfähigkeit des Klägers überprüfen zu lassen. Umstände zu Gunsten des Klägers, welche zu einer Bewertung des Verdachts als weniger dringend oder schwerwiegend führen, haben sich nicht feststellen lassen. Aus der akuten Erkrankung, die am 02. Juli 2010 festgestellt wurde, lässt sich nicht auf eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit Ende April 2010 schließen.

Eine Abmahnung ist bei einem Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit und dem Erschleichen von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht erforderlich. Insoweit kann er die Beklagte nicht darauf verwiesen werden, sie habe den Kläger wegen des Verdachts des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit zunächst abmahnen müssen, bevor sie die Kündigung vom 14. Mai 2010 erklärte.

Die Kündigung ist auch nicht unverhältnismäßig. Dem Kläger ist zwar keine Abmahnung im Rechtssinne erteilt worden, er war jedoch gewarnt worden, dass er sein Arbeitsverhältnis durch bestimmte Pflichtverstöße gefährdet. Ihm war vor dem 19. April 2010 bekannt, dass die Beklagte zweimal vergeblich versucht hatte, seine vorhergehenden Krankschreibungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen. Nach der Krankheitsphase vom 22. Februar bis 21. März 2010 war der Kläger durch das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 31. März 2010, auf welches er durch seine damaligen Anwälte am 08. April 2010 Stellung nahm, darüber informiert, dass man ihn der Leistungserschleichung verdächtigte (Anlage zur Klageerwiderung vom 07. Juni 2010, Bl. 54, 56 f. d.A.). Die Beklagte hat ihm eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht. Er hatte Gelegenheit, sein Verhalten während einer Phase, in welcher ihm erneut Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war, zu überdenken und so einzurichten, dass erhebliche Verdachtsmomente nicht entstanden wären.

Wegen der erheblichen nicht auszuräumenden Verdachtsmomente, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuschte, um Aktivitäten in dem Bistro „Berliner Eck" auszuführen und Entgeltfortzahlung zu erhalten, ist von einem vollständigen, nicht wiederherzustellenden Vertrauensverlust auszugehen, der eine weitere Zusammenarbeit der Parteien ausschließt. Es war der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur befristet bis zum 31. August 2010 fortzusetzen. Die Interessen des Klägers, der gegenüber seiner Ehefrau und drei Kindern zu Unterhalt verpflichtet ist, haben dem gegenüber zurückzustehen. Auch knapp 10-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Er war nicht bereit, sein Verhalten anzupassen. Wie aus seiner Stellungnahme vom 08. April 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 56 f. d.A.) auf die erste Anhörung vom 31. März 2010 deutlich wird, wusste er zu diesem Zeitpunkt, dass die Beklagte einen Teil seiner Vergütung für März 2010 nicht gezahlt hatte, weil sie von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit ausging. Gleichwohl ließ er sich am 19. April 2010 erneut seine Arbeitsunfähigkeit attestieren, arbeitete aber am 23. April und 24. April 2010 im Bistro und spielte dort mehrere Stunden Dart.

c) Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat ist zu einer Verdachtskündigung und nicht nur zu einer Tatkündigung gehört worden. Dies war erforderlich, da eine Verdachtskündigung gegenüber einer Tatkündigung einen eigenständigen Kündigungsvorwurf bildet (vgl. BAG Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 748/10 - NZA 2011, 798;).

In dem ausführliche Anhörungsschreiben vom 10. Mai 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 87 - 91 d.A.) wird der Verdacht, der Kläger habe mehrfach, zuletzt in der Zeit von 23. April bis 25. April 2010, seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht, als Grundlage für die Kündigungsentscheidung genannt.

3. Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 15. Mai 2010 beendet worden ist.

Der vom Kläger als Klageantrag zu 3) hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellte Weiterbeschäftigungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an.

Auch der Klageantrag zu 8) ist unbegründet, die Berufung ist insoweit erfolglos. Zum Zeitpunkt der weiteren Kündigung vom 11. November 2010 wegen der nicht übergebenen Fahrgelder bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr. Eine Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung, die kein Arbeitsverhältnis beenden kann, weil dieses nicht mehr besteht, ist nach der sog. punktuellen Streitgegenstandstheorie als unbegründet abzuweisen (BAG Urteil vom 27. Oktober 2005 - 8 AZR 568/04 - NZA 2006, 668; BAG Urteil vom 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - NZA 2002, 1207; BAG Urteil vom 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - NZA 2001, 280).

II. Auch die gegen die Abweisung seiner Zahlungsansprüche gerichtete Berufung des Klägers ist ganz überwiegend erfolglos.

1. Der Kläger hat keinen Beweis dafür erbracht, dass er in der Zeit von 11. März bis 20. März 2010 und von 10. bis 27. April 2010 arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte ist daher nicht gem. § 3 EFZG bzw. § 12 MTV verpflichtet, dem Kläger die für diese Zeiträume nicht geleistete Vergütung nachzuzahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klageanträge zu 4) und 5) zu Recht abgewiesen.

Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm in beiden Zeitphasen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 EFZG bzw. 12 MTV zustand.

Der Arbeitnehmer hat die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen In der Regel führt der Arbeitnehmer diesen Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber wie auch vor Gericht durch die Vorlage einer förmlichen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu (BAG Urteil vom 01. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998,369). Der Arbeitgeber, der das Vorliegen einer durch ärztliche Bescheinigung belegten Arbeitsunfähigkeit bestreiten will, muss Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeit Anlass geben (BAG Urteil vom 15. Juli 1992 -5 AZR 312/91 - NZA 1993, 23; LAG Rheinland-Pfalz - 2 Sa 136/08 - veröffentlicht in juris).

a) Die Beklagte hat dem Kläger keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit von 11. März bis 20. März 2010 gezahlt.

Der Kläger war seit 22. Februar 2010 krank geschrieben. Am 11. März 2010 hätte sich der Kläger vom Medizinischen Dienst untersuchen lassen müssen. Diesen Termin nahm er nicht wahr, er entschuldigte dies damit, er habe die Einladung erst am 11. März 2010 in seinem Briefkasten vorgefunden. Diese wurde jedoch bereits am 09. März 2010 durch einen Boten eingeworfen. Ob der Kläger rechtzeitig von dem bereits auf den 02. März 2010 festgesetzten früheren Untersuchungstermin bei dem Medizinischen Dienst erfahren hatte, ist nicht feststellbar. In der Zeit von 16. März bis 21. März 2010 ließ die Beklagte den Kläger von einer Detektei observieren. Dabei wurde der Kläger unter anderem dabei beobachtet, dass er mit beiden Armen volle Getränkekisten trug, Kunststoffmöbel für den Außenbereich des Bistros bewegte, Gäste bediente und mit seinem Pkw fuhr.

Die Beklagte hat durch Sachverständigengutachten nachgewiesen, dass das Verhalten des Klägers, wie es ab dem 16. März 2010 beobachtet wurde, gegen eine akute schmerzhafte Entzündung des linken Schultergelenks spricht. Der Gutachter Dr. O hat ausgeschlossen, dass der Kläger in der Zeit von 22. Februar bis 21. März 2010 arbeitsunfähig erkrankt war (S. 16 des Gutachten, Bl. 543 d.A.). Der Beweiswert der Atteste, mit welchen dem Kläger ab 11. März 2010 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde, wird - die Feststellungen des Sachverständigen ergänzend - auch dadurch erschüttert, dass der Kläger sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bewusst einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst am 11. März 2010 entzogen hat. Es ist unstreitig, dass die Einladung zur Untersuchung bereits am 09. März 2010 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde. Weiter ist im Ergebnis unstreitig geblieben, dass die Ehefrau des Klägers gegenüber dem Medizinischen Dienst zunächst angab, die Einladung sei erst am Untersuchungstag im Briefkasten gewesen. Erst auf den Vorhalt, dass sie schon vor zwei Tagen eingeworfen wurde, korrigierte sie sich insoweit, dass sie erklärte, sie schaue nicht täglich in den Briefkasten.

Der Kläger hat nicht auf andere Weise den Nachweis erbracht, dass er in der Zeit vom 11. März bis 20. März 2010 arbeitsunfähig erkrankt war (vgl. BAG Urteil vom 01. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 369; BAG Urteil vom 11. August 1976 - 5 AZR 422/75 - NJW 1997,53).

Nach dem Inhalt der Vernehmung des vom Kläger als Zeugen benannten Hausarztes I bestehen, wie ausgeführt, Zweifel, ob dieser den Kläger tatsächlich untersuchte und mit Medikamenten behandelte. Diese Zweifel stützen sich darauf, dass keine sicheren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge über tatsächlich von ihm durchgeführte Maßnahmen in der Zeit von Februar bis April 2010 berichtete oder nur über eine übliche Behandlung beim Krankheitsbild des Klägers, sich jedoch weder konkret erinnern noch auf Aufzeichnungen in seiner Patientenakte stützen konnte. Geht man davon aus, dass der Zeuge den Kläger - wie angegeben - am 22. Februar 2010 untersuchte, eine Entzündung feststellte und mit Diclophenac und Xylocain behandelte, lässt sich daraus nicht schließen, dass der Kläger auch noch ab 11. März 2010 arbeitsunfähig war. Der Hausarzt des Klägers hat ausgeschlossen, dass ein Patient, der an einer schmerzhaften Entzündung der Schultergelenkskapsel leidet, volle Getränkekisten tragen kann. Die Behandlung mit Schmerzmitteln führt, wie der Sachverständige ausgeführt hat, häufig dazu, dass die Bewegungseinschränkungen entfallen und der Patient wieder arbeitsfähig ist. Rückschauend kann nicht mehr beurteilt werden, ob der Kläger zwar schmerzfrei war, jedoch wegen der Behandlung mit Medikamenten nicht in der Lage gewesen wäre, sicher einen Omnibus zu führen. Wie ausgeführt, hat der Kläger nicht ausreichend dazu vorgetragen, aufgrund welcher Medikamente und/oder Behandlungen er fahruntüchtig gewesen sein könnte. Diese Unaufklärbarkeit geht zu seinen Lasten.

Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, die für die Zeit von 11. März bis 21. März 2010 einbehaltene Entgeltfortzahlung noch nachträglich zu entrichten.

b) Auch für die Zeit von 10. April bis 27. April 2010 ist der Beweiswert der von dem Kläger eingereichten Atteste nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem unstreitigen Verhalten des Klägers erschüttert. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zur Wirksamkeit der außerordentlichen Verdachtskündigung und die vorstehenden Erörterungen zu dem Entgeltfortzahlungsanspruch für März verwiesen. Es darf daher offen bleiben, ob dem Kläger überhaupt noch ein Anspruch im Umfang des im Termin am 29. August 2012 reduzierten Antrags (Bl. 606 d.A.) zustehen würde oder ob ein Anspruch in Höhe von 1.965,90 € brutto durch die Zahlung von 1.400,00 € netto schon vollständig erfüllt wäre.

2. Für den Monat Mai 2010 schuldet die Beklagte dem Kläger weitere Vergütung in Höhe von 63,41 € brutto. Sie hat das Arbeitsverhältnis zum 14. Mai 2010 abgerechnet. Dieses hat jedoch erst mit Ablauf des 15. Mai 2010 geendet, da die vom 14. Mai 2010 datierende Kündigung dem Kläger am Folgetag zuging. Nur in diesem Umfang ist die Berufung des Klägers erfolgreich und die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2011 abzuändern.

Der Kläger hat für Mai 2010 die Grundvergütung von 1.965,90 € brutto zuzüglich der in der Abrechnung vom 31. Mai 2010 berücksichtigten Spesen, Pauschalen und sonstigen Leistungen (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 04. Oktober 2010, Bl. 127 d.A.) verlangt, was 2.056,42 € ergibt. Hiervon hat er lediglich das Arbeitslosengeld in Höhe von 283,23 € netto abgezogen, nicht aber die in der Abrechnung ausgewiesene und erfolgte Nettozahlung von 62,79 €.

Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie bei der Abrechnung der Vergütung ihrer Busfahrer die Grundvergütung taggenau berechnet, wenn kein Vergütungsanspruch für den vollen Monat besteht. Danach schuldet die Beklagte dem Kläger für den 15. Mai 2010, für welchen dieser bisher keine Vergütung erhielt, 1/31 des Grundlohns. Von dem sich danach ergebenden Betrag in Höhe von 63,41 € brutto ist kein Arbeitslosengeld abzuziehen, da der Kläger dies erst ab 21. Mai 2010 erhielt,

Im Übrigen ist der Vergütungsanspruch des Klägers für die Zeit von 01. Mai bis 14. Mai 2010 bereits erfüllt worden. Die Beklagte durfte die Vorschusszahlung in Höhe von 1.400,00 € netto im Monat April 2010 berücksichtigen. Wie ausgeführt, hatte der Kläger in der Zeit von 10. April bis 27. April 2010 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Danach erhielt er im Monat April 2010 eine Überzahlung von 704,55 € netto (vgl. Abrechnung April 2010 als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 04. Oktober 2010, Bl. 126 d.A.). Ein Verstoß gegen § 394 S. 1 BGB liegt nicht vor. Da ein Vorschuss eine vorweggenommene Vergütungstilgung darstellt, bedarf es zur Verrechnung keiner Aufrechnung (BAG Urteil vom 13. Dezember 2000 - 5 AZR 334/99 - NZA 2002, 390).

Dem Kläger stehen Zinsen ab 16. Oktober 2010 zu. Die Klageerweiterung vom 04. Oktober 2010 ist der Beklagten am 15. Oktober 2010 zugegangen. Danach befand sie sich ab 16. Oktober 2010 in Verzug gem. § 291 BGB. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

3. Für die Zeit von Juni bis September 2010 steht dem Kläger keine Vergütung gegen die Beklagte aus Annahmeverzug gemäß § 615 S. 1 BGB zu, da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 15. Mai 2010 endete.

III. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind in Bezug auf die Widerklage erfolglos. Der Kläger hat der Beklagten nur Detektivkosten in Höhe von 1.000,00 € nebst Zinsen zu erstatten. Zur Übernahme der weiteren Detektivkosten von 11.946,86 € ist der Kläger nicht verpflichtet, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat.

1. Ein Arbeitgeber kann die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er den Detektiv anlässlich eines konkreten Tatverdachts, z.B. wegen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, beauftragt hat und der Arbeitnehmer dann einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde (BAG Urteil vom 28. Oktober 2010 - 8 AZR 547/09 - DB 2011, 305; BAG Urteil vom 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - NZA 2009, 1300).

2. Der Kläger hat der Beklagten gem. § 280 Abs. 1 BGB die Kosten des Detektiveinsatzes vom 23. April bis 25. April 2010 in Höhe von 1.000,00 € zu erstatten.

Zum Zeitpunkt der zweiten Beauftragung der Detektei lag ein konkreter Verdacht vor, dass der Kläger Arbeitsunfähigkeit vortäuschen und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erschleichen würde. Die Beklagte wusste aufgrund der Beobachtung des Klägers im März 2010, dass dieser während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit täglich im Bistro „C“ gewesen war. Dabei verhielt er sich nicht wie ein Gast, sondern wie der Betreiber des Lokals oder wie ein Mitglied der Betreiberfamilie und erledigte Einkäufe und kleinere Arbeiten (vgl. Berichte der Detektei S, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. September 2011, Bl. 370 - 383 d.A.). Außerdem durfte die Beklagte vermuten, dass der Kläger den Termin bei dem Medizinischen Dienst am 11. März 2010 bewusst versäumt hatte. Denn dieser hatte in seiner Stellungnahme vom 08. April 2011 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 56 f. d.A.) angegeben, er sei so spät geladen worden, dass er den Termin nicht wahrnehmen konnte. Die Beklagte wusste jedoch durch das Schreiben des Medizinischen Dienstes vom 29. März 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 50 d.A.), dass die Einladung rechtzeitig in den Briefkasten des Klägers geworfen worden war.

Allerdings ist der Kläger keiner vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt worden. Die Kündigung vom 14. Mai 2010 ist nicht als Tatkündigung gerechtfertigt, sondern nur als Verdachtskündigung.

Gleichwohl durfte die Beklagte im April 2010 aufgrund der konkreten Verdachtsmomente Aufwendungen für eine Detektei machen. Um dem Risiko zu entgehen, trotz Arbeitsfähigkeit des Klägers Entgeltfortzahlung erbringen zu müssen und auch um eine etwaige Kündigung vorzubereiten, hatte die Beklagte keine andere Möglichkeit mehr ihren Verdacht zu verifizieren. Zwei Versuche, den Kläger durch den Medizinischen Dienst untersuchen zu lassen, waren gescheitert. Ob der Kläger der dritten Einladung zur Überprüfung seiner Krankschreibungen folgen würde, war offen. Die Anhörung des Klägers vom 31. März 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 54 f. d.A.) war ohne Ergebnis geblieben. Statt an den Arbeitsplatz zurückzukehren, wie in der Stellungnahme vom 08. April 2010 angekündigt, hatte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19. April 2010 bis 05. Mai 2010 eingereicht.

Der Verdacht der Beklagten wurde bestätigt. Es kann nach Ansicht der Kammer für die Frage der Erstattung erforderlicher und angemessener Detektivkosten keinen Unterschied machen, ob die Bestätigung der Verdachtsmomente zu einer sicheren Feststellung einer vorsätzlichen Vertragsverletzung führt oder (lediglich) genügt, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Dies gilt zumindest dann, wenn das Verhalten, welches zu dem schwerwiegenden und erheblichen Verdacht führt, für sich betrachtet bereits pflichtwidrig ist und eine Tatkündigung deshalb scheitert, weil bestimmte Umstände in der Sphäre des Arbeitnehmers kaum aufklärbar sind. So ist es hier. Die Frage, ob der Kläger trotz seiner Aktivitäten am 23. und 24. April 2010 möglicherweise doch arbeitsunfähig war, weil der wegen des Einflusses von Medikamenten keinen Bus hätte fahren dürfen, auch wenn er seinen eigenen PKW nutzte, ist rückschauend nicht mehr zu beantworten. Dies hat die Beklagte nicht zu verantworten. Das Verhalten des Klägers war zumindest genesungswidrig, falls er nicht mehr an Schmerzen litt, aber seine Schulter belastete und hochprozentigen Alkohol konsumierte sowie Medikamente nahm, die das zentrale Nervensystem beeinflussten. War der Kläger auch in der Lage einen Bus zu lenken, wofür ein schwerwiegender und nicht zu widerlegender Verdacht besteht, hat er seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht und die Beklagte betrogen.

Die Aufwendungen, welche die Beklagte zur Überwachung des Klägers in der Zeit von 23. bis 25. April gemacht hat, waren erforderlich, die Höhe von 1.000,00 € ist nicht unangemessen.

Der Kläger hat die die Angemessenheit und die Zahlung dieses Betrages im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten, sondern sich nur noch gegen die von der Beklagten geforderte Erstattung von 11.946,88 € für die Observierung des Klägers im März 2010 gewandt. Dies folgt aus dem Angriff gegen die Beobachtung des Klägers durch mehrere Personen „rund um die Uhr“. Der durch Vorlage einer Kopie von der Beklagten belegte Vermerk über die Freigabe und Kontierung der 1.000,00 € (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 94 d.A.) ist vom Kläger nicht angegriffen worden.

Die Widerklage ist dem Kläger ausweislich des Protokolls vom 05. Juli 2010 (Bl. 95 d.A.) am 09. Juni 2010 zugegangen, so dass er Zinsen gem. §§ 288, 291 BGB seit 10. Juni 2010 auf den Teilbetrag schuldet.

3. Wegen der Kosten, die durch die Beobachtungen des Klägers in der Zeit von 16. März bis 22. März 2010 in Höhe von 11.946,88 € entstanden sein sollen, kann die Beklagte nach dem unter III. 1. dargelegten Maßstab keine Erstattung verlangen.

Es bestanden noch keine konkreten und auf andere Weise nicht zu überprüfende Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, so dass nach dem Maßstab eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Umstände des Falles ein Überwachung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich angesehen werden mussten.

Die Beklagte hat nicht versucht aufzuklären, warum der Kläger die Termine zur Untersuchung bei dem Medizinischen Dienst versäumt hatte. Das Schreiben der B, wonach der Kläger rechtzeitig zur zweiten Untersuchung geladen worden war, aber durch seine Ehefrau erklären ließ, er habe von dem Termin zu spät erfahren, stammt erst vom 29. März 2010 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 50 d.A.). Am 12. März 2010 hatte die B der Beklagten nur mitgeteilt, dass der Kläger nicht zum Untersuchungstermin erschienen war (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2011, Bl. 309 d.A.). Die Beklagte hat zur Rechtfertigung des hohen Erstattungsbetrags zudem vorgetragen, dass die Observierung des Klägers sehr aufwändig gewesen sei, da der Einsatz mehrerer Personen bis in die Abendstunden erforderlich gewesen wäre. Die Beklagte hatte jedoch bei der ersten Beauftragung einer Detektei noch keine Anhaltspunkte, welche Ermittlungen notwendig sein würden, so dass sie ein hohes Kostenrisiko einging. Es war daher nicht wirtschaftlich vernünftig, bereits eine Detektei einzuschalten, ohne nachzufragen, weshalb der Kläger nicht untersucht worden war. Es hätte zunächst versucht werden können, auf diese Weise den Verdacht angesichts der zu erwartenden hohen Kosten für eine Beobachtung zu überprüfen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, auch nicht wegen der gescheiterten Untersuchungen durch den Medizinischen Dienst (vgl. BAG Urteil vom 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - NZA 2009, 1300).

Darüber hinaus ist Erstattungsanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB auch ausgeschlossen, weil der Kläger im März 2010 nicht einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wurde. Wie dargelegt, hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum von 11. März bis 21. März 2010 erschüttert. Der Kläger hat durch das Zeugnis seines Hausarztes keinen Beweis dafür erbracht, dass er gleichwohl arbeitsunfähig erkrankt war. Dies berechtigt die Beklagte, dem Kläger endgültig die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern. Damit steht aber nicht fest, dass der Kläger auch in dieser Zeitspanne seine Arbeitsunfähigkeit vortäuschte. Die Beklagte hat auf die Erkenntnisse aus dem ersten Detektiveinsatz zwar mit einer Anhörung des Klägers, nicht mit einer Kündigung reagiert.

Es darf daher offen bleiben, ob die Kosten für den Detektiveinsatz in Höhe von 11.946,88 €, wie die Beklagte durch in Kopie vorgelegte Rechnung belegt hat (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Juni 2010, Bl. 93 d.A.), üblich sowie angemessen waren und tatsächlich vollständig von ihr bezahlt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und § 516 Abs. 3 ZPO, soweit der Kläger seiner Berufung gegen die Abweisung des Zahlungsanspruchs für April 2010 teilweise zurückgenommen hat.

Zur Zulassung der Revision besteht bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung kein gem. § 72 Abs. 2 ArbGG begründeter Anlass. Dies gilt nicht für die Entscheidung über die mit der Widerklage geltend gemachten Detektivkosten von insgesamt 12.946,88 €. Insoweit wird die Revision für den Kläger und die Beklagte zugelassen.



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