Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 16 Sa 709/12

Befristung aus Mitleid

(1.) Hat der Arbeitgeber in den Vertragsverhandlungen der Parteien den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages ausdrücklich unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses gestellt oder dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung des Vereinbarten angekündigt, ist diese Erklärung ohne Hinzutreten von außergewöhnlichen Umständen nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Schriftformgebot (§14 IV TzBfG, §126 BGB)) nachkommen will.

(2.) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen geschieht (§14 I Nr.6 TzBfG).
Dies ist der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. Die sozialen Erwägungen müssen das überwiegende Motiv des Arbeitgebers sein.

Hier: Erfolgt die Befristung ausschließlich aus Mitleid mit der persönlichen Situation der Arbeitnehmerin (Krankheit, Trauerfall), so liegt ein zulässiger Befristungsgrund vor.
Für den Arbeitgeber sprach vorliegend, dass zum Zeitpunkt der Befristung (Verlängerung) des Arbeitsvertrages eine mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin bestanden hat und nicht abzusehen war, dass diese innerhalb der Verlängerung überhaupt noch zur Arbeitsleistung herangezogen werden kann. Zudem wurde der zuletzt auslaufende Arbeitsvertrag erst auf die Bitte der Arbeitnehmerin verlängert.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2012 - 8 Ca 6605/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Die Beklagte betreibt ein Kreditinstitut.

Die am xxx geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags vom 3. Dezember 2010 (Bl. 137, 138 der Akten) in deren Niederlassung in F als Bankangestellte zu einer Bruttomonatsvergütung von 3864,25 € beschäftigt.

Auf Seite 2 des schriftlichen Anstellungsvertrags befindet sich oben ohne drucktechnische Hervorhebung folgender Satz: "Das Arbeitsverhältnis ist zunächst auf sechs Monate befristet."

Zwischen den Parteien ist streitig, ob seitens der Beklagten im Zusammenhang mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses auf die Befristung mündlich hingewiesen wurde.

Am 10./13. Januar 2011 vereinbarten die Parteien schriftlich, dass die Klägerin ihre Tätigkeit (bereits) mit Wirkung vom 1. März 2011 aufnimmt; im Übrigen sollte es bei den getroffenen Vereinbarungen verbleiben (Bl. 139 d.A.).

Die Klägerin nahm vereinbarungsgemäß am 1. März 2011 die Arbeit auf und war sodann in der Zeit vom 7. bis 21. April 2011 sowie am 17. und 18.5.2011 und durchgehend ab 26. Mai 2011 bis 30. November 2011 arbeitsunfähig erkrankt.

Am 16. August 2011 fand ein Personalgespräch mit der Klägerin statt. Die Beklagte teilte der Klägerin hierbei mit, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2011 enden zu lassen. Nachdem die Klägerin darum bat, das Arbeitsverhältnis aus sozialen Gründen zu verlängern, wurde ihr eine befristete Weiterbeschäftigung bis 30. November 2011 angeboten. Hierbei wurde ihr mitgeteilt, dass die Formalien weitere Zeit benötigten und sie gebeten, in die Stadt zu gehen, um Einkäufe zu erledigen oder einen Kaffee zu trinken. Mit Blick auf ihren noch anstehenden Tagesverlauf bat die Klägerin, sofort gehen zu können und ihr den schriftlichen Vertrag umgehend zuzusenden, was die Beklagte akzeptierte. Am 18. August 2011 sandte die Beklagte der Klägerin die schriftliche Befristungsverlängerung zu (Bl. 8 d.A.). Als nach wenigen Tagen noch kein Rücklauf bei der Beklagten zu verzeichnen war, versuchten deren Personalreferentin, die Zeugin B, und deren Assistentin, Frau A, mehrfach vergeblich die Klägerin telefonisch zu erreichen. Frau B bereitete sodann ein Schreiben vor, das eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2011 bestätigte (Bl. 28 der Akten). Noch bevor dieses versandt werden konnte, erreichte Frau B die Klägerin am Vormittag des 5. September 2011 telefonisch. Die Klägerin entschuldigte ihre Untätigkeit mit einem Hochwasserschaden. Am gleichen Tag ging die von der Klägerin unterschriebene Befristungsverlängerung per Telefax ein. Das Originalschreiben traf etwa eine Woche später ein. Mit Schreiben vom 14. September 2011 (Bl. 9,10 der Akten) bestätigte die Beklagte der Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. November 2011.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 10. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 50-53 der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehe, dass die Verlängerungsvereinbarung gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG formunwirksam ist, sei die Berufung der Klägerin hierauf zumindest treuwidrig. Die Klägerin trage selbst vor, dass ihr aus dem Gespräch vom 16. August 2011 bekannt war, dass noch Formalien zu erledigen sind. Sie habe daher gewusst, dass eine schriftliche Verlängerungsvereinbarung erforderlich ist. Es seien keine plausiblen Gründe zu erkennen, warum die Klägerin nicht bis zum 31. August 2011 die Verlängerungsvereinbarung unterzeichnet hat. Das Berufen der Klägerin auf den von ihr selbst herbeigeführten Formmangel sei daher treuwidrig.

Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Mai 2012 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 8. Juni 2012 (einen Tag nach Fronleichnam) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 7. August 2012 am 7. August 2012 begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe ihr zwischen den Zeilen ein arglistiges Täuschungsverhalten unterstellt, ohne konkret aufzuzeigen, weshalb sie die Vertreter der Beklagten getäuscht haben soll. Die Formulierung dass „noch Formalien" zu erledigen seien könne nicht dahingehend interpretiert werden, dass die Klägerin in Kenntnis darüber war, dass die Beklagte den Arbeitsvertrag mit ihr nur dann verlängern will, wenn dieser schriftlich zu Stande kommt. Ein arglistiges Verhalten bzw. Täuschungsabsicht seitens der Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2012 -8 Ca 6605/11- abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 18. August 2011/5. September 2011 nicht zum 30. November 2011 beendet worden ist,

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens als Teamassistentin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 3. Dezember 2010 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die Befristungsvereinbarung vom 18. August/5. September 2011 sei jedenfalls nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 als Befristung aus sozialen Gründen gerechtfertigt. Dem stehe nicht entgegen, dass die im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 3. Dezember 2010 enthaltene Befristung als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden sei, weil die Klägerin am Tag der Vertragsunterzeichnung, dem 3. Dezember 2010, von der Personalreferentin, Frau B, mündlich auf die Befristung hingewiesen worden sei. Ihr sei die Befristung damit bekannt gewesen, sodass diese keine überraschende Klausel darstelle.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B und C sowie die Klägerin als Partei vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 15. Oktober 2012 und 4. Februar 2013, wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat den Parteien unter dem 29. August 2012 (Bl. 91 der Akten) und 9. Oktober 2012 (Bl. 166 der Akten) rechtliche Hinweise erteilt, zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2a ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 46 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Bei dem Antrag zu 1 handelt es sich um einen solchen nach § 17 S. 1 TzBfG, mit dem die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung vom 18. August 2011/5. September 2011 geltend macht. Der Antrag zu 2 beinhaltet einen allgemeinen Feststellungsantrag. Sein besonderes Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass die Verlängerungsvereinbarung vom 18. August 2011/5. September 2011 soweit sie auf den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG (Befristung aus sozialen Gründen) gestützt wird, voraussetzt dass zuvor ein wirksam befristeter Vertrag bestand (Erfurter Kommentar-Müller-Glöge, 13. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 67 m.w.N.). Mit dem Antrag zu 2 wird daher der Streitgegenstand auf den Anstellungsvertrag vom 3. Dezember 2010 erstreckt. Geltend gemacht wird insoweit, dass die Befristung nicht Vertragsbestandteil wurde. Bei einem Streit darüber, ob überhaupt eine Befristung vereinbart wurde ist die allgemeine Feststellungsklage und nicht die Klage nach § 17 TzBfG zu erheben (BAG 26.7.2006 -7 AZR 494/05- NZA 2007, 151).

2. Die Klage ist nicht begründet.

Der Klageantrag zu 1 ist unbegründet, § 17 S. 1 TzBfG.

Die Verlängerungsvereinbarung vom 18. August 2011/5. September 2011 enthält eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2011. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete daher zu diesem Termin.

Die Vereinbarung wahrt die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG, da die Klägerin sie am 5. September 2011 unterschrieben und der Beklagten per Telefax zugeleitet hat; das Original ging etwa eine Woche später bei dieser ein.

Die Parteien haben auch nicht zuvor mündlich eine Verlängerung der Befristung vereinbart. Hat der Arbeitgeber in den Vertragsverhandlungen der Parteien den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages ausdrücklich unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses gestellt oder dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung des Vereinbarten angekündigt, ist diese Erklärung ohne Hinzutreten von außergewöhnlichen Umständen nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§ 133, § 157 BGB) dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem sich aus § 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen will und seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung nur durch eine die Form des § 126 Abs. 2 BGB genügende Unterzeichnung der Vertragsurkunde angenommen werden kann (Bundesarbeitsgericht 16. April 2008-7 AZR 1048/06-NZA 2008, 1184, Rn. 14). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Beklagte hat die Klägerin am 18. August 2011 unstreitig gebeten, noch einmal in die Stadt zu gehen bis die Formalien erledigt seien. Damit konnte -für die Klägerin erkennbar- nur die Vorbereitung einer schriftlichen Vertragsurkunde und deren Unterzeichnung durch beide Parteien gemeint gewesen sein.

Nach § 14 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Das Tatbestandsmerkmal der Verlängerung i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 TzBfG eines nach § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages setzt voraus, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt (Bundesarbeitsgericht 23. August 2006-7 AZR 12/06-BAGE 119,212, Rn. 10). Diesen Anforderungen entspricht die von den Parteien am 18. August 2011/5. September 2011 vereinbarte Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht. Der ursprüngliche Anstellungsvertrag war bis 31. August 2011 befristet. Erst nach Ablauf der Vertragszeit kam am 5. September 2011 die schriftliche Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu Stande.

Eine nach Ablauf der Vertragszeit vereinbarte "Verlängerung" ist als Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrages anzusehen, der nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ohne Sachgrund unzulässig ist, da zwischen den Parteien bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (Bundesarbeitsgericht 23. August 2006-7 AZR 12/06-BAGE 119,212, Rn. 11; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 371).

Die am 18. August/5. September 2011 vereinbarte Befristung ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG aus in der Person der Arbeitnehmerin liegenden Gründen gerechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. In diesem Fall liegt es auch im objektiven Interesse des Arbeitnehmers, wenigstens für eine begrenzte Zeit bei diesem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die sozialen Erwägungen müssen das überwiegende Motiv des Arbeitgebers sein. An einem sozialen Beweggrund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages fehlt es, wenn die Interessen des Betriebs oder der Dienststelle und nicht die Berücksichtigung der sozialen Belange des Arbeitnehmers für den Abschluss des Arbeitsvertrages ausschlaggebend waren (Bundesarbeitsgericht 21. Januar 2009-7 AZR 630/07-NZA 2009,727, Rn. 9).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zum Zeitpunkt des Gesprächs über die Vereinbarung einer Verlängerung der Befristung am 18. August 2011 war die Klägerin bereits seit 26. Mai 2011 durchgehend arbeitsunfähig krank und hatte überhaupt nur zu Beginn ihrer Beschäftigung für wenige Wochen eine Arbeitsleistung erbracht. Zu diesem Zeitpunkt war nicht absehbar, ob die Klägerin bis zum Ende der ins Auge gefassten Laufzeit des Vertrags (30. November 2011) überhaupt noch einmal eine Arbeitsleistung werde erbringen können oder ob sie bis dahin weiterhin arbeitsunfähig krank sein würde. Bei rationaler Betrachtung konnte die Beklagte daher weder mit einer künftigen Arbeitsleistung der Klägerin rechnen noch diese in ihre Arbeitsabläufe einplanen. Die Verlängerung der Befristung erfolgte ausschließlich aus Mitleid mit der persönlichen Situation der Klägerin (Krankheit, Trauerfall). Ohne diese in der Person der Klägerin liegenden sozialen Gründe wäre es keinesfalls zu einer Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags der Klägerin gekommen, da ein betriebliches Interesse an der Arbeitsleistung der dauerhaft erkrankten Klägerin nicht bestehen konnte.

Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG scheidet nicht deshalb aus, weil die Beklagte mit der Vereinbarung vom 18. August 2011/5. September 2011 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nachträglich hätte befristen wollen (vgl. dazu: Bundesarbeitsgericht 23. Januar 2002 -7 AZR 552/00- NZA 2002,759, Rn. 25).

Zwar enthielt der Anstellungsvertrag vom 3. Dezember 2010 (Bl. 137,138 Akten) eine Befristung für die Dauer von sechs Monaten. Eine Befristungsabrede in einem Formularvertrag kann als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil werden (Bundesarbeitsgericht 16. April 2008-7 AZR 132/07-BAGE 126,295 Rn. 16). Bei dem Anstellungsvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff BGB, da er für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen enthält, die von einer Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrages gestellt wurden. Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein "Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrages, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen.

Danach handelt es sich bei der Regelung der Befristung auf Seite 2 oben des Arbeitsvertrags um eine überraschende Klausel. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass es an einer drucktechnischen Hervorhebung fehlt. Zum anderen findet sie sich in der Systematik des Vertrags nicht dort, wo sie vom Leser erwartet wird, nämlich im ersten Absatz auf Seite 1 des Anstellungsvertrags. Auch wenn die Vereinbarung einer Befristung an sich nichts Ungewöhnliches sein mag, hat die Beklagte diese hier an so versteckter Stelle im Vertragstext untergebracht, dass sie vom oberflächlichen Leser übersehen wird.

Ist der Verbraucher vom Verwender bei Vertragsschluss auf den Inhalt der streitigen Klausel ausdrücklich hingewiesen worden und hat er sich sodann mit ihr einverstanden erklärt, kann darin entweder eine Individualabrede i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegen oder der Hinweis schließt -sofern er klar und deutlich gefasst ist- die Annahme eines Überraschungscharakters aus (Münchener Kommentar zum BGB-Basedow, 6. Aufl., § 305c Rn. 8).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin am Tag der Vertragsunterzeichnung, dem 3. Dezember 2010, auf die im Anstellungsvertrag enthaltene Befristung ausdrücklich hingewiesen wurde.

Die Zeugin B hat ausgesagt, dass sie sich an den genauen Wortlaut dessen, was sie gesagt hat, jetzt nicht mehr erinnern kann. Die Beklagte befriste jedoch grundsätzlich alle Arbeitsverträge. In der zweiten Runde des Vorstellungsgesprächs werde auf die Befristung hingewiesen. Darauf, dass sie bei der Klägerin diesen Prozess eingehalten habe, schließe sie deshalb, weil sie sich keinen gegenteiligen Vermerk gemacht habe und an keine Besonderheiten erinnern könne. Seitens ihres Arbeitgebers werde verlangt, dass sie die Befristung in dem Bewerbergespräch anspreche. Weil sie dies immer so machen müsse, könne sie sich nicht mehr daran erinnern, ob dies auch im Fall der Klägerin so war. Die Zeugin B ist glaubwürdig. Zwar ist sie bei der Beklagten beschäftigt und steht insoweit zu dieser in einem Abhängigkeitsverhältnis. Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht ihre Aussage von vorneherein als wertlos anzusehen. Die Aussage der Zeugin B ist glaubhaft, da sie sehr detailreich ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Zeugin deutlich machte, an welche Abläufe sie sich noch erinnern kann und an welche Geschehnisse nicht.

Die Klägerin hat bei ihrer Parteivernehmung ausgesagt, dass in dem Gespräch vom 3. Dezember 2010, bei dem die Zeugin B per Telefon zugeschaltet war, ihr der Arbeitsvertrag blockweise vorgelesen wurde. Es sei zum Beispiel über die Fahrgeldregelung gesprochen worden, über den Essenszuschuss, BVV, Urlaub, über interne Schulungen. Ferner sei ihr gesagt worden, dass es zwei Wochen vor Ablauf der Probezeit noch einmal ein Gespräch mit Herrn S in D gibt. Nachdem die Klägerin sodann erklärte, über die Befristung sei bei all dem nicht gesprochen worden, sie habe die Befristung nicht als solche wahrgenommen, ergänzte sie abschließend, sie „meine schon, dass wir die Befristung durchgegangen sind“.

Daraus, dass der Anstellungsvertrag blockweise durchgegangen wurde, ergibt sich, dass auch über den ersten Absatz auf Seite 2 gesprochen wurde. Hierfür spricht, dass die Klägerin sich daran erinnert, dass über den zweiten Satz des ersten Absatzes auf Seite 2 Anstellungsvertrag gesprochen wurde. Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass über den zweiten Satz des ersten Absatzes Anstellungsvertrag, nicht aber über dessen ersten Satz, auf den Satz 2 inhaltlich aufbaut, gesprochen wurde. Auch wenn die Klägerin sodann aussagte, über die Befristung sei nicht gesprochen worden, räumte sie schließlich am Ende ihrer Aussage ein, sie meine schon, dass wir die Befristung durchgegangen sind. Damit bestätigt die Klägerin nicht nur die Aussage der Zeugin B, sondern räumt zugleich ein, dass sie auf die Befristung mündlich hingewiesen wurde.

Auf die Aussage des Zeugen C stützt die Kammer die Entscheidung nicht.

Waren damit der Anstellungsvertrag vom 3. Dezember 2010 und die Verlängerungsvereinbarung vom 18. August/5. September 2011 wirksam befristet, sind auch die weiteren Klageanträge unbegründet.

III.

Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.



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