Arbeitsgericht Wiesbaden

Urteil vom - Az: 3 Ca 170/15

Beleidigung einer Kollegin als Abmahnungs- und Kündigungsgrund

(1.) Zwar können verletzende oder beleidigende Äußerungen und Umgangsformen gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden grundsätzlich kündigungsrelevante (Neben-)Pflichtverletzungen darstellen. Dazu muss der Arbeitnehmer jedoch seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten schuldhaft in dem Maße verletzen, dass dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder über den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar ist.

(2.) Im Übrigen stellt die Beleidigung von Arbeitskollegen erst dann eine Verletzung (auch) der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar, wenn sie in ihrer Beharrlichkeit eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens, der betrieblichen Ordnung und des reibungslosen Betriebsablaufs zur Folge hatte, weil erst dann das Arbeitsverhältnis überhaupt berührt ist.

(3.) Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen unangemessenen Verhaltens gegenüber Kollegen ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber seiner Vermittlungspflicht nicht nachgekommen ist. Ein Vermittlungsgespräch führt der Arbeitgeber nicht bereits dadurch, dass er den Arbeitnehmer zu den ihm vorgeworfenen Kritikpunkten anhört.

(4.) Für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs durch den Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer im arbeitsgerichtlichen Prozess die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung verlangen. Die Mindestfrist, die dem Arbeitgeber dabei eingeräumt werden muss, beträgt einen Monat.

(5.) Die Äußerung „Das geht Sie einen Scheißdreck an. Gehen Sie raus aus meiner Küche" stellt keine Beleidigung dar, insbesondere da der Ausdruck "Scheissdreck" nicht auf die Person des Gegenübers bezogen ist.

Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger, der als Küchenchef in der Kindertagesstätte des Beklagten beschäftigt ist, wegen des Vorwurfs beleidigenden Verhaltens gegenüber einer Mitarbeiterin außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. So hatte der Kläger gegenüber einer Mitarbeiterin, welche ohne Anweisung eine Kollegin zur Schichtübernahme gebeten hatte, geäußert: "Was fällt Ihnen ein, ich habe nicht entschieden, dass Frau K angerufen werden soll, ich bin der Chef!" sowie auf ihren Einwand „Halten Sie den Mund!". Bereits zuvor erteilte der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung, da er eine Erzieherin, welcher der Aufenthalt in der Küche nicht erlaubt gewesen ist, der Küche verwies und zurief „Das geht Sie einen Scheißdreck an. Gehen Sie raus aus meiner Küche".
Mit der vorliegenden Klage wendet der Kläger sich unter anderem gegen die Kündigung sowie gegen die Abmahnung. Die Küchenangestellten stellten ihn als Leiter ständig in Frage und widersetzten sich seinen Anweisungen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage stattgegeben. Das abgemahnte Verhalten stelle keine Beleidigung dar und könne mit dieser Begründung nicht in der Personalakte behalten werden. Bezüglich des Kündigungssachverhalts müsse berücksichtigt werden, dass die Äußerungen des Klägers durchaus nachvollziehbar und im Rahmen eines angespannten Teamgefüges erfolgt seien. Außerdem sei der Betriebsfrieden aufgrund der Äußerungen (allein) nicht ernstlich gestört.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Vereins vom 27. Januar 2015 weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Küchenleitung in den Montessori Kindertagesstätten des Beklagten weiterzubeschäftigen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, für den Fall, dass er seiner Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung nachkommt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1.531,43 Euro zu zahlen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits hat der beklagte Verein zu tragen.

8. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 34.457,22 Euro festgesetzt.

9. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt hiervon unberührt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten und um Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis.

Der am 10. August 1972 geborene Kläger ist auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 8. Oktober 2012 (Bl. 14 bis 16 d.A.) nebst Zusatzvereinbarungen vom 26. März 2013 und vom 6. August 2014 seit dem 1. November 2012 in Teilzeit zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 1.914,29 Euro als Küchenleitung in den Montessori Kindertagesstätten des beklagten Vereins beschäftigt. Seine Aufgaben ergeben sich aus der Stellenbeschreibung vom 1. Oktober 2012 (Bl. 28 d.A.). Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrages die Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Der Beklagte betreibt als eingetragener gemeinnütziger Verein in Wiesbaden zwei Kinderhäuser mit Kindertagesstätten für insgesamt ca. 200 Kinder und anderen Einrichtungen für Kinder. In den Küchen der Kinderhäuser werden Essen für die Kinder zubereitet, die die dortigen Kindertagesstätten besuchen. Es ist ein Betriebsrat gebildet.

Am 15. Mai 2014 kam es zu einem Konflikt zwischen dem Kläger und der Küchenmitarbeiterin Frau A. Ob der Kläger Frau A gegenüber Herrn T, dem Geschäftsführer des beklagten Vereins und Vorgesetzten des Klägers, als „dumme Frau" bezeichnete, ist zwischen den Parteien streitig.

Der anschließend geäußerten Bitte Herrn Ts, ihn zu begleiten, kam der Kläger mit der Begründung nicht nach, dass er erst seine Arbeit in der Küche beenden müsse. Herr T fertigte nach diesem Vorfall eine schriftliche „Gesprächsnotiz" (Bl. 35 bis 36 d.A.), in der dem Kläger unter anderem mitgeteilt wurde, dass er keine Mitarbeiter beleidigen dürfe und im Wiederholungsfall eine Abmahnung erfolgen werde. Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 1. Juni 2014 (Bl. 105 d.A.) Stellung.

Am 28. November 2014 betrat die Erzieherin Frau F um die Mittagszeit die Küche und bat die Küchenmitarbeiterin Frau A um mehr Essen, da die Kinder von den gereichten Dampfnudeln nicht satt geworden seien. Der Kläger trat zu dem Gespräch hinzu und verwies Frau F der Küche. Frau F suchte daraufhin den Geschäftsführer des Beklagten, Herrn T, auf, um sich über das Verhalten des Klägers zu beschweren. In einem Telefongespräch zwischen Herrn T und dem Kläger am 1. Dezember 2014 beteuerte der Kläger, Frau F nicht beleidigt und Worte wie „Scheiße oder Scheißdreck" nicht in den Mund genommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 erteilte der Beklagte dem Kläger wegen des Vorfalls vom 28. November 2014 eine Abmahnung (Bl. 37 bis 38 d.A.), zu der der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Dezember 2014 (Bl. 62 bis 64 d.A.) Stellung nahm.

Am 16. Januar 2015 sprach die Küchenmitarbeiterin Frau P den Kläger wegen eines Personalnotstandes aufgrund von Krankheitsfällen an und schlug vor, eine andere Mitarbeiterin, Frau K, zu bitten, früher als im Dienstplan vorgesehen zur Arbeit zu kommen. Nachdem der Kläger auf die Anfrage Frau Ps nicht unmittelbar reagierte, rief diese ihre Kollegin Frau K selbst an. Der Kläger sagte daraufhin zu Frau P: „Was fällt Ihnen ein, ich habe nicht entschieden, dass Frau K angerufen werden soll, ich bin der Chef!" und entgegnete auf ihren Einwand „Halten Sie den Mund!".

Am 22. Januar 2015 fand zwischen dem Vorsitzenden des Beklagten, Herrn G, einem weiteren Vorstandsmitglied, einem Vertreter des Betriebsrats, Herrn T und dem Kläger ein Gespräch statt, in dem Beschwerden von Küchenmitarbeiterinnen über das Verhalten des Klägers und Kritik des Beklagten an seinem Verhalten thematisiert wurden. Der Kläger erklärte im Verlauf des Gesprächs, dass er niemanden beleidigt und keinen Fehler gemacht habe (vgl. „Protokoll des Kritikgespräches vom 22.01.2015", Bl. 40 bis 42 d.A.).

Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 (Bl. 33 d.A.) nebst Anlagen hörte der beklagte Verein den bei ihm gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 3. Februar 2015 (Bl. 34 d.A.) mit, dass er in seiner Sitzung vom 29. Januar 2015 der außerordentlichen Kündigung nicht zugestimmt habe, da es aus seiner Sicht vielschichtige Gründe für die Unzufriedenheit im Arbeitsbereich der Küche gebe.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 (Bl. 18 d.A.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung unter Wahrung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 31. März 2015 aus. Der Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens ist zwischen den Parteien streitig.

Mit seiner am 6. Februar 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 17. Februar 2015 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens begehrt. Mit bei Gericht am 1. April 2015 eingegangener Klageerweiterung hat er ferner die Entfernung der Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus seiner Personalakte verlangt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung vom 27. Januar 2015 sei weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung wirksam. Für die außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund; die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Abmahnung vom 8. Dezember 2014 gebe den Sachverhalt nicht zutreffend wieder und sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Er behauptet, er habe Frau A am 15. Mai 2014 nicht beleidigt, was die Praktikantin Frau D bezeugen könne. Auch gegenüber Frau F, die gegen das in der Küche geltende Betretungsverbot für Erzieherinnen verstoßen habe, habe er sich am 28. November 2014 nicht beleidigend oder lautstark geäußert; das Wort „Scheißdreck" habe er nicht benutzt. Dass er lauter geworden sei, habe daran gelegen, dass zur besagten Zeit Essen zubereitet und Geschirr gespült worden sei. Eine Kommunikation ohne etwas höhere Lautstärke sei daher nicht möglich gewesen. Der Sachverhalt am 16. Januar 2015 könne eine Kündigung nicht begründen. Da er von seinen Mitarbeitern immer wieder als Leiter der Küche in Frage gestellt werde, habe er nach dem Verhalten Frau Ps zutreffend darauf hingewiesen, dass er der Chef sei. Selbst wenn er zu Frau P „Halten Sie den Mund" gesagt habe, handele es sich hierbei nicht um eine Beleidigung. Die Mitarbeiterinnen in der Küche, die sich immer wieder gegen ihn verbündeten und ihn ständig eines unangemessenen Tons bezichtigten, hätten nicht gelernt, dass es in der Küche stressig und laut sei und man nicht immer einen pädagogischen Ton einhalten könne. Die Störung des Betriebsfriedens in der Küche gehe nicht von ihm, sondern von den Mitarbeiterinnen aus, die sich ständig über seine Anweisungen hinwegsetzten. Des Weiteren bestreitet der Kläger die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats und behauptet, das Kündigungsschreiben sei ihm bereits am 28. Januar 2015 zugegangen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 22. Juli 2015 hat der Kläger den zunächst angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Vereins vom 27. Januar 2015 weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst ist;

2. ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen;

3. hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 abgewiesen wird, den beklagten Verein zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen;

4. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 den Beklagten zu verurteilen, ihn als Küchenleitung in den Montessori Kindertagesstätten des Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen;

5. den Beklagten zu verurteilen, für den Fall, dass der Beklagte seiner Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nachkommt, an ihn eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00 Euro zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Der beklagte Verein beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der außerordentlichen Kündigung fristlos, jedenfalls aber aufgrund der hilfsweisen ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst worden. Er behauptet, der Kläger habe bereits wiederholt gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen, sich im Umgang mit Mitarbeiterinnen und insbesondere mit den ihm unterstellten Mitarbeiterinnen der Küche respektvoll und freundlich zu verhalten, im Ton zu mäßigen und alles zu unterlassen, was geeignet sei, eine gedeihliche Zusammenarbeit und den Betriebsfrieden zu stören. Am 15. Mai 2014 habe er Frau A gegenüber dem Geschäftsführer Herrn T als „dumme Frau" bezeichnet und auf die Gesprächsbitte seines Vorgesetzten aufbrausend reagiert und sich dem Gespräch entzogen. Am 28. November 2014 habe er Frau F mit den Worten „Das geht Sie einen Scheißdreck an, gehen Sie raus aus meiner Küche!" der Küche verwiesen, weshalb er zu Recht abgemahnt worden sei. Hinzu komme sein Verhalten gegenüber Frau P am 16. Januar 2015. Die geschilderten Vorgänge hätten im Januar 2015 zu massiven Beschwerden von Mitarbeiterinnen über das Verhalten des Klägers geführt. Frau P habe gegenüber dem Vorsitzenden des Beklagten, Herrn G, geäußert, dass sie ihren Arbeitsplatz aufgeben werde, wenn sich an dem Verhalten des Klägers nichts ändere. Der Kläger habe jedoch auch in dem Kritikgespräch vom 22. Januar 2015 keine Einsicht gezeigt, weshalb eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten sei. Im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Küchenbetriebs sei es deshalb notwendig, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Der Betriebsrat, dem in der Sitzung vom 29. Januar 2015 die Kündigungsgründe durch Herrn T erläutert worden seien, habe durch seine Mitglieder V und Y nach der Sitzung am 29. Januar 2015 Herrn T mündlich mitgeteilt, dass der Betriebsrat der Kündigung nicht zugestimmt habe und seinen Beschluss noch schriftlich übermitteln werde. Das Kündigungsschreiben sei nach dieser Information am 29. Januar 2015 gegen 17 Uhr durch Herrn T und den Mitarbeiter Herrn O in den Wohnungsbriefkasten des Klägers eingeworfen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften vom 8. April 2015 und vom 22. Juli 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf die Feststellung zu, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des beklagten Vereins vom 27. Januar 12015 weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst ist. Des Weiteren kann der Kläger von dem Beklagten die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens und die Entfernung der Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus seiner Personalakte verlangen. Der bedingt für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. gestellte Antrag zu 3. ist nicht zur Entscheidung angefallen. Eine Entschädigung für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs kann der Kläger nur im tenorierten Umfang verlangen.

1. Der Feststellungsantrag gemäß Ziffer 1 der Klageanträge, der sich gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27. Januar 2015 richtet, ist begründet. Die Kündigung ist sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche fristgerechte Kündigung unwirksam.

a) Der Kläger hat mit seiner am 6. Februar 2015 bei Gericht eingegangenen und dem Beklagten am 17. Februar 2015 zugestellten Klage die Rechtsunwirksamkeit der ihm frühestens am 28. Januar 2015 zugegangenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist geltend gemacht, so dass deren Wirksamkeit nicht gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG fingiert wird.

b) Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 27. Januar 2015 nicht aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob im konkreten Streitfall ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorliegt, hat in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter, objektiv vorliegender Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls „an sich" geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. In der zweiten Stufe ist zu untersuchen, ob nach Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen der Parteien eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses dem Kündigenden selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist (vgl. z.B. BAG vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 5341/09 - juris; BAG vom 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - AP Nr. 220 zu § 626 BGB).

Im vorliegenden Fall liegt bereits kein Verhalten des Klägers vor, dass an sich geeignet wäre, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Der Beklagte stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger am 16. Januar 2015 zu der Küchenmitarbeiterin Frau P „Was fällt Ihnen ein, ich habe nicht entschieden, dass Frau K angerufen werden soll, ich bin der Chef!" sowie auf ihren Einwand „Halten Sie den Mund!" gesagt habe. Dass der Kläger diese Äußerungen gegenüber Frau P tätigte, hat er nicht bestritten. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt hierin jedoch nicht.

Zwar können verletzende oder beleidigende Äußerungen und Umgangsformen gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden grundsätzlich kündigungsrelevante (Neben-)Pflichtverletzungen im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB darstellen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Kläger seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten schuldhaft in dem Maße verletzt hätte, dass dem Beklagten im Kündigungszeitpunkt eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder über den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar war. Die Kammer verkennt nicht, dass die Äußerungen des Klägers dem Betriebsfrieden nicht förderlich sein dürften. Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses können sie jedoch nicht rechtfertigen. Zum einen ist zu beachten, dass der von dem Beklagten als unangemessen und beleidigend gewerteten Reaktion des Klägers vorausging, dass Frau P ohne Anweisung oder Erlaubnis des Klägers und damit unter Missachtung seiner Stellung als Küchenleiter eigenmächtig die Mitarbeiterin Frau K anrief, um diese zu bitten, vom Dienstplan abweichend ihre Arbeit aufzunehmen, was ebenfalls als unangemessenes Verhalten - gegenüber dem Kläger - zu werten sein dürfte. Der an Frau P gerichtete Hinweis des Klägers, dass er in der Küche der Chef sei und die Frage, was ihr einfalle, erscheinen vor diesem Hintergrund durchaus nachvollziehbar. Zum anderen sind auch hinsichtlich der vom Kläger getroffenen Wortwahl weder der - in der Sache zutreffende - Hinweis auf das hierarchische Gefüge in der Küche noch die auf einen Einwand Frau P erfolgte Äußerung „Halten Sie den Mund!" geeignet, eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Den Äußerungen des Klägers wohnt bereits keine grobe Ehrverletzung im Sinne einer Beleidigung inne. Im Übrigen stellt die Beleidigung von Arbeitskollegen erst dann eine Verletzung (auch) der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar, wenn sie in ihrer Beharrlichkeit eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens, der betrieblichen Ordnung und des reibungslosen Betriebsablaufs zur Folge hatte, weil erst dann das Arbeitsverhältnis überhaupt berührt ist (vgl. LAG Hessen vom 24. Oktober 2000 - 9 Ta BV 19/00-NZA-RR 2001, 300 m.w.N.). Auch hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsfrieden, die betriebliche Ordnung und der reibungslose Betriebsablauf in der Küche des Beklagten (allein) aufgrund beharrlicher Beleidigungen der ihm unterstellten Mitarbeiterinnen durch den Kläger ernstlich gestört wären.

Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt damit nicht vor. Auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für eine wirksame außerordentliche Kündigung kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

c) Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf die Feststellung zu, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens des Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Es fehlt der für die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Beklagten zur sozialen Rechtfertigung erforderliche verhaltensbedingte Grund (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig Anwendung. Das Arbeitsverhältnis bestand länger als sechs Monate; der Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden, §§ 1, 23 KSchG.

Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt" und damit sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Als mildere Mittel gegenüber einer fristgemäßen Kündigung kommen insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (vgl. BAG vom 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - NZA 2013, 1345). Für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung müssen Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen, sondern ein objektiver Maßstab anzuwenden. Als verhaltensbedingter Kündigungsgrund kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der auch einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen würde. Auch hier ist zwischen der objektiven Eignung eines Verhaltens als Kündigungsgrund und der zweiten Bewertungsstufe, der Interessenabwägung, zu unterscheiden (vgl. LAG Köln vom 4. Juli 1996- 10 Sa 337/96 - NZA-RR 1997, 171).

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Äußerungen des Klägers gegenüber Frau P am 16. Januar 2015 überhaupt als verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG objektiv geeignet sind. Auf die Ausführungen unter vorstehender Ziffer I. 1. b) wird insoweit ergänzend Bezuggenommen.

Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen, da jedenfalls die gebotene Interessenabwägung zum Nachteil des Beklagten ausfallen muss. Auf Grundlage des Parteivortrags ist davon auszugehen, dass nicht allein der Umgangston des Klägers gegenüber Mitarbeiterinnen des Beklagten verbesserungsfähig ist, sondern sich auch die Mitarbeiterinnen gegenüber dem Kläger nicht stets fehlerlos verhalten. Diese Wechselwirkungen, die bereits aus dem den Anlass der Kündigung bildenden Vorfall vom 16. Januar 2015 ersichtlich sind und auf die im Übrigen auch der Betriebsrat hingewiesen hat, sind im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung vom Arbeitgeber zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass den Arbeitgeber in derartigen Konfliktsituationen - unabhängig davon, ob es sich um einen Streit zwischen gleichgestellten oder einander nachgeordneten Arbeitnehmern handelt - grundsätzlich die Pflicht trifft, sich vermittelnd einzuschalten. Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte der ihm obliegenden Vermittlungspflicht nachgekommen wäre. Er hat seiner Pflicht zur Vermittlung insbesondere nicht durch das am 22. Januar 2015 mit dem Kläger geführte „Kritikgespräch" genügt, in dem es ausweislich des Protokolls darum ging, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme bezüglich ihm vorgehaltener Kritikpunkte zu geben. Umstände, aus denen sich ergäbe, dass der Beklagte vor dem Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise nicht verpflichtet gewesen wäre, vermittelnd einzugreifen, sind nicht erkennbar. Aus diesem Grunde kann die Kündigung jedenfalls im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nicht als eine billigenswerte und angemessene Maßnahme des Beklagten erscheinen und damit auch nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein.

d) Da sich sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. wegen fehlender sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG als unwirksam erweisen, bedarf es hinsichtlich der vom Kläger gerügten Beteiligung des Betriebsrats keiner Entscheidung.

2. Der auf die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses gerichtete Klageantrag zu Ziffer 2 ist begründet. Da die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat, steht dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gemäß § 109 GewO zu. Der Beklagte ist dem Anspruch prozessual nicht entgegengetreten, so dass wie erkannt zu entscheiden war.

3. Der bedingt für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 gestellte Klageantrag zu Ziffer 3 ist nicht zur Entscheidung angefallen.

4. Aufgrund der festgestellten fehlenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Kläger der mit dem Klageantrag zu Ziffer 4 verfolgte Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Küchenleitung in den Montessori Kindertagesstätten des Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht nur einen Anspruch auf vertragsgemäße Vergütung, sondern im Hinblick auf die Erhaltung seiner beruflichen Fähigkeiten und den beruflichen und sozialen Status gemäß § 242 BGB für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses auch einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gegen den Arbeitgeber (vgl. grundlegend BAG vom 10. November 1955 - 2 AZR 591/54 - NJW1956, 359; BAG Großer Senat vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu §611 BGB Beschäftigungspflicht). Auch nach dem Ausspruch einer Kündigung und - im Fall der ordentlichen Kündigung - dem Ablauf der Kündigungsfrist kann der Arbeitnehmer verlangen, vorläufig weiterbeschäftigt zu werden, wenn er ein noch nicht rechtskräftiges stattgebendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren erlangt hat und damit seine Interessen an einer Weiterbeschäftigung die des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung überwiegen. Dieser tatsächliche Beschäftigungsanspruch folgt aus §§611, 242 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG (vgl. BAG Großer Senat vom 27. Februar 1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu §611 BGB Beschäftigungspflicht). Will der Arbeitgeber den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch abwehren, so muss er zusätzlich über die Ungewissheit des Prozessausgangs hinausgehende Umstände vortragen, aus denen sich im Einzelfall sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergeben soll.

Hierfür sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Beklagte hat keine Gründe vorgetragen, die eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als unzumutbar erscheinen lassen.

5. Der auf die Zahlung einer Entschädigung für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs durch den Beklagten gerichtete Klageantrag zu Ziffer 5 ist nur teilweise begründet. Der Antrag ist unbegründet, soweit der Kläger die Festsetzung einer Frist von unter einem Monat zur Erfüllung des Hauptanspruchs und die Zahlung eines 1.531,43 Euro übersteigenden Entschädigungsbetrages begehrt. Bei der Festsetzung der Frist ist zu beachten, dass der Gesetzgeber der unterlegenen Partei eine Überlegungsfrist von einem Monat seit Zustellung des Urteils zur Einlegung eines Rechtsmittels eingeräumt hat. Da diese Überlegungsfrist durch die Fristsetzung nach § 61 Abs. 2 ArbGG nicht verkürzt werden darf, ist die Festsetzung einer kürzeren Frist als unzulässig anzusehen. Das freie Ermessen des Gerichts beschränkt sich insoweit darauf, ob es der verurteilten Partei im Einzelfall eine längere als diese Mindestfrist zubilligen will (vgl. BAG vom 5. Juni 1985 - 4 AZR 533/83 - juris). Hinsichtlich der Höhe der begehrten Entschädigung ist aus Sicht der Kammer ein Betrag in Höhe von 80%eines Bruttomonatsgehaltes und damit in Höhe von 1.531,43 Euro angemessen.

6. Der auf die Entfernung der Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus der Personalakte des Klägers gerichtete Klageantrag zu Ziffer 6 ist begründet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Beseitigung der nun mehr in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankerten Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (vgl. z.B. BAG vom 12. Juli 2012 - 2 AZR782/11 - NZA 2013, 91; BAG vom 27. November 2008 - 2 AZR 675/07 -juris). Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (vgl. BAG vom 27. November 2008 - 2 AZR 675/07-juris m.w.N.). Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige, aber nicht alle zu, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Personalakte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben (vgl. BAG vom 13. März 1991 - 5 AZR 133/90 - NZA 1991, 768). Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für die Richtigkeit der in der Abmahnung beanstandeten Vorfälle.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger entsprechend §§ 242, 1004 BGB einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 8. Dezember 2014 aus seiner Personalakte. Die Abmahnung zu beanstanden, weil sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Klägers beruht. Ihm wird in dem Abmahnungsschreiben vorgeworfen, dass er am 28. November 2014 die Erzieherin Frau F mit den Worten „Das geht Sie einen Scheißdreck an. Gehen Sie raus aus meiner Küche" beleidigt habe, nachdem sich diese über den Zustand der Dampfnudeln beschwert und nach weiteren Dampfnudeln gefragt habe, weil die Kinder noch Hunger hätten. Selbst wenn zu Gunsten des Beklagten unterstellt wird, dass der Kläger exakt die von ihr geschilderten Äußerungen getätigt hat, so sind diese zwar in Diktion und Tonfall unangemessen, stellen aber keine Beleidigung Frau Fs dar. Insbesondere war der Ausdruck „Scheißdreck" ersichtlich nicht auf Frau Fs Person bezogen. Ein rüder und anmaßender Ton allein begründet noch nicht den beleidigenden Charakter einer Äußerung. Ob das dem Kläger vorgeworfene Verhalten die Beklagte grundsätzlich zum Ausspruch einer Abmahnung - ohne den Vorwurf der Beleidigung - berechtigte, braucht nicht entschieden zu werden, weil eine teilweise Aufrechterhaltung der Abmahnung nicht in Betracht kommt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Parteien haben gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtstreits nach dem Maß ihres jeweiligen Unterliegens bzw. Obsiegens zu tragen. Hinsichtlich des teilweise unbegründeten Klageantrags zu 5 ergäbe sich hieraus an sich eine Kostentragungspflicht des Klägers; gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verbleibt es jedoch bei der Kostentragungspflicht des im Übrigen unterlegenen Beklagten, da dieser Antrag den Streitwert nicht erhöht und daher keine höheren Kosten verursacht hat.

Die Entscheidung zu dem gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzten Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO, 42 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Antrag zu Ziffer 1 wird mit einem Vierteljahresgehalt des Klägers bewertet; der Zeugnisantrag zu Ziffer 2, der Weiterbeschäftigungsantrag zu Ziffer 3 und der auf Entfernung der Abmahnung gerichtete Antrag zu Ziffer 5 werden jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet. Der Antrag zu Ziffer 4, über den keine Entscheidung ergangen ist, und der vom Kläger zurückgenommene allgemeine Feststellungsantrag wirken nicht streitwerterhöhend.

Soweit es um den Bestand oder Nichtbestand eines Arbeitsverhältnisses geht, ist die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 lit. c) ArbGG statthaft. Einer Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung der Berufung bedarf es insoweit nicht. Im Übrigen ist die Berufung nicht gesondert zuzulassen, da Gründe für eine solche Zulassung nach § 46 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG überschritten ist, ist die Berufung gleichwohl statthaft.



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