Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 16 TaBVGa 189/20

Betriebsratsmitgliedschaft erlischt nicht mit Freistellung

Die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist führt nicht zum Erlöschen von dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat nach § 24 Nr. 4 BetrVG. Vielmehr endet diese erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 24 Nr. 3 BetrVG.
(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2020 - 3 BVGa 502/20 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:

Den Beteiligten zu 3 bis 6 wird aufgegeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache,

1. die Wahrnehmung des Betriebsratsamts durch den Beteiligten zu 2 zu dulden;

2. dem Beteiligten zu 2 zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten uneingeschränkten Zugang zu den durch die Betriebsratsmitglieder genutzten informationstechnischen Systemen durch Freischaltung des Benutzerkontos mit der Kennung XXX1 zu verschaffen;

3. dem Beteiligten zu 2 zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten durch Überlassung einer aktivierten, gültigen Zugangskarte ungehinderten Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten in A zu verschaffen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wahrnehmung des Betriebsratsamts durch den Antragsteller zu 2, seinen Zugang zu den informationstechnischen Systemen des Betriebsrats und zum Betrieb sowie die Verpflichtung des Arbeitgebers, es zu unterlassen dem Betriebsrat Vorgaben im Hinblick auf die Einstellung und Ausübung des Betriebsratsamts durch den Antragsteller zu 2 zu machen.

Die Beteiligten zu 3-6 (Arbeitgeber) unterhalten einen Gemeinschaftsbetrieb, für den ein Betriebsrat (Antragsteller zu 1) gebildet ist; die Mitgliedschaft des Antragstellers zu 2 im Betriebsrat ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im November 2018 wurde für den Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 3-6 ein aus 11 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt, dem der Antragsteller zu 2 angehört(e). Am 30. März 2020 vereinbarte dieser mit der Beteiligten zu 3 einen Aufhebungsvertrag, nach dem sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2021 enden wird. Nach dessen § 4 ist er ab 1. April 2020 bis zu dem in § 1 genannten rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge freigestellt. Gemäß § 6 hat er spätestens am 31. März 2020 alle ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie das Firmeneigentum (einschließlich Laptop) an den Arbeitgeber zurückzugeben, ausgenommen des ihm überlassenen Firmenwagens, den ihm der Arbeitgeber zum Erwerb zum 31. Dezember 2021 anbietet. Wegen der Einzelheiten des Aufhebungsvertrags wird auf Bl. 61-66 der Akte Bezug genommen.

Der Antragsteller zu 2 gab zunächst seinen Firmenlaptop nicht an den Arbeitgeber heraus und nahm weiterhin an den Betriebsratssitzungen teil. Mit E-Mail vom 5. November 2020 (Bl. 18 f der Akte) äußerte der Personalleiter der Beteiligten zu 3-6 die Rechtsauffassung, aufgrund des Aufhebungsvertrages und der darin vereinbarten unwiderruflichen Freistellung habe der Antragsteller zu 2 sein Betriebsratsamt verloren. Am selben Tag sperrte der Arbeitgeber den Zugang des Antragstellers zu 2 zum IT-System des Gemeinschaftsbetriebs. Am 13. November 2020 stellte der Antragsteller zu 2 fest, dass seine Zugangskarte zu den Betriebsräumen, die er entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag nicht herausgegeben hatte, gesperrt worden war.

Dagegen haben sich die Antragsteller mit ihrem am 9. November 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewandt.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 74-76 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 77-80 der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 7. Dezember 2020 zugestellt, der dagegen mit einem am 11. Dezember 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz, die Beschwerdebegründung enthaltend, Beschwerde eingelegt hat.

Die Antragsteller behaupten, zwischen dem Antragsteller zu 2 und dem Arbeitgeber sei abweichend von dem Aufhebungsvertrag vereinbart worden, dass dieser weiterhin seinen Firmenlaptop einschließlich seines persönlichen Zugangs zum Firmennetzwerk behalten könne. Der Antragsteller zu 2 habe auch noch nach Abschluss des Aufhebungsvertrages dienstliche Handlungen vorgenommen, nämlich Arbeitszeugnisse für vier Arbeitnehmer/innen erstellt. Sie sind der Auffassung, die vorliegende Konstellation einer vereinbarten Freistellung sei mit der Altersteilzeit im Blockmodell in der Freistellungsphase nicht vergleichbar.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2020 - 3 BVGa 502/20 - abzuändern und

den Beteiligten zu 3-6 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufzugeben,

1. die Wahrnehmung des Betriebsratsamts zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben durch den Antragsteller zu 2 zu dulden,

2. dem Antragsteller zu 2 zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten uneingeschränkten Zugang zu den durch die Betriebsratsmitglieder genutzten informationstechnischen Systemen durch Freischaltung des Benutzerkontos mit der Kennung XXX1 zu verschaffen;

3. es zu unterlassen, dem Antragsteller zu 1 gegenüber Vorgaben im Hinblick auf die Einstellung der Ausübung des Betriebsratsamts durch den Antragsteller zu 2 zu machen,

4. dem Antragsteller zu 2 durch Überlassung einer aktivierten, gültigen Zugangskarte ungehinderten Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten in A zu verschaffen.

Die Beteiligten zu 3-6 beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 3-6 sind der Auffassung, die Anträge seien bereits unzulässig, weil unbestimmt. Jedenfalls seien sie unbegründet. Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht. Wie das Arbeitsgericht richtig erkannt habe, habe der Antragsteller zu 2 im Zeitpunkt der unwiderruflichen Freistellung sein Betriebsratsamt verloren. Völlig zutreffend stelle das Arbeitsgericht auf die Vergleichbarkeit zur höchstrichterlich entschiedenen Konstellation, in der ein Betriebsratsmitglied in die Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell eintritt, ab. Damit ende die Mitgliedschaft im Betriebsrat. Schließlich fehle es auch am Vorliegen eines Verfügungsgrundes, weil keine überwiegenden Erfolgsaussichten für die Anträge bestünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.

2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Anträge zu 1, 2 und 4 sind begründet, der Antrag zu 3 ist unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers sind die Anträge zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Es lässt sich den Anträgen eindeutig entnehmen, was die Antragsteller begehren. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Die Anträge zu 1, 2 und 4 sind begründet. Der Antragsteller zu 2 gehört weiterhin dem Betriebsrat an. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages und die dort vorgesehene Freistellung bis zum 31. Dezember 2021 erlosch dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht.

Nach § 24 BetrVG erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat durch

- Nr. 3 Beendigung des Arbeitsverhältnisses,

- Nr. 4 Verlust der Wählbarkeit.

Für das Erlöschen der Mitgliedschaft nach § 24 Nr. 3 BetrVG wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auf den Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung abzustellen (Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 24 Rn. 13, ErfK-Koch, 21. Aufl., § 24 BetrVG Rn. 4). Dies ist hier der 31. Dezember 2021.

Die Mitgliedschaft im Betriebsrat endet nach § 24 Nr. 4 BetrVG, wenn das Betriebsratsmitglied nachträglich seine Wählbarkeit verliert. Da auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Verlust der Wählbarkeit führt, ergibt eine systematische Auslegung von § 24 Nr. 4 BetrVG, dass hierunter nur die Fälle fallen, die nicht bereits unter die Nr. 3 fallen (Richardi-Thüsing, BetrVG, 16. Aufl., § 24 Rn. 21; GK-Oetker, Betriebsverfassungsgesetz, 11. Aufl., § 24 Rn. 56). § 24 Nr. 4 BetrVG betrifft daher sonstige Fälle des Ausscheidens aus der Belegschaft, vor allem die rechtswirksame Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb desselben Arbeitgebers, die Zusammenlegung von Betrieben zu einem einheitlichen neuen Betrieb, die Ausgliederung eines Betriebsteils, sei es, dass er selbstständiger Betrieb oder in einen anderen Betrieb eingegliedert wird. Derartige Fallgruppen sind hier nicht gegeben.

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller nach § 4 des Aufhebungsvertrages unwiderruflich bis zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt ist.

In dem Aufhebungsvertrag haben der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied nur ihre individualvertraglichen Rechtsbeziehungen geregelt (Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Freistellung, Rückgabe von Firmeneigentum), nicht jedoch ihre kollektivrechtliche Beziehung. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen zu vereinbaren, dass das Betriebsratsmitglied vor dem 31. Dezember 2021 (dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses) zu einem vereinbarten Zeitpunkt von seinem Betriebsratsamt zurücktritt. Indem dies nicht erfolgte, kann dieses Schweigen nur dahin verstanden werden, dass der Aufhebungsvertrag keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Betriebsratstätigkeit des Beteiligten zu 2 haben sollte. Dann muss es diesem aber möglich sein, sein Betriebsratsamt bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben.

Soweit in der Literatur (Lindemann/Simon NZA 2002, 365, 368) eine Parallele zur Freistellung eines Altersteilzeitarbeitnehmers im Blockmodell gezogen wird, folgt dem die Kammer nicht. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht zunächst mit Beschluss vom 25. Oktober 2000 -7 ABR 18/00- hinsichtlich eines Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat entschieden, dass dieser mit Beginn der Freistellungsphase einer Altersteilzeit im sogenannten Blockmodell nicht mehr beschäftigt im Sinne des § 76 Abs. 2 BetrVG 1952 ist, weil neben einem Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen für die Wählbarkeit eine Eingliederung in die betrieblichen Abläufe zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich ist, was auf ein ruhendes Arbeitsverhältnis, in dem die wechselseitigen Hauptleistungspflichten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses suspendiert sind, nicht zutrifft. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 16. April 2003 -7 ABR 53/02- entschieden, dass die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer bei der für die Anzahl der Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke nach § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen sind, weil sie dem Betrieb nicht mehr angehören. Es fehle an der Eingliederung in die Betriebsorganisation, da eine Rückkehr in den Betrieb nicht vorgesehen sei.

Zwar ist dem Arbeitgeber und dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, dass auch im Falle der unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht in einem Aufhebungsvertrag mit einer Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb regelmäßig nicht zu rechnen ist. Dennoch bestehen zwischen dem Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit und einer vertraglich vereinbarten unwiderruflichen Freistellung gewichtige Unterschiede, die eine verschiedene Behandlung rechtfertigen. In seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2000 -7 ABR 18/00- unter B 3. c der Gründe spricht das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich von einem ruhenden Arbeitsverhältnis, in dem die wechselseitigen Hauptleistungspflichten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses suspendiert sind. Dies trifft auf die vereinbarte Freistellung jedoch nicht zu. Hier ist nur der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit, während die dem Arbeitgeber obliegende Hauptleistungspflicht (Zahlung der vereinbarten Vergütung) aufrechterhalten bleibt. Darin besteht auch der Unterschied zur Rechtslage beim Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Dort hat der Arbeitnehmer, die in die Freistellungsphase fallende Arbeitszeit bereits vorgearbeitet, die der Arbeitgeber zeitversetzt (aufgestockt durch einen Zuschlag) vergütet.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Freistellungsphase der Altersteilzeit einen (absoluten) Ausnahmefall betreffen, der nicht auf sonstige Fälle ausgedehnt werden kann. Dies ist anerkannt für Fälle, in denen die Eingliederung in den Betreib wegen Elternzeit fehlt (Bundesarbeitsgericht 25. Mai 2005 - 7 ABR 45/04). Heimarbeiter sowie im Homeoffice Beschäftigte sind nach § 8 BetrVG wählbar, obwohl sie ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb erbringen. Sogar ein gekündigter Arbeitnehmer gilt hinsichtlich seiner Betriebsangehörigkeit als wählbar, als nicht rechtskräftig geklärt ist, ob die Kündigung gerechtfertigt war (Bundesarbeitsgericht 10. November 2004 - 7 ABR 12/04 - Rn. 16; Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 8 Rn. 18ff; D/K/W-Homburg, BetrVG, 17. Aufl., § 8 Rn. 25). Gerade unter Berücksichtigung dieses zuletzt genannten Beispiels muss die Wählbarkeit zumindest solange bestehen, wie der Arbeitnehmer während der noch laufenden Kündigungsfrist unter Fortzahlung seiner Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt ist.

Im Übrigen führt jedenfalls bei einem Betriebsratsmitglied die Freistellung von seiner Arbeitspflicht nicht zum Verlust seiner Wählbarkeit nach § 24 Nr. 4, § 8 BetrVG, wie § 38 BetrVG zeigt. Danach sind ab einer bestimmten Betriebsgröße ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Wäre die Eingliederung in den Betrieb an die tatsächliche Erbringung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten durch das betreffende Betriebsratsmitglied gebunden, stünde dies in Widerspruch zu § 38 BetrVG. Vielmehr belegt diese Norm, dass auch Betriebsratsmitglieder, die keine Arbeitsleistung erbringen und insoweit auch keinem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht unterliegen (dazu: BAG 23. September 2014 - 9 AZR 1100/12 - Rn. 11), dem Betrieb zugehörig sind.

Auch wenn der Antragsteller zu 2 kein nach § 38 BetrVG gewähltes freigestelltes Betriebsratsmitglied ist, ist er weiterhin dem Betrieb zugehörig und kann die ihm aufgrund der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Freistellung von seiner Arbeitspflicht zur Verfügung stehende Zeit für die Leistung von Betriebsratstätigkeiten verwenden. Im Unterschied zu einem nach § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglied entscheidet er selbst über den zeitlichen Umfang seiner Amtstätigkeit.

Ist die Mitgliedschaft des Antragstellers zu 2 damit weder nach § 24 Nr. 3 oder Nr. 4 BetrVG erloschen, haben die Beteiligten zu 3-6 (Arbeitgeber) die Wahrnehmung des Betriebsratsamts durch den Antragsteller zu 2 zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zu dulden (Antrag zu 1). Dies ergibt sich aus § 78 Satz 1 BetrVG.

Aus demselben Rechtsgrund (§ 78 Satz 1 BetrVG) ist dem Antragsteller zu 2 Zugang zu den durch die Betriebsratsmitglieder genutzten informationstechnischen Systemen (Antrag zu 2) sowie zu den Betriebsräumen (Antrag zu 4) zu gewähren.

Der Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) ergibt sich daraus, dass Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu spät käme, §§ 935, 940 ZPO.

Der Antrag zu 3 ist unbegründet. Ein Verfügungsanspruch ist nicht gegeben. Mit dem Antrag, dem Arbeitgeber aufzugeben es zu unterlassen, dem Betriebsrat gegenüber Vorgaben im Hinblick auf die Einstellung der Ausübung des Betriebsratsamts durch den Antragsteller zu 2 zu machen, wenden sich die Antragsteller gegen eine Verlautbarung des Personalleiters vom 5. November 2020 (Bl. 18f der Akte). Dort teilt dieser dem Betriebsrat seine Rechtsauffassung hinsichtlich der weiteren Zugehörigkeit des Antragstellers zu 2 zu dem Betriebsratsgremium mit und bittet dieses "die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen". Unabhängig davon, ob die mitgeteilte Rechtsauffassung zutrifft oder nicht, ist der Betriebsrat frei, ob oder in welcher Weise er hierauf eingeht. Das sachlich formulierte und mit einem Gesprächsangebot verbundene Schreiben stellt keine Behinderung der Betriebsratsarbeit iSv § 78 S. 1 BetrVG dar und unterfällt als Meinungsäußerung dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Es reicht aus, wenn der Betriebsrat seine abweichende Auffassung dem Arbeitgeber gegenüber seinerseits mitteilt.

III.

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.



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