Landesarbeitsgericht München

Urteil vom - Az: 8 Sa 239/13

Einfache Differenzierungsklausel in Tarifsozialplan

1. Regelungen in einem Tarifsozialplan, die Arbeitnehmern in einem gewissen Umfang verbesserte Leistungen (Berechnung des BeE-Monatsentgelts auf Basis von 80% - statt 70% - des Bruttomonatsgehalts, weitere Abfindung von € 10.000,--, Höchstbetrag der Abfindung von € 120.000,-- statt € 110.000,--) gewähren, die an einem Stichtag vor Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren, verstoßen als sog. einfache Differenzierungsklauseln nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG und auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(Leitsatz)

(2.) Es ist nicht anzunehmen, dass ein Arbeitnehmer einen mit einem Zwang vergleichenden Druck verspürt entgegen der eigenen Überzeugung einer Gewerkschaft beizutreten, wenn die Gewerkschaftsmitgliedschaft nur graduelle Verbesserungen bringen würde.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 27.02.2013 - 9 Ca 11966/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob der Kläger Ansprüche aus einem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag hat, der nach seinem Wortlaut nur für Personen gilt, die am Stichtag Mitglied der Gewerkschaft waren.

Der Kläger war bei der Beklagten zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.10.1997 angestellt. Er verdiente zuletzt monatlich EUR 5.707,30 brutto. Er war zu keiner Zeit Mitglied der IG Metall. Die Beklagte zu 1) ist die von der Beklagten zu 2) gebildete Transfergesellschaft.

Durch dreiseitigen Vertrag zwischen dem Kläger, der Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 1) vom 04.04.2012 (vgl. Bl. 13 ff. d. A.) endete das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger mit Ablauf des 30.04.2012. Er trat infolge des Vertrages zum 01.05.2012 zur Beklagten zu 1) über. Vom 15.05.2012 bis 05.10.2012 war das Transferarbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) ruhend gestellt.

Der dreiseitige Vertrag basierte ausweislich seiner Präambel auf dem Transfer-und Sozialtarifvertrag zwischen der Beklagten zu 2) und der IG Metall Bezirksleitung Bayern vom 04.04.2012 (vgl. Bl. 23 ff. d. A.), der sich in seiner Präambel auf den Interessenausgleich zwischen der Beklagten zu 2) und ihrem Betriebsrat vom 04.04.2012 (vgl. Bl. 34 ff d. A.) bezog. Der Vertrag bezieht sich ferner mehrfach auf den ebenfalls zwischen der Beklagten zu 2) und der IG Metall Bezirksleitung Bayern am 04.04.2012 abgeschlossenen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (vgl. Bl. 31 ff. d. A.).

Im genannten Interessenausgleich wurde von den Betriebsparteien u. a. geregelt, dass der Betrieb in der SMS in A-Stadt geschlossen wird und am Standort A-Stadt vier Unternehmen geführt werden, in welche in Namenslisten aufgeführte Arbeitnehmer aufgenommen werden. Ferner enthält der Interessenausgleich folgende Regelung:

„5. Sozialplan

Der Betriebsrat und das Unternehmen stimmen dahingehend überein, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als -Anlage 7 bezeichneten Transfer-und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichmaßnahmen i. S. d. § 112 BetrVG anerkennen und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen.(...)“

Der dreiseitige Vertrag enthält unter “Abschnitt A: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN“ u. a. Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) und zur Abfindungszahlung. Ziffer 2. lautet wie folgt:

„2. Abfindungszahlung

2.1. Die Höhe der Abfindung ist gem. § 7 Abs. 1 des Transfer-und Sozialtarifvertrages abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt gem. § 7 Abs. 2 Transfer-und Sozialtarifvertrag EUR 110.000,00. Im Übrigen findet § 7 Abs. 3 Anwendung. Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages fallen, erhalten gem. § 3 des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages als weiteren Bestandteil der Abfindung zusätzlich EUR 10.000,00, der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt EUR 120.000,00.“

Unter „Abschnitt B: Begründung eines Vermittlungs-und Qualifizierungsverhältnisses mit der NSN TG“ enthält der Vertrag u. a. in Ziffer 4. folgende Regelung:

„4. Monatliche Vergütung

Der/die Arbeitnehmer/-in erhält gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages auf der Basis der von der NSN an die NSN TG zur Vergütung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG-unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu ihrem/seinen Ausscheiden monatlich 70% ihres/seines BruttoMonatsEinkommens. Das BruttoMonatsEinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen BruttoMonatsEinkommens dividiert durch zwölf.

Der/die Arbeitnehmer/-in, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag fallen, erhalten gem. § 2 des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrags ab Eintritt in die NSN TG-unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - monatlich 80% ihres/seines BruttoMonatsEinkommens. ...“

Der Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 gilt gemäß § 1 Abs. 2 persönlich für alle Beschäftigten, die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind, sofern sie die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld gemäß den §§ 169 ff. SGB III erfüllen. Ferner ist in § 2 geregelt, dass die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Beschäftigen unter Anrechnung ihrer Ansprüche aus § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE- Monatsentgelt von monatlich 80 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens erhalten. In § 5 ist geregelt, dass diese Beschäftigten als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer-und Sozialtarifvertrages EUR 10.000 erhalten, bis zu einem Höchstbetrag von EUR 120.000.

Wegen der von der Beklagten zu 1) vorgenommenen Berechnung der Vergütungsansprüche des Klägers wird auf die Ausführungen unter Nr. VI. des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.12.2012 Bezug (Bl. 54 ff. d. A.) genommen.

Am 23.10.2012 und 14.12.2012 tagte zur Abrechnungsthematik nach § 8 des Transfer-und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 eine von der IG Metall angerufene Tarifschiedsstelle. Diese stellte mit Spruch vom 14.12.2012, fest, dass die von der Beklagten zu 1) vorgenommene Berechnung richtig sei. Auf den Spruch wird Bezug genommen (Bl. 86 ff.

d. A.).

Mit seiner am 15.10.2012 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage begehrte der Kläger die Aufstockung der Abfindung um EUR 10.000,00 brutto sowie die Zahlung von Vergütungsdifferenzen auf monatlich 80 Prozent des Bruttomonatsgehaltes in Höhe von EUR 6.420,72 (13,5 x EUR 5.707,30 / 12), also von EUR 5.136,57 brutto monatlich.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht die Ansicht vertreten, dass er so zu stellen sei, als unterfiele er dem Anwendungsbereich des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012. Die Bevorzugung von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Die Stichtagsklausel im Ergänzungs-und Sozialtarifvertrag sei deshalb unwirksam.

Die Beklagte zu 2) habe auch gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Betriebsparteien hätten unter Ziffer 5 des Interessenausgleichs vom 04.04.2012 einen eigenständigen Sozialplan formal und materiell wirksam vereinbart.

Er hat ferner die Auffassung vertreten, Anspruch auf 80 Prozent seines Bruttomonatsentgelts zu haben. Die Beklagten hätten sich unter Abschnitt B. Ziffer 4 Absatz 2 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 für eine Bruttolohnabrede entschieden.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt:

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von EUR 71.055,89 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 39.592,25 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.06.2012 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet ist, dem Kläger ein monatliches BeE Gehalt in Höhe von EUR 5.136,57 brutto zu bezahlen.

III. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger eine weitere Abfindung in Höhe von EUR 10.000 brutto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

IV. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von EUR 2.476,04 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.320,86 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.11.2012 zu bezahlen.

V. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat November 2012 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 1.915,53 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.12.2012 zu bezahlen.

VI. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Dezember 2012 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.169,41 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.01.2013 zu bezahlen.

VII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.182,34 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.02.2013 zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.

Die Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs nach § 1 Abs. 2 des Ergänzungs- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 sei wirksam. Es liege weder ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit noch gegen die positive Koalitionsfreiheit vor. Insbesondere sei kein sozialinadäquater Beitrittsdruck ausgeübt worden. Die Wahl des Stichtags sei zulässig und geboten gewesen. Durch die Wahl eines kurz vor dem Abschluss liegenden Stichtags habe vermieden werden sollen, dass durch den Abschluss der Vereinbarung ein Beitrittsdruck auf Außenseiter entstehen konnte. Zu berücksichtigen sei, dass die Transfergesellschaft allein der Abwicklung diene. Die vorgenommene Differenzierung sei sachlich gerechtfertigt. Im Falle der Unwirksamkeit bestehe aber ebenfalls kein Anspruch. Es bestehe kein Anspruch auf „Gleichbehandlung nach oben“. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt, da die Betriebsparteien keinen Sozialplan aufgestellt hätten.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf ein Bruttoentgelt. In § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 sei ausdrücklich ein „BeE-Monatsentgelt“, d.h. ein Aufstockungsentgelt, zur Zahlung vereinbart worden, kein „Bruttomonatsentgelt“. Dies ergebe sich auch aus Abschnitt B. Ziffer 4 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012. Die dortige Formulierung sei an § 106 Abs. 3 Satz 2 SGB III angelehnt. Das Kurzarbeitergeld sei daher anzurechnen. Dieser Anrechnung sei die Komplexität der gesamten Abrechnung geschuldet. Diese Auffassung bestätige auch der Schiedsspruch. Weder der Transfer-und Sozialtarifvertrag noch der dreiseitige Vertrag könnten so ausgelegt werden, dass die Tarif-bzw. die Arbeitsvertragsparteien den nicht organisierten Mitarbeitern andere oder weitergehende Leistungen hätten zu kommen lassen wollen als den gewerkschaftlich organisierten. Die Abrechnungshandhabung sei im Hinblick auf den Schiedsspruch also auch für nicht organisierte Arbeitnehmer so auszulegen, dass der Abzug des KuG-Bezugs vom Nettogehalt zu erfolgen habe.

Der Feststellungsantrag in Ziffer II. sei unzulässig, da kein Feststellungsinteresse bestehe.

Mit Endurteil vom 27.02.2013 - 9 Ca 11966/12 - hat das Arbeitsgericht München die Klage als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung gemäß den Klageanträgen I. sowie III. bis VII. in Höhe des Differenzbetrages aus EUR 5.136,57 monatlich und den tatsächlich geleisteten monatlichen Zahlungen bzw. für den Monat Mai 2012 aus der Differenz von EUR 71.055,89 brutto abzüglich EUR 39.592,25 netto.

Er folge nicht aus Abschnitt B. Ziffer 4. Absatz 3 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 in Verbindung mit § 2 des Ergänzungs-und Sozialtarifvertrages.

Der Kläger falle nicht unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages fiele. Er sei zum Stichtag, 23.03.2012, 12.00 Uhr, nicht Mitglied der IG Metall gewesen.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 wirksam vereinbart worden oder ob sie aufgrund eines Verstoßes gegen die negative oder positive Koalitionsfreiheit unwirksam sei. Auch im Falle der Unwirksamkeit bestünde kein Anspruch der Klagepartei. Er würde voraussetzen, dass anzunehmen wäre, die Tarifvertragsparteien hätten den Tarifvertrag auch ohne Stichtagsregelung geschlossen. Wäre die Stichtagsregelung unwirksam, wäre der persönliche Anwendungsbereich gar nicht geregelt. Eine dadurch etwa entstandene „Tarifvertragslücke“ könne nicht durch das Gericht dergestalt geschlossen werden, dass an die Stelle der beanstandeten Regelung nunmehr eine neue Regelung träte, die die Geltung auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten, welche Mitglied der IG-Metall sind, erstrecken würde. Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten eine solche Regelung getroffen, lägen keine Anhaltspunkte vor. Gerade durch die vorgenommene Trennung in einen Transfer-und Sozialtarifvertrag mit Leistungen für alle Gewerkschaftsmitglieder auf der einen Seite und einen Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag mit Leistungen für Mitglieder der Gewerkschaft, welche ihr zu einem bestimmten Stichtag angehörten, auf der anderen Seite, hätten die Tarifvertragsparteien ihren Willen deutlich gemacht, gerade nicht alle Gewerkschaftsmitglieder gleichstellen zu wollen. Es sei somit vielmehr davon auszugehen, dass die Unwirksamkeit der Stichtagsregelung die Unwirksamkeit des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages zur Folge hätte und damit die Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Forderungen entfallen würde.

Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch hier bedürfe es keiner Entscheidung, ob die Differenzierung von Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern sachlich gerechtfertigt ist. Denn auch im Falle der Feststellung der Unwirksamkeit der Regelung ergebe sich kein Anspruch. Es sei grundsätzlich ausgeschlossen, allein aus der Befolgung eines - unterstellt - unwirksamen Normbefehls durch den Arbeitgeber seine Pflicht zur Gleichbehandlung zu entnehmen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz binde den Arbeitgeber an selbst aufgestellte Regeln, nicht an die Befolgung auf ihn -auch vermeintlich von außen einwirkender Normbefehle. Dass die Beklagten die tariflich den Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltenen Leistungen in Kenntnis einer vermeintlichen Unwirksamkeit des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 eigenständig regelbegründend erbracht hätten, sei nicht erkennbar.

Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG. Es liege bereits kein von den Betriebsparteien beschlossener Sozialplan vor. Die Betriebsparteien hätten im Interessenausgleich vom 04.04.2012 explizit vereinbart, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt werde, sondern dass sie den Transfer-und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 als Ausgleichsmaßnahme i. S. d. § 112 BetrVG anerkennen würden. Darüber hinaus enthalte der anerkannte Transfer-und Sozialtarifvertrag selbst keine Differenzierung. Diese sei vielmehr erst durch den Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag vorgenommen worden, der von den Betriebsparteien gerade nicht anerkannt worden sei. Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 1) auch keinen Anspruch auf Erhöhung der Bezüge auf 80 Prozent. Dies folge schon aus dem eben Ausgeführten. Im Übrigen sei die von der Beklagten zu 1) vorgenommene Berechnung der 70 Prozent richtig.

Zwar sei der Spruch der Tarifschiedsstelle vom 14.12.2012 für den nicht tarifgebundenen Kläger nicht bindend; dennoch bestehe kein Anspruch auf 70% des Bruttomonatsentgelts abzüglich der erhaltenen Zahlungen. Zwischen den Parteien sei keine Bruttolohnabrede getroffen worden, wie die Auslegung von Abschnitt B, Ziffer 4 Absatz 1 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 i. V. m. § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 ergebe. Danach erhielten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer „gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages auf Basis der von NSN und der NSN TG zur Verfügung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu ihrem/seinem Ausscheiden monatlich 70% ihres/seines BruttoMonatsEinkommen. (...)“. In § 5 Abs. 3 sei geregelt, dass die Beschäftigten innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatseinkommen von monatlich 70% ihres Bruttomonatseinkommens erhalten. Bereits der Wortlaut ergebe nicht eindeutig, dass die Beklagte zu 1) ein Bruttomonatseinkommen von 70% schulde. Der dreiseitige Vertrag nehme vielmehr Bezug auf den Transfer-und Sozialtarifvertrag. In diesem sei aber der Anspruch auf ein BeE-Monatsentgelt geregelt. Das BeE-Monatsentgelt sei jedoch kein Bruttobetrag. Diese Auslegung, dass kein Bruttoentgelt von 70% geschuldet wird, werde gestützt durch Sinn und Zweck der Regelung. Die von der Agentur geleisteten Zahlungen sollten die Zahlungen der Beklagten zu 1) verringern. Nur so könne der Zusatz „unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit“ ausgelegt werden. Dies sei aber nur sinnvoll möglich, wenn eine Berechnung so, wie sie von der Beklagten zu 1) vorgenommen wurde, durchgeführt werde. Nach § 3 Nr. 2 EStG handle es sich bei Kurzarbeitergeld um einen steuerfreien Bezug und damit für den Arbeitnehmer um einen Nettobetrag. Dieser könne von einem Bruttobetrag nicht sinnvoll abgezogen werden. Die Nennung von 70% des Bruttomonatseinkommens diene damit nur als Rechengröße.

Die Klagepartei habe keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, an die Klagepartei eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von EUR 5.136,57 zu zahlen. Die Klagepartei habe gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von EUR 10.000,--brutto.

Ergänzend wird wegen der Feststellungen und Erwägungen des Arbeitsgerichts auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Endurteil, das ihm am 01.03.2013 zugestellt wurde, wendet sich der Kläger mit seiner am 22.03.2013 und am 02.05.2013 begründeten Berufung. Er verfolgt die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und macht zudem - durch Klageerweiterung im Berufungsbegründungsschriftsatz - weiteres „BeE Gehalt“ für die Lohnmonate Februar, März und April 2013 geltend.

Zur Begründung seines Rechtsmittels hat er - schriftsätzlich - im Wesentlichen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vorgetragen, das Arbeitsgericht hätte ihm wegen § 75 BetrVG eine weitere Abfindung in Höhe von EURO 10.000,--brutto und eine um 10 % erhöhte monatliche Bruttovergütung für die Monate Mai 2012 und Oktober 2012 bis Januar 2013 zusprechen müssen. Das Erstgericht habe verkannt, dass diese Ansprüche auf einer Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Betriebsparteien, also die Beklagte zu 2 und den bei ihr gebildeten Betriebsrat, gründeten; Rechtsfolge dieses Verstoßes sei eine „Anpassung nach oben“. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass bereits kein von den Betriebsparteien beschlossener Sozialplan vorliege. Vielmehr sei richtig, dass die Formulierung unter Ziffer 5 des Interessenausgleichs vom 04.04.2012 einen eigenständigen Sozialplan darstelle. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, seien die Betriebsparteien an die Vorgaben des § 75 BetrVG gebunden gewesen, als sie vereinbart hatten, den Tarifvertrag für alle betroffenen Beschäftigten „abschließend zu übernehmen“, was das Arbeitsgericht vollständig übersehen habe.

Für einen am 04.04.2012 wirksam zustande gekommenen Sozialplan spreche zunächst die Überschrift der Ziffer 5, die „Sozialplan“ und nicht etwa „Entfall von Sozialplan“ oder ähnlich laute. Dass Sozialplan und Interessenausgleich gemeinsam verhandelt und abgeschlossen werden, sei nicht unüblich. Die Schriftform gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sei hier gewahrt. Der Regelungsgehalt des Sozialplans ergebe sich aus dem Inhalt der in Bezug genommenen Anlage 7, also des Tarifvertrages vom 04.04.2012. Dies reiche aus. Der Ziffer 5 sei auch zu entnehmen, dass kein „gesonderter“ Sozialplan aufgestellt werde, was erkennen lasse, dass sich die Betriebsparteien für eine Übernahme des Inhalts des Tarifvertrages als Sozialplan entschieden hätten. Sie hätten lediglich von einer gesonderten formalen Abfassung des Sozialplandokuments abgesehen und den Sozialplan mit dem Dokument des Interessenausgleichs verbinden wollen. Eine andere Bedeutung des Wortes „gesondert“ sei nicht erkennbar. Für dieses Verständnis spreche auch, dass Ziffer 5 des Interessenausgleichs die Formulierung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fast deckungsgleich verwende.

Der Sozialplan vom 04.04.2012 verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch, dass der Tarifvertrag eben nicht „abschließend“ auf alle betroffenen Beschäftigten angewendet werde, wie der Sozialplan es jedoch vorgebe. „Abschließend“ bedeute, dass für alle betroffenen Mitarbeiter 70 % des alten Gehalts gezahlt werde und die Abfindungsstaffel gemäß § 7 des Tarifvertrages eben auch einheitlich auf alle betroffenen Mitarbeiter angewendet werde.

Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialplan und ein Sozialtarifvertrag nebeneinander existierten.

Sollte der Ansicht gefolgt werden, Ziffer 5 des Interessenausgleichs stelle keinen eigenständigen Sozialplan dar, so hätten die Betriebsparteien dort zumindest geregelt, dass sie den Tarifvertrag „für alle betroffenen Beschäftigten abschließend“ übernehmen wollten. Auch diese bloße Übernahme habe die Betriebsparteien verpflichtet, die Regelungen des Tarifvertrags einheitlich auf alle betroffenen Mitarbeiter anzuwenden. In jedem Falle hätten die Betriebsparteien bei den Verhandlungen und dem Abschluss von Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der vorliegenden Betriebsänderung Gewerkschaftsmitglieder und sogenannte Außenseiter bzw. nach dem Stichtag der Gewerkschaft beigetretene Mitglieder unterschiedlich behandelt. Ein sachlicher Grund hierfür bestehe nicht. Die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz dauere für alle regelmäßig gleich lang.

Gleiches gelte bei der um 10 % höheren Vergütung für IG-Metall-Mitglieder in der Transfergesellschaft.

Das „Abkaufen“ des tariflichen Sonderkündigungsschutzes bilde kein sachliches Differenzierungskriterium. Zahlreiche Nichtmitglieder dürften bereits durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln Sonderkündigungsschutz nach § 8 III MTV genießen. Im Übrigen gelte die Regelung nicht für alle Gewerkschaftsmitglieder, sondern immer nur unter bestimmten Aspekten. Es würden hier auch Gewerkschaftsmitglieder bevorzugt, die überhaupt nicht in den Genuss des tariflichen Sonderkündigungsschutzes gekommen wären. Ferner sei zu bedenken, dass das für Gewerkschaftsmitglieder zur Verfügung gestellte Verteilungsvolumen faktisch von der den Betriebsparteien zur Verfügung stehendem Gesamtverteilungsmasse abgezogen worden sei, was unzulässig sei.

Rechtsfehlerhaft habe das Arbeitsgericht auch eine Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG verneint. Es mache in seinem Urteil hierzu keine Ausführungen. Vielmehr habe es unterstellt, dass im Falle eines Verstoßes gegen die Norm in keinem Falle eine „Anpassung nach oben“ stattfinden könne; diese Einschätzung sei fehlerhaft und habe das Arbeitsgericht auch nicht davon befreien können, die Frage zu beantworten, ob die den Gewerkschaftsmitgliedern versprochenen Mehrleistungen nun sachlich gerechtfertigt seien oder nicht. Richtigerweise verstoße die Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern im dreiseitigen Vertrag vom 04.04.2012 gegen Art. 9 Abs. 3 GG unter dem Gesichtspunkt der negativen Koalitionsfreiheit. Die negative Koalitionsfreiheit verbiete nicht nur einen mehr oder weniger starken Beitrittsdruck, sondern insgesamt, den Außenseiter gegen seinen Willen der Geltung des Tarifvertrages zu unterwerfen. Soweit auf den finanziellen Umfang der Besserstellung abzustellen wäre, sei dieser vorliegend erheblich und von einem natürlichen Beitrittswettbewerb der Gewerkschaften nicht mehr gedeckt. Würde ein Vorgehen, wie vorliegend gegeben, zugelassen, so sei dies für einen wirtschaftlich denkenden Arbeitnehmer nicht nur ein Anreiz, sondern ein faktischer Zwang, bei langfristiger Betrachtungsweise als Quasiversicherung gegen den Arbeitsplatzverlust unabhängig von der eigenen Überzeugung in die Gewerkschaft einzutreten. Die Möglichkeit, Nachteile in einem Sozialplan weiter abzumildern, dürfe jedoch allenfalls einen Anreiz, jedoch keinen erheblichen Zwang auf Außenseiter ausüben, der Gewerkschaft beizutreten. Die Stichtagsregelung hindere die Anspruchsentstehung nicht, denn diese Klausel sei nach der Rechtsprechung des BAG unwirksam.

Rechtsfolge der Verstöße gegen § 75 BetrVG und Art. 9 Abs. 3 GG sei eine „Anpassung nach oben“. Die Unzulässigkeit der Differenzierung führe nicht dazu, dass die tarifliche Regelung insgesamt unwirksam würde. Vielmehr würden dem Kläger die dort geregelten Abfindungsansprüche zustehen. Denn in der unzulässigen Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtorganisierten liege zugleich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Den gleichheitswidrig bevorzugten Arbeitnehmern könne der Anspruch auch nicht nachträglich entzogen werden, weil sie Vertrauensschutz genießen würden.

Rechtsfehlerhaft gehe das Arbeitsgericht in seinem Urteil auch davon aus, dass in dem Vertrag vom 04.04.2012 keine Bruttolohnabrede vereinbart worden sei. Dies ergebe sich aber aus dem Tarifvertrag, den die Betriebsparteien als betriebliche Regelung übernommen hätten. Der Tarifvertrag spreche von Bruttomonatseinkommen, ebenso der dreiseitige Vertrag. Die Vertragsparteien hätten also davon abgesehen, eine Nettolohnvereinbarung abzuschließen. Dafür, dass es nur als Rechengröße zu verstehen sei, gebe es keinen Anhaltspunkt. Dass es einen gewissen rechnerischen Aufwand darstelle, die steuerfreien KuG-Leistungen der Agentur für Arbeit von den von der Beklagten zu 1 zu leistenden Bruttolöhnen abzubringen, stehe diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Er vertrete weiterhin den Standpunkt, die Beklagte zu 1 schulde ihm in den Monaten mit Transferkurzarbeitergeldbezug ein BeE-Bruttogehalt in Höhe des Referenzbruttogehalts; etwaige Belastungen infolge des für das KuG bestehenden Progressionsvorbehalts seien von der Beklagten zu 1 zu tragen. Ferner meine er, dass das Referenzgehalt für abzuführende Sozialabgaben 80 % des Referenzbruttogehalts seien müssten und nicht der in den laufenden Abrechnungen als „KuG-Zuschuss“ bezeichnete Posten.

Die Klageerweiterung in zweiter Instanz sei sachdienlich. Es könne vermieden werden, weitere Lohnforderungen vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Der bereits vorgetragene Sachverhalt sei verwertbar.

Im Termin vor der Berufungskammer hat der Kläger seine Rechtsauffassung dahin erläutert, er sehe die Anspruchsgrundlage in A 2 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 i. V. m. §§ 2, 3 des Ergänzungstarifvertrages i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und i. V. m. § 75 BetrVG. Es handele sich um eine einheitliche Anspruchsgrundlage; weitere Anspruchsgrundlagen mache er nicht geltend. Dieser Anspruch richte sich gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner. Er ergebe sich daraus, dass die Differenzierungsklausel im Ergänzungsvertrag vom 04.04.2012 unwirksam sei; die Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel folge daraus, dass sie einen faktischen Druck auslöse, der IG-Metall beizutreten. Die Rechtsfolge einer „Anpassung nach oben“ sei zwingend, weil nach Kenntnis des Klägers mehrere vom Ergänzungstarifvertrag erfasste Kollegen die erhöhte Zahlung bereits erhalten hätten und Bestands-/Vertrauensschutz hinsichtlich dieser Zahlung genießen würden. Hinsichtlich der Gesamtschuld weise er darauf hin, dass beide Beklagte an Kollegen Abfindungen gezahlt hätten; soweit sie zeitnah zum Abschluss des dreiseitigen Vertrages erfolgt seien, habe die Beklagte zu 2 geleistet, danach, in Gestalt der sogenannten Sprinterprämie, die Beklagte zu 1. Ferner spreche die Systematik des dreiseitigen Vertrages für eine gesamtschuldnerische Haftung. Soweit die Beklagte auf einen von der Gewerkschaft aufgebauten Druck verweise, gehe er davon aus, dass es ihr nicht unzumutbar gewesen sei, diesen auszuhalten und so die Differenzierungsklausel zu vermeiden. In den Regionen hätten Sozialplanregelungen ausschließlich auf betriebener Ebene stattgefunden.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von EUR 71.055,89 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 39.592,25 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.6.2012 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet ist, dem Kläger ein monatliches BeE Gehalt in Höhe von EUR 5.136,57 brutto zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner eine weitere Abfindung in Höhe von EUR 10.000,00 brutto zuzüglich 5 %Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

IV. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von EUR 2.476,04 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.320,86 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.11.2912 zu bezahlen.

V. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohmonat November 2012 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 1.915,53 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.12.2012 zu bezahlen.

VI. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Dezember 2012 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.169,41 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus sei 1.1.2013 zu bezahlen.

VII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.182,34 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.3.2013 zu bezahlen.

VIII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat Februar 2013 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.182,34 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.3.2013 zu bezahlen.

IX. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat März 2013 in Höhe von EUR 5.136,57 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 2.319,00 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.4.2013 zu bezahlen.

X. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für den Lohnmonat April 2013 in Höhe von EUR 7.048,79 brutto abzüglich hierauf bezahlter EUR 3.210,20 netto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.5.2013 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und heben hervor, dass die Gewerkschaft bei den Verhandlungen im Gegenzug für den Verzicht auf den tariflichen Kündigungsschutz ihrer Mitglieder zusätzliche substantielle Leistungen gefordert habe und hiervon trotz Bemühens der Beklagten nicht abgewichen sei. Das ausgezahlte Transferentgelt sei richtig berechnet worden. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte höhere Vergütung und auch nicht auf die zusätzliche Abfindung in Höhe von EURO 10.000,00 brutto. Die tragenden Überlegungen des Arbeitsgerichts seien richtig. Gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG) sei nicht verstoßen worden. Die Betriebsparteien hätten keine eigene betriebliche Regelung aufgestellt. Diese ergebe sich bereits aus der Regelung der Ziffer 5 des Interessenausgleichs sowie aus der Wortwahl an anderen Stellen des Interessenausgleichs. Auch die Struktur des Dokuments spreche gegen die Vereinbarung von Sozialplanregelungen. Es wäre auch unüblich, originäre Sozialplanregelungen in die Interessenausgleichsregelungen unter der Überschrift „Umsetzung der Maßnahme“ aufzunehmen. Selbst wenn eine eigene betriebliche Regelung vorliegen würde, wäre § 75 BetrVG nicht verletzt. Die Betriebsparteien hätten nicht zwischen organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern unterschieden, und zwar weder durch positives Tun noch durch pflichtwidriges Unterlassen. Es habe für die Betriebsparteien keine Verpflichtung zum Tätigwerden gegeben. Die Außenseitereigenschaft sei schließlich nicht kausal für die angenommene Ungleichbehandlung.

Selbst wenn eine Ungleichbehandlung angenommen würde, so wäre diese gerechtfertigt; im Falle einer Ungleichbehandlung durch Unterlassen läge schon keine Pflichtwidrigkeit vor. Die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers würde einen Rechtfertigungsgrund für eine ungleiche Behandlung durch die Betriebsparteien darstellen. Der Kläger differenziere nicht hinreichend zwischen dem Handeln des Arbeitgebers als Betriebspartei und als Tarifvertragspartei. Fehl am Platz seien auch die Äußerungen des Klägers, die vorliegende Gestaltung mindere das Volumen der den Betriebsparteien zur Verfügung stehenden Gesamtverteilungsmasse. Das für Gewerkschaftsmitglieder zur Verfügung gestellte Volumen sei nicht von den Betriebsparteien, sondern durch den Abschluss des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrags gemindert worden. Zum anderen sei der Umstand, dass durch einen Tarifsozialplan das Sozialplanvolumen gemindert werden könne, im Gesetz angelegt.

Jedenfalls ergebe sich kein Anspruch auf eine „Anpassung nach oben“ oder eine Erstreckung des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrags auf alle Arbeitnehmer, unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit.

Richtig erkannt habe das Arbeitsgericht auch, dass der Kläger selbst bei Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel bzw. der Stichtagsregelung im Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag keinen Anspruch auf eine um EURO 10.000,00 erhöhte Abfindung sowie auf höhere Transferentgeltleistungen hätte. Ein Anspruch ergebe sich nicht durch Schließung einer „Tarifvertragslücke“ im Wege der Auslegung. Die Differenzierung und die Stichtagsregelung seien auch zulässig. Der Kläger sei durch die Regelungen im Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag nicht in seiner Koalitionsfreiheit verletzt. Durch den gewählten Stichtag sei jeglicher Zwang oder Druck zum Gewerkschaftsbeitritt ausgeschlossen worden. Im Übrigen sei die Wahl des Stichtags und des Referenzzeitraums am konkreten Sachverhalt orientiert und zumindest vertretbar.

Es ergebe sich auch kein Anspruch aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Beklagten nicht auf der Grundlage selbst gesetzter Regelungen, sondern in Befolgung vorgegebener Tarifnormen gehandelt hätten.

Ebenfalls zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten zu 1 vorgenommene Berechnung des Transferentgelts richtig sei. Zumindest sei es richtiger Weise davon ausgegangen, dass eine Auslegung der maßgeblichen Regelungen die von der Beklagten zu 1 vorgenommene Abrechnungsweise stütze. Die vom Kläger in den Raum gestellte Behauptung, die Beklagte zu 1 führe zu wenig Steuer-und Sozialversicherungsbeiträge ab, sei haltlos.

Es sei nicht zweifelsfrei, dass die Abfindung gesamtschuldnerisch von beiden Beklagten geschuldet sei, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht habe. Zur Frage der „Anpassung nach oben“ sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit seinen Anträgen nicht die Gleichbehandlung im Rahmen des dreiseitigen Vertrages geltend mache, sondern eine Gleichbehandlung mit Personen anstrebe, die vom Ergänzungstarifvertrag profitierten. Die Differenzierungsklausel, also die Unterscheidung zwischen organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern, sei hier nicht allein von Bedeutung gewesen. Die Differenzierungsklausel stehe und falle mit dem gewählten Stichtag. Die Differenzierungsklausel allein wäre für keine der Beklagten akzeptabel gewesen. Der Stichtag sei auch nicht willkürlich, sondern mit sachlichem Grund gewählt worden; es habe vermieden werden sollen, dass in Folge der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses massenhaft Beitrittserklärungen abgegeben würden. Ein Beitragsdruck sei durch den gewählten Stichtag gerade ausgeschlossen worden.

Die vom Klägervertreter (in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer) konstruierte Anspruchsgrundlage bestehe als solche nicht. Eine Anspruchsgrundlage könne sich allenfalls aus dem Ergänzungstarifvertrag i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, was aber keinesfalls zu einer Anpassung nach oben führen könne.

Dass in den Regionen Sozialplanregelungen ausschließlich auf betrieblicher Ebene stattgefunden hätten, liege daran, dass die IG-Metall in den Regionen keinen Druck aufzubauen vermochte. Im Übrigen hätten sich die Beklagten in mindestens zwei Verhandlungsrunden gegen die Forderung der IG-Metall nach Differenzierung gewehrt.

Der Klageerweiterung im Berufungsverfahren werde widersprochen.

Ergänzend wird wegen des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.05.2013, auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10.06.2013 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 03.07.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Rechtsmittel ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde es form-und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 11 Abs. 4, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

2. Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist trotz fehlender Einwilligung der Beklagten nach § 533 ZPO zulässig; denn sie ist sachdienlich. Sie betrifft lediglich „BeE Gehalt“ für weitere Monate und wirft weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht neue Fragen auf.

3. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klageanträge sind sämtlich unbegründet.

3.1 Die auf Zahlung weiteren BeE-Gehalts gerichteten Leistungsanträge sowie der auf die Zahlung weiterer Abfindung gerichtete Leistungsantrag sind nicht begründet; den geltend gemachten Ansprüchen mangelt es an einer Grundlage.

3.1.1 Dass sich die Ansprüche nicht unmittelbar aus dem dreiseitigen Vertrag vom 04.04.2012 und auch nicht unmittelbar aus dem Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag ergeben, weil der Kläger am 23.03.2012, 12:00 Uhr nicht Mitglied der IG-Metall war, räumt er auch selbst ein. - Entgegen seiner Ansicht ergibt sich eine Anspruchsgrundlage aber auch nicht aus der Regelung in Abschnitt A 2 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 i. V. m. §§ 2, 3 des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und i. V. m. § 75 BetrVG.

a) Zu Unrecht nimmt der Kläger an, der dreiseitige Vertrag müsse in A 2 und B 4 wegen gebotener Gleichbehandlung so verstanden werden, dass ihm die Leistungen gemäß §§ 2, 3 des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages zustehen, die die Tarifvertragsparteien nur für die Arbeitnehmer vorgesehen haben, die am Stichtag Mitglied der IG-Metall waren. Denn die Bildung zweier Gruppen nach diesem Differenzierungsmerkmal ist zulässig erfolgt. Die Tarifvertragsparteien durften (durch Abschluss des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages) höhere Leistungen für den Personenkreis vorsehen, der bis einschließlich 23.03.2012, 12:00 Uhr Mitglied der IG-Metall geworden war.

Diese Regelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

aa) Die Regelung verletzt nicht die negative Koalitionsfreiheit der nichtorganisierten Arbeitnehmer der Beklagten zu 2.

(1) Die negative Koalitionsfreiheit umfasst nach allgemeiner Ansicht insbesondere das Recht des Einzelnen, sich nicht zu Koalitionen zusammenzuschließen, bestehenden Koalitionen fernzubleiben und bei bereits erfolgtem Eintritt wieder austreten zu dürfen. Sie wird nicht schon dadurch verletzt, dass von einer tariflichen Regelung ein (bloßer) Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ausgeht. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass ein nichtorganisierter Arbeitnehmer einem Zwang oder einem unzumutbaren Druck zum Beitritt ausgesetzt wird (BVerfG, 11.07.2006 - 1 BvL 4/00, BverfGE 116, 202; BAG, Urteil vom 18.03.2009 - 4 AZR 64/08, BAGE 130, 43 -80, Juris Rn. 35 ff.). Ein solch unzulässiger Zwang oder Druck liegt hier nicht vor.

Sogenannte einfache Differenzierungsklauseln, die als (einziges) zusätzliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen eines Anspruchs die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft voraussetzen, beeinträchtigen die negative Koalitionsfreiheit nicht; die Normsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien beschränkt sich von Verfassungs und Gesetzes wegen ausschließlich auf ihre Mitglieder. Die normative Wirkung einer Tarifregelung auf Außenseiter ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine einfache Differenzierungsklausel schränkt die Handlungs-und insbesondere die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers nicht ein, da es ihm unbenommen bleibt, seine vertraglichen Beziehungen zu nicht oder zu anders organisierten Arbeitnehmern frei zu gestalten und durchzuführen. Der Rechtskreis der nicht oder der anders organisierten Arbeitnehmer kann durch eine solche Tarifnorm nicht wirksam betroffen werden. Soweit sich eine solche Norm auf das Arbeitsverhältnis eines Außenseiters auswirkt, beruht dies nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrages, sondern auf der privatautonom gestalteten Arbeitsvertragsbeziehung zwischen dem Außenseiter und seinem Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 22.09.2010 - 4 AZR 117/09, AP Nr. 144 zu Art. 9 GG, Juris insb. Rn. 27).

(2) Diese Grundsätze sind vorliegend einschlägig; denn die Mitgliedschaft in der tarifschließenden IG-Metall wurde von den Tarifvertragsparteien der Sache nach zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung für die - gegenüber den im Transfer-und Sozialtarifvertrag geregelten - verbesserten Leistungen gemacht. Dass die Tarifvertragsparteien die allgemeinen und die verbesserten Leistungen formal in zwei Tarifverträgen niedergelegt haben, hindert die Einordnung als einfache Differenzierungsklausel nicht. Denn maßgeblich ist ihr klar zutage getretener Wille, nicht (zum maßgeblichem Zeitpunkt) gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern eben deswegen die verbesserten Leistungen vorzuenthalten (vgl. zur einfachen Differenzierungsklausel: BAG, Urteil vom 18.03.2009 - 4 AZR 64/08, BAGE 430, 43 - 80, Juris, insb. Rn. 31 f.). Die Regelung beschränkt sich inhaltlich darauf, das Erfordernis der Mitgliedschaft (zum maßgeblichen Zeitpunkt) vorzusehen. Sie will nicht regulierend auf die Vereinbarungen oder die Vertragspraxis der (tarifgebundenen) Beklagten (zu 2) mit nichtorganisierten Arbeitnehmern im Verhältnis zu den Ansprüchen der Gewerkschaftsmitglieder Einfluss nehmen. Weder verbietet sie, die nach den tariflichen Regelungen den Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltenen Leistungen auch an Außenseiter zu erbringen, noch begründet sie für einen solchen Fall einen weiteren, zusätzlichen Anspruch für die organisierten Arbeitnehmer. Sie stellt damit weder eine sogenannte Tarifausschluss-noch eine sogenannte Spannenklausel dar (vgl. BAG a. a. O., Rn. 33). Die Beklagten blieben vielmehr frei, ohne weitere Folgen den nichtorganisierten Arbeitnehmern die im Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag geregelten verbesserten Leistungen vertraglich zuzusagen und zu gewähren.

(3) Die Kombination des Erfordernisses der Gewerkschaftszugehörigkeit mit einem konkreten Stichtag rechtfertigt keine andere Bewertung der Differenzierungsklausel mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG.

Ein zeitnaher, unmittelbar durch den Abschluss des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages hervorgerufener Zwang oder unzumutbarer Druck konnte aufgrund des von den Tarifvertragsparteien gewählten Zeitpunktes nicht entstehen. Er lag bereits bei Bekanntwerden des Verhandlungsergebnisses in der Vergangenheit. Eine Handlungsoption, die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu diesem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt noch herbeizuführen, stand nicht zur Verfügung. Wenn keine Handlungsmöglichkeit besteht, kommt aber ein Zwang oder Druck, sie wahrzunehmen, nicht in Betracht.

Ein Zwang oder ein ihm gleichzusetzender Druck konnte aber auch nicht für die (fernere) Zukunft entstehen, wie der Kläger geltend gemacht hat. Seine Erwägung, ein wirtschaftlich denkender Arbeitnehmer sei faktisch gezwungen, bei langfristiger Betrachtungsweise der Gewerkschaft als „Quasiversicherung“ gegen den Arbeitsplatzverlust - unabhängig von der eigenen Überzeugung - beizutreten, greift nicht durch. Zwar sind die im Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag vorgesehenen Verbesserungen nicht marginal, sondern durchaus spürbar. Zu berücksichtigen bleibt jedoch, dass es sich hier nicht um auf Dauer angelegte Leistungen handelt, sondern um solche im Kontext der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge einer Betriebsschließung. Ein Arbeitsplatzverlust in Folge derartiger Umstände ist aber - nach wie vor - kein üblicher Bestandteil jeder Erwerbsbiografie; im Bild des Klägers: der „Eintritt des Versicherungsfalles“ stellt immer noch die Ausnahme und nicht die Regel dar.

Selbst wenn ein derartiger Fall aber eintritt, geht es bei Gestaltungen wie im vorliegenden Fall nur um graduelle Verbesserungen, und nicht um ein „alles oder nichts“. Dass ein verständiger Arbeitnehmer bei dieser Sachlage einen mit Zwang vergleichenden Druck verspürt, seiner Überzeugung widersprechend einer Gewerkschaft beizutreten, ist nicht anzunehmen.

(4) An der Sache vorbei geht schließlich der Hinweis des Klägers auf das Art. 9 Abs. 3 GG zu entnehmende Verbot, einen Außenseiter gegen seinen Willen der Geltung eines Tarifvertrages zu unterwerfen. Der Kläger strebt es mit der vorliegenden Klage gerade an, so behandelt zu werden, als statuiere der Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag (weitergehende) Ansprüche für seine Person.

bb) Die tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Zwar haben die Tarifvertragsparteien den dort geregelten allgemeinen Gleichheitssatz zu beachten. Aufgrund der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie steht ihnen aber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG, Urteil vom 23.03.2011 - 10 AZR 701/09, ZTR 2011, 555 - 557, Juris, Rn. 21 ff.).

(2) Hierzu zählt die - die negative Koalitionsfreiheit wahrende und so mit Art. 9 Abs. 3 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehende - Differenzierung nach dem Vorliegen bzw. dem Fehlen der Gewerkschaftszugehörigkeit. Die Vorschrift verbietet den Tarifpartnern grundsätzlich nicht, Gewerkschaftsmitglieder in diesem Rahmen besser zu stellen. Dass eine unverhältnismäßige Besserstellung nicht vorliegt, folgt bereits aus den Ausführungen zum Fehlen eines Zwangs oder unzumutbaren Drucks (unter a aa).

3.1.2 Die erhobenen Ansprüche finden auch keine Grundlage in § 3 Nr. 5 des „Interessenausgleichs“ vom 04.04.2012.

a) Selbst wenn mit dem Kläger davon ausgegangen würde, die Betriebsparteien hätten einen Sozialplan gemäß § 112 BetrVG mit dem Inhalt des in Bezug genommenen Transfer-und Sozialtarifvertrags vom 04.04.2012 abgeschlossen, hilft dies - allein - dem Kläger nicht. Denn damit würde nur eine weitere Anspruchsgrundlage für die Leistungen aus dem genannten Tarifvertrag bestehen, die er ja ohnehin aus der dreiseitigen Vereinbarung beanspruchen kann - und die demgemäß auch nicht umstritten sind.

b) Die so verstandene Abrede der Betriebsparteien hilft dem Kläger aber auch i. V. m. § 75 BetrVG nicht, der diese zur Gleichbehandlung verpflichtet.

Denn ein Sozialplan mit dem Inhalt des (in Bezug genommenen) Transfer-und Sozialtarifvertrages enthält die vom Kläger beanstandete Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zum Stichtag gerade nicht.

Seiner weitergehenden Ansicht, die Betriebsparteien träfe die Verpflichtung, einer (unzulässigen) Differenzierung auf tariflicher Ebene entgegen zu treten, ist nicht zu folgen. Eine entsprechende Verpflichtung ist weder § 75 BetrVG noch einer anderen Rechtsvorschrift zu entnehmen. Eine Vertiefung dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, weil bereits, wie oben ausgeführt, keine unzulässige Differenzierung auf tariflicher Ebene vorliegt.

Ergänzend sei nur darauf hingewiesen, dass die Betriebsparteien durch § 3 Nr. 5 des „Interessenausgleichs“ keine Verpflichtung begründet haben, für eine gleichmäßige Behandlung aller von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer nach Maßgabe des Transfer-und Sozialtarifvertrages Sorge zu tragen. Die Formulierung, wonach sie Regelungen des Transfer-und Sozialtarifvertrages für alle betroffenen Beschäftigten „abschließend übernehmen“ würden, ist lediglich dahin zu verstehen, dass sich die Betriebsparteien weder andere, bestehende Regelwerke (wie etwa den Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrag) zu eigen machen wollten noch eigene ergänzende oder modifizierende Regelungen zu treffen beabsichtigten, das Mitbestimmungsverfahren vielmehr durch die Bezugnahme abgeschlossen werden sollte. Anhaltspunkte für die abweichende Interpretation seitens des Klägers vermag die Berufungskammer nicht zu erkennten.

3.1.3 Die erhobenen Ansprüche finden auch im allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz keine Stütze.

Dieser Grundsatz verbietet die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Er greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers allerdings nur dort ein, wo dieser durch ein eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normvollzug (vgl. BAG, Urteil vom 22.12.2009 - 3 AZR 895/07, BAGE 133, 33 - 50, Juris, insb. Rn. 20).

Danach kommt der Grundsatz hier nicht zur Anwendung. Das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten stellt sich lediglich als Vollzug der Normen des Transfer-und Sozialtarifvertrages sowie des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages dar.

3.2 Die auf Zahlung weiteren BeE-Gehalts gerichteten Leistungsanträge sind auch nicht teilweise begründet, weil die Berechnung seitens der Beklagten fehlerhaft durchgeführt würde.

Die Berufungskammer tritt insoweit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, das seinerseits auf die Begründung der Schiedsstelle rekurriert hat, bei und nimmt hierauf gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Die Ausführungen des Klägers veranlassen nur nachfolgende Anmerkungen: Er verkennt, dass § 5 Abs. 3 Satz 1 des Transfer-und Sozialtarifvertrages nach seinem klaren Wortlaut den Beschäftigten in der BeE keine Bruttovergütung, sondern ein „BeE-Monatsentgelt“ unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit gewährt („Die Beschäftigten erhalten ... ein BeE-Monatsentgelt ...“). Dieses ist nicht als Bruttobetrag bezeichnet. Das Bruttomonatseinkommen ist in der Tarifnorm lediglich als Faktor für die Bemessung der Höhe des BeE-Monatsentgelts erwähnt, was durch die Formulierung „... von monatlich ...“ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird.

Hat mangels Leistungen der Arbeitsagentur keine Anrechnung zu erfolgen, so sind als BeE-Monatsentgelt 70% des in Satz 2 der Vorschrift definierten Bruttomonatseinkommens zu leisten.

Hat dagegen - wegen KuG-Bezug - eine Anrechnung zu erfolgen, ist zu beachten, dass es sich bei KuG nach § 3 Nr. 2 EStG um einen steuerfreien Nettobetrag handelt, was zunächst die Berechnung des dem Satz von 70 % des Bruttomonatseinkommen entsprechenden individuellen Nettoentgelts bedingt, da eine Differenz nur aus gleichen Parametern ermittelt werden kann. Die sich ergebende Differenz zum Transferkurzarbeitergeld ist als KuG-Zuschuss (netto) auszugleichen, wobei dieser Netto-Betrag nicht steuerfrei ist; er ist daher auf einen Bruttobetrag hochzurechnen und als solcher auszuweisen. Anders als der Kläger meint, kann in Monaten mit KuG-Bezug nicht einfach der Nettobetrag aus einem monatlichen Bruttobetrag in Höhe von 70% des in der Norm definierten Bruttomonatseinkommens errechnet werden, um dann hiervon den KuG-Betrag abzuziehen. Denn dann würde auch auf den KuG-Betrag Lohnsteuer entfallen, was mit § 3 Nr. 2 EStG nicht in Einklang zu bringen ist.

Aus der Abrede in B 4 des dreiseitigen Vertrages ergibt sich kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Denn ungeachtet des von § 5 Abs. 3 des Transfer-und Sozialtarifvertrages abweichenden Wortlauts der Klausel bringt sie durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Tarifnorm hinreichend klar zum Ausdruck, dass die dort von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung maßgeblich sein soll (§§ 133, 157 BGB).

3.3 Der als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) zulässige - Antrag II ist ebenfalls nicht begründet. Die Beklagten sind weder verpflichtet, dem Kläger ein monatliches BeE-Gehalt auf der Grundlage des Ergänzungstransfer-und Sozialtarifvertrages zu bezahlen noch die von ihm befürwortete Berechnungsmethode anzuwenden. Auf die Ausführungen unter 3.1 und 3.2 wird ergänzend verwiesen.

4. Die übrigen erörterten Rechtsfragen können mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Den Beklagten steht mangels Beschwer gleichwohl kein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung zur Verfügung. - Der Kläger kann Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen; hierzu wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.



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