Sozialgericht Heilbronn

Urteil vom - Az: S 6 U 1056/14

Kein Arbeitsunfall beim Äpfelschütteln

(1.) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), § 8 Abs. 1 SGB VII.
Erforderlich ist demnach ein sog. innerer Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird.

(2.) Eine versicherte Tätigkeit besteht unter anderem in der Pflege des äußeren Erscheinungsbildes des Betriebs.
Zur Pflege gehört jedoch nicht die Ernte von Apfelbäumen, insbesondere wenn die Äpfel privat genutzt werden.

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens hat an Apfelbäumen gerüttelt, welche auf einem neben seinem Betrieb befindlichen Grünstreifen stehen. Hierbei verletzte er sich an der Schulter. Als freiwillig versicherter Geschäftsführer klagt er nun auf Anerkennung als Arbeitsunfall. Zwar nutze er die Äpfel privat, jedoch solle durch die Apfelernte das äußere Erscheinungsbild des Betriebs gepflegt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist der Ansicht, die Ernte sei dem Freizeitbereich des Klägers zuzuordnen, denn er ziehe einen privaten Nutzen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 24. September 2012 als Arbeitsunfall.

Der Kläger ist Geschäftsführer der Firma ... und bei der Beklagten freiwillig versichert. Am 15. Januar 2013 erstattete der Kläger bei der Beklagten eine Unfallanzeige. Er trug vor, wegen der Anliegerpflicht die Apfelbäume auf dem angrenzenden Grünstreifen zwischen dem Firmengelände und der Landesstraße mit einer Hakenstange geschüttelt zu haben. Dabei sei es ihm in die rechte Schulter gefahren. Am 17. Dezember 2012 sei er schließlich wegen eines Bänderrisses an der Schulter operiert worden.

Die Beklagte zog in der Folge ärztliche Unterlagen bei. Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 lehnte die Beklagte Leistungen anlässlich des Ereignisses vom 24. September 2012 ab. Es handle sich dabei nicht um einen Arbeitsunfall. Das Apfelschütteln sei keine versicherte Beschäftigung. Im Übrigen habe kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, er habe die Tätigkeit ausschließlich im dienstlichen Interesse vorgenommen. Er habe das äußere Erscheinungsbild des Firmengeländes im Hinblick auf vorbeifahrende Kunden pflegen wollen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung vertiefte sie die Ausführungen des angegriffenen Bescheids.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er ergänzt seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Der Kläger legt Fotos der Bäume und des Grünstreifens vor (S. ... der Gerichtsakte) und einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster, woraus sich ergibt, dass der Grünstreifen zur K.-straße gehört und dem ... gehört. Dieser habe sich nie um das Grundstück gekümmert. Er habe sich mit dem Eigentümer nicht schlecht stellen wollen. Das Mähen des Grundstücks habe er an die Mitarbeiter delegiert. Die Ernte habe er selber übernommen, wobei das Entgelt für die geernteten Äpfel gering sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15. Mai 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 24. September 2012 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger zu dem Ereignis vernommen. Er hat insbesondere erklärt, dass er die Äpfel privat verwendet hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis vom 24. September 2012 ein Arbeitsunfall war.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Hierfür ist erforderlich, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (vgl. BSG, Urt. v. 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R -).

Zunächst ist also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit erforderlich, ein sogenannter innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl. BSG, Urt. v. 10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R -). Dieser innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (vgl. zum Ganzen BSG a.a.O.). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden, da die Apfelernte keine versicherte Tätigkeit war. Zwischen der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit als Geschäftsführer der ... und dem Rütteln der Äpfel hat ein innerer Zusammenhang nicht bestanden. Die Handlungstendenz des Klägers ist nach Überzeugung der Kammer hauptsächlich dem hier unversicherten Bereich seiner Freizeitgestaltung zuzuordnen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grünstreifen nicht Teil des Firmengeländes ist. Ob die Pflege eines angrenzenden Grünstreifens, der durch einen Zaun von dem Betriebsgrundstück getrennt ist, wegen der Außenwahrnehmung noch der versicherten Tätigkeit zugeordnet werden kann, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls die Apfelernte dient nicht der Außenwahrnehmung des Grundstücks. Ein gemähtes Grundstück wird von den Kunden der Firma als gepflegt wahrgenommen, auch wenn Äpfel auf der Wiese liegen. Das Rütteln der Äpfel dient daher nicht der Pflege des äußeren Erscheinungsbildes des angrenzenden Grünstreitens sondern der Ernte. Die geernteten Äpfel hat der Kläger privat genutzt. Auch wenn der wirtschaftliche Gegenwert hierfür aufgrund der schlechten Bezahlung der geernteten Äpfel gering ist, zieht der Kläger aus der Apfelernte einen privaten Nutzen. Eine dem Betrieb dienende Handlungstendenz wird durch die objektiven Umstände des Einzelfalls nicht bestätigt.

Die Klage ist daher mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

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