Landesarbeitsgericht Hamm

Beschluss vom - Az: 13 TaBV 18/15

Kein Erstattungsanspruch des Betriebsrats bei aussichtsloser Rechtsverfolgung

(1.) Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Erstattung von Rechtsanwaltskosten erst nach ordnungsgemäßer Rechnungsstellung verlangen. Eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung ist nicht erfolgt, wenn die Gebührenaufschlüsselung lediglich gegenüber dem Arbeitgeber, nicht aber gegenüber dem Betriebsrat erfolgt ist.

(2.) Honorarkosten für einen Rechtsanwalt kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber erstattet verlangen, wenn der Betriebsrat die Heranziehung eines Anwalts in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Hingegen entfällt die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei einer offensichtlich aussichtslosen Rechtsverfolgung des Betriebsrates. Davon ist auszugehen, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrates führen muss.

Vorliegend leitete der Betriebsrat eines Reinigungsunternehmens ein arbeitsgerichtliches Verfahren mit dem Ziel der Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens ein. Darin sollte die Pflicht des Arbeitgebers geregelt werden, vereinnahmte "Toiletten-Trinkgelder" an Mitarbeiter auszukehren. Vorausgegangen war ein Streit mitsamt mehreren arbeitsgerichtlichen Entscheidungen, in denen diese Frage bereits behandelt wurde. Neu war hingegen ein Schild, das der Arbeitgeber aufgehängt hatte und auf dem stand, dass das Trinkgeld, das Kunden vor der Toilette in den Teller legen, an das Unternehmen fließe.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamm könne das Rechtsschutzziel des Betriebsrats offensichtlich keinen Erfolgt haben. Denn nach der erfolgten Klarstellung auf dem Schild konnte der Betriebsrat nicht mehr davon ausgehen, dass der Arbeitgeber Trinkgelder vereinnahme.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.01.2015 – 3 BV 36/14 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht verpflichtet ist, im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung des Betriebsrates in einem Beschlussverfahren und die weitere Rechtsverfolgung zu tragen.

Die Arbeitgeberin ist ein Gebäudereinigungsunternehmen und ist seit mehreren Jahren damit beauftragt, die Toilettenanlagen im Einkaufszentrum D zu beaufsichtigen und zu reinigen. Vor den Toilettenanlagen hat die Arbeitgeberin Tische aufgestellt, auf denen sich ein Teller befindet; darauf können die Benutzer der Toiletten einen Obolus ablegen. In den Toilettenanlagen waren Hinweisschilder angebracht, die, bedingt durch Renovierungsarbeiten, ungefähr im Zeitraum von Dezember 2012 bis September 2013 abgehängt waren. Seit Anfang des Jahres 2014 hängen an Säulen zwischen den Toilettenanlagen und den Tellern und unmittelbar neben den Kennzeichnungen der Toilettengänge wieder Schilder mit folgendem Text:

 „Liebe Gäste, der Obolus, den Sie für die Benutzung der Toiletten im D entrichten, ist freiwillig und wird an die Firma J GmbH entrichtet, die mit der Reinigung und dem Unterhalt der Toiletten beauftragt ist. Ihr Beitrag wird für die Entlohnung des hierfür eingesetzten Personals verwendet.“

Die Arbeitgeberin beschäftigt im Rahmen des ihr erteilten Auftrags neben Reinigungskräften so bezeichnete Sitzerinnen. Deren einzige Aufgabe ist es, die Zuwendungen der Kunden zu beaufsichtigen und jeweils in einen Safe der Arbeitgeberin zu verbringen, sobald der Teller voll ist.

In einem Individualrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen (1 Ca 1603/13) ist mittlerweile rechtskräftig erkannt worden, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen in den Monaten Mai und Juni 2013 vereinnahmten „Trinkgelder“ zu erteilen. Die dortige Klägerin war eine von der Arbeitgeberin beschäftigte sogenannte Sitzerin.

Mit einem bei Arbeitsgericht am 18.03.2014 eingegangenen Antrag (Arbeitsgericht Gelsenkirchen, 5 BVGa 6/14) begehrte der Betriebsrat die Unterlassung der Vereinnahmung von Trinkgeldern vor den Toilettenanlagen. Durch Beschluss vom 01.04.2014 wurde sein Begehren zurückgewiesen. In dem Hauptsacheverfahren (Arbeitsgericht Gelsenkirchen, 5 BV 11/14) hierzu wurden die Anträge ebenfalls mit Beschluss vom 09.09.2014 abgewiesen.

Ausweislich eines von der damaligen Betriebsratsvorsitzenden F und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden I unterschriebenen Beschlusses vom 03.02.2014, dessen Wirksamkeit von der Arbeitgeberin bestritten wird, beauftragte der Betriebsrat die Antragsteller auch dazu, erforderlichenfalls ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren „zur Verteilung des Trinkgeldes“ einzuleiten; parallel trat der Betriebsrat den auch insoweit gegenüber der Arbeitgeberin bestehenden  Freistellungsanspruch betreffend entstehender Rechtsanwaltskosten an die Antragsteller ab (Bl. 19 d. A.).

Mit einer am 21.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift begehrte der Betriebsrat die Besetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Verteilung im D vereinnahmter Trinkgelder“. Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 02.04.2014 (3 BV 13/14) wurden die Anträge zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betriebsrates blieb ohne Erfolg, weil auch das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, die begehrte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig (7 TaBV 31/14).

Mit einer an die Arbeitgeberin gerichteten Rechnung vom 05.06.2014 (Bl. 17 f. d. A.) begehrten die Antragsteller dafür die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in einer Gesamthöhe von 3.300,10 €. Nachdem die Arbeitgeberin in der Folgezeit die Zahlung trotz Fristsetzung verweigerte, leiteten die Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren ein. Neben den genannten Kosten machen sie einen Betrag in Höhe von 992,22 € für Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden geltend.

Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, dass der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle nicht in irgendeiner Weise mutwillig gewesen sei. Durch die ergangenen Entscheidungen in den Individualrechtsstreitigkeiten stünde zumindest dem Grunde nach fest, dass jedenfalls einzelne Belegschaftsmitglieder einen Anspruch auf Beteiligung an den vereinnahmten Trinkgeldern hätten. Es sei zumindest vertretbar, dass es sich um einen mitbestimmungspflichtigen Sachverhalt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 10 BetrVG handele.

Die Tätigkeit im Einigungsstellenbesetzungsverfahren beruhe im Übrigen auf einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrates vom 03.02.2014. Die Betriebsratsvorsitzende habe hierfür ihren Stellvertreter als zweites noch verbliebenes Betriebsratsmitglied unter Nennung des Tagesordnungspunktes per Mail und auch telefonisch geladen.

Die Antragsteller haben beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, an  die  Antragsteller  3.310,00 € aus deren Rechnung vom 05.06.2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz  seit dem 12.06.2014 zu zahlen,

2. die Arbeitgeberin zu verpflichten, an die Antragsteller weitere Rechtsverfolgungskosten für vorgerichtlich entstandene Tätigkeit und für die Tätigkeit im vorliegenden Beschlussverfahren in Höhe von insgesamt 992,22 € zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Verfahren sei mutwillig und ohne jegliche Erfolgsaussicht durchgeführt worden. Es habe sich um eine offensichtlich aussichtslose Rechtsverfolgung gehandelt.

Weiterhin hat die Arbeitgeberin bestritten, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zur Beauftragung der Antragsteller vorgelegen habe.

Mit Beschluss vom 28.01.2015 hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kostentragungspflicht bereits deshalb entfalle, weil die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde.

Sie sind der Auffassung, der Betriebsrat habe davon ausgehen dürfen, dass ein Mitbestimmungstatbestand vorgelegen habe, namentlich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der Begriff der betrieblichen Lohngestaltung habe die Subsumtion des Trinkgeldes unter die Regelung zugelassen.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.01.2015 – 3 BV 36/14 – abzuändern und die Arbeitgeberin zu verpflichten,

a) an die Antragsteller 3.300,10 Euro gemäß deren Kostenrechnung vom 05.06.2014 – Az.: 157/14 – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2014 zu zahlen sowie

b) weitere 992,22 Euro an die Antragsteller zu zahlen.

Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen beantragt die Arbeitgeberin,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.

Die auf § 40 Abs. 1 BetrVG (i.V.m. § 398 BGB) gestützten Ansprüche, gerichtet auf die Zahlung von 3.300.10 € für die außer- und gerichtliche Tätigkeit in einem Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 100 ArbGG (vormals § 98 ArbGG) sowie für weitere als Verzugsfolgen angefallene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 992,22 €, sind unbegründet.

I.   Selbst wenn man in dem Zusammenhang zugunsten der Antragsteller unterstellt, dass der nur noch mit zwei Mitgliedern besetzte Betriebsrat am 03.02.2014 einen verbindlichen Beschluss (auch) zur Vorausabtretung künftig entstehender Freistellungsansprüche im Zusammenhang mit einem Einigungsstellenbesetzungsverfahren gefasst hat, muss davon die Frage des Wirksamwerdens dieser Abtretung unterschieden werden. Denn ein solches Rechtsgeschäft nach § 398 BGB kann seine volle Wirkung erst dann entfalten, wenn und sobald alle Voraussetzungen für die Entstehung der Forderung in der Person des Veräußers erfüllt sind (grundlegend: BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83 – NJW 1984, 492; zust. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 398 Rn. 11). In Fällen  der Vergütung von Rechtsanwälten setzt das gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG zwingend eine unterzeichnete und dem Auftraggeber mitgeteilte Berechnung mit dem Inhalt des § 10 Abs. 2 RVG voraus. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, braucht der Auftraggeber nicht zu zahlen, und eine darauf gerichtete Klage ist abzuweisen (BGH, 13.07.1984 – III ZR 136/83 – AnwBl. 1985, 257; 02.07.1998 – IX ZR 63/97 – juris; vgl.  auch  BAG,  04.06.2003  – 7 ABR 42/02 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass das Zahlungsbegehren der Antragsteller schon daran scheitert, dass bis zum Tag der letzten mündlichen Anhörung am 07.08.2015 nur gegenüber der Arbeitgeberin, nicht aber gegenüber dem Betriebsrat als alleinigem Auftraggeber im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG eine ordnungsgemäße Berechnung der Gebühren und Auslagen vorgenommen wurde.

II.   Davon abgesehen liegen im Übrigen auch die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht vor.

Denn im Zeitpunkt der behaupteten Beschlussfassung am 03.02.2014 durfte der Betriebsrat die Hinzuziehung der Antragsteller nicht (mehr) für erforderlich halten.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 18.03.2015 – 7 ABR 4/13 – NZA 2015, 954; 18.07.2012 – 7 ABR 23/11 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 109; 18.01.2012 – 7 ABR 83/10 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 108; 29.07.2009 – 7 ABR 95/07 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 93) können auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig sein, wenn der Betriebsrat die Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Dabei ist der Betriebsrat allerdings gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Er darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostentragungspflicht nicht außer Acht lassen. Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder verpflichtet wären. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt namentlich bei einer offensichtlich aussichtslosen Rechtsverfolgung des Betriebsrates. Davon ist auszugehen, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrates führen muss.

Nach diesen Maßstäben scheidet hier eine Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin aus.

Insoweit folgt die Beschwerdekammer den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung unter II. 2. c der Gründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

In ihrem Schriftsatz vom 13.11.2014, S. 3, führen die Antragsteller selbst aus, dass seit Anfang 2014 der Aushang (wieder) angebracht gewesen sei, wonach der von den Gästen der Toilettenanlagen gewährte Obolus ausschließlich der Arbeitgeberin zufließt. Darauf wurde der Betriebsrat auch mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 29.01.2014 unmissverständlich hingewiesen. Wenn daraufhin der Betriebsrat nur ein paar Tage später am 03.02.2014 trotzdem noch den Beschluss fasste, wegen „vereinnahmter Trinkgelder“ letztlich ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren einzuleiten, konnte dieses Rechtsschutzziel ersichtlich von Anfang an keinen Erfolg haben. Ein Trinkgeld zeichnet sich nämlich begrifflich dadurch aus, dass es sich um eine Zahlung an einen Arbeitnehmer handelt (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GewO). Nach der erfolgten Klarstellung konnte davon ab Anfang 2014 - anders als möglicherweise im Zeitraum davor, zu dem sich die Individualrechtsstreitigkeiten verhalten haben – ersichtlich nicht mehr ausgegangen werden. Dementsprechend bestand insoweit für den Betriebsrat keinerlei Anknüpfungspunkt (mehr) für die Geltendmachung von Mitbestimmungsrechten.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen