Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom - Az: 21 Sa 1380/13

Keine ernsthafte Bewerbung - keine Diskriminierungsentschädigung

1. Einem Bewerber, der bei der Einstellung wegen eines in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Merkmals diskriminiert wird, steht eine Entschädigung zu.

2. Das Verlangen einer Entschädigung ist rechtmissbräuchlich, wenn der Bewerber an der zu besetzenden Stelle nicht ernsthaft interessiert ist, sondern sich nur beworben hat, um eine Entschädigung zu erhalten.

3. Ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit einer Stellenbewerbung ist, wenn sich ein Bewerber mit einem nichtsagenden Schreiben auf eine Stelle bewirbt, deren Anforderungen er nicht erfüllt und die nicht zu ihm passt.
(Leitsätze)

Hier: Der klagende Bewerber verfügt weder über zwei Prädikatsexamen, noch ist ersichtlich, dass er aufgrund seines Tätigkeitsprofils als breit aufgestellter Rechtsanwalt über besondere Expertise im Handels- und Gesellschaftsrechts verfügt. Soweit er angibt, er habe ausbaufähige Englischkenntnisse, erscheint auch dies angesichts des Umstandes, dass er ausweislich des von den Beklagten eingereichten Artikels, dem er nicht entgegengetreten ist, Englisch nach der 11. Klasse abgewählt und mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen hat, eher zweifelhaft. Auch dies spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

(4.) Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung, d. h. den Rechtsmissbrauch, liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Vielzahl von Entschädigungsklagen erhoben hat, ist für sich genommen noch kein ausreichender Grund für die Annahme, die Bewerbung sei nicht ernsthaft erfolgt.

(5.) Unter einem „Prädikatsexamen“ wird ganz überwiegend ein Examen mit der Note „vollbefriedigend“ und besser verstanden. Soweit in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen bereits ab der Note „befriedigend“ von einem „Prädikatsexamen‘“ bzw. einem „kleinen Prädikatsexamen“ gesprochen wird, kommt es darauf nicht an, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in einem Bundesland hat, in welchem ein anderes Verständnis überwiegt.
Hier: Der klagende Bewerber hat seine juristische Ausbildung in Bayern absolviert, wobei er beide Examina mit je 7 Punkten bestanden hat. In der Stellenausschreibung des beklagten Arbeitgebers mit Sitz in Berlin waren jedoch zwei "vollbefriedigende" Examina verlangt.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.06.2013 - 34 Ca 3498/13 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit einer Stellenausschreibung.

Der am ... 1953 geborene Kläger ist promovierter Rechtsanwalt und betreibt seit 1988 eine Rechtsanwaltskanzlei in Regensburg mit den Tätigkeitsschwerpunkten Arbeitsrecht, Arztrecht-, Arzthaftungsrecht-, Medizinrecht, Erbrecht-, Familienrecht, Forderungsbeitreibung, Mietrecht, Strafrecht und Zivilrecht. Sein erstes Staatsexamen legte er 1979 in Freiburg mit der Note „befriedigend“ (7 Punkte) und sein zweites Staatsexamen 1983 in Stuttgart ebenfalls mit der Note „befriedigend“ (7 Punkte) ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Zeugnisse (Bl. 139 ff. u. Bl. 142 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte zu 1) ist eine Rechtsanwaltssozietät und betreibt in Berlin seit mehr als zehn Jahren eine auf das zivile Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Die Beklagten zu 2) und 3) sind die Gesellschafter bzw. Teilhaber der Sozietät.

Anfang 2013 schaltete die Beklagte in Heft 4 der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) eine Stellenanzeige in der es auszugsweise wie folgt heißt:

 „Unsere namhaften, überwiegend mittelständischen Mandanten beraten wir im zivilen Wirtschaftsrecht. Schwerpunkte sind Handels- und Gesellschaftsrecht, M & A, Kartellrecht, Urheber- und Verlagsrecht, häufig mit internationalem Bezug (...).

Wir suchen insbesondere für den Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht

- einen Rechtsanwalt (m/w) Vollzeit

- einen Rechtsanwalt (m/w) Teilzeit

als Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung. Prädikatsexamen und ausbaufähige Englischkenntnisse setzen wir voraus.

Wir bieten eine herausfordernde Tätigkeit mit eigenen Gestaltungsmöglichkeiten in einem angenehmen Arbeitsklima. Ziel ist die spätere Aufnahme in die Partnerschaft.“

Wegen des weiteren Inhalts der Stellenanzeige wird auf deren Ablichtung (Bl. 5 d. A.) verwiesen. Die Stellenanzeige wurde in der Onlineausgabe am 17. Januar 2013 und in der Printausgabe am 24. Januar 2013 veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 bewarb sich der Kläger auf die in der Printausgabe veröffentlichte Stellenanzeige und fügte dem Schreiben seine Bewerbungsunterlagen bei. In dem Schreiben, welches der Beklagten zu 1) am 30. Januar 2013 zuging, führte er im Wesentlichen Folgendes aus:

 „Ich bin seit 1988 hier in Regensburg als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert. Das Wirtschaftsrecht mit den von Ihnen genannten Teilbereichen kenne ich umfänglich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Im Verlagswesen war ich sogar einige Jahre bei einer Tageszeitung angestellt.

Ausbaufähige Englischkenntnisse sind selbstverständlich.“

Wegen des weiteren Inhalts des Bewerbungsschreibens wird auf dessen Ablichtung (Bl. 6 d. A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 (Bl. 7 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe sich für einen anderen Bewerber entschieden, und sandte ihm seine Bewerbungsunterlagen zurück. Daraufhin forderte der Kläger von der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 11. Februar 2013 (Bl. 8 f. d. A.) eine angemessene Entschädigung in Höhe von 10.000,00 Euro und Schadenersatz in Höhe von 50.000,00 Euro nach § 15 AGG wegen Altersdiskriminierung. Hiergegen wandte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 21. Februar 2013 ein, die ausgeschriebene Stelle sei zum Zeitpunkt des Eingangs der Bewerbung des Klägers bereits besetzt gewesen, weshalb schon aus diesem Grund eine Benachteiligung nicht in Betracht komme. Unabhängig davon verfüge die eingestellte Kollegin über zwei vollbefriedigende Examina. Auch verstoße die Ausschreibung nicht gegen die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Formulierung „Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung“ nehme nicht Bezug auf das Lebensalter, sondern begründe sich dadurch, dass die Kanzlei selbst ausbilde. Ältere Kollegen seien hochwillkommen, z. B. solche, die aus einer Rechtsabteilung in den Anwaltsberuf wechselten. Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2013, die Stellenanzeige verstoße sehr wohl gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die besagte Formulierung nehme mittelbar Bezug auf das Lebensalter. Vollbefriedigende Examina seien nicht gefordert gewesen, sondern nur Prädikatsexamen. Die Beklagte zu 1) reagierte darauf nicht.

Mit der am 8. März 2013 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, den Beklagten am 13. März 2013 zugestellten Klage hat der Kläger die Beklagten auf Auskunft über die für die ausgeschriebene Stelle vorgesehene und tatsächlich vereinbarte Jahresvergütung sowie auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe der Jahresvergütung in Anspruch genommen und die Jahresvergütung auf etwa 60.000,00 Euro geschätzt.

Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte zu 1) bereits vor Eingang seiner Bewerbung eine Bewerberin eingestellt hat. Zudem seien zwei Stellen ausgeschrieben gewesen. Er sei für die Stellen auch objektiv geeignet gewesen. Bei einem diskriminierungsfreien Verfahren hätte er eingestellt werden müssen, da er promoviert sei und zwei Prädikatsexamina sowie jahrzehntelange Berufserfahrung habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die tatsächliche vereinbarte und darüber hinausgehende mögliche vorgesehene Jahresvergütung der NJW 2013, Heft 4 vom 24. Januar 2013 ausgeschriebenen Stelle zu erteilen;

2. die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Entschädigung und Schadenersatz in Höhe der gemäß 1. erteilten Auskunft nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, noch vor Eingang der Bewerbung des Klägers seien sie mit einer Bewerberin, Frau G., über deren Einstellung zum 15. Mai 2013 einig geworden. Frau G. habe sich bereits am 18. Januar 2013 per E-Mail auf die online veröffentlichte Stellenanzeige beworben und ihre Bewerbungsunterlagen übersandt. Am Freitag, den 25. Januar 2013, habe mit Frau G. ein Bewerbungsgespräch stattgefunden, das so überzeugend verlaufen sei, dass sie sich umgehend für sie entschieden und ihr am Montag, den 28. Januar 2013, um 15:20 Uhr per E-Mail eine Festanstellung angeboten hätten. Diese habe Frau G. noch an demselben Tag um 19:35 Uhr per E-Mail angenommen. Anders als der Kläger erfülle Frau G. auch das Anforderungsprofil. Sie habe ihr erstes Staatsexamen mit der Gesamtnote „vollbefriedigend“ (10,07 Punkte) und das zweite Staatsexamen mit der Gesamtnote „vollbefriedigend“ (9,38 Punkte) bestanden, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Ferner haben die Beklagten die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers bezweifelt, weil sich das bisherige Tätigkeitsspektrum des Klägers erheblich von den Spezialgebieten ihrer Kanzlei unterscheide und nicht ersichtlich sei, weshalb der Kläger seine Einzelpraxis für die ausgeschriebene Stelle aufgeben würde. Abgesehen davon sei die Stellenanzeige altersneutral formuliert und auch so gemeint gewesen. Als kleine spezialisierte „Anwaltsboutique“ mit langjährigen Mandanten und einem Interesse an einem organischen Wachstum, in der ein fein abgestimmtes Miteinander erforderlich sei, sei ihnen daran gelegen gewesen, einen neu hinzukommenden Kollegen bzw. eine neu hinzukommende Kollegin selbst auszubilden und auf diese Weise an die besonderen Anforderungen und Maßstäbe der Arbeitsweise und des Stiels der Kanzlei heranzuführen. Dies hänge nicht vom Alter der einzustellenden Person ab. Vielmehr habe die Stelle auch mit einem älteren Juristen oder einer älteren Juristin besetzt werden können, der oder die bisher in einem Unternehmen, in der Justiz oder in der Lehre tätig gewesen sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Klageschrift (Bl. 1 - 4 d. A.) und den Schriftsatz des Klägers vom 3. Juni 2013 (Bl. 42 - 43 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 17. Mai 2013 (Bl. 33 - 38 d. A.) und 14. Juni 2013 (Bl. 49 - 51 d. A.) nebst der jeweiligen in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

Mit Urteil vom 20. Juni 2013 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten hätten plausibel vorgetragen, dass sie sich, noch bevor die Bewerbung des Klägers eingegangen sei, mit einer anderen Bewerberin einig geworden seien und dadurch das Stellenausschreibungsverfahren beendet gewesen sei. Soweit der Kläger diesen Sachvortrag bestritten habe, handele es sich angesichts des von der Beklagten vorgelegten, wenn auch in Teilen geschwärzten E-Mail-Verkehrs vom 28. Januar 2013 um ein „Bestreiten ins Blaue hinein“. Auch der Einwand des Klägers, die Beklagten hätten eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft gesucht, führe nicht weiter. Die Beklagten hätten fest behauptet, nur einen Bewerber gesucht zu haben. Etwas anderes lasse sich auch nicht zwingend aus der Stellenanzeige herauslesen. Außerdem müssten sie sich an der Anzeige nicht festhalten lassen, weil dies nicht dem Wesen einer „invitatio ad offerendum“ entspräche. Darüber hinaus habe die Kammer angesichts der Kürze der klägerischen Einlassung zu seiner Qualifikation Anlass an der Ernsthaftigkeit seines Bewerbungsschreibens zu Zweifeln, habe sich jedoch nicht klar entschlossen, inwiefern der Kläger mit seinem Stellenprofil eines sehr breit aufgestellten Rechtsanwalts den Anforderungen der Beklagten entsprochen habe und sich tatsächlich ernsthafte Hoffnung habe machen dürften, als tauglicher Bewerber akzeptiert werden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 58 - 60 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 8. Juli 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. August 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er mit am 23. August 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger setzt sich mit dem angefochtenen Urteil auseinander und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Selbst wenn Frau G. vor dem Eingang seines Bewerbungsschreibens eingestellt worden sei, schließe dies eine Diskriminierung nicht generell aus, da einem Bewerber die Chance auf eine Einstellung auch durch eine diskriminierende Gestaltung des Bewerbungsverfahrens genommen werden könne. Die Beklagten hätten eine Bewerbungsfrist von mindestens einer Woche ab Veröffentlichung der Printausgabe am 24. Januar 2013 abwarten müssen und nicht einfach die erstbeste „junge“ Mitarbeiterin einstellen dürfen, um ggf. noch später eingehende Bewerbungen älterer Bewerber nicht mehr berücksichtigen zu müssen. Abgesehen davon sei die Stellenanzeige auch ganz eindeutig so zu lesen, dass zwei Stellen hätten besetzt werden sollen. Dies habe auch nichts meiner „invitatio ad offerendum“ zu tun, sondern mit dem Indiz einer Altersdiskriminierung, das die Beklagten nicht widerlegt hätte. Soweit das Arbeitsgericht Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung geäußert habe und das Urteil auf diesen Zweifeln beruhe, sei dies in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich. Das Diskriminierungsindiz könne nicht durch irgendwelche Zweifel, sondern nur durch eindeutige Beweise widerlegt werden. Es müsse auch nicht der Arbeitnehmer Beweis antreten, dass er ein ernsthafter Bewerber sei. Vielmehr trage umgekehrt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass es sich um keine ernsthafte Bewerbung gehandelt habe. Weiter meint der Kläger, ein Bewerber müsse nicht alle Anforderungen eines Stellenprofils erfüllen, es reiche vielmehr aus, dass er objektiv, d. h. grundsätzlich geeignet sei. Hierfür genüge die Befähigung zum Richteramt durch das erfolgreiche Bestehen beider Staatsexamen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass zu der Zeit, als er seine Staatsexamen abgelegt habe, eine Notenskala von 1 bis maximal 15 Punkte gegolten habe, weshalb zu den von ihm erzielten Punkten ein Zuschlag von 20 % hinzuzurechnen sei. Zudem sei damals wie heute ein Examen ab der Notenstufe „befriedigend“ ein Prädikatsexamen. Diesbezüglich verweist der Kläger auf Berichte des bayrischen Landesjustizprüfungsamtes. Sofern in anderen Bundesländern unter „Prädikatsexamen“ etwas anderes verstanden werde, seien die Examen jedenfalls gleichzustellen, weil die Hoheit für die Notenvergabe bekanntlich bei den Ländern liege. Die Vielzahl seiner Bewerbungen und Entschädigungsklagen lasse keinen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zu. Zwar bewerbe er sich systematisch auf Stellenanzeigen, aber nicht um sich auf Altersdiskriminierung zu berufen, sondern um eine faire Bewerbungschance zu erhalten. Diese werde ihm insbesondere von großen Firmen verwehrt, die offenbar meinten, dass für sie ein anderes Recht gelte als für alle anderen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Juni 2013 - 34 Ca 3498/13 - teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch einen Betrag von 60.000,00 Euro nicht überschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 31. Oktober 2010 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Die Beklagten halten die Berufung bereits für unzulässig, weil sich der Kläger nicht mit allen tragenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt habe. Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung u. a. auf die fehlende Qualifikation des Klägers für die ausgeschriebene Stelle als selbstständig tragenden Grund abgestellt. Weshalb das Arbeitsgericht hiervon zu Unrecht ausgegangen sei, dazu habe der Kläger in der Berufungsbegründung nichts vorgetragen. Im Übrigen verteidigen die Beklagten das angefochtene Urteil und tragen ergänzend vor, in Anbetracht dessen, dass in der Stellenanzeige keine Bewerbungsfrist vorgesehen gewesen sei und Stellenanzeigen in der NJW regelmäßig vor der gedruckten Version online veröffentlicht werden, habe der Kläger nicht darauf vertrauen dürfen, zum Zeitpunkt seiner Bewerbung überhaupt noch berücksichtigt zu werden. Aufgrund der anspruchsvollen Mandate und des entsprechend hohen fachlichen Niveaus der Tätigkeit seinen u. a. Prädikatsexamen gefordert worden. Dabei habe es sich erkennbar um eine Einstellungsvoraussetzung gehandelt. Unter „Prädikatsexamen“ seien entsprechend der üblichen Einteilung der Examensnoten bei Bewerbungsvorgängen dieser Art Examen mit der Note „vollbefriedigend“ oder besser zu verstehen. Insoweit fehle es dem Kläger schon an der objektiven Eignung für die Stelle. Ferner sei den Gesamtumständen zu entnehmen, dass der Kläger kein ernsthaftes Interesse an der Stelle gehabt habe, sondern es ihm nur darum gehe, eine Entschädigung zu erlangen. Dafür spreche der nichtssagende Inhalt des Bewerbungsschreibens, der Umstand, dass der Kläger innerhalb kürzester Zeit mindestens zwölf Entschädigungsklagen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erhoben habe, in denen er jeweils 60.000,00 Euro geltend mache, sowie dessen im Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 zum Ausdruck kommende grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Großkanzleien. Hinsichtlich der weiteren vom Kläger erhobenen Entschädigungsklagen verweisen die Beklagten u. a. auf die Ablichtung eines in der Zeitschrift „Juve“ veröffentlichten Artikels „Von Beruf: Diskriminiert“ (Bl. 122 - 127 d. A.).

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22. August 2013 (Bl. 69 - 72 d. A.), 9. Oktober 2013 (Bl. 97 - 100 d. A.) und 28. Oktober 2013 (Bl. 138 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26. September 2013 (Bl. 87 - 93 d. A.), 24. Oktober 2013 (Bl. 116 - 121 d. A.) und 29. Oktober 2013 (Bl. 145 d. A.) nebst der jeweils in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Sie muss deshalb erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen die Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts in formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG vom 13.10.2010 - 6 AZR 120/10 -, juris; vgl. auch vom 15.03.2011 - 9 AZR 813/09 -, AP Nr. 44 zu § 64 ArbGG 1979; vom 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 -, NZA-RR 2012, 599). Hat das Erstgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlich selbstständig tragenden Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung des Berufungsklägers die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BAG vom 28.05.2009 - 2 AZR 223/08 -, AP Nr. 2 zu § 520 ZPO).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, der Tatbestand einer Benachteiligung sei nicht gegeben, weil das Stellenbesetzungsverfahren bereits zu einem Zeitpunkt beendet gewesen sei, als die Bewerbung des Klägers noch nicht vorgelegen habe. Mit diesem Gesichtspunkt und den vom Arbeitsgericht angeführten Gründen hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung ausreichend auseinandergesetzt. Dies stellen auch die Beklagten nicht an Abrede.

Soweit das Arbeitsgericht darüber hinaus Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers hatte und sich „nicht klar entschlossen hat“, inwiefern der Kläger dem Anforderungsprofil der Stellenanzeige entsprach und sich „ernsthafte Hoffnungen machen wollte und durfte“, als tauglicher Bewerber akzeptiert zu werden, musste sich die Berufungsbegründung damit nicht auseinandersetzen, da das Urteil ersichtlich nicht auf diesen Erwägungen beruht. Vielmehr hat das Arbeitsgericht die angesprochenen Fragen gerade offen gelassen. Aber selbst wenn die angeführten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers für die Entscheidung tragend gewesen sein sollten, genügt die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen i. S. d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat ausgeführt, weshalb aus seiner Sicht Zweifel nicht genügen, und sich darüber hinaus darauf berufen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung bei den Beklagten liege.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat, soweit das erstinstanzliche Urteil durch die teilweise Klagerücknahme nicht gegenstandslos geworden ist, die Klage zu Recht abgewiesen. Gründe für eine abweichende Entscheidung sind nicht gegeben.

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Grundlage hierfür ist § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, der für einen Schaden, der nicht Vermögenschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vorsieht. Dem Gericht wird bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (BAG vom 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 -, AP Nr. 9 zu § 15 AGG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 60.000,00 Euro beziffert.

Soweit der Kläger den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung am 31. Oktober 2013 präzisiert hat, bestehen hiergegen keine prozessualen Bedenken.

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der im Januar 2013 in der NJW veröffentlichten Stellenanzeige gegen die Beklagten keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung. Einem solchen Anspruch steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG kann ein Bewerber, der bei einer Einstellungsentscheidung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 AGG) benachteiligt wird, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung verlangen. Zu den in § 1 AGG genannten Gründen gehört u. a. das Alter. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist die Höhe der Entschädigung auf drei Monatsgehälter beschränkt, wenn der benachteiligte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Eine Benachteiligung wegen des Alters kann nach § 3 Abs. 1 und 2 AGG nicht nur unmittelbar erfolgen, indem die Auswahlentscheidung unmittelbar an das Alter anknüpft, ohne dass dies gerechtfertigt ist, sondern auch mittelbar, indem Personen einer bestimmten Altersgruppe durch den Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sehr viel häufiger negativ betroffen sind als Personen einer anderen Altersgruppe, ohne dass dies durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Jedoch ist stets Voraussetzung, dass sich die benachteiligten und begünstigten Personen in einer vergleichbaren Situation befinden. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl das Verbot einer unmittelbaren als auch das Verbot einer mittelbaren Diskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG wegen des Alters oder eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen (vgl. BAG vom 27.01.2011 - 6 AZR 526/09 -, AP Nr. 1 zu § 17 TVöD Rz. 33; ArbG Berlin 30.07.2009 - 33 Ca 5772/09 -, NZA-RR 2010, 70 Rz. 37).

Keine vergleichbare Situation ist gegeben, wenn der übergangene Bewerber für die ausgeschriebene Stelle schon nicht objektiv geeignet war. Denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, NZA 2013, 498 Rz. 34). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern die Anforderungen, die an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden. Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt. Damit ist gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei zu entscheiden hat, wie Artikel 12 Abs. 1 GG es gebietet, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und dem Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes de facto beseitigen kann. Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürfen des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind (BAG vom 19.08.2010 - 8 AZR 466/09 -, AP Nr. 5 zu § 3 AGG Rz. 36 f.).

Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der weniger günstigen Behandlung und dem Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 38). Dabei genügt der Arbeitnehmer nach der Beweislastregel des § 22 AGG seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er Indizien vorträgt und ggf. beweist, die seine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen und ggf. bewiesenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen des Alters erfolgt ist (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 39; vom 21.06.2012 - 8 AZR 364/11 -, AP Nr. 5 zu § 22 AGG Rz. 33 m. w. N.). Gelingt dies, trägt nach § 22 AGG der Arbeitgeber Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt.

Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ist ein Entschädigungsanspruch ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass es sich um keine ernsthafte Bewerbung handelt, sondern diese nur deshalb erfolgt ist, um einen Entschädigungsanspruch zu erlangen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 61 f.). Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (BAG vom 13.10.2011 - 8 ARZ 608/10 -, AP Nr. 9 zu § 15 AGG Rz. 53 m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung, d. h. den Rechtsmissbrauch, liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 62). Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Vielzahl von Entschädigungsklagen erhoben hat, ist für sich genommen noch kein ausreichender Grund für die Annahme, die Bewerbung sei nicht ernsthaft erfolgt (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 63; vom 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 -, a. a. O. Rz. 56; vom 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 -, AP Nr. 1 zu § 82 SGB IX Rz. 52). Vielmehr kann eine Vielzahl von Entschädigungsklagen auch damit zusammenhängen, dass die betreffende Person besonders häufig diskriminiert worden ist (vgl. ErfK-Schlachter § 15 Rn. 12; Däubler/Bertzbach-Deinert, § 15 Rn. 54a). Außerdem ist niemand daran gehindert, aus seiner Sicht bestehende Rechte auszuüben (BAG vom 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 -, a. a. O. Rz. 52).

b) In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger keine Entschädigung zu.

aa) Es spricht schon viel dafür, dass der Kläger wegen seiner nur mit der Note „befriedigend“ bestandenen Staatsexamen für die ausgeschriebene Stelle bzw. die ausgeschriebenen Stellen objektiv nicht geeignet ist. Denn es ist absolut gängig bzw. üblich, dass eine auf bestimmte Fachgebiete spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit hohem fachlichem Niveau und entsprechend anspruchsvollen Mandaten zwei Prädikatsexamen als Mindestvoraussetzung für eine Einstellung erwartet. Dies entspricht auch den Anforderungen, die nach der Verkehrsanschauung an die Tätigkeit in einer solchen Kanzlei gestellt werden.

Der Kläger hat keine zwei Prädikatsexamen, sondern das erste und das zweite Staatsexamen mit jeweils 7 Punkten bestanden. Dies entspricht sowohl seinerzeit, als der Kläger seine Examen abgelegt hat, als auch nach der aktuellen Gesamtnotenskala nach § 2 der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung vom 11. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1243, zuletzt geändert durch Art. 209 Abs. 4 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866), der Note „befriedigend“ unterer Bereich. Unter einem „Prädikatsexamen“ wird jedoch ganz überwiegend ein Examen mit der Note „vollbefriedigend“ und besser verstanden (vgl. BGH vom 26.02.2007 - NotZ 45/06 -, NJW-RR 2007, 1135 Rz. 17; OVG Bremen vom 11.03.2013 - 2 B 294/12 -, NVwZ-RR 2013, 811 Rz. 30 und 33; OVG Lüneburg vom 04.12.2009 - 2 KN 906/06 -, WissR 2010, 68 Rz. 35, LAG Niedersachsen vom 09.10.2007 - 5 Sa 207/07 -, juris Rz 6; siehe dazu auch 3.1 der Studie des Soldan-Instituts für Anwaltsmanagement „Das ‚Soldan-Gründungsbarometer‘ - Berufliche Situation junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“, BRAK-Mitteilungen 2006, 55, abrufbar unter www.brak.de/fuer-anwaelte/puplikationen, sowie die Angaben bei Wikipedia unter den Stichworten „Staatsexamen“, wikipedia.org/wiki/Staatsexamen, oder „Prädikatsexamen“, wikipedia.org/wiki/Prädikatsexamen). Soweit in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen bereits ab der Note „befriedigend“ von einem „Prädikatsexamen‘“ bzw. einem „kleinen Prädikatsexamen“ gesprochen wird (siehe Nachweise bei Wikipedia unter dem Stichwort „Prädikatsexamen“, a. a. O.), kommt es darauf nicht an, weil die Beklagte zu 1) ihren Sitz nicht in einen dieser Bundesländer sondern in Berlin hat und von daher das in Berlin geltende überwiegende Verständnis maßgebend ist. Soweit der Kläger meint, die Prädikatsexamen der unterschiedlichen Begriffsdefinitionen seien einander gleichzustellen, weil die Notenvergabehoheit bei den Ländern liege, verkennt er, dass es in den einzelnen Bundesländern keine gesetzliche Definition des Begriffs „Prädikatsexamen“ gibt, sondern sich lediglich ein bestimmtes Begriffsverständnis durchgesetzt hat.

Dem Vorbringen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass er die mit zwei Prädikatsexamen üblicherweise verbundenen juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen seiner langjährigen Berufspraxis als Rechtsanwalt oder auf andere Weise erworben hat.

bb) Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1) mit der Stellenanzeige eine oder zwei Stellen ausgeschrieben hatte, ob sie eine Bewerbungsfrist von mindestens einer Woche ab Veröffentlichung der Printausgabe der Stellenanzeige hätte einhalten müssen und ob bei Eingang der Bewerbung des Klägers das Stellenbesetzungsverfahren bereits abgeschlossen war Es kann auch unentschieden bleiben, ob der Text der Stellenanzeige ein ausreichendes Indiz für eine mittelbare Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters ist, wie der Kläger meint, oder ob die Anforderung „Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung“ keinen hinreichenden Bezug zu einem bestimmten Lebensalter hat, zumindest aber durch ein legitimes Ziel i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt sowie angemessen und erforderlich ist, wie die Beklagten meinen. Denn selbst, wenn die Beklagten im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstoßen haben, steht dem Kläger keine Entschädigung zu, weil nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass er an der Stelle nicht subjektiv ernsthaft interessiert war, sondern sich nur deshalb beworben hat, um eine Entschädigung verlangen zu können.

 (1) Für eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung spricht schon der kaum aussagekräftige Inhalt des Bewerbungsschreibens.

Angesichts des nicht gerade günstigen Arbeitsmarktes für Juristinnen und Juristen mit nur durchschnittlichen Examensnoten, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein ernsthafter Bewerber alles tut, um in seiner Bewerbung ein positives Bild von seiner Person, seinen auf die ausgeschriebene Stelle bezogenen Fähigkeiten und seinem beruflichen Werdegang abzugeben, und alles unterlässt, was ein negatives oder auch nur bedenkliches Licht auf die Bewerbung werfen könnte (vgl. LAG Hamburg vom 12.01.2009 - 3 Ca 26/08 -, LAGE § 15 AGG Nr. 8 Rz. 19; LAG Berlin vom 30.03.2006 - 10 Sa 2395/05 -, NZA-RR 2006, 513 Rz. 34).

Der Kläger geht in seinem Bewerbungsschreiben mit überwiegend formelhaften, nichtssagenden Wendungen nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil ein. Er teilt mit, er habe zwei Prädikatsexamen und ausbaufähige Englischkenntnisse seien selbstverständlich. Das Wirtschaftsrecht kenne er umfänglich aus einer langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt und im Verlagswesen sei er sogar einige Jahre bei einer Tageszeitung tätig gewesen. Er äußert sich jedoch nicht konkret dazu, welche Erfahrungen und Qualifikationen er im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts hat, in welchem die ausgeschriebene Stelle angesiedelt ist, oder aus welchen anderen Gründen, er sich für die Tätigkeit für qualifiziert hält. Dem Bewerbungsschreiben ist auch in keiner Weise zu entnehmen, was ihn gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiert und weshalb er, nachdem er seit 25 Jahren als selbstständiger Rechtsanwalt tätig ist, Interesse an einer Festanstellung hat. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass auch ein ernsthafter Bewerber in einem Bewerbungsschreiben keine näheren Angaben etwa zu seiner wirtschaftlichen Situation machen würde, da er nicht sicher davon ausgehen kann, dass das Bewerbungsschreiben vertraulich behandelt wird. Jedoch wäre vom Kläger zu erwarten gewesen, dass er, sofern sein Interesse an der Stelle mit seiner wirtschaftlichen Situation im Zusammenhang steht, in das Bewerbungsschreiben einen Satz aufnimmt wie, „meine Gründe, weshalb ich nach langjähriger selbstständiger Tätigkeit in ein Angestelltenverhältnis wechseln möchte, erläutere ich Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.“ Denn ohne einen Hinweis darauf, dass es gute Gründe für einen Wechsel in ein Angestelltenverhältnis gibt, ist die Bewerbung für einen potenziellen Arbeitgeber nicht nachvollziehbar und wird schon aus diesem Grund nicht weiter in Betracht gezogen. Ferner hätte es näherer Erläuterung bedurft, weshalb der Kläger meint, den Beklagten die in der Stellenanzeige zum Ausdruck kommende erwünschte längerfristige Perspektive mit dem Ziel einer späteren Aufnahme in die Partnerschaft bieten zu können, gleichwohl er bereits 60 Jahre alt ist und in fünf bis sechs Jahren die Regelaltersgrenze erreicht haben wird.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die eingestellte Mitbewerberin Frau G. den Beklagten ihre Bewerbung mit einer aus einem Einzeiler bestehenden E-Mail (Bl. 53 d. A.) übersandt hatte. Zum einen steht nicht die Ernsthaftigkeit der Bewerbung von Frau G. in Frage. Zum anderen gibt es im Fall des Klägers gleich mehrere Einstellungshindernisse, zumindest aber Umstände, die ein bedenkliches Licht auf seine Bewerbung werfen, was bei Frau G. offensichtlich nicht der Fall war.

 (2) Letztlich hat sich der Kläger auf eine Stelle beworben, die nicht zu ihm passt und für die er nicht qualifiziert ist. Er verfügt weder - wie bereits oben ausgeführt - über zwei Prädikatsexamen, noch ist ersichtlich, dass er aufgrund seines Tätigkeitsprofils als breit aufgestellter Rechtsanwalt über besondere Expertise im Handels- und Gesellschaftsrechts verfügt. Soweit er angibt, er habe ausbaufähige Englischkenntnisse, erscheint auch dies angesichts des Umstandes, dass er ausweislich des von den Beklagten eingereichten Artikels, dem er nicht entgegengetreten ist, Englisch nach der 11. Klasse abgewählt und mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen hat, eher zweifelhaft. Auch dies spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

 (3) Auffällig ist außerdem, dass der Kläger zunächst mit Schreiben vom 11. Februar 2013 eine Entschädigung in Höhe von 10.000,00 Euro und Schadenersatz in Höhe von 50.000,00 Euro und schließlich mit der Klage eine Entschädigung in Höhe von mindestens einem Jahresgehalt bzw. 60.000,00 Euro verlangt hat, ohne nachvollziehbare Gründe für den Sinneswandel und die Höhe der jeweiligen Forderungen anzugeben. Der Hinweis in der Klageschrift, aufgrund seines Doktortitels, seiner zwei Prädikatsexamina und seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung habe er, wenn das Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei betrieben worden wäre, die Stelle erhalten müssen, entbehrt - wie oben ausgeführt - jeglicher Substanz.

 (4) Schließlich spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung der in dem Artikel in der Zeitschrift „Juve“ geschilderte Sachverhalt. Danach bewirbt sich der Kläger unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellenanzeigen, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht werden, und fordert im Fall der Ablehnung 60.000,00 Euro. Nach den Recherchen der Zeitschrift hat er bundesweit allein im Jahr 2013 16 derartige Entschädigungsklagen anhängig gemacht, wobei er zumindest in noch einem weiteren Fall die Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle offensichtlich nicht erfüllt hat.

Auch wenn allein eine Vielzahl von Entschädigungsklagen kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellt, stellt sich dies anders dar, wenn sich jemand ausschließlich auf Stellen bewirbt, die unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden sind (LAG Baden-Württemberg vom 20.03.2009 - 9 Sa 5/09 -, juris Rz. 37; LAG Hamm vom 26.06.2008 - 15 Sa 63/09 -, LAGE § 15 AGG Nr. 5 Rz. 63; ErfK-Schlachter, § 15 AGG Rn. 12). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn, dass sich der Kläger entgegen den Angaben in dem Artikel außer auf Stellenanzeigen, in denen Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit geringer Berufserfahrung gesucht werden, auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben hat, hat er selbst nicht behauptet.

 (5) Nach alledem ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger nicht ernsthaft an einer Anstellung interessiert ist, sondern sich durch die Bewerbung auf bestimmte Stellenanzeigen eine weitere Einnahmequelle erschießen will.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen