Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom - Az: 8 Sa 1655/20

Kündigung - Lehrer mit rechtsextremen Tätowierungen nicht für Schulunterricht geeignet

1. Lehrkräften obliegt nach § 3 Absatz 1 Satz 2 TV-L eine Verfassungstreuepflicht

2. Die fehlende Eignung für die Tätigkeit als Lehrkraft kann aus einem Verfassungstreuepflichtverstoß folgen

3. Die Tätowierung der Losung "Meine Ehre heißt Treue" stellt einen solchen Verfassungstreuepflichtverstoß dar.
(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 17.11.2020 - 2 (3) Ca 967/19 - abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen und damit verbunden um einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

Der am ....1983 geborene, ledige und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist diplomierter Lebensmittelchemiker.

Der Kläger stand seit 31.08.2016 in einem Arbeitsverhältnis als Lehrkraft zum beklagten Land. Die Rechte und Pflichten ergaben sich aus dem zur Akte gereichten Arbeitsvertrag vom 29.08.2016 (Blatt 336 fortfolgende der Akte) sowie aus dem Änderungsvertrag vom 30.05.2017 (Blatt 340 fortfolgende der Akte), auf die inhaltlich verwiesen wird. Gemäß § 2 Absatz 1 des Änderungsvertrages fanden auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und für das Land Brandenburg jeweils gilt, Anwendung. Der Kläger war zuletzt in die Entgeltgruppe 12 Stufe 3 TV-L eingruppiert, was einem monatlichen Betrag in Höhe von 4.421,81 € brutto entsprach. Der Kläger war im Schuldienst des beklagten Landes ein sogenannter Quereinsteiger. Er absolvierte begleitend zu seiner Tätigkeit als Lehrkraft den Vorbereitungsdienst ab 04.07.2017 für das Lehramt an den Sekundarstufen 1 und 2, im Schwerpunkt Bildungssekundarstufe 1 mit den Fächern Chemie und Biologie. Der Kläger war in der Oberschule A in H. in den Fächern Chemie, Physik und Mathematik eingesetzt.

Bis November 2019 trug der Kläger auf seinem Oberkörper folgende Tattoos: auf der rechten Brust Thors Hammer (Mjölnir) mit einer Wolfsangel bzw. Gibor-Rune, auf der linken Brust ein Sonnenrad, eine schwarze Sonne sowie eine auf dem Kopf stehende Schmetterlingsaxt, am rechten Oberarm den Schriftzug "Legion Walhalla" und auf dem linken Oberarm den Schriftzug "Odin statt Jesus", jeweils in Frakturschrift. Der Bauchbereich wird durch den Spruch "Meine Ehre heißt Treue" in Frakturschrift über dem Hosenbund ausgefüllt. Bei stark abgesenktem Hosenbund ist unter dem Wort Treue der Zusatz "Liebe Familie" zu sehen. Auf das zur Akte gereichte Foto (Anlage B2, Blatt 110 der Akte) wird verwiesen. In 2020 änderte der Kläger die Tätowierung auf seinem Bauch; über das Wort "heißt" ließ er ein dieses Wort durchstreichendes Kreuz tätowieren. Auf das zur Akte gereichte Foto wird verwiesen (Blatt 166 der Akte). Anfang 2021 ließ der Kläger alle Tattoos verändern. Über das Wort "Treue" ließ er beispielsweise eine Krone tätowieren. Auf die zur Akte gereichten Fotos wird verwiesen (Blatt 326 der Akte).

Bei einem Schulsportfest am 03.07.2018 zog der Kläger bei großer Hitze sein T-Shirt aus. Ein Lehrer machte bei dem Sportfest Fotos, auf denen u. a. der Kläger mit freiem Oberkörper zu sehen ist. Im Anschluss an das Sportfest sprachen der fotografierende und ein weiterer Lehrer den Kläger wegen der Tattoos an. Anschließend fand eine Aussprache bei dem stellvertretenden Schulleiter statt. Der Kläger verfasste unter dem 06.07.2018 eine schriftliche Stellungnahme an die amtierende Schulleiterin und den stellvertretenden Schulleiter (Blatt 134 fortfolgende der Akte). Darin versicherte er, nie eine rechte Gesinnung gehabt zu haben, niemals Mitglied einer rechten Gruppierung gewesen zu sein, geschweige denn überhaupt eine Affinität zum Rechtsextremismus gehabt zu haben und diese auch nie haben zu werden. Er versicherte, zukünftig jegliche Tätowierung an seinem Körper verdeckt zu halten. Es folgten Erklärungen zu den Tattoos schwarze Sonne und Wolfsangel. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird verwiesen.

Anlässlich einer Schulfahrt öffnete der Kläger am 15.01.2019 einer weiblichen Lehrkraft mit unbedecktem Oberkörper die Tür.

Im November 2018 erstattete der Kläger Selbstanzeige. Es erging unter dem Az. ....ein Strafbefehl zu 40 Tagessätzen zu je 50,00 € aufgrund des Tattoos "Meine Ehre heißt Treue" wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Kläger legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein. Das Amtsgericht Oranienburg verurteilte den Kläger daraufhin im Verfahren zum Az. .... zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wurde er zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im hiesigen Berufungsverfahren teilte der Kläger mit, gegen das strafgerichtliche Berufungsurteil Revision einlegen zu wollen.

Das Schulamt des beklagten Landes legte dem Verfassungsschutz des beklagten Landes das Foto vom Oberkörper des Klägers mit der Bitte um Bewertung vor. Der Staatsschutz äußerte gegenüber dem beklagten Land in einem Schreiben vom 07.02.2019, dass die Zurschaustellung der Symbole auf einen "harten Rechtsextremismus" hindeute und erhebliche Zweifel an der Treuepflicht sowie an dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestünden. Unter dem 14.03.2019 verfasste das Dezernat Staatsschutz auf das Amtshilfeersuchen des Schulamtes eine schriftliche Einschätzung der Tätowierungen auf dem Oberkörper des Klägers. In dem Schreiben gelangte der Staatsschutz zu dem Gesamtergebnis, dass sich die bewerteten Tätowierungen dem Grunde nach alle zweifelsfrei der rechten bis rechtsextremen Szene zuordnen ließen. Zwar sei es ohne die Tätowierung der Losung der ehemaligen Waffen-SS "Meine Ehre heißt Treue" grundsätzlich denkbar, dass sich die Person einzig Symbole habe tätowieren lassen, um ihre heidnischen bzw. nordischen Glaubensphilosophie darzustellen, da die bewerteten Symbole im Übrigen grundsätzlich mehrere Bedeutungen haben könnten. Im Zusammenhang mit der Losung "Meine Ehre heißt Treue" sei jedoch davon auszugehen, dass der Träger der Tätowierungen eine manifestierte rechtsextreme Meinung besitze, die sich insbesondere in den Gedanken von "arischer" (Vor)Herrschaft und Machtausübung sowie den philosophischen Gedanken der Herrschaftsrasse und des nationalsozialistisch interpretierten Sozialdarwinismus widerspiegele. Die Losung "Meine Ehre heißt Treue" lasse unweigerlich darauf schließen, dass der Träger dieser (einzeln betrachteten) Tätowierungen ein Vertreter der rechtsextremen Szene (gewesen) sei. Zuletzt wird darauf verwiesen, dass die Bildbeurteilung anhand der Symbole in Bezug auf die rechte Szene und nicht anhand der Person und dem bis dato begangenen Lebensweg beurteilt worden sei (Anlage B3, Blatt 111 der Akte).

Das beklagte Land sprach mit Schreiben vom 13.02.2019 eine erste fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus. Das Arbeitsgericht Neuruppin erachtete die Kündigung mit Urteil vom 13.06.2019 zum Az. .... als unwirksam. Die dagegen eingelegte Berufung des beklagten Landes war nur teilweise erfolgreich. Im Urteil vom 11.12.2019 zum Az. .... wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrages abgeändert und dieser abgewiesen. Es verblieb jedoch bei der Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung.

Das beklagte Land sprach unter dem 20.11.2019 eine weitere fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31.03.2020 aus (Blatt 9 folgend der Akte). Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 22.11.2019 zu. Er erhob mit Schriftsatz vom 26.11.2019, eingegangen beim Arbeitsgericht Neuruppin am 26.11.2019 und dem beklagten Land zugestellt am 29.11.2019, Kündigungsschutzklage. Das beklagte Land beteiligte den Personalrat durch Schreiben vom 13.11.2019, dort eingegangen am 14.11.2019 (Anlage B5, Blatt 117 fortfolgende der Akte). Dem Schreiben waren das Staatsschutzgutachten und das Protokoll zur Anhörung des Klägers vom 12.02.2019 beigefügt. Der Personalrat hat der beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung unter dem 20.11.2019 zugestimmt.

Das beklagte Land sprach eine dritte fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung mit Schreiben vom 30.10.2020 aus (Blatt 198 der Akte). Der Kläger erweiterte die vorliegende Klage mit Schriftsatz vom 11.11.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht Neuruppin am selben Tag und dem Beklagtenvertreter zugestellt am 12.11.2020.

Das beklagte Land verfügte am 09.08.2019 die sofortige Beendigung des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes des Klägers. Der sich dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 13.08.2019 sowie sein Antrag vom 14.08.2019 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurden im Wege einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27.11.2019 zum Az. .... (Anlage B1, Blatt 45 fortfolgende der Akte) abgelehnt. Dem Kläger sei die Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes zu versagen, da er die Erziehung der ihm anvertrauten Kinder zu verfassungsfeindlicher Einflussnahme missbrauchen könne. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte mit Beschluss vom 25.02.2020 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam (Blatt 142 fortfolgende der Akte). Es sei ein Verstoß gegen die Verfassungstreue und damit eine grobe Pflichtverletzung anzunehmen. Das Hauptsacheverfahren ist noch rechtshängig.

Der Kläger reicht eine weitere eigene Erklärung vom 21.10.2020 (Blatt 183 fortfolgende der Akte) sowie eine eidesstattliche Aussage seiner Mutter vom 14.11.2020 zur Akte (Blatt 209 der Akte).

Der Kläger hat hinsichtlich der Kündigung vom 20.11.2019 die Auffassung vertreten, die Prognoseentscheidung zu seiner fachlichen Eignung müsse zu seinen Gunsten ausfallen. Er habe sich im Schreiben vom 06.07.2018 hinreichend von den Vorwürfen distanziert. Seiner Auffassung nach könne aus den Tätowierungen nicht auf eine gegenwärtige rechtsradikale bzw. verfassungsfeindliche Gesinnung geschlossen werden. Er habe sich von solchem Gedankengut distanziert. Er sei weder früher noch aktuell politisch tätig noch der rechten Szene zugehörig gewesen. Die Tätowierungen ließen allein den Schluss zu, er habe beim Anbringen eine solche Gesinnung gehabt. Er habe jedoch auf seine Motivation für die jeweiligen Tattoos hingewiesen; diese seien ein Akt der Auflehnung gegen die Eltern und das religiöse Elternhaus. Er sehe die Tätowierungen eher im Bereich der germanischen Naturreligionen und nicht der politischen Meinungsäußerung. Sie seien kein Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Einstellung. Seine innere Haltung stehe durch sein Verhalten nach außen mit den Grundnormen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Übereinstimmung. Das bloße Vorhandensein der Tätowierungen sei nicht prägend für die gegenwärtige innere Haltung. Er habe sich ehrlich distanziert. Er habe nunmehr auch die große streitbefangene Tätowierung auf dem Bauch unkenntlich gemacht, indem er das Wort "heißt" durch ein Kreuz gestrichen habe. Die Problematik bestehe darin, dass das Lasern großflächiger Tätowierungen sehr schmerzhaft sei und unansehnliches und schmerzhaftes Narbengewebe zurückbleiben könne. Auch die Alternative einer Übertätowierung sei langwierig und schmerzhaft, welche gut geplant sein müsse.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aus dem bedeckten Tragen der Tätowierungen lasse sich nicht auf seine Gesinnung schließen, wenn dies nicht mit einem öffentlichen Zeigen einhergehe. Er habe die Tattoos weder beim Sportfest noch am 15.01.2019 offen und bewusst gezeigt. Gegenüber der Kollegin sei das Zeigen kein strafbares Verhalten gewesen.

Der Kläger hat zudem die Auffassung vertreten, ein etwaiger Verstoß gegen § 3 TV-L und die damit beabsichtigte Entfernung aus dem Dienst hätte vorher angedroht werden müssen. Ihm hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seine Tätowierungen zu entfernen, sie dauerhaft abzudecken oder sich glaubhaft zu distanzieren.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, der Ausspruch einer Abmahnung wäre ausreichend. Die Schulleitung habe es nach dem 03.07.2018 dabei bewenden lassen, mit dem Kläger entsprechende Gespräche zu führen. Ihm sei nur aufgetragen worden, die Tätowierungen zu bedecken.

Der Kläger behauptet schließlich, die Kündigungserklärungsfrist sei nicht eingehalten. Die Tätowierungen seien den Kündigungsberechtigten seit langem bekannt. Es seien keine neuen Aspekte oder Verhaltensweisen hinzugekommen. Ein Dauertatbestand liege nicht vor. Wegen des Zeigens der Tätowierungen habe das Land bereits die Kündigung vom 13.02.2019 ausgesprochen. Dies könne nicht nochmals Gegenstand einer Kündigung sein.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.11.2019 nicht zum 22.11.2019 bzw. zum 31.03.2020 aufgelöst worden ist bzw. werden wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet werden wird, sondern über den 22.11.2019 fortbesteht;

3. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu den Ziffern 1. und 2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Lehrer vertragsgemäß weiterzubeschäftigen;

4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 30.10.2020 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist oder zum 31.12.2020 aufgelöst werden wird.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, der Kläger bekenne sich über seine rechtsextremistischen Tätowierungen in der Gesamtschau nach außen dauerhaft und in besonders intensiver Weise zu seiner inneren nationalsozialistisch geprägten Haltung. Durch die Kündigung werde nicht das Zurschaustellen gerügt, sondern auf seine Ungeeignetheit als Lehrkraft abgestellt. Der Kläger gebe sich öffentlich als Anhänger des Nationalsozialismus zu erkennen. Das widerspreche dem Grundgesetz, der Verfassungsordnung des Landes Brandenburg, dem TV-L, dem Schulgesetz und dem Gelöbnis des Klägers. Sein Oberkörper sei mit einer Vielzahl assoziierungsgeeigneter Symbole versehen, weshalb nach außen seine innere Abkehr von der Verfassungsordnung dokumentiert werde. In der fehlenden Eignung liege kein steuerbares Verhalten. Es gehe nicht um die Vermeidung einer Straftat, die durch Verbergen der Symbolik erreicht werden könnte, denn dadurch würde die innere verfassungsfeindliche Haltung nicht beseitigt. Der Kläger sei aus der seiner Steuerungsfähigkeit entzogenen gesellschaftspolitischen Grundhaltung heraus nicht in der Lage, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu bekennen. Er sei nicht imstande, Schüler zu Persönlichkeiten heranzubilden, die fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit und Menschenwürde zu gestalten. Zumindest die SS-Losung erfülle einen Straftatbestand. Die beteuerte fehlende Sympathie mit nationalsozialistischem Gedankengut sei eine inhaltsleere Floskel. Es sei unglaubwürdig, dass der Kläger im Alter von 26 Jahren keine Kenntnisse vom möglichen Inhalt der Symbole gehabt habe. Ebenso wenig erkläre er, warum er bei schwerer Kindheit diese Symbole in diesem Alter gewählt habe. Das beklagte Land ist der Auffassung, das Kreuz über dem Wort "heißt" sei ein schlechter Scherz und keine Distanzierung. Hinsichtlich des Schreibens des Klägers vom 21.10.2020 hat das beklagte Land behauptet, die Angaben zum Zeitpunkt des Stechens der einzelnen Tätowierungen seien widersprüchlich. In der Erklärung könne des Weiteren keine objektiv-historische Beschäftigung mit germanischen Stämmen usw. erkannt werden. Der Kläger trage keine antichristlichen Tattoos, sondern SS-Sprüche und verfremdete Hakenkreuze. Im Gesamtkontext aller Tätowierungen genüge seine Begründung einer Abwendung vom Christentum nicht.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die fehlende Eignung sei ein Dauertatbestand. Das Bekenntnis zu nationalsozialistisch geprägter Haltung über die Tätowierungen sei ein Grund in der Person. Aufgrund der fehlenden Steuerungsfähigkeit der inneren Haltung sei der Ausspruch einer Abmahnung nicht notwendig gewesen.

Das beklagte Land hat gemeint, der Personalrat sei durch Schreiben vom 13.11.2019 ordnungsgemäß beteiligt worden.

Das beklagte Land hat schließlich die Auffassung vertreten, dem Antrag auf Weiterbeschäftigung dürfe wegen Unzumutbarkeit nicht entsprochen werden. Es handele sich um eine gravierende Vertragspflichtverletzung. Beachtet werden müsse, dass der Kläger sich nur für den Erhalt seines Arbeitsplatzes distanziere, sonst aber keine Distanzierung deutlich werde. Der Kläger habe vielmehr durchgängig die Symbole verharmlost und die Strafbarkeit der SS-Losung geleugnet. Der bisherigen Ankündigung, die Symbole weglasern zu lassen, seien keine Taten gefolgt.

Auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.2020 hat das Arbeitsgericht Neuruppin den Kündigungsschutzanträgen des Klägers stattgegeben, den Weiterbeschäftigungsantrag jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Kündigung vom 20.11.2019 ein wichtiger Grund vorliege. Der Kläger habe wesentliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis erheblich verletzt. Nicht nur das Zeigen der Tattoos im Schulumfeld, sondern bereits das "Vorhalten derselben" auf dem Körper des Klägers sei als Verstoß gegen die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Treuepflichten zu verstehen, da dadurch seine politische Gesinnung zum Ausdruck komme, die der "rechten Szene" zuzurechnen sei. Die auf dem Oberkörper des Klägers sich überwiegend noch im "Originalzustand" befindlichen Tattoos seien der rechtsextremen Szene eindeutig zuzuordnen. Die "rechte Gesinnung" offenbare sich erst recht, wenn er diese der Öffentlichkeit bei einem Schulfest - egal ob bewusst oder unbewusst - zeige. Damit sei grundsätzlich ein personenbedingter Grund gegeben. Die Kündigung sei jedoch im Ergebnis für unwirksam zu erklären, da die Interessenabwägung zu dem Ergebnis führe, dass das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiege. Der Kläger habe durch sein Schreiben vom 21.10.2020, die Erklärung seiner Mutter vom 14.11.2020 sowie seine Ausführungen im Termin nachvollziehbar bekundet, dass er weiterhin beabsichtige, auch die anderen Tattoos dauerhaft beseitigen zu lassen. Weiterhin habe er nachvollziehbar dargelegt, wie es zu den entsprechenden Tattoos gekommen sei. Das beklagte Land habe dem Kläger keine "weitergehende rechte Gesinnung" darlegen können. Es habe weder ausgeführt, dass der Kläger in rechtsextreme Strukturen eingebunden sei, sich in einschlägigen Foren im Internet bewege oder ansonsten in sozialen Medien sich derart geäußert habe, dass von einer "rechten Gesinnung" auszugehen sei. Das Arbeitsgericht ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger inzwischen verstanden habe, dass er - sofern die Tattoos nicht vollständig beseitigt seien - seinen Oberkörper nicht mehr ohne Bekleidung in der Öffentlichkeit zeigen werde; dies nicht nur bei schulischen Veranstaltungen, sondern auch während der Freizeit. Nach der zu treffenden Zukunftsprognose sei davon auszugehen, dass der Kläger seine eigentlich geschuldete Tätigkeit, nämlich die als Lehrer mit einem entsprechenden (politisch neutralen) Bildungsauftrag auch weiterhin ordnungsgemäß erfüllen werde. Gleiches gelte für die hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigung. Auch die weitere fristlose hilfsweise fristgemäße Kündigung vom 30.10.2020 beende das Arbeitsverhältnis nicht. Auch wenn die Begehung einer Straftat im öffentlichen Dienst ausreiche, um das Arbeitsverhältnis ordentlich und ggf. fristlos zu kündigen, müsse berücksichtigt werden, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg noch nicht rechtskräftig sei. Den allgemeinen Feststellungsantrag hat das Arbeitsgericht mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen. Den Weiterbeschäftigungsantrag hat es als unbegründet abgewiesen. Hierbei sei der noch nicht rechtskräftige Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens sowie des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes zu berücksichtigen, weshalb dem beklagten Land die Weiterbeschäftigung derzeit nicht zuzumuten sei.

Das beklagte Land legte gegen das ihm am 22.12.2020 zugestellte Urteil am 28.12.2020 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.03.2020 mit am 28.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz. Der Kläger legte gegen das ihm am 21.12.2020 zugestellte Urteil am 12.01.2021 Berufung ein und begründete diese mit am 22.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz.

Das beklagte Land ist der Auffassung, dem Kläger fehle die Eignung für die Beschäftigung als Lehrkraft. Die Interessenabwägung hätte durch das Arbeitsgericht anders ausfallen müssen. Das Arbeitsgericht hätte nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, wie es zu den entsprechenden Tattoos gekommen sei. Denn der behauptete Zusammenhang zwischen der Kindheit und den Wikingern bleibe nach wie im Dunkeln. Auch der zeitliche Verlauf, wie er durch den Kläger dargestellt werde, sei widersprüchlich. Seine Behauptung, die durch die Motive symbolisierte, rechte Gesinnung sei ihm nicht bewusst gewesen, stehe im Widerspruch zur Behauptung, er habe sich zu jeder Zeit davon distanziert. Nur wer etwas wisse, könne sich davon distanzieren. Das sei vom Arbeitsgericht übersehen worden. Die Bedeutung habe dem Kläger daher durchaus bewusst sein müssen. Unklar sei, auf welche Bekundungen des Klägers im Termin sich das Arbeitsgericht beziehe. Es sei nichts protokolliert worden. Die Mitteilung der Mutter enthalte nichts Entlastendes. Außerdem habe das beklagte Land die Autorenschaft bestritten. Des Weiteren hätte das Arbeitsgericht nicht annehmen dürfen, der Kläger habe nachvollziehbar bekundet, dass er weiterhin beabsichtige auch die anderen Tattoos entfernen zu lassen. Die SS-Losung auf dem Bauch sei weder unkenntlich noch dauerhaft entfernt. Das "X" sei ein Scherz. Bzgl. der anderen Tattoos habe er trotz mehrfacher Versprechungen nichts unternommen. Für die Annahme einer rechten Gesinnung sei nicht notwendig, dass der Kläger in rechte Strukturen eingebunden sei. Bereits die Tätowierungen zeigten die Ablehnung der verfassungsgemäßen Ordnung des Grundgesetzes. Aus dem Tragen seien Schlussfolgerungen auf seine Einstellung zur verfassungsgemäßen Ordnung herleitbar, denn durch die Tattoos mittels Einstechens in der Haut bekenne er sich dauerhaft und intensiv zu den Inhalten. Die getroffene Zukunftsprognose durch das Arbeitsgericht sei daher falsch und könne aufgrund der Intensität des Bekenntnisses nur zu Lasten des Klägers ausfallen. Jedenfalls beende die hilfsweise ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis. Hinsichtlich der Kündigung vom 30.10.2020 sei keine Auflage an das beklagte Land ergangen und keine Erörterung im Kammertermin erfolgt. Das Arbeitsgericht gehe von falschen Grundsätzen aus, wenn es darauf abstelle, dass die noch nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses hindere. Hingegen habe das Arbeitsgericht zum Weiterbeschäftigungsantrag zutreffend die Unzumutbarkeit der Beschäftigung angenommen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung sei zu Unrecht abgewiesen worden. Der fehlende rechtskräftige Abschluss der laufenden Verfahren rechtfertige nicht die Versagung der Weiterbeschäftigung. Das Land könne den Kläger zumutbar an anderer Stelle beschäftigen, etwa im Schulamt. Auch eine Weiterbeschäftigung als Lehrer komme in Betracht, da er auch bisher ohne abgeschlossene erforderliche Ausbildung beschäftigt worden sei. Er habe keine rechte Gesinnung nach außer getragen und sich von seinen Tätowierungen glaubhaft distanziert. Der Vortrag zur Distanzierung des beklagten Landes sei unerheblich. Ausschlaggebend sei nur, dass der Kläger sich aktuell und während des Arbeitsverhältnisses von den Inhalten distanziere. § 3 TV-L stelle nicht auf die Distanzierung zu einem vorvertraglichen Zeitpunkt ab. Es sei Sache des Arbeitgebers, das Rechtfertigungsvorbringen des Klägers zu widerlegen. Der Kläger bestreite eine nationalsozialistische Weltanschauung und Haltung, welche weder in Worten noch in Taten zum Ausdruck gekommen sei. Er habe ausführlich zu den Beweggründen für die Tattoos vorgetragen, sich glaubhaft inhaltlich distanziert und sich darum bemüht, sie unkenntlich zu machen. Das beklagte Land hingegen habe zur Frage der Motivation und Distanzierung zur rechten Szene keinen Beleg geliefert. Der Kläger verweist auf die Veränderung der Tätowierung, wonach die rechtsextrem konnotierte Symbolik nicht mehr erkennbar sei. Damit sei die Prognose einer Gefährdung durch Sichtbarwerden der Tattoos ausgeschlossen. Daraus werde auch deutlich, dass sich der Kläger von fraglichen Symbolen und deren Bedeutung aktiv distanziere, was er bereits geäußert habe. Der Kläger ist schließlich der Auffassung, die Kündigung vom 30.10.2020 beende das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch hilfsweise fristgemäß. Die Verurteilung könne nicht erneut zur Kündigung führen, weil das Zeigen der Tätowierung bereits Gegenstand der Kündigung vom 13.02.2019 gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 17.11.2020, 2 (3) Ca 967/19, das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Lehrer vertragsgemäß weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 17.11.2020 - 2 (3) Ca 967/19 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.02.2021 (Blatt 252 fortfolgende der Akte), vom 20.04.2021 (Blatt 318 fortfolgende der Akte) und vom 10.05.2021 (Blatt 327 fortfolgende der Akte) sowie die Schriftsätze des beklagten Landes vom 28.02.2021 (Blatt 281 fortfolgende der Akte) und vom 25.03.2021 (Blatt 310 fortfolgende der Akte) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat Erfolg. Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist nach §§ 8 Absatz 2, 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach §§ 8 Absatz 2, 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZP eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des beklagten Landes ist begründet. Der unter Hinweis auf §§ 13 Satz 2, 4 Satz 1, 7 KSchG nach § 256 Absatz 1 ZPO zulässige Kündigungsschutzantrag betreffs der Kündigung vom 20.11.2019 ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien.

1. Dabei gilt die Kündigung nicht bereits gemäß §§ 13 Satz 2, 4 Satz 1, 7 KSchG als rechtswirksam.

Der Kläger hat gegen die Kündigung vom 20.11.2019, ihm zugegangen am 22.11.2019, durch Schriftsatz vom 26.11.2019, eingegangen beim Arbeitsgericht Neuruppin am selben Tag und dem beklagten Land zugestellt am 04.12.2019, Kündigungsschutzklage erhoben und damit innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigungserklärung.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 20.11.2019 zum 22.11.2019 aufgelöst. Die fehlende Eignung des Klägers stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Dem beklagten Land ist die weitere Beschäftigung des Klägers unzumutbar.

a. Gemäß § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197 Rn. 39; BAG, 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rn. 15; BAG, 19.04.2012 - 2 AZR 257/11, NZA-RR 2012, 567 Rn. 13).

b. Ein offenbar gewordener Mangel an der Eignung eines Arbeitnehmers kann "an sich" einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen (BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197 Rn. 14 zur fehlenden Eignung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln).

Ein Eignungsmangel kann aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers folgen. Die Verfassungstreue ist Bestandteil des Begriffs "Eignung" in Art. 33 Absatz 2 GG (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23 unter Hinweis auf BVerfG, 08.07.1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95 und 1 BvR 2189/95, NJW 1997, 2307). Ob entsprechende Zweifel zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können, hängt entscheidend davon ab, ob diese die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers berühren. Das wiederum hängt maßgeblich davon ab, welche staatlichen Aufgaben der Arbeitgeber wahrzunehmen hat, welche Verhaltenspflichten dem Arbeitnehmer obliegen und welches Aufgabengebiet innerhalb der Verwaltung er zu bearbeiten hat (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23; BAG, 20.07.1989 - 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614).

Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind u. a. in § 3 Absatz 1 Satz 2 TV-L festgelegt. Nach dieser Regelung, die aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung hat der Kläger zudem im Zusammenhang mit seiner Einstellung abgegeben (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 25).

Allerdings folgt aus § 3 Absatz 1 Satz 2 TV-L nicht, dass allen Beschäftigten des beklagten Landes ohne Bezug zu der jeweils auszuübenden Tätigkeit - vergleichbar einem Beamten - eine Pflicht zur Verfassungstreue obliegt (vgl. grundlegend: BAG, 31.03.1976 - 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. d); BAG, 20.07.1989 - 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614; BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 26).

Die einem Beamten obliegende gesteigerte politische Treuepflicht lässt sich nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, 1641 zu C I. 7. b). Das Maß der einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht ergibt sich aus seiner Stellung und dem Aufgabenkreis, der ihm laut Arbeitsvertrag übertragen ist (sogenannte Funktionstheorie, BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 29; BAG, 20.07.1989 - 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614). Er schuldet diejenige politische Loyalität, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist.

Lehrer sind Beschäftigte, an deren Verfassungstreue wegen ihrer Tätigkeit die gleichen oder zumindest ähnlichen Anforderungen zu stellen sind wie an die von in vergleichbarer Stellung beschäftigten Beamten (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 31).

Ein Lehrer muss den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln. In öffentlichen Schulen sollen die Kinder und Jugendlichen erkennen, dass Freiheit, Demokratie und sozialer Rechtsstaat Werte sind, für die einzusetzen es sich lohnt. Hat der Lehrer selbst kein positives Verhältnis zu den Grundwerten und Grundprinzipien unserer Verfassung, kann er den ihm anvertrauten Schülern nicht das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass diese Demokratie ein verteidigungswertes und zu erhaltendes Gut ist. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein solcher Lehrer die Schüler in seinem Sinne gegen die Grundwerte unserer Verfassung beeinflusst. Die Schüler sind diesen Einflüssen meist hilflos ausgeliefert. Die Lehrtätigkeit ist deshalb eine "Aufgabe von großer staatspolitischer Bedeutung" (BAG, 31.03.1976 - 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e); BVerwG, 06.02.1975 - II C 68/73, NJW 1975, 1135 - zu II 2c der Gründe). Von dieser Erziehungsaufgabe ist der Kläger nicht deshalb entbunden, weil er in der Schule Naturwissenschaften unterrichtet. Die Vermittlung der Grundwerte der Verfassung liegt als allgemeines Erziehungs- und Unterrichtsprinzip der gesamten Tätigkeit eines Lehrers zu Grunde (BAG, 31.03.1976 - 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e).

c. Die Verpflichtung auf die Verfassung und ihre fundamentalen Prinzipien gehört zu den tragenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Diese Verfassungstreuepflicht kann auch durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt verletzt werden, wenn dadurch eine Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 13). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig sind, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 18). Die Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch "bloße" Tätowierung ist möglich. Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Köperdekorierung dar. Durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit dem Tragen einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, durch die eine mit ihr verbundene Aussage das "forum internum" verlässt. Durch eine Tätowierung erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, da das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 25). Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, ist nicht tragbar. Er dokumentiert mit dem Tragen der Tätowierungen sein dauerhaftes Bekenntnis zu dieser Anschauung und damit seine Abkehr von der Verfassungsordnung (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 26).

Dass sich die Tätowierung in einem sichtbaren Bereich des Körpers befindet, ist nicht erforderlich. Die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung ist nicht Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Treuepflicht. Tätowierungen kommt vielfach eine gruppeninterne Funktion als sichtbares Symbol geteilter Überzeugungen zu, die es Gleichgesinnten erlaubt, einander zu erkennen und sich als eine von den "anderen" abgrenzbare Gruppe zu identifizieren. Die in Tätowierungen enthaltenen Symbole werden so im Sinne einer Solidarisierung nutzbar gemacht (BGH, Beschluss vom 07.10.1998 - 3 StR 379/98, NJW 1999, 435). Soweit es sich dabei um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit nationalsozialistischem Hintergrund handelt, läuft dies auch dem Anliegen zuwider, die Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen infolge des Gebrauchs entsprechend assoziierungsgeeigneter Symbole zu hindern (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 30; BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009 - 2 BvR 2202/08, NJW 2009, 2805 Rn. 17).

Allerdings muss bei einer derartigen und nur eingeschränkt sichtbaren Betätigung der Inhalt der gelebten Auffassung von besonderem Gewicht sein, damit die in der Bejahung einer Pflichtverletzung liegende Einschränkung der Meinungsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis zur bezweckten Gewährleistung der Verfassungstreue des Beamten steht (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 31 mit Verweis auf EGMR, 26.09.1993 - 7/1994/454/535, NJW 1996, 375 - Voigt).

Das Tragen einer Tätowierung stellt eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere Pflichten verstößt. Das ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt - wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a Absatz 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht offenbart (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 54). Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht steht nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufweisen (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 55; BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008 - 2 BvR 337/08, NJW 2008, 2568 Rn. 31 und 34). Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt ist, betrifft dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn.56 unter Verweis auf VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2017 - 2 L 3279/17, BeckRS 2017, 122612 Rn. 15).

d. Vorliegend gelten für das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der angestellten Lehrkräften vergleichbare Verfassungstreuepflichten wie Beamten obliegen, die genannten Grundsätze. In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass aus dem Inhalt der Tätowierung "Meine Ehre heißt Treue" vorliegend ein Verfassungstreuepflichtverstoß des Klägers resultiert, aufgrund dessen ihm die notwendige Eignung zur Ausübung der Tätigkeit einer Lehrkraft zu versagen ist.

aa. Die Tätowierung der unter Strafe stehenden Losung "Meine Ehre heißt Treue" begründet den Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht.

Nach § 86 a StGB steht das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Bei dem Spruch "Meine Ehre heißt Treue" handelt es sich um die Losung der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) und geht auf Adolf Hitlers Satz "SS-Mann, deine Ehre heißt Treue!" aus dem Jahr 1931 zurück (https://de.wikipedia.org/wiki/Meine_Ehre_hei%C3%9Ft_Treue). Die Verwendung der Losung steht gemäß § 86 a StGB unter Strafe (Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen, Oktober 2018, S. 65; www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/die-extreme-rechte/lifestyle/gru%C3%9Fformen-und-losungen). Durch das Sichtbarmachen beim Sportfest hat der Kläger auch gezeigt, dass er sich mit dem Tattoo identifiziert.

Die Verfassungstreuepflichtverletzung wird nicht dadurch relativiert oder gar negiert, dass der Kläger sich unter das Wort "Treue" die Worte "Liebe Familie" hat tätowieren lassen. Während sich der Spruch "Meine Ehre heißt Treue" in Frakturschrift über den gesamten Bauchbereich über dem Hosenbund zieht, sind die Worte "Liebe Familie" nur bei stark abgesenktem Hosenbund sichtbar. D. h., wenn der Kläger sich mit unbedecktem Oberkörper zeigt, ist der Zusatz für Dritte nicht lesbar. Die Relativierung, die der Kläger durch den Zusatz glauben machen will, tritt daher nicht offen zutage. Hätte der Kläger eine aus Treue, Liebe und Familie zusammengehörende Botschaft transportieren wollen, hätte er eine andere Anordnung gewählt.

Das gilt unabhängig von dem Umstand, dass nach Auffassung des Gerichts die SS-Losung nicht relativiert werden kann.

Hinzu kommt, dass der Kläger nicht nachvollziehbar darzulegen vermochte, warum er die SS-Losung samt Zusatz "Liebe Familie" wählte. In seinem Schreiben vom 06.07.2018 an die Schulleiter finden sich dazu keine Ausführungen. Im Schreiben vom 21.10.2020 im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat er darauf verwiesen, das Tattoo sei ein Zeichen seiner Wehrhaftigkeit gegenüber seinem Vater und soll seinen Treueschwur gegenüber der Familie und der damit verbundenen Liebe bedeuten. Mit dieser Begründung wird nicht die Wahl einer strafbaren Losung samt einem nicht immer sichtbaren Zusatz erklärt. Der in Alltagssituationen sichtbare Teil überlagert in seiner rechtsextremen Herkunft die Losung in ihrer Gesamtheit.

Auch die Anordnung der SS-Losung auf dem Körper des Klägers spricht gegen jede Form der Relativierung. Die Anordnung der Tätowierung auf dem gesamten Bauchbereich gibt ihr eine zentrale Position. Aufgrund der Größe ist diese Tätowierung die wesentliche Botschaft des Gesamtwerks. Wegen ihrer Größe ist für den Betrachter erkennbar, dass der Träger "etwas" sagen will. Bereits daraus wird deutlich, dass durch die Gesamtheit der Tattoos keine neutrale Haltung, sondern durch die zentrale SS-Losung eine Ablehnung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes eingenommen wird. Dadurch kommt auch den kleineren Tätowierungen, die zwar jeweils für sich gesehen mehrere Bedeutungen haben können, in der Zusammenschau mit der SS-Losung eine rechtsextreme Bedeutung zu. Insoweit folgt das Gericht den Ausführungen der Abteilung Staatsschutz der Polizei.

bb. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Fall, dass der Inhalt der Tätowierungen eine Straftat ergibt, keine weitere nach außen tretende Offenbarung der verfassungsfeindlichen Gesinnung gefordert (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 57, 62). In dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall erfüllten die zu prüfenden Tätowierungen - anders als vorliegend - keinen Straftatbestand, das weitere Verhalten des Beamten war jedoch mit der Verfassungstreuepflicht nicht vereinbar.

cc. Mit dem Bundesverwaltungsgericht kommt es nicht darauf an, dass die Überzeugung des Klägers keinen (bekannten) Einfluss auf die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Übrigen hatte und es nicht zu einer konkreten Beanstandung seiner Dienstausübung gekommen ist (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 85). Die Treueverpflichtung eines Beamten - und damit auch eines Lehrers - auf die Verfassungsordnung stellt ein personenbezogenes Eignungsmerkmal dar und betrifft das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten gleichermaßen (BVerwG, 17.11.2017 - 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 85).

dd. Selbst wenn zusätzlich zur Tätowierung einer unter Strafe gestellten Losung im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine nach außen wahrnehmbare Gesinnung in Form einer Abkehr von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefordert würde, wäre diese vorliegend zu Lasten des Klägers zu bejahen. Sofern anzunehmen wäre, dass der öffentliche Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess Zweifel an der Verfassungstreue durch bestimmte, auf den Arbeitnehmer und seinen Aufgabenbereich bezogene Umstände konkretisieren müsse, so kann dafür das dienstliche und außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein, jedoch auch das persönliche Verfassungsverständnis des Arbeitnehmers und das Fehlen der Bereitschaft, sich von den verfassungsfeindlichen Zielen zu distanzieren (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 31; BAG, NJW 1990, 1196).

Würde ein solcher Nachweis einer aktuellen Gesinnung gefordert, könnte nicht auf die im Zeitpunkt des Stechens der Tattoos dem Kläger zu unterstellende verfassungsfeindliche Gesinnung allein abgestellt werden. Es müssten sich in diesem Fall im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vergleiche nur BAG, 24.03.2011 - 2 AZR 790/09, NZA 2011, 1084 Rn. 17; BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, NJW 2011, 167 Rn. 52) noch Anzeichen, für die dem Kläger zur Last gelegte verfassungsfeindliche Gesinnung finden lassen.

Eine solche Gesinnung ist nach Auffassung des Gerichts - auch - im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar. Der Kläger hat sich zu keinem Zeitpunkt bis zum Ausspruch der Kündigung vom Aussagegehalt seiner Tätowierungen hinreichend distanziert. Zwischen dem Sportfest im Juli 2018, auf dem der Kläger mit freiem Oberkörper auftrat, bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 20.11.2019 liegen ca. ein Jahr und vier Monate. In diesem Zeitraum ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich mit dem Aussagegehalt seiner Tätowierungen hinreichend auseinandergesetzt und im Nachgang distanziert hätte. Vielmehr hat er sich auf die fehlende Strafbarkeit berufen. Soweit der Kläger auf sein Schreiben an die damalige Schulleitung und stellvertretende Schulleitung vom 06.07.2018 verweist, findet sich in diesem, dass er einen Bezug zur Zugehörigkeit zum Rechtsextremismus vehement bestreite. Er versichere, nie eine rechte Gesinnung gehabt zu haben, niemals Mitglied einer rechten Gruppierung gewesen zu sein, geschweige denn überhaupt eine Affinität zum Rechtsextremismus gehabt zu haben und diese auch nicht haben werde. In der Folge setzt er sich hinsichtlich der Tätowierungen im Einzelnen nur mit der Schwarzen Sonne und der Wolfsangel auseinander. Ausführungen zum Inhalt und zum bezweckten Aussagegehalt des Spruchs "Meine Ehre heißt Treue" finden sich in diesem Schreiben beispielsweise nicht.

Der Kläger ist auch in der Folgezeit vehement trotz Einführung der Stellungnahme der Abteilung Staatsschutz der Polizei in den Prozess zur Kündigung vom 13.02.2019 als auch vor dem Hintergrund des Erlasses des Strafbefehls bei seiner Auffassung geblieben, er habe keine verfassungsfeindliche Gesinnung. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund des Gehalts und der Herkunft der SS-Losung nicht ausreichend, um eine Distanzierung anzunehmen.

Diese Aussage ist auch nicht glaubhaft. Der Kläger konnte an keiner Stelle erläutern, warum er - die familiären Probleme während seiner Jugend unterstellt - diese Losung gewählt hat. Dass der Kläger über deren eigentliche Bedeutung, wie er behauptet, im Zeitpunkt des Stechens im Unklaren gewesen sein soll, ist für eine Person mit Mitte 20 nicht glaubhaft. Der Kläger hat Lebensmittelchemie studiert; er muss daher über die allgemeine Hochschulreife verfügen. Der Kläger hat sich auch in der Verhandlung durchaus eloquent und gut informiert präsentiert. Nach den Angaben des Klägers sind die Tätowierungen ab dem 18. bis zum 24. bzw. 26. Lebensjahr gestochen worden. Das ist ein so erheblich langer Zeitraum, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich in dieser Zeit, insbesondere vor dem Stechen jeden neuen Tattoos, eine Auseinandersetzung mit den Inhalten und gerade auch der Aussage des Gesamtwerkes erfolgte. Was bei einer fortgesetzten Verbildlichung der inneren Botschaft gegen eine manifestierte, verfassungsfeindliche Gesinnung sprechen könnte, ist nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung diesen Zeitraum als adoleszente Verirrung versucht hat darzustellen, könnte dem nur insoweit gefolgt werden, dass jedem Menschen in einem bestimmten Alter Fehlentscheidungen und Fehleinstellungen nachgesehen werden müssen, wenn sodann später eine hinreichende Auseinandersetzung und vor allem Distanzierung zu dieser Fehlentscheidung deutlich wird. Selbst wenn aber zu Gunsten des Klägers das Stechen der Tätowierungen als adoleszente Verirrung eingestuft werden könnte, ergebe sich die mangelnde Eignung aus der fehlenden verfassungszugewandten Haltung aufgrund mangelnder sichtbarer Distanzierung und Auseinandersetzung seit den ersten Gesprächen mit der Schulleitung im Anschluss an das Sportfest über die Anhörung zur ersten Kündigung samt dem folgenden Kündigungsschutzprozess bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung - wie auch vor dem Arbeitsgericht Neuruppin - darauf verwiesen hat, dass er weiterhin beabsichtige, die Tattoos entfernen zu lassen, dass er nachvollziehbar dargelegt habe, wie es zu den entsprechenden Tattoos gekommen sei und verstanden habe, dass das beklagte Land derartige Tattoos nicht billigen könne, hat das auf den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, keine entscheidungserhebliche Bedeutung. Der Arbeitgeber hat im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann oder nicht.

Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die gerichtliche Beurteilung einer verhaltensbedingten Kündigung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, NJW 2011, 167 Rn. 53 mit weiteren Nachweisen).

Es kann offenbleiben, ob diese Grundsätze auf die Beurteilung einer personenbedingten Kündigung zu übertragen sind. Auch bei Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers nach Ausspruch der Kündigung ergebe sich vorliegend keine andere Beurteilung. Das Streichen des Wortes "heißt" konnte das beklagte Land zu Recht als nicht ernsthaften Versuch werten, die Aussagekraft der SS-Losung zu beheben bzw. zu ändern. Auch der Zeitpunkt zwischen den Verhandlungen im Verfahren zur Kündigung vom 13.02.2019, in denen dem Kläger nach eigener Mitteilung mehrfach das Unverständnis darüber mitgeteilt wurde, warum er nicht schon längst einzelne Tätowierungen habe weglasern lassen, und dem Zeitpunkt des Übertätowierens im Folgeprozess, lassen nicht auf eine bedingungslose Hinwendung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung schließen, die bei Einsicht, dass die bisherige Haltung nicht tragbar sei, ohne Zögern umgesetzt worden wäre.

Damit folgt aus der fehlenden Verfassungstreue die fehlende Eignung des Klägers für die Ausübung der Tätigkeit als Lehrkraft und damit ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

e. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des beklagten Landes an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Es sind keine überwiegenden Interessen auf Seiten des Klägers erkennbar, die eine Weiterbeschäftigung seiner Person bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar hätten erscheinen lassen. Das Arbeitsverhältnis als Lehrkraft bestand seit Ende August 2016 und damit im Zeitpunkt des Ausspruchs der ersten streitgegenständlichen Kündigung etwas mehr als drei Jahre. Das ist eine verhältnismäßig noch nicht lange Zeit. Das Arbeitsverhältnis kann seit Juli 2018, seit dem Vorfall auf dem Sportfest, als nicht mehr unbeanstandet betrachtet werden, auch wenn zunächst von Seiten der ehemaligen Schulleitung kein weiterer Handlungsbedarf gesehen worden ist. Zu Gunsten des Klägers kann auch nicht berücksichtigt werden, dass er berufsbegleitend den Vorbereitungsdienst absolvierte. Trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Vorbereitungsdienstes ist der Kläger bereits diplomierter Lebensmittelchemiker und kann dort Einsatzmöglichkeiten suchen.

Demgegenüber wiegt das Interesse des beklagten Landes schwer, eine ungeeignete Lehrkraft aufgrund fehlender Verfassungstreue sofort nicht mehr zu beschäftigen. Dies entspricht bereits dem Lehrauftrag, den Lehrer gegenüber den Schülern nach dem Brandenburgischen Schulgesetz ausüben sollen. Für eine zumutbare Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist spricht auch nicht, dass das beklagte Land den Kläger nach Unterliegen in erster Instanz mit der Kündigung vom 13.02.2019 im Schulamt beschäftigt hat. Der Kläger ist nach dem Arbeitsvertrag als Lehrkraft eingestellt. Die Beschäftigung erfolgte in Abwendung der Zwangsvollstreckung. Auch wenn der Kläger im Schulamt nicht in direkten Kontakt zu Schülern treten würde, stellt die Beschäftigung dort auch ein Amt im Bereich des öffentlichen Dienstes dar, für welches Verfassungstreue zu fordern ist. Der Grad der fehlenden Eignung spricht zudem vergleichbar der Schwere des Verschuldens im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung gegen eine Zumutbarkeit. Es handelt sich vorliegend um eine Art Eignungsmangel, bei dem es nicht darauf ankommt, ob es in der Vergangenheit zu Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gekommen ist. Der pädagogische Auftrag, der der Schule gegenüber den Schülern obliegt, führt hier dazu, dass keine Anhaltspunkte für eine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis gefordert werden müssen, um zu einer Unzumutbarkeit zu kommen (wie im wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Beihilfe verurteilten Sachbearbeiter "Leistungsgewährung im Bereich SGB II" nach BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197). Die unreflektierte Haltung des Klägers durch Zeigen seines Oberkörpers beim Sportfest und gegenüber der Kollegin auf der Klassenfahrt sowie die unzureichende Auseinandersatzung in der Folgezeit mit dem Aussagehalt seiner Tätowierungen bis zum Ausspruch der Kündigung sprechen hier für ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes an der Nichtbeschäftigung.

Durch das beklagte Land war vor Ausspruch der Kündigung keine Abmahnung auszusprechen.

Sofern davon ausgegangen wird, dass bei personenbedingten Kündigungen in den Fällen, in denen der Eignungsmangel aus willensgesteuertem Verhalten abgeleitet wird, das Erfordernis der Abmahnung auch durch das Prognoseprinzip gefordert sein kann (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 17.04.2012 - 5 Sa 191/11, BeckRS 2012, 74634), ergibt sich vorliegend dennoch keine Notwendigkeit des Ausspruchs einer vorherigen Abmahnung.

Es handelt sich vorliegend um einen derart erheblichen Eignungsmangel, wie er sich aus dem Inhalt der Tätowierungen ergibt, dass der Ausspruch einer Abmahnung im vorliegenden Fall entbehrlich war. Der Verfassungstreuepflichtverletzung kommt ein derartiges Gewicht zu, dass der Kläger - vergleichbar den Grundsätzen eines Abmahnungserfordernisses vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung (BAG, 18.09.2008 - 2 AZR 827/06, NZA-RR 2009, 393 Rn. 33) - nicht damit hat rechnen können, dass der Dienstherr eine solche Einstellung tolerieren würde, weshalb er darauf hätte vorab hingewiesen werden müssen. Des Weiteren ist dem Kläger durch den Ausspruch der Kündigung vom 13.02.2019, das eingeführte Staatsschutzgutachten, und die Stellungnahmen im Verfahren zur Kündigung vom 13.02.2019 durch das beklagte Land bereits hinreichend verdeutlicht worden, wie der Inhalt seiner Tätowierungen gewertet wird. Das Verhalten des Klägers lässt demgegenüber auf einen manifesten Eignungsmangel schließen, da eine glaubhafte Distanzierung bis zum Zugang der Kündigungserklärung nicht ansatzweise sichtbar wurde und für die Zukunft keine hinreichende Zuwendung zur Verfassung zu erwarten war.

f. Die Kündigung erweist sich auch nicht wegen fehlender Wahrung der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Absatz 2 Satz 1 BGB als unwirksam. Es handelt sich bei der fehlenden Eignung um einen Dauertatbestand.

aa. Gemäß § 626 Absatz 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Absatz 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzten soll oder nicht (BAG, 01.06.2017 - 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332 Rn. 61; BAG, 20.10.2016 - 6 AZR 471/15, NZA 2016, 1527 Rn. 51; BAG, 16.07.2015 - 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161 Rn. 54).

Keine Frist ist bei Dauertatbeständen zu wahren. Für Dauertatbestände ist kennzeichnend, dass es sich dabei nicht um einen in der Vergangenheit liegenden, bereits vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalt handelt, sondern, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend bis zum Kündigungszeitpunkt neu verwirklichen (vergleiche nur BAG, 28.6.2018 - 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rn. 35). Zu unterscheiden ist danach zwischen fortdauernden wichtigen Gründen und solchen Tatbeständen, die bereits abgeschlossen sind, aber noch fortwirken.

bb. Entsprechend der vorgenannten Definition ist die fehlende Eignung ein solcher Dauertatbestand.

Die sich aus dem Inhalt der Tätowierungen ergebende innere Einstellung und die damit einhergehende Ungeeignetheit aufgrund fehlender Verfassungstreue verwirklicht sich jeden Tag neu. Denn der Kläger ist Träger der Tätowierung und präsentiert damit fortdauernd seine Ablehnung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes. Die Unzumutbarkeit des Arbeitsverhältnisses wird fortwährend aufs Neue manifestiert.

Entgegen der Rüge der Klägerseite hat das beklagte Land vorliegend die Kündigung auch nicht zu einem Zeitpunkt seines Beliebens ausgesprochen. Vielmehr war der Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung der Erkenntnis geschuldet, dass das beklagte Land mit dem Ausspruch der Kündigung vom 13.02.2019 keinen Erfolg haben werde. Auch wenn dem Kläger zuzugeben ist, dass bereits während des ersten Kündigungsschutzverfahrens während dessen gesamter Dauer die fehlende Eignung bekannt war, war dieser Grund nicht Anlass für den Ausspruch der ersten Kündigung und kann deshalb die zweite Kündigung stützen.

3. Die Kündigung erweist sich auch nicht wegen fehlerhafter Beteiligung des Personalrats als rechtsunwirksam.

Der Personalrat ist mit Schreiben vom 13.11.2019 umfassend über die Kündigungsgründe unterrichtet worden. Dem Anhörungsschreiben waren das Schreiben der Abteilung Staatsschutz der Polizei und das Protokoll der Anhörung des Klägers vom 12.02.2019 beigefügt. Im Anhörungsschreiben nimmt das beklagte Land zur fehlenden Eignung des Klägers Stellung. Der Personalrat hat der außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung unter dem 20.11.2019 zugestimmt.

Der Kläger hat nach der Darlegung des Ablaufs und des Inhalts der Beteiligung keine weiteren substantiellen Einwendungen erhoben.

Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung vom 20.11.2019 fielen weder die hilfsweise ordentliche Kündigung noch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30.10.2020 zur Entscheidung an.

III.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist unbegründet. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 20.11.2019 steht ihm nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu (BAG (GS), 27.02.1985, GS 1/84).

B.

Die Pflicht zur Kostentragung auf Seiten des Klägers folgt hinsichtlich der Unbegründetheit seiner Berufung aus § 97 Absatz 1 ZPO und im Hinblick auf das Unterliegen mit seiner Klage im Übrigen aus § 91 Absatz 1 ZPO.

C.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht ersichtlich. Das Gericht weicht weder von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesarbeitsgerichts, einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg oder anderer Landesarbeitsgerichte in einer Rechtsfrage ab. Es handelt sich auch im vorliegenden Fall um keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Parteien werden auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen, § 72 a ArbGG.



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