Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Urteil vom - Az: 5 Sa 106/12

Kündigung wegen Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch während bestehender Arbeitsunfähigkeit

1. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet. Das bedeutet aber nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten hat, oder jedenfalls die eigene Wohnung nicht verlassen sollte. Vielmehr ist auf die je vorliegende Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

2. Ein von einem Arbeitnehmer gezeigter Abkehrwille rechtfertigt nicht ohne weiteres die Kündigung. Solange der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann es ihm grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einem anderen Arbeitsfeld umschaut. Artikel 12 Grundgesetz (GG) gewährt dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl (Preis in Staudinger § 626 BGB Randnummer 126). Eine Kündigung kann daher allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zu Gunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - NZA 2008, 1415) oder wenn der Arbeitgeber die Chance hat, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen (BAG 22. Oktober 1964 - 2 AZR 515/63 - AP Nr. 16 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

3. In den Fällen einer betriebsbedingten Kündigung, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, kann die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - DB 2012, 2402 = NZA 2012, 1223; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - AP Nr. 186 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61 = AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen würde oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 24. Mai 2012 aaO; BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852).
(Leitsätze)

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug inzwischen nur noch um die Frage, ob die arbeitgeberseitige außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22. August 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat.

Der Kläger steht seit dem 1. April 2010 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten als Abteilungsleiter Reha-Technik zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5.500,00 Euro. Außerdem steht ihm ein Dienstwagen, den er auch privat nutzen darf, zur Verfügung. Der zwischen den Parteien vereinbarte Arbeitsvertrag vom 19. Januar 2010, wegen dessen Wortlaut und Inhalt im Einzelnen auf Blatt 5 bis 7 der Akte Bezug genommen wird, lautet auszugsweise:

 „§ 1 Tätigkeitsgebiet

1. Der Mitarbeiter wird mit Wirkung ab dem 01. April 2010 als leitender Angestellter für den Aufgabenbereich Leitung, Entwicklung und Controlling im Sanitätsfachhandel, Orthopädietechnik, Schuhorthopädietechnik, Rehatechnik sowie der dazugehörenden Kostenstellen, im Einzugsbereich Mecklenburg / Vorpommern beschäftigt.

...

5. Direkter Vorgesetzter des Mitarbeiters ist der Geschäftsführer der Gesellschaft.

§ 2 Prokura

Dem Mitarbeiter kann nach einer Einarbeitungszeit von 6 Monaten Prokura in Form der Gesamtprokura erteilt werden. ... Erfolgt keine Erteilung der Prokura, durch die Gesellschafterversammlung, entsteht ersatzweise, ohne dass dies einer neuen gesonderten Vereinbarung bedarf, ein reguläres unbefristetes Arbeitsverhältnis. Es gelten somit die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag, ohne Prokura. ...

§ 9 Kündigung

1. Der Dienstvertrag kann von jeder Partei mit einer Frist von 1 Monat gekündigt werden. Nach einer Vertragsdauer von 1 Jahre verlängert sich die Kündigungsfrist auf 2 Monate und nach 2 Jahren auf 3 Monate zum Quartalsende.

...“

Von der in § 2 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Möglichkeit der Erteilung einer Prokura an den Kläger ist kein Gebrauch gemacht worden, der Kläger ist weder zur Vertretung der Beklagten noch zur Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern befugt.

Im Frühjahr 2011 hatte es in direktem Kontakt zwischen dem Kläger und dem Alleingesellschafter der Beklagten, dem Vater des Geschäftsführers der Beklagten, Gespräche darüber gegeben, ob man die Geschäftsführerposition dem Kläger übertragen solle. Die Gespräche endeten ohne Einvernehmen.

Ebenfalls in der ersten Jahreshälfte 2011 ist der Dienstwagen des Klägers auch von weiteren Mitgliedern der Familie des Klägers benutzt worden. Zwischen den Parteien herrscht Streit, ob der Kläger mit dieser Gestattung Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat.

Unter dem Datum des 13. Juli 2011 erhielt der Kläger eine "personenbedingte Abmahnung", die der Kläger mit seiner am 22. August 2011 bei Gericht eingegangenen Klage angegriffen hat. Hier wird ihm vorgeworfen, er habe sich nicht mit dem nötigen Nachdruck und zusätzlich verspätet darum bemüht von seinem untergebenen Mitarbeiter Herrn K. in Erfahrung zu bringen, ob dessen Arbeitsunfähigkeit auf ein schuldhaftes Verhalten Dritter zurückgeführt werden könne.

Der Kläger hatte sich bereits Ende Mai 2011 auf eine in der O.-Zeitung ausgeschriebenen Position des Geschäftsführers der städtischen "A. gGmbH" beworben. Da er zu den aussichtsreichen Kandidaten gehört hatte, wurde der Kläger gebeten, sich bei der Bürgerschaft der Hansestadt vorzustellen. Am 22. August 2011 hat sich der Kläger in der Bürgerschaft vorgestellt, worüber die Presse am Folgetag berichtet hatte. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer Krankschreibung, die für die Zeit vom 8. August 2011 bis zum 24. August 2011 reichte, arbeitsbefreit.

Daraufhin hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger unter dem Datum des 22. August 2011, dem Kläger zugegangen am Folgetag, außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt (Kopie der Kündigung ist als Anlage K 6 zur Akte gereicht worden, hier Blatt 28). Diese Kündigung greift der Kläger mit seiner am 26. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung zu seiner Abmahnungsklage an. Dabei hatte er auch noch Zahlungsansprüche für die Zeit vor Ausspruch der Kündigung geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang mit seinem Urteil vom 7. Februar 2012 entsprochen. Auf dieses Urteil wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Das Urteil ist der Beklagten am 2. April 2012 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vom 30. April 2012 ist beim Landesarbeitsgericht per FAX am 2. Mai 2012 eingegangen und nach einem hier am 29. Mai 2012 eingegangenen und bewilligten Fristverlängerungsantrag innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.

Der Beklagte hat im Berufungsrechtszug nur noch die Abweisung des Abmahnungsentfernungsantrages, des Kündigungsschutz- und des Weiterbeschäftigungsantrages begehrt; in dem weiteren Punkt der Zahlung ist das arbeitsgerichtliche Urteil in Rechtskraft erwachsen. Im weiteren Verlauf des Berufungsrechtszuges hat sich der Kläger von dem streitigen Arbeitsverhältnis im März 2012 nach § 12 KSchG losgesagt. Dementsprechend haben die Parteien den Streit um die Berechtigung der Abmahnung und die Weiterbeschäftigung in der Hauptsache für erledigt erklärt, so dass nur noch in Streit steht, ob das Arbeitsverhältnis durch die streitige Kündigung oder erst durch die Lossagung des Klägers mit Ablauf des 13. März 2012 beendet wurde.

Die Beklagte hält daran fest, dass die Kündigung vom 22. August 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat. Ihr lägen sowohl personen- als auch verhaltensbedingte und auch betriebsbedingte Gründe zugrunde.

Zur Kündigung trägt die Beklagte vor, der Kläger sei leitender Angestellter im Sinne des § 14 Absatz 2 KSchG. Im Einzelnen sei die Kündigung damit begründet, dass das dem Kläger zur persönlichen Privatnutzung zur Verfügung gestellte Fahrzeug von der "gesamten Familie des Klägers ohne Zustimmung der Beklagten auch während der beruflichen Abwesenheit des Klägers" genutzt worden sei. Da der Kläger "fortgesetzt und gravierend" gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen habe, sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem nicht geschäftsführenden Alleingesellschafter einerseits und dem Kläger andererseits nachhaltig und endgültig zerstört.

Die Bewerbung des Klägers um die Position des Geschäftsführers der "A. gGmbH" stelle ein illoyales Verhalten dar, dass die Kündigung ebenfalls begründe. Des Weiteren habe der Kläger sich im Frühjahr des Jahres 2011 ohne Aufforderung bei dem Alleingesellschafter der Beklagten um die Geschäftsführerposition derselben beworben. Zudem sei der Kläger seinen Aufgaben als leitender Angestellter nicht nachgekommen, da er diesen nicht gewachsen sei. Die Zusammenarbeit mit anderen leitenden Mitarbeitern der Beklagten habe sich als "äußerst schwierig" gestaltet.

Schließlich trägt die Beklagte vor, die Kündigung des Klägers liege auch in einer unternehmerischen Entscheidung begründet. Hierzu beruft sie sich auf einen von ihr vorgetragenen Beschluss vom 22. August 2011, nach dem die unternehmerische Entscheidung getroffen worden sei, den Bereich Sanitätsfachhandel, Orthopädietechnik, Schuhorthopädietechnik und Reha-Technik direkt dem Geschäftsführer der Beklagten zu unterstellen und die Position eines leitenden Angestellten für diesen Bereich abzuschaffen. Die Beklagte trägt hierzu vor, eine derartige unternehmerische Entscheidung habe nicht der Zustimmung des Alleingesellschafters der Beklagten bedurft, sie habe auch durch den Geschäftsführer der Beklagten allein getroffen werden dürfen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils in Punkt 2 die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Hierzu bestreitet er das Vorliegen von Gründen. Darüber hinaus trägt er vor, er sei kein leitender Angestellter im Sinne des § 14 KSchG. Der Kläger bestreitet zudem den Vortrag der Beklagten, er habe seiner Familie die Nutzung des ihm überlassenen Kraftfahrzeuges gestattet. Er habe lediglich in zwei Fällen seiner Tochter das Führen das Fahrzeuges gestattet, wobei er sich einmal von ihr zu einer ambulanten Darmspiegelung habe fahren lassen, ein anderes Mal habe seine Tochter in einem Einkaufszentrum Blumen für ihren bevorstehenden Geburtstag abgeholt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Wahrnehmung des Vorstellungstermins bei der Bürgerschaft der Hansestadt A-Stadt am 22. August 2011 stelle keinen Kündigungsgrund dar. Hintergrund der Krankschreibung sei der Umstand gewesen, dass der Kläger sich im rechten Arm einen Nerv eingeklemmt habe und diesen Arm nicht habe bewegen können, was sich weder auf den kurzzeitigen Vorstellungstermin in der Bürgerschaft, noch auf die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was einer schnellen Genesung zuwiderlaufe, auswirke.

Soweit die Beklagte dem Kläger vorwerfe, er habe sich im Frühjahr 2011 bei ihrem Alleingesellschafter um die Geschäftsführerposition beworben, und hierbei "Bedingungen" gestellt, sei dies nicht zutreffend und würde im Übrigen keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen. Darüber hinaus bestreitet der Kläger, "seinen Aufgaben nicht gewachsen" zu sein und dass die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern sich als "äußerst schwierig" gestalte, dieser Vortrag sei unsubstantiiert und nicht einfassungsfähig.

Der Kläger bestreitet die von der Beklagten vorgetragene unternehmerische Entscheidung zum Wegfall seines Arbeitsplatzes sowie den Wegfall eines Beschäftigungsbedarfs. Auch dieser Vortrag der Beklagten sei unkonkret.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, denen sich das Berufungsgericht ausdrücklich anschließt, der Kündigungsschutzklage entsprochen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

I. Soweit die Kündigung vom 22. August 2011 als eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, mangelt es an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB.

Nach § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden - hier der Beklagten - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Das kann hier nicht festgestellt werden.

§ 626 Absatz 1 BGB ist nur erfüllt, wenn ein Anlass zur Kündigung vorliegt, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen, wenn es keine mildere Alternative zu der Kündigung zur Behebung des Problems gibt und wenn im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung kein Überwiegen der für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses streitenden Interessen festgestellt werden kann.

Vorliegend mangelt es bereits an einem Grund, der an sich geeignet wäre, die Kündigung zu rechtfertigen. Selbst wenn man einzelne klägerische Verfehlungen als grundsätzlich zur Begründung der Kündigung geeignet ansehen würde, scheitert die Kündigung an dem Umstand, dass es auch andere Lösungen gegeben hätte, die das Problem der Beklagten ohne Ausspruch einer Kündigung behoben hätten.

1. Nach der Lage des Rechtsstreits zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger sich durch seine Vorstellung in der Bürgerschaft der Hansestadt A-Stadt während seiner Arbeitsunfähigkeit am 22. August 2011 nicht pflichtwidrig verhalten.

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet. Das bedeutet aber nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten hat, oder jedenfalls die eigene Wohnung nicht verlassen sollte. Vielmehr ist auf die je vorliegende Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

Im vorliegenden Falle hat der Kläger, was von der Beklagten nicht bestritten wurde, während der hier streitigen Arbeitsunfähigkeit an einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms gelitten, die auf einen eingeklemmten Nerv zurückzuführen war. Der Kläger trägt ohne Widerspruch der Beklagten vor, ärztlicherseits sei ihm nur angeraten worden, den rechten Arm nicht zu belasten. Damit ist nicht erkennbar, weshalb es dem Kläger verboten sein sollte, sich in der Bürgerschaft der Hansestadt während der Arbeitsunfähigkeit für den von ihm angestrebten Posten vorzustellen.

In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Kammervorsitzende angemerkt, dass möglicherweise der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen des öffentlichen Auftritts des Klägers während seiner Krankschreibung erschüttert sein könnte. Ob die dafür vorliegenden Indizien ausreichen, kann für das Urteil dahinstehen, denn der Kläger hat daraufhin seine Behauptung der Erkrankung unter Hinweis auf die medizinischen Ursachen aufrechterhalten und den ihn behandelnden Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Die insoweit beweisbelastete Beklagte hat diese Chance nicht genutzt, um den Nachweis zu führen, dass tatsächlich gar keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.

Der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft während seiner Arbeitsunfähigkeit kann daher weder als genesungswidriges Verhalten noch als Arbeitsverweigerung gewertet werden.

2. Der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft und die damit in Zusammenhang stehenden Umstände können die Kündigung auch nicht unter anderen Gesichtspunkten rechtfertigen.

Da der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft dem Umstand geschuldet war, dass sich der Kläger auf eine andere Stelle in leitender Position beworben hatte, hat das Gericht auch geprüft, ob die Kündigung unter dem Gesichtspunkt des Abkehrwillens begründet sein könnte. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Willens des Arbeitsnehmers zur Abkehr vom Arbeitsverhältnis liegen jedoch nicht vor.

Ein von einem Arbeitnehmer gezeigter Abkehrwille rechtfertigt nicht ohne weiteres die Kündigung. Solange der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann es ihm grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einem anderen Arbeitsfeld umschaut. Artikel 12 Grundgesetz (GG) gewährt dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl (Preis in Staudinger § 626 BGB Randnummer 126). Eine Kündigung kann daher allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zu Gunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - NZA 2008, 1415) oder wenn der Arbeitgeber die Chance hat, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen (BAG 22. Oktober 1964 - 2 AZR 515/63 - AP Nr. 16 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

Beides liegt hier nicht vor.

a) Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen das Gericht schließen könnte, der Kläger habe seine Pflichten im Verhältnis zur Beklagten aus Anlass der Umschau nach einem neuen Arbeitgeber vernachlässigt.

Soweit die Beklagte dies aus dem vom Kläger vorgelegten Mail-Verkehr (Anlage K 3, hier Blatt 9 ff) folgern will, ist diese Folgerung nicht schlüssig. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe dienstliche Mails an seine private Mailadresse übermittelt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich innerlich bereits von der Beklagten verabschiedet habe. Es ist sicherlich nicht korrekt, dienstliche Mails ohne Genehmigung oder jedenfalls ohne Unterrichtung des Arbeitgebers zu eigenen Zwecken zu nutzen. Allerdings darf bei der Bewertung dieses Versäumnisses nicht der Zusammenhang außer Acht gelassen werden. Denn der Kläger hat die auf sein Privatkonto kopierten Mails an seinen Prozessbevollmächtigten zur Vorbereitung der Abmahnungsklage weitergeleitet. Denn aus diesen Mails hat die Beklagte abgeleitet, dass sich der Kläger in der Angelegenheit des Kollegen K. nicht ausreichend bemüht habe. Der Rechtsanwalt benötigte diese Unterlagen also, um den Kläger überhaupt zu verstehen und um die klägerischen Argumente in der Klageschrift verarbeiten zu können. Eine innere Verabschiedung des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis lässt sich daraus nicht schließen. Schon gar nicht ergibt sich daraus ein eigenständiger Kündigungsgrund, denn schon durch den Ausspruch der Abmahnung musste die Beklagte damit rechnen, dass die ihr zu Grunde liegenden Dokumente dann auch letztlich beim Gericht landen werden.

b) Da die Beklagte im Rechtsstreit die Behauptung aufgestellt hat, sie habe die Stelle des Klägers gestrichen, kommt auch die Kündigung wegen der Chance, eine Nachfolgekraft einstellen zu können, nicht in Betracht.

3. Die weiteren Pflichtverletzungen, die die Beklagte dem Kläger vorwirft, können hier unberücksichtigt bleiben, weil ihnen Geschehnisse zu Grunde liegen, die schon so weit in der Vergangenheit zurückliegen, dass die Kündigung schon an der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Absatz 2 BGB scheitert.

II. Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22. August 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer und der Dauer der Zusammenarbeit der Parteien nach §§ 1, 23 KSchG das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Eine Kündigung bedarf danach einer sozialen Rechtfertigung. Keiner der von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte ist geeignet, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger sozial zu rechtfertigen.

1. Das Landesarbeitsgericht ist nicht in der Lage festzustellen, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer weiteren Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten entgegenstehen (§ 1 Absatz 2 KSchG), bedingt ist.

Mit der Beklagten geht das Gericht davon aus, dass Arbeitsplätze in einem Betrieb dadurch in Wegfall geraten können, dass sich der Arbeitgeber ein neues Betriebskonzept überlegt und der Vergleich des derzeitigen mit dem zukünftigen Betriebskonzept die Entbehrlichkeit des einen oder anderen Arbeitnehmers ergibt.

Mit der Beklagten geht das Berufungsgericht im Weiteren davon aus, dass es grundsätzlich allein Sache des Arbeitgebers ist zu entscheiden, mit welchem Betriebskonzept er meint, seine Betriebsziele am besten erreichen zu können. Das Gericht kann diese nicht auf ihre Klugheit oder Effizienz oder auf sonstige Kriterien überprüfen. Es muss von dem geplanten Betriebskonzept ausgehen und kann lediglich prüfen, ob es sich überhaupt umsetzten lässt und ob es auch tatsächlich umgesetzt wird.

Von diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung allerdings dann eine Ausnahme gemacht, wenn sich die Umsetzung des neuen Betriebskonzepts praktisch in der Kündigung eines Arbeitnehmers erschöpft. Denn würde man auch hier jedes beliebige Betriebskonzept ungeprüft hinnehmen, so gäbe es für den gekündigten Arbeitnehmer keinerlei Schutz mehr vor nicht betriebsbedingten Kündigungen.

Daher kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - DB 2012, 2402 = NZA 2012, 1223; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - AP Nr. 186 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61 = AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen würde oder die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 24. Mai 2012 aaO; BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852).

Dieser erweiterten Vortragslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

a) Die Beklagte argumentiert, die Arbeiten, die bisher dem Kläger oblegen hätten, werde zukünftig der Geschäftsführer der Beklagten wahrnehmen. Wenn man davon ausgeht, dass der Kläger zur Erledigung seiner Arbeiten ungefähr 40 Stunden in der Woche benötigt hat und wenn man weiter davon ausgeht, dass auch der Geschäftsführer schon bisher mit seiner Führungsaufgabe zeitlich ganz gut ausgelastet war, ist nicht ersichtlich, wie die bisher vom Kläger erledigten Arbeiten zukünftig ohne Überlastung einzelner Beschäftigter erledigt werden sollten. Die Beklagte sei daran erinnert, dass die Einstellung des Klägers nach ihrem eigenen Vortrag der Entlastung der Geschäftsführung dienen sollte, deren Überlastung nach der Entlassung des Klägers nunmehr wohl wieder eintritt.

Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten dahin deutet, dass man den Kläger eingestellt habe, um das Geschäftsfeld der Reha-Technik auszubauen, und man sich nun nach Scheitern dieses Projekts zukünftig auf das Verwalten des Ist-Zustandes beschränken werde, muss das Gericht davon ausgehen, dass auch dafür erhebliche Arbeitszeit aufgewendet werden muss. Die Beklagte hat es jedenfalls verabsäumt, dem Gericht näher zu erläutern, in welchem Umfang bisher vom Kläger erledigte Arbeiten zukünftig gar nicht mehr anfallen, so dass eine seriöse Subsumtion unter die Merkmale des Gesetzes nicht möglich ist.

b) Das Gericht konnte unabhängig davon sich aber auch nicht die Überzeugung bilden, dass die Beklagte das neue Betriebskonzept auf Dauer ihrer Geschäftstätigkeit zu Grunde legen werde.

Das Misstrauen hatte der Kammervorsitzende bereits vorbereitend formuliert. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der Kündigungserklärung mit dem Auftritt des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeit in der Bürgerschaft drängt sich der Gedanke auf, dass die Kündigung im Kern in der Verärgerung der Beklagten über diesen Schritt begründet ist. Dem ist die Beklagte allein mit dem Argument entgegen getreten, die organisatorischen Veränderungen in der Abteilung Reha-Technik seien bereits im Juni 2011 geplant worden.

Dieser Hinweis reicht nicht aus, um das Misstrauen zu zerstreuen. Denn es sind keine Gründe vorgetragen worden, die die Entscheidung als irgendwie nachvollziehbar oder wirtschaftlich vernünftig erscheinen lassen. Im Gegenteil, da nach dem Verständnis der Beklagten das Versagen des bisherigen Betriebskonzepts hinsichtlich der Abteilung Reha-Technik vor allem ein Versagen des Klägers ist, liegt es eigentlich nahe, alles beim Alten zu belassen und lediglich einen fähigeren Arbeitnehmer für die klägerische Position zu finden. Es sind auch keinerlei wirtschaftliche Rahmendaten mitgeteilt, die es nahelegen könnten, auf dem Gebiet der Reha-Technik einen eher abwartenden Kurs zu fahren. Auch betriebswirtschaftlich Überlegungen sind allenfalls oberflächlich angedeutet. Das Gericht weiß nicht, ob man sagen kann, die Abteilung mache Verluste, was es vielleicht nachvollziehbar machen würde, sie zu verkleinern.

2. Die ordentliche Kündigung ist auch nicht aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt.

Ähnlich wie die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB (siehe oben unter I.) setzt eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Absatz 2 KSchG eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus, die an sich geeignet ist, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Außerdem muss auch die ordentliche Kündigung das letzte Mittel sein, um auf das aufgetretene Problem zu reagieren, sinnvolle mildere Mittel, die das Problem auch behoben hätten, führen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Und schließlich gibt es auch bei der verhaltensbedingten Kündigung eine abschließende Interessenabwägung, die - allerdings nur in Ausnahmefällen - zu einem Überwiegen der Arbeitnehmerinteressen führen kann.

Gemessen an diesem Maßstab trägt keiner der von der Beklagten vorgetragenen Gründe die ausgesprochene Kündigung.

a) Die leitende Stellung des Klägers im Unternehmen der Beklagten macht den konkreten Vortrag tragfähiger Kündigungsgründe nicht entbehrlich. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 14 Absatz 2 KSchG. Denn dort ist für die dort näher bezeichneten Führungskräfte - wobei zweifelhaft ist, ob der Kläger überhaupt dazu zu rechnen ist - einzig die Besonderheit geregelt, dass der Arbeitgeber jederzeit auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG antragen kann. Weitere kündigungsschutzrechtliche Besonderheiten sind für Führungskräfte nicht vorgesehen.

Insbesondere ist der Verlust des Vertrauens der Führungskräfte auf Seiten der Beklagten in den Kläger kein Grund, der für sich allein geeignet wäre, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Die hier interessierende verhaltensbedingte Kündigung setzt immer bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers an. Erst wenn diese ein kündigungsrelevantes Niveau erreicht, prüft man im Rahmen der Abschätzung der Folgen des Fehlverhaltens, welche betrieblichen Auswirkungen dieses Fehlverhalten hatte. Dazu gehört dann auch die Abschätzung der Folgen des Fehlverhaltens für das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer. Ohne kündigungsrelevantes Fehlverhalten des Arbeitnehmers ist das Vertrauen des Arbeitgebers in seinen Arbeitnehmer kündigungsrechtlich ohne Bedeutung.

b) Bereits oben unter I. wurde festgestellt, dass der Kläger mit seinem Auftritt in der Bürgerschaft nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Demnach können diese Umstände auch nicht die ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen.

Auch der Umstand, dass der Kläger die Beklagte nicht vorab über den Termin in der Bürgerschaft unterrichtet hat, stellt sich nicht als Pflichtverletzung dar. Es gibt keine arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber davon zu unterrichten, wenn er sich anderweitig beworben hat.

c) Die der Abmahnung vom 13. Juli 2011 zu Grunde liegenden Vorwürfe können die Kündigung ebenfalls nicht rechtfertigen.

Dem Kläger wird dort vorgeworfen, er habe sich nicht rechtzeitig darum gekümmert, aufzuklären, ob den Ausfallzeiten des ihm untergebenen Herrn K. schuldhafte Handlungen Dritter zu Grunde liegen. Der Kläger hat sich damit verteidigt, dass sich Herr K. geweigert habe, weitere Auskünfte zu erteilen und damit, dass er später dann Herrn K. auch nochmals schriftlich aufgefordert habe, die erbetenden Auskünfte zu erteilen. Dem ist die Beklagte nicht mehr substantiiert entgegen getreten, so dass nicht festgestellt werden kann, dass eine erhebliche Pflichtverletzung vorliegt.

Im Übrigen hätte die von der Beklagten gesehene Pflichtverletzung nicht das Gewicht, eine Kündigung zu rechtfertigen. Daher hat die Beklagte auf den Vorfall richtigerweise auch nur mit einer Abmahnung und nicht mit Kündigung reagiert. Daran muss sie sich nunmehr festhalten lassen.

d) Die Kündigung ist auch nicht wegen der von der Beklagten behaupteten Schlechtleistungen des Klägers im operativen Geschäft sozial gerechtfertigt.

Insoweit ist unstreitig, dass der Kläger im Betrieb dafür zuständig war, alle Verordnungen aus dem Bereich der Reha-Versorgung in der Unternehmens-IT zu erfassen und das Notwendige zu veranlassen, damit die Verordnungen erfüllt werden können. In diesem Zusammenhang wird dem Kläger vorgeworfen, er habe ihm übergebene Verordnungen nicht zeitnah in die IT aufgenommen. Außerdem wird ihm vorgeworfen, dass wegen seines Versagens einzelne Verordnungen nicht zeitnah abgearbeitet worden sind. Letztlich wird ihm in diesem Zusammenhang auch noch vorgeworfen, dass er die getätigten Geschäfte nur unzureichend dokumentiert habe, so dass sie inzwischen teilweise nicht mehr nachvollziehbar seien.

Diese Vorwürfe sind nicht geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen. Wenn der Arbeitgeber mit der Art und Weise der Erledigung der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben nicht zufrieden ist, muss er den Arbeitnehmer durch konkrete Anweisungen, notfalls sogar durch den Ausspruch von Abmahnungen dazu anhalten, so zu arbeiten, wie der Arbeitgeber sich das wünscht. Die Kündigung scheitert schon daran, dass die behaupteten Verfehlungen nicht zuvor schon abgemahnt waren.

e) Die Kündigung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass sich der Kläger im Frühjahr 2011 an den Gesellschafter der Beklagten gewandt hatte und sich dort anerboten hatte, die Geschäftsführung der Beklagten zu übernehmen.

Dieses Verhalten mag gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten illoyal gewesen sein, gegenüber der Beklagten ist eine Pflichtwidrigkeit des Verhaltens nicht zu erkennen.

f) Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe den ihm zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten PKW durch die gesamte Familie nutzen lassen, ist dieser Vorwurf nicht geeignet, die Kündigung zu tragen. Es ist schon nicht erkennbar, dass es dem Kläger verboten war, Mitgliedern seiner Familie den Wagen zu überlassen. Darauf hatte sich bereits das Arbeitsgericht gestützt, ohne dass die Beklagte im Berufungsrechtszug dazu weiter vorgetragen hat.

Zum anderen musste der Kläger nicht damit rechnen, dass die Beklagte ein solches Fehlverhalten - wenn sich denn nachweisen ließe, dass das Weitergeben des Wagens nicht erlaubt war - ohne Weiteres zum Anlass einer Kündigung nehmen werde. Auch insoweit wäre es also erforderlich gewesen, ein vergleichbares Fehlverhalten abzumahnen, bevor man zu dem Mittel der Kündigung greift.

III. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) liegen nicht vor.



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