Landesarbeitsgericht Köln

Urteil vom - Az: 5 Sa 75/14

LAG bestätigt: Mindestgröße von 165 cm für Pilotenausbildung diskriminiert Frauen

(1.) Ein abgelehnter Stellenbewerber kann Schadensersatz sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach den Bestimmungen des AGG beanspruchen (§ 15 Abs. 5 AGG).

(2.) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Schutzgut des § 823 I BGB und umfasst das Recht des einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit. In der Benachteiligung eines Menschen aufgrund seines Geschlechts liegt zugleich eine Verletzung seiner Würde als Person.
Ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, ist nach den Grundsätzen des AGG zu bestimmen.

(3.) Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus (§ 3 Abs. 2 AGG). Neutral sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an ein verpöntes Merkmal nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen.

Hier: In dem beklagten Luftfahrtfahrtunternehmen gilt eine Mindestgröße von 165 cm als Einstellungskriterium sowohl nach einem "Tarifvertrag Auswahlrichtlinien" als auch nach einer "Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien". Nach der Statistik des Sozio-Oekonomischen Panels zur Größe der über Zwanzigjährigen in Deutschland erfüllen 40 % der Frauen und weniger als 3 % der Männer die geforderte Mindestgröße von 1,65 m nicht. Folglich werden Frauen durch die Mindestgrößenregelung mittelbar diskriminiert.

(4.) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist (§ 8 Abs. 1 AGG). Angemessen ist die Anforderung nur dann, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. § 3 Abs. 2 AGG).

Hier: Mit einer Mindestgröße von 165 cm wird das legitime Ziel der Flugsicherheit verfolgt. Die Mindestgröße ist jedoch nicht erforderlich, um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigt wäre, wenn Bewerber mit einer geringeren Körpergröße als 165 cm eingestellt würden. Öffentlich-rechtliche Vorschriften fordern lediglich eine "ausreichende Körpergröße". Diese allgemeine Regelung ist durch die Tarifparteien zu konkretisieren, wobei ihnen insoweit eine Einschätzungsprärogative zusteht. Im Hinblick darauf, dass rund zehnmal mehr Frauen als Männer bzw. rund 1/3 aller Frauen von dem Ausschlusskriterium betroffen sind, waren die TV-Parteien jedoch zu einer besonders strengen Prüfung verpflichtet, die sie mit der Festlegung der 165 cm - Grenze nicht nachgekommen sind. Verdeutlicht wird dies insbesondere durch die Tatsache, dass einzelne Tochterunternehmen der Beklagten Mindestgrößen von 160 cm und weniger verlangen.

(5.) Eine Persönlichkeitsverletzung i.S.v. § 823 I BGB erfordert ein schuldhaftes Handeln.

Hier: Das beklagte Luftfahrtunternehmen handelte fahrlässig als es die Bewerberin ablehnte, ohne die einschlägigen Tarifregelungen auf ihre Vereinbarkeit mit Diskriminierungsverboten zu überprüfen.

(6.) Auszugleichen sind (nach § 823 I BGB) nur solche materielle Schäden, die in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen. Der Wert einer entgangenen Ausbildung stellt keinen solchen Schaden dar.

(7.) Eine Entschädigung (nach § 823 I BGB) wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann nur verlangt werden, wenn ein schwerwiegender Eingriff vorliegt. (Hier verneint insbesondere wegen der geringen Schuld des beklagten Luftfahrtunternehmens, der lediglich mittelbaren Diskriminierung sowie der Möglichkeit der Klägerin eine Entschädigung nach dem AGG zu beanspruchen, wobei diese Möglichkeit aus prozessualen Gründen nicht mehr gegeben ist.)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 2013- 15 Ca 3879/13 - wird gegenüber der Beklagten zu 1) als unbegründet zurückgewiesen und gegenüber der Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird für die Klägerin insoweit zugelassen, als die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadenersatz und eine Entschädigung wegen einer von ihr angenommenen Diskriminierung wegen ihres Geschlechts im Auswahlverfahren geltend.

Die Beklagte zu 1) ist ein großes deutsches Luftverkehrsunternehmen. Die Beklagte zu 2) ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1). Das Auswahlverfahren für die Ausbildung von Flugzeugführern führt die Beklagte zu 1) durch, während die Beklagte zu 2) mit erfolgreichen Bewerbern einen Schulungsvertrag abschließt und die Schulung vornimmt.

Die Kosten der Schulung betragen mindestens 180.000 EUR. Die Flugschüler müssen einen Eigenanteil in Höhe von 60.000 EUR tragen. Hierfür wird mit der Beklagten zu 1) ein Darlehensvertrag abgeschlossen. Die übrigen Kosten trägt die Beklagte zu 1). Eine Vergütung erhalten die Schüler nicht. Die abschließende Prüfung wird von ca. 10 % der Kandidaten nicht bestanden.

Die Beklagte zu 1) ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Luftverkehr (AGVL). Dieser und die G GmbH verständigten sich am 29. Juni 2011 mit der Vereinigung Cockpit e. V. (VC) auf den Tarifvertrag Anforderungsprofile und Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl von Verkehrsflugzeugführern (Bl. 360 ff. d.A.). Der Tarifvertrag verlangt als „personenbezogene Einstellungsvoraussetzung vor Schulungsbeginn“ eine Körpergröße zwischen 1,65 m und 1,98 m. Dieselbe Mindestgröße sieht die „Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien“ vor, welche die Beklagte zu 1) am 7. März 2003 mit der Gesamtpersonalvertretung abgeschlossen hat.

Die Klägerin ist 161,5 cm groß. Sie bewarb sich bei der Beklagten zu 1) um eine Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin. Dabei gab sie wahrheitswidrig an, sie sei 165 cm groß.

Am 16. Mai 2012 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin mit, dass sie die am 15. Mai 2012 durchgeführte Berufsgrunduntersuchung bestanden habe. Die Klägerin wurde zur Firmenqualifikation eingeladen.

Die Klägerin bestand auch die Firmenqualifikation. Die Beklagte zu 1) wies die Klägerin mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 darauf hin, dass nun nur noch die medizinische Tauglichkeitsuntersuchung ausstehe.

Diese fand am 23. November 2012 statt. Dabei wurde eine Körpergröße von 161,5 cm gemessen. Der Klägerin wurde darüber unterrichtet, dass noch die Abklärung bestimmter Laborwerte erforderlich sei. Ob der untersuchende Arzt des A M C der Beklagten zu 1) Prof. Dr. S gegenüber der Klägerin zudem mündlich erklärte, dass ihre Bewerbung wegen ihrer Körpergröße abschlägig beschieden werde, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin erhielt aufgrund der Untersuchung das Tauglichkeitszeugnis für die Klasse 1 nach § 24 a Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung.

Der Medizinische Dienst der Beklagten zu 1) bat die Klägerin unter dem 27. November 2012 um eine Kontrolluntersuchung bezüglich eines Laborwertes. Die Klägerin legte am 6. Dezember 2012 eine ärztliche Bescheinigung vor.

Die Beklagte zu 1) teilte der Klägerin durch Prof. Dr. S mit Schreiben vom 12. Dezember 2012, welches sie am 24. Dezember 2012 erhielt, mit, dass sie die vorgegebene Mindestgröße von 1,65 m nicht erreiche und ihr aus diesem Grund die tauglichkeit nicht erteilt werden könne.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2013 an die Beklagten, welche am 20. bzw. 19. Februar 2013 zugingen, machte die Klägerin die nunmehr mit der Klage verfolgten Ansprüche geltend. Ihre Klage ist am 14. Mai 2013 beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Klägerin studiert jetzt Volkswirtschaft.

Eine Statistik des Sozio-Oekonomischen Panels zur Größe der über Zwanzigjährigen in Deutschland besagt Folgendes:

Körpergröße               Frauen                        Männer

<150 cm                     00,6 %                        00,1 %

150-154 cm                04,0 %                        00,1 %

155-159 cm                12,7 %                        00,3 %

160-164 cm                27,0 %                        02,3 %

165-169 cm                29,1 %                        09,0 %

170-174 cm                17,6 %                        19,2 %

175-179 cm                06,9 %                        26,1 %

180-184 cm                01,8 %                        23,9 %

185-189 cm                00,2 %                        12,8 %

≥ 190 cm                    <0,1 %                                    06,3 %.

Der Mikrozensus 2009 ergab, dass Männer im Alter von 18  bis 25 im Schnitt 1,81 m und im Alter von 25 bis 45 im Schnitt 1,80 m groß sind. Für Frauen im Alter von 18 bis 30 wurde eine Durchschnittsgröße von 1,68 m und im Alter von 30 bis 45 von 1,67 m ermittelt.

Bei einem Konzernunternehmen der Beklagten zu 1), der S A , gilt eine Mindestgröße von 160 cm. Die n K verlangt eine Mindestgröße von 157,5 cm. Bei diesen Unternehmen sind ähnliche Flugzeugmuster im Einsatz wie bei der Beklagten zu 1). Ob die S A wie die Beklagte zu 1) Großraumflugzeuge wie den J oder den fliegt, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei durch die Ablehnung wegen ihrer Körpergröße mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Dies folge aus dem Umstand, dass erheblich mehr Frauen als Männer kleiner als 1,65 m seien. Die Diskriminierung sei nicht gerechtfertigt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei die Sicherheit des Luftverkehrs durch die Zulassung von Bewerbern mit ihrer Körpergröße nicht gefährdet. Dem stehe entgegen, dass nach deutschen Gesetzen eine Mindestgröße nicht verlangt werde und andere Fluggesellschaften Bewerber mit einer geringeren Körpergröße zuließen. Ihr sei ein Schaden in Höhe von 120.000 EUR entstanden, weil sie infolge der Ablehnung der Ausbildung bei den Beklagten eine sonstige private Schule für die Ausbildung vergüten müsse. Die Beklagten hafteten gesamtschuldnerisch. Zu berücksichtigen sei, dass keiner der genannten Verträge für sich allein abgeschlossen werden könne. Der Abschluss des einen Vertrages bedinge immer auch den Abschluss des anderen Vertrages.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 15.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.03.2013.

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 120.000,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2013.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, die Klägerin habe ihre auf das AGG gestützten Ansprüche schon nicht rechtzeitig geltend gemacht. Unabhängig hiervon sei sie nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung ergebe sich nicht bereits daraus, dass mehr Frauen als Männer die geforderte Mindestgröße unterschritten. Eine derartige Betrachtung berücksichtige nicht, dass die Durchschnittsgröße von Frauen wesentlich durch den hohen Anteil von Frauen im Alter von 65 und mehr, die im Durchschnitt kleiner seien als jüngere Frauen, gemindert werde. Jedenfalls liege ein Rechtfertigungsgrund vor. Mit der Mindestgröße  solle die Sicherheit des Flugverkehrs gewährleistet werden. Die luftverkehrsrechtlichen Vorgaben verlangten eine „ausreichende Körpergröße“ und seien damit konkretisierungsbedürftig. Die Konkretisierung hätten die Tarifvertragsparteien vorgenommen, denen dabei eine Einschätzungsprärogative zukomme. Die Ausbildung der Flugschüler erfolge in A . Dort werde das Schulflugzeug „B “ eingesetzt. Dabei spiele u.a. die Kontrolle des über die Fußpedale zu bedienenden Seitenruders eine wichtige Rolle. Es sei unerlässlich, die Seitenruderpedale bis zum Vollausschlag betätigen zu können. Das Flugzeug verfüge über einen horizontal verstellbaren Sitz und eine zweistufige Fußpedalverstellung. Schon bei Flugschülern, die die Mindestgröße gerade erreichten, müsse regelmäßig ein Sitzkissen zum Einsatz kommen, weil nur so sowohl die ausreichende Sicht aus dem Cockpit als auch der notwendige Rudervollausschlag über die Fußpedale sichergestellt werden könne. Sie beruft sich auf ein Memorandum der Flugschule in A (Bl. 217 d.A.). Die Klägerin habe auch keinen Schaden erlitten. Sie müsse sich zudem den Vorteil, der ihr aus dem Studium der Volkswirtschaftslehre erwachse, anrechnen lassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. November 2013 abgewiesen.  Es hat angenommen, die Klägerin sei wegen ihres Geschlechts mittelbar diskriminiert worden. Gleichwohl stehe ihr kein Schadenersatzanspruch zu, weil ihr kein Schaden entstanden sei. Die Klägerin wäre bei diskriminierungsfreier Aufnahme in das Ausbildungsverhältnis vielmehr verpflichtet gewesen, selbst einen Beitrag zu den Schulungskosten zu leisten. Außerdem könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sie die Schulung bestanden hätte. Der Entschädigungsanspruch scheitere daran, dass die Beklagte zu 1) nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Darüber hinaus hafte die Beklagte zu 2) nicht, weil sie an der Auswahl nicht beteiligt gewesen sei.

Gegen das ihr am 27. Dezember 2013 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin am 27. Januar 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. März 2014 am 27. März 2014 begründet.

Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz und Entschädigung zu. Der Frauenanteil der bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Piloten betrage nur rund 6 %. Die Mindestgröße von 1,65 m sei willkürlich. Ihr sei entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts ein Schaden entstanden. Mit Abschluss des Schulungsvertrages erwerbe der Schüler einen Anspruch auf eine werthaltige Ausbildung. Der Wert der Ausbildung betrage mindestens 180.000 EUR. Es könne auch darauf abgestellt werden, was sie später als Flugzeugführerin verdient hätte. Da für die Schadensberechnung der übliche Verlauf zugrunde zu legen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Prüfung nicht bestanden hätte.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.11.2013 - 15 Ca 3879/13 - abzuändern und

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 15.500,00 € nicht unterschreiten soll nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.03.2013;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 120.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die Klage sei schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin die Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Die Klägerin habe zudem die Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts nicht dargelegt. Die Mindestgröße sei für die Sicherheit des Luftverkehrs unerlässlich. Bei Flugschülern, die eine Fluggröße von 1,65 m unterschritten, könne eine sichere Bedienung des Flugzeugs regelmäßig nicht mehr gewährleistet werden. Die Beklagte zu 1)  habe nicht schuldhaft gehandelt. Sie sei vielmehr verpflichtet gewesen, die in ihrem Unternehmen geltende Tarifnorm anzuwenden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist gegenüber der Beklagten zu 2) unzulässig und gegenüber der Beklagten zu 1) unbegründet.

A. Die Berufung der Klägerin ist nur teilweise zulässig.

I. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 1) richtet.

II. Die Berufung ist insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 2) richtet.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 18. Mai 2011- 4 AZR 552/09 - AP § 64 ArbGG 1979 Nr. 45; 15. März 2011- 9 AZR 813/09 - NZA 2011, 767; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - BAGE 122, 190; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18).

2. Danach ist die Berufung unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 2) richtet.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 2) ausgeführt, ein Anspruch nach dem AGG setze voraus, dass der Schuldner die anspruchstellende Partei bei der Auswahl benachteiligt habe. Eine Benachteiligung der Klägerin durch die Beklagte zu 2) sei nicht erfolgt, weil sie sich an der Auswahl nicht beteiligt habe. Mit dieser Begründung hat sich die Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt. Sie enthält zu diesen Erwägungen keine Ausführungen.

Darauf, ob die Auffassung des Arbeitsgerichts zutreffend ist, kommt es nicht an.

B. Das gegenüber der Beklagten zu 1) zulässige Rechtsmittel ist  unbegründet. Ansprüche aus dem AGG sind gegenüber der Beklagten zu 1) nicht gegeben, weil diese insoweit nicht passivlegitimiert ist. Deliktische Ansprüche werden durch das AGG nicht ausgeschlossen. Der Klägerin steht jedoch kein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Zwar hat die Beklagte zu 1) im Auswahlverfahren fahrlässig das Persönlichkeitsrecht der Klägerin, welches ein „sonstiges Recht“ darstellt, verletzt. Diese Annahme beruht auf der Erwägung, dass eine nicht gerechtfertigte mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vorliegt, weil die Bewerbung der Klägerin nur wegen ihrer Körpergröße abgelehnt worden ist. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Der Klägerin ist jedoch kein erstattungsfähiger Schaden entstanden, weil der von ihr geltend gemachte materielle Schaden nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch besteht nicht. Die hierfür erforderliche schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung ist nicht gegeben.

I. Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten zu 1) keine Ansprüche aus dem AGG zu. Die Beklagte zu 1) ist für Ansprüche aus dem AGG nicht passivlegitimiert. Passivlegitimiert wäre insoweit allein die Beklagte zu 2) gewesen.

1. Für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist der potentielle Arbeitgeber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, der die Stelle ausgeschrieben und Bewerbungen dafür erbeten hat, der richtige Anspruchsgegner. Arbeitgeber ist auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet oder nachsucht. Aus diesem Grund hat das BAG angenommen, dass § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG keine Ansprüche gegen ein Personalberatungsunternehmen begründen, selbst wenn der Personalvermittler die endgültige Auswahl in alleiniger Verantwortung durchführt (BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - BB 2014, 1534).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte zu 1) für Ansprüche der Klägerin aus dem AGG nicht passivlegitimiert. Sie war nicht die potentielle Arbeitgeberin der Klägerin.

Maßgeblich ist, dass der Schulungsvertrag bei einer erfolgreichen Bewerbung der Klägerin mit der Beklagten zu 2) und gerade nicht mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen worden wäre. Die Beklagte zu 2) hätte die Schulung auch durchgeführt. Der Umstand, dass die Beklagte zu 1) die endgültige Auswahl in eigener Verantwortung durchgeführt hat, führt zu keiner anderen Betrachtung.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Darlehensvertrag mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen worden wäre. Der Abschluss des Darlehensvertrages hätte die Beklagte zu 1) nicht zur Arbeitgeberin der Klägerin i.S.d. AGG gemacht. Zudem ist Anknüpfungspunkt der Diskriminierung der Klägerin nicht die Vorenthaltung eines Darlehens-, sondern eines Schulungsvertrages.

Schließlich ergibt sich die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) nicht daraus, dass nach einer erfolgreichen Schulung der Abschluss eines Arbeitsvertrages nur mit der Beklagten zu 1) in Betracht gekommen wäre. Vorliegend geht es nicht um die Weigerung, einen Arbeitsvertrag nach erfolgreicher Schulung abzuschließen, sondern um die Weigerung, einen Schulungsvertrag zu unterzeichnen.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 120.000 EUR. Zwar hat die Beklagte zu 1) im Auswahlverfahren fahrlässig das Persönlichkeitsrecht der Klägerin, welches ein „sonstiges Recht“ darstellt, verletzt. Der von ihr geltend gemachte materielle Schaden fällt jedoch nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

1. Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wird gemäß § 15 Abs. 5 AGG durch die Bestimmungen des AGG nicht ausgeschlossen.

2. Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. nur BVerfG 11. Dezember 2013- 1 BvR 194/13 - NJW 2014, 764). Es ist ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154; BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - NJW 2000, 2195; BGH 9. Juli 1985- VI ZR 214/83 - juris; Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014,  823 BGB Rn. 19).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht des einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit. Im Arbeitsleben hat jeder Arbeitnehmer ein Recht, nach sachangemessenen Maßstäben beurteilt zu werden. Ein Arbeitgeber, der bei der Auswahl zu Unrecht auf das Geschlecht abstellt, beeinträchtigt die Entfaltungsmöglichkeiten der Bewerber, die dem gesuchten Geschlecht nicht angehören. Darin liegt eine Herabwürdigung der beruflichen Fähigkeiten der ausgeschlossenen Bewerber. Sie werden bei der Bewerbung um Einstellung daran gehindert, die erstrebte Berufstätigkeit aufzunehmen und damit ihre individuelle Persönlichkeit zu entfalten, indem ihnen die chancengleiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren von vornherein verweigert wird. In der Benachteiligung eines Menschen aufgrund seines Geschlechts liegt zugleich eine Verletzung seiner Würde als Person. Die Benachteiligung wegen des Geschlechts beim Zugang zu einem Arbeitsverhältnis verstößt somit nicht nur gegen die Verfassungsbestimmung des Art. 3 Abs. 2 GG, sondern auch gegen die des Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 1 Abs. 1 GG (BAG 14. März 1989- 8 AZR 447/87 - AP § 611a BGB Nr. 5; ErfK/Schmidt, 14. Aufl. 2014, Art. 2 GG Rn. 83; vgl. auch Adomeit/Mohr FS Kreutz S. 3, 8).

Danach liegen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und damit die Verletzung eines „sonstigen Rechts“ vor, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Bewerbung mittelbar wegen seines Geschlechts benachteiligt wird.

Ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, ist nach den Grundsätzen des AGG zu bestimmen. Weitere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen. Insbesondere bedarf es keiner schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung. Diese ist erforderlich, soweit es um die Zahlung einer Entschädigung geht, nicht für den Schadenersatzanspruch (Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014, 823 BGB Rn. 125).

a) Die Klägerin ist durch die Beklagte zu 1) mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Die Diskriminierung ist nicht gerechtfertigt.

aa) Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt nach § 3 Abs. 2 AGG das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an ein verpöntes Merkmal nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - NZA 2011, 1226).

Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine derartige Auslegung des § 3 Abs. 2 AGG entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile. Eine mittelbare Diskriminierung ist danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - NZA 2011, 1361).

Zur Feststellung dieser Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüber zu stellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - NZA 2011, 1361).

Trotz des etwaigen Vorliegens einer Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals ist der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung dennoch nicht verwirklicht, wenn die Maßnahme gerechtfertigt ist (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - NZA 2011, 1226).

Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Angemessen ist die Anforderung nur dann, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. § 3 Abs. 2 AGG).

bb) Danach liegen die Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung vor (1). Die mittelbare Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt (2).

 (1) Zu den Voraussetzungen der mittelbaren Diskriminierung kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden. Es hat völlig zu Recht auf die Statistik des Sozio-Oekonomischen Panels zur Größe der über Zwanzigjährigen in D abgestellt. Danach erfüllen 40 % der Frauen, aber weniger als 3 % der Männer die geforderte Mindestgröße von 1,65 m nicht.

Dies wird durch die Ergebnisse des Mikrozensus 2009 bestätigt. Danach sind Männer im Alter von 18  bis 25 im Schnitt 1,81 m und im Alter von 25 bis 45 im Schnitt 1,80 m groß. Für Frauen im Alter von 18 bis 30 wurde eine Durchschnittsgröße von 1,68 m und im Alter von 30 bis 45 von 1,67 m ermittelt. Dem ist zu entnehmen, dass der Größenunterschied der Geschlechter im Alter zwischen 18 und 45 rund 13 cm beträgt.

Aus diesen für die Gesamtbevölkerung und die maßgeblichen Altersgruppen erhobenen Zahlen lässt sich auf den gesamten Kreis der von der Tarifregelung erfassten Normunterworfenen schließen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Körpergröße in dem potentiellen Bewerberkreis signifikant von der Durchschnittsgröße der Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 18 und 45 unterscheidet. Vielmehr ergibt sich aus den genannten Zahlen zwingend, dass wesentlich mehr Frauen von der Regelung zur Mindestgröße nachteilig betroffen sind als Männer. Gleichzeitig ist der Einwand der Beklagten entkräftet, dass erhebliche Größenunterschiede zwischen der jüngeren und der älteren Generation, die nicht zum potentiellen Bewerberkreis zähle, bestünden.

 (2) Die mittelbare Benachteiligung der Klägerin ist nicht gerechtfertigt.

Die tarifliche Regelung verfolgt ein rechtmäßiges Ziel. Sie will die Flugsicherheit gewährleisten.

Die Anforderung ist jedoch nicht angemessen. Die Mindestgröße ist nicht erforderlich, um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigt wäre, wenn die Beklagte zu 1) Bewerber mit einer geringeren Körpergröße als 1,65 m zulassen würde.

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich eine bestimmte Mindestgröße nicht aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die luftverkehrsrechtlichen Vorschriften der JAR-FCL 3.200 (b) schreiben lediglich eine „ausreichende Körpergröße“ vor. Damit ist nicht gesagt, dass die Festlegung einer Mindestgröße durch die Tarifvertragsparteien ausgeschlossen ist. Mit der Beklagten ist vielmehr anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit haben, diese allgemeine Regelung zu konkretisieren. Auch ist ihnen im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen.

Die Tarifvertragsparteien waren allerdings im Hinblick darauf, dass rund zehnmal mehr Frauen als Männer bzw. rund 1/3 aller Frauen von dem Ausschlusskriterium betroffen sind, zu einer besonders strengen Prüfung, ob bzw. welche Mindestgröße erforderlich ist, verpflichtet. Mit der Festlegung der Mindestgröße von 1,65 m sind sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass die zum Konzern der Beklagten zu 1) gehörende S A lediglich eine Mindestgröße von 1,60 m verlangt. Der allgemein zugänglichen Internetseite der K ist zu entnehmen, dass diese Fluggesellschaft eine Mindestgröße von lediglich 157,5 cm vorsieht. Dies verdeutlicht, dass die Flugsicherheit auch dann gewährleistet werden kann, wenn Piloten eingesetzt werden, die eine geringere Körpergröße als 1,65 m aufweisen. Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass unterschiedliche Flugzeugmuster zum Einsatz kommen. Die Beklagte zu 1) hat indes nicht dargelegt, dass bestimmte Flugzeugmuster (aufgrund welcher Umstände?) dem Piloten hinsichtlich der Körpergröße mehr abverlangen als andere. Wenn dem so sein sollte, bestünde zudem die Möglichkeit, kleinere Piloten auf diesen Flugzeugmustern nicht einzusetzen. Diese Einschränkung ihrer Planungsfreiheit wäre der Beklagten zu 1) angesichts der Alternative, dass ansonsten einem erheblichen Anteil der Frauen der Zugang zum Pilotenberuf gänzlich verwehrt wäre, zuzumuten.

Diese Erwägungen gelten nicht nur für das Steuern von Flugzeugen durch ausgebildete Piloten, sondern auch für die in A durchgeführte Schulung. Auch für diese ist nicht ersichtlich, dass eine sichere Handhabung der Schulungsflugzeuge nur mit einer Körpergröße von mindestens 1,65 m gewährleistet ist. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Memorandum vom 28. Oktober 2013 keine andere Betrachtung. Dieses besagt lediglich, dass die bisher geschulten Flugschüler groß genug waren. Die hier maßgebliche Frage, ob die Schulung auch mit einer Körpergröße von weniger als 1,65 m durchgeführt werden kann, beantwortet es nicht. Damit ist auch für die Schulung der Piloten anzunehmen, dass fehlende Körpergröße durch relativ leichte Maßnahmen wie etwa einem Sitzkissen ausgeglichen werden kann.

b) Die Beklagte zu 1) hat schuldhaft gehandelt. Ihr ist Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil sei die im Verkehr erforderlich Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 276 Abs. 2 BGB).

Diese hat darin bestanden, nicht bloß den Tarifvertrag anzuwenden und sich auf dessen Wirksamkeit zu verlassen. Die Beklagte zu 1) war vielmehr gehalten, die Bestimmungen des Tarifvertrages selbst dahingehend zu überprüfen, ob sie den Diskriminierungsverboten entsprechen. Hätte die Beklagte zu 1) die Prüfung vorgenommen, hätte sie erkennen können, dass die Festlegung einer Mindestgröße eine mittelbare Frauendiskriminierung beinhaltet.

c) Der Klägerin ist durch die Ablehnung ihrer Bewerbung durch die  Beklagte zu 1) kein erstattungsfähiger materieller Schaden entstanden. Dies beruht auf den Besonderheiten, die beim Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu beachten sind. Anders als bei einem Schadenersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG ist der Anspruch nicht auf das positive Interesse gerichtet. Auszugleichen sind nur solche materielle Schäden, die in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen.

aa) In der Entscheidung vom 16. Mai 2007 (8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154) hat das BAG unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 1. Dezember 1999 (I ZR 49/97 - NJW 2000, 2195) ausgeführt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen dienten in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruches der Persönlichkeit. Dieser Schutz werde dadurch verwirklicht, dass bei einer Verletzung dieser Rechte neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche in Betracht kämen, die nicht nur auf den Ersatz materieller, sondern - wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne - auch auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet seien. Darüber hinaus schützten das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen aber auch vermögenswerte Interessen der Person. So könne der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa der Stimme ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen. Durch eine unerlaubte Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale würden häufig weniger ideelle als kommerzielle Interessen der Betroffenen beeinträchtigt. Nach dieser Rechtsprechung komme ein auf den Ersatz materieller Schäden gerichteter Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann in Betracht, wenn in dessen vermögenswerte Bestandteile eingegriffen wird. Der Schutz des Wert- und Achtungsanspruches der Persönlichkeit sei eher dem ideellen Schutzbereich zuzuordnen.

Vor diesem Hintergrund hat der 8. Senat angenommen, dass die Zahlung von Verdienstausfall für den Verlust des Arbeitsplatzes oder wegen einer Erwerbsminderung vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht erfasst wird (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht nach § 823 Abs. 1 BGB zu erstatten. Darauf, ob bei Anwendbarkeit des AGG eine andere Betrachtung angezeigt wäre, kommt es nicht an.

Maßgeblich ist, dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts  erfasst wird. Die Beklagte zu 1) hat nicht in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingegriffen. Betroffen sind vielmehr ihre ideellen Interessen, die darin bestehen, nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt zu werden. Wenn bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kein Verdienstausfall zu zahlen ist, wie das BAG annimmt, kann nicht angenommen werden, dass der Wert einer entgangenen Ausbildung einen erstattungsfähigen Schaden darstellt.

III. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15.500 EUR wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der für einen Anspruch außerhalb des AGG erforderliche schwerwiegende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist nicht gegeben.

1. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Ein nur fahrlässiges Verschulden kann der Annahme einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung entgegenstehen (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - MDR 2014, 381; BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154).

Hiervon geht die Rechtsprechung aus verfassungsrechtlichen Gründen aus, obwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht in § 253 Abs. 2 BGB nicht aufgeführt ist (vgl. ErfK/Preis, 14. Aufl. 2014, § 619a BGB Rn. 71). Allerdings hat das BAG in der Entscheidung vom 23. Januar 2014 (- 8 AZR 118/13 - BB 2014, 1534) ausgeführt, für einen Entschädigungsanspruch außerhalb des Anwendungsbereichs des AGG sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Die Kammer versteht die Ausführungen des 8. Senats nicht dahingehend, dass sie sich auf den Entschädigungsanspruch wegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung beziehen. Sollte es sich anders verhalten, weicht die Kammer im Hinblick auf den aus Art. 1, 2 GG folgenden Schutzauftrag von der Rechtsprechung des BAG ab und schließt sich der dargestellten Rechtsprechung des BGH an.

Es kann nicht angenommen werden, dass jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die auf einer Geschlechtsdiskriminierung beruht, als schwerwiegend einzustufen ist (so wohl Adomeit/Mohr FS Kreutz S. 3, 8). Auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

2. Nach diesen Grundsätzen besteht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht. Es liegt keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin vor. Zudem hätte die Beeinträchtigung in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden können.

Zunächst ist davon auszugehen, dass keine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vorliegt.  Hierfür spricht, dass die Beklagte zu 1) die Klägerin nicht zielgerichtet, sondern mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt hat. Zudem hat für die Beklagte zu 1) gesprochen, dass ihr Verschulden als gering einzustufen ist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sie einen Tarifvertrag angewandt hat. Auch wenn die Kammer die sich aus dem Tarifvertrag ergebende mittelbare Frauendiskriminierung für nicht gerechtfertigt hält, ist gleichwohl zu konzedieren, dass das mit der Regelung angestrebte Ziel der Sicherheit des Luftverkehrs ein hohes Gut und die Rechtswidrigkeit der Regelung nicht offensichtlich sind.

Die Beeinträchtigung hätte zudem in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden können. Der Klägerin hätten nämlich nach Einschätzung der Kammer Ansprüche aus dem AGG gegen die Beklagte zu 2) zugestanden. Der Umstand, dass sie diese aus prozessualen Gründen nicht weiterverfolgen kann, führt nicht dazu, dass sie Ansprüche gegenüber einem weiteren Schuldner geltend machen kann.

IV. Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob die Klägerin die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG, die nach der Rechtsprechung des BAG (21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - NZA 2012, 1211) auch für Ansprüche außerhalb des AGG, die auf denselben Lebenssachverhalt wie Ansprüche aus § 15 AGG gestützt werden, gilt, gewahrt hat.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

D. Die Kammer hat die Revision insoweit zugelassen, als es um Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) geht, weil es den entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur deliktsrechtlichen Haftung außerhalb des AGG grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Soweit die Berufung gegenüber der Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen worden ist, bestand kein Anlass für die Zulassung der Revision.



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