Landesarbeitsgericht Niedersachsen

- Az: 16 Sa 671/22

Keine Entschädigung für nicht-binäre Person trotz Ungleichbehandlung

(1.) Ein männlicher Bewerber, der sich auf die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten bei einer Hochschule bewirbt, steht keine Entschädigung wegen Benachteiligung zu, auch wenn er sich keiner Geschlechtsidentität zugehörig fühlt.

(2.) Der Bewerberkreis für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten darf zulässigerweise auf weibliche Personen beschränkt werden, wenn der Aufgabenbereich insbesondere in der Beratung bei Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie in Fragen der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben liegt.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 12. Juli 2022 – 7 Ca 68/22 Ö – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei der Bewerberauswahl zusteht.

Die Beklagte ist eine Fachhochschule mit rund 13.000 Studierenden an mehreren Standorten und ca. 1.000 Beschäftigten. Am 30. Juni 2021 schrieb sie die Stelle einer hauptberuflichen zentralen Gleichstellungsbeauftragten aus. Die Anzeige lautet auszugsweise wie folgt:

„Wir suchen zum nächstmöglichen Termin eine hauptberufliche zentrale Gleichstellungsbeauftragte im Rahmen eines Wahlamts befristet auf 6 Jahre. Die Wiederwahl ist möglich.

Ihre Aufgaben

  • Beratung und Unterstützung der Hochschule im Hinblick auf die Erfüllung des Gleich- stellungsauftrages nach § 42 NHG

  • Mitwirkung bei der Entwicklungsplanung der Hochschule sowie bei Struktur- und Personalentscheidungen, insbesondere Berufungsverfahren

  • Beratung der Hochschulangehörigen in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Dis- kriminierung, sexueller Belästigung etc.

  • Leitung des Gleichstellungsbüros und der dazugehörigen Projekte einschließlich Personalführung und Budgetverantwortung

  • Interne und externe Vernetzung und Kooperation

  • Unterstützung und Beratung in Forschung und Lehre unter gleichstellungsrelevanten Aspekten

  • Entwicklung bzw. Weiterentwicklung innovativer Konzepte (Gleichstellung, Familien- und Care-Aufgaben, Inklusion, Gender und Diversität)

  • Informations- und Öffentlichkeitsarbeit

  • Entwicklung gleichstellungsrelevanter Maßnahmen und Projekte, insbesondere Durchführung von Veranstaltungen zu gleichstellungsrelevanten Themen

  • Einwerbung von Projektmitteln.

    Ihr Profil

  • abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium auf Masterniveau

  • umfassende Kenntnisse und berufliche Erfahrungen in der Gleichstellungsarbeit und deren Grundlagen einschließlich der damit verbundenen rechtlichen Regelungen, vorzugsweise im Hochschulbereich

  • Führungserfahrung

  • Erfahrungen im Projektmanagement und in der Mittelakquise und - bewirtschaftung

  • sicherer Umgang mit einschlägigen Office-Anwendungen sowie neuen Medien

  • ausgeprägte Kommunikationsstärke, Konflikt- und Moderationsfähigkeit sowie Beratungskompetenz

  • Engagement, Eigeninitiative und Durchsetzungsvermögen

    ...“.

Die Vergütung sollte ausweislich der Stellenanzeige nach der Entgeltgruppe 13 TV-L erfolgen.

Mit Schreiben vom 15. August 2021 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle. Er verfügt unter anderem über einen Studienabschluss zum Master of Arts der Soziologie und Gender Studies der Ludwig Maximilian Universität München sowie eine mehrjährige Berufserfahrung als Gender- und Diversity Manager am Campus Suderberg der Beklagten. In seinem Bewerbungsschreiben bezeichnete sich der Kläger als nicht-binäre Person.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht in die engere Auswahl gekommen sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Dezember 2021, der Beklagten an diesem Tag vorab per Fax und am 15. Dezember 2021 im Original zugegangen, ließ der Kläger einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 13.857,60 € gegenüber der Beklagten wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend machen. Die Beklagte lehnte die Forderung des Klägers mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 ab. Sie verwies darauf, dass § 42 NHG für die Besetzung der Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten an niedersächsischen Hochschulen ausdrücklich Frauen vorsehe und daher die Bewerbung des Klägers keine Berücksichtigung habe finden können.

Mit seiner am 7. März 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 11. März 2022 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Entschädigung geltend gemacht, die jedoch nicht unter 13.857,60 € liegen sollte. Er hat gemeint, die Beklagte habe ihn mit der geschlechtsbezogenen Ausschreibung der Stelle und der entsprechend begründeten Ablehnung seiner Bewerbung unzulässig wegen seines Geschlechts benachteiligt. Er sei für die Stelle objektiv geeignet und entspreche dem Anforderungsprofil. Soweit § 42 NHG vorsehe, das Amt der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, verstoße dies gegen höherrangiges Rechts, insbesondere sei dies europarechtswidrig. Geschlechtsspezifische Merkmale, warum eine Frau die ausgeschriebene Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten besser bzw. ausschließlich ausüben könne, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Das weibliche Geschlecht stelle jedenfalls keine unverzichtbare Voraussetzung für die Erbringung der Tätigkeiten nach dem Aufgabenbereich der Stellenanzeige dar. Die Höhe der ihm zu zahlenden Entschädigung habe sich entsprechend an drei Monatsgehältern der Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 Stufe 3 TV-L zu orientieren, die Stufe rechtfertige sich aus der einschlägigen mehrjährigen Berufserfahrung des Klägers.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 13.857,60 EUR liegen sollte,

zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2021.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten sei die Ausschreibung der Stelle ausschließlich für eine Frau ge-rechtfertigt, weil das weibliche Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die konkret bei der Beklagten zu besetzende Stelle sei. Das ergebe sich bereits aus der Aufgabenbeschreibung der Stellenbeschrei- bung. Eine wichtige Aufgabe sei insbesondere die Beratung von Hochschulangehörigen in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc., die mindestens 5 – 10 % der Gesamttätig- keit ausmache. Es litten deutlich mehr Frauen unter der Gewalt von Männern als umgekehrt und in solchen Fällen vertrauten sich Frauen viel leichter einer gleichgeschlechtlichen Gleichstellungsbeauftragten an. Zwingend sei der Empfängerhorizont einer Frau zudem u. a. für die Beratung bzw. Konzeptentwicklung im Bereich Familien- und Care-Aufgaben, der weitere 10 % der Gesamttätigkeit ausmache. Die noch immer gelebte gesellschaftliche Verteilung/Last der Familien- und Pflegetätigkeit läge ganz überwiegend bei den Frauen, so das nur eine Frau mit entsprechendem „Leidenshorizont“ sachgerecht beraten und konzipieren könne. Hinzu komme, dass Frauen in höheren Entgelt- und Besoldungsgruppen bzw. in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert seien, obwohl sie in anderen Entgelt- und Besoldungsgruppen die Mehrheit bildeten. Darüber hinaus verlange § 42 NHG die Bestellung einer weiblichen Gleichstellungs- beauftragten. Die Norm verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, die Beklagte habe lediglich diese Landesnorm vollzogen.

Mit Urteil vom 12. Juli 2022 hat das Arbeitsgericht Braunschweig die Klage abgewiesen. Der Kläger sei bei der Bewerberauswahl unmittelbar wegen seines Geschlechts benachteiligt worden. Diese unterschiedliche Behandlung sei jedoch nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Dies folge zum einen daraus, dass § 42 NHG sowohl mit nationalem als auch mit europäischem Recht vereinbar sei und die Norm die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau vorschreibe. Zum anderen stelle das weibliche Geschlecht nach dem konkreten Stellenzuschnitt und den danach auszuübenden Tätigkeiten eine unverzichtbare Voraussetzung für einen jedenfalls nicht untergeordneten Aufgabenbereich dar. Die Beratung bei Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie die Beratung bzw. Konzeptentwicklung bzgl. Familien- und Care-Aufgaben erziele mit der Besetzung der Stelle mit einer Frau insoweit einen höheren Wirkungsgrad. Zwar sei es nicht für jede Fallgestaltung zwingend, dass sich eine potenziell diskriminierte Frau nicht auch an einen männlichen Gleichstellungsbeauftragten wenden würde. Diese Situation könne aber im Falle einer Beratungssituation nach einer sexuellen Belästigung oder aufgrund geschlechtsbezogener persönlicher Herabsetzungen eintreten. Der Stellenzuschnitt erweise sich vor diesem Hintergrund als verhältnismäßig.

Der Kläger hat gegen das ihm am 2. August 2022 zugestellte Urteil am 25. August 2022 Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 23. September 2022 bis zum 4. November 2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 2. November 2022 begründet. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Im Rahmen seiner Berufung wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag. § 42 NHG verstoße gegen Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG und damit auch gegen die mit § 8 AGG in nationales Recht transformierte Regelung. Die landesrechtliche Vorschrift sei daher wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anzuwenden. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen, die die Besetzung der hauptberuflichen zentralen Gleichstellungsbeauftragten ausschließlich mit einer Frau rechtfertigten, ergäben sich aus § 42 NHG nicht. Entgegen der Annahme des Arbeitsge- richts sei die Diskriminierung des Klägers auch nicht aufgrund der konkreten beruflichen Anfor- derungen im Einzelfall gem. § 8 Abs. 1 AGG zulässig. Es fehlten Feststellungen dazu, welches geschlechtsbezogene Merkmal die Differenzierung zulässig machen solle, vielmehr ziele die Begründung nur auf das Geschlecht und nicht auf ein mit dem Geschlecht im Zusammenhang stehendes Merkmal ab. Die Tätigkeitsbereiche Beratung bei Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie Beratung bzw. Konzeptentwicklung Familien- und Care-Aufgaben stellten keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar. An einem hierzu erforderlichen, objektiv durch entsprechende Analysen belegten und überprüfbaren Zusammenhang zwischen der von der Beklagten aufgestellten beruflichen Anforderung und der Tätigkeit fehle es. Darüber hinaus sei der verfolgte Zweck nicht rechtmäßig und die Anforderung unangemessen. In ihrer Grundordnung habe die Beklagte u.a. das Angebot von Sprechstunden und Beratung eigenständig den dezentral organisierten Gleichstellungsbeauftragten übertragen, während die hauptberufliche zentrale Gleichstellungsbeauftragte die in § 42 NHG beschriebenen Aufgaben wahrnehme. Mit ihrer Stellenbeschreibung setze sich die Beklagte daher in Widerspruch zu ihrer eigenen Grundordnung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 12. Juli 2022 – 7 Ca 68/22 Ö – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 13.857,60 € liegen sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2021.

Die Beklagte beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 30. November 2022 (Bl. 173 ff. d. A.). Neben der Beratung von Hochschulangehörigen in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc., der Beratung bzw. Konzept- entwicklung zur Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben und der Förderung von Frauen angesichts deren Unterrepräsentanz in Führungspositionen wäre zudem das im Stellenprofil angeführte Aufgabenfeld der internen und externen Vernetzung und Kooperation mit Institutionen zur Wahrnehmung gleichstellungsrelevanter Themen bei der Besetzung der Stelle mit einem nicht weiblichen Gleichstellungsbeauftragten gefährdet. Bei diesen Kooperationspartnern handele es sich im Hinblick auf die Zielrichtung „Wahrnehmung gleichstellungs- relevanter Themen“ typischerweise um Institutionen, die entweder Thematiken als Zielsetzung haben, die auf negativen Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit nicht weiblichen Personen beruhen, oder aber sich nur an Frauen zur gemeinsamen Förderung der Gleichstellung von Frauen richten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung müsse davon ausgegangen werden, dass diese Organisationen die Kooperation mit einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten nicht nur bevorzugen, sondern mit einem nicht weiblichen Gleichstellungsbeauftragten gar nicht zusammenarbeiten möchten oder können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 3. März 2023 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

A.
Die Berufung ist zulässig.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht einge-legt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO. Sie lässt erkennen, in welchen tatsächlichen oder rechtlichen Punkten nach Ansicht des Klägers das angefochtene Urteil unrichtig ist und worauf dies im Einzelnen beruht.

B.
Die Berufung ist unbegründet.

I.

Die auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 20). Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben. Insoweit geht er davon aus, dass der von ihm mit 13.857,60 € bezifferte Mindestbetrag drei auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsgehältern entspricht.

II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das angefochtene Urteil erkannt, dass der Kläger keinen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gegen die Beklagte hat.

1.
Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG), ohne dass es hierfür darauf ankäme, ob er für die Position des Gleichstellungsbeauftragten objektiv geeignet ist. Die objektive Eignung eines Bewerbers ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Auf die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ kommt es nicht an (BAG 19. Dezem- ber 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 22). Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung des Klägers nicht ernsthaft war, sind zudem weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.
Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. § 15 AGG, weil sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts als juristische Person Arbeitnehmer beschäftigt, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 AGG.

3.

Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61 b Abs. 1 ArbGG). Der Kläger hat nach der „Ableh- nung durch den Arbeitgeber“ iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 seinen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Dezember 2021 frist- und formgerecht geltend gemacht. Seine am 7. März 2022 beim Arbeitsgericht eingegangene und der Beklagten am 11. März 2022 zugestellte Klage wahrt die Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG.

4.
Die Beklagte hat den Kläger unmittelbar wegen seines Geschlechts benachteiligt.

a)
Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 AGG setzt voraus, dass der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ihm eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG zuzurechnen ist, die nicht aufgrund der §§ 8 bis 10 AGG oder nach § 5 AGG zulässig ist.

aa)
Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen ei- nes in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss.

(1)
Der Kläger wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn seine Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die hierin liegende Versagung der Chance auf Einstellung stellt eine ungünstige Be- handlung dar unabhängig davon, ob eine Einstellung andernfalls erfolgt wäre.

(2)
Die ungünstigere Behandlung des Klägers erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

(a)
Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die Position des Gleichstellungsbeauftragten geeignet war, denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen.

(b)
Die objektive Eignung des Klägers, die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten wahrzunehmen, liegt vor. Er verfügt unter anderem über einen Studienabschluss zum Master of Arts der Soziologie und Gender Studies sowie eine mehrjährige Berufserfahrung als Gender- und Diversity Manager am Campus Suderberg der Beklagten. Die objektive Eignung des Klägers steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die Beklagte hat lediglich angeführt, dass der Kläger nicht der bestqualifizierte Bewerber gewesen sei. Die bessere Eignung eines anderen Bewerbers schließt eine Benachteiligung nicht aus. Denn nicht allein der bestplatzierte Be- werber kann benachteiligt sein, wie gerade die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zeigt (vgl. BAG 27. April 2000 – 8 AZR 295/99 – Rn. 33). Nach dieser Vorschrift erhält der Bewerber, der auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, eine Entschädigung. Für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung reicht es aus, wenn Per- sonen, die an sich für die Tätigkeit geeignet wären, von vornherein wegen ihres Geschlechts nicht für die Einstellung in Betracht gezogen werden.

bb)
Die Benachteiligung des Klägers erfolgte ausweislich der Begründung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 14. Dezember 2021 und nach ihren schriftsätzlichen Darlegungen wegen seines Geschlechts. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist. Dies ist hier der Fall, obwohl die Beklagte davon ausging, durch § 42 NHG schon formell an der Einstellung eines nicht weiblichen Bewerbers gehindert zu sein. Sie hat nämlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die ihrer Ansicht nach dem § 42 NHG zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung teilt, wonach die gesellschaftlichen Bedingungen die Be- setzung des Amtes mit einer Frau erfordern. Außerdem hält sie eine solche wegen der auf der ausgeschriebenen Stelle zu leistenden Tätigkeit insgesamt für zwingend nötig.

b)
Die unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts, ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig.

Zutreffend hält das Arbeitsgericht die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung des Klägers wegen seines Geschlechts nach § 8 Abs. 1 AGG für gerechtfertigt. Das weibliche Geschlecht ist für die zu besetzende Stelle wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine we- sentliche und entscheidende berufliche Anforderung, deren Zweck rechtmäßig und die angemessen ist.

aa)
§ 8 Abs. 1 AGG erfordert, dass das Merkmal nach § 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit darstellen muss. Für die Zulässigkeit der Differenzierung nach dem Geschlecht verlangt die Norm, dass dieses unverzichtbare Vorausset- zung für die Erbringung der Tätigkeit ist. Dementsprechend kann das Geschlecht nur dann iSd. § 8 Abs. 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bilden, wenn die Tätigkeit ohne das Merkmal jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Abzustellen ist auf die konkret vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die sich nach dem vom Arbeitgeber festgelegten Unternehmenskonzept richtet. Das vom Arbeitgeber geforderte Merkmal muss, um wesentlich sein zu können, für die vom Arbeitgeber vorgegebene berufliche An- forderung eine prägende Bedeutung haben, wobei es nicht darauf ankommt, welcher zeitliche Anteil der Tätigkeit betroffen ist, sondern darauf, ob das Merkmal für die Erreichung des unternehmerischen Zwecks erforderlich ist. Das Differenzierungsmerkmal darf nicht nur für unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Tätigkeiten notwendig sein. Dabei ist es nicht entscheidend, dass einige der Aufgaben nicht das Vorhandensein des betreffenden Merkmals erfordern (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19, Rn. 39).

bb)
Die Ablehnung der Bewerbung des Klägers auch aufgrund seines Geschlechts ist nicht schon deshalb nach § 8 AGG zulässig ist, weil § § 42 NHG die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau gebietet. § 42 NHG verwendet durchgehend die weibliche Form „Gleichstellungsbeauftragte“ und „Vertreterin“, während im Übrigen beide grammatikalische Formen Verwendung finden - etwa in § 37 NHG Präsidentin/Präsident oder Vizepräsi- dentin/Vizepräsident. Diese gesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht des Stelleninhabers führt jedoch nicht zwingend zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme. Diese ist ihrerseits nur wirksam, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts die eu- roparechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) - und damit auch des § 8 AGG - inhaltlich erfüllt sind und die Beschränkung im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verfassungsgemäß ist (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09, Rn. 27).

cc)
Ob § 42 NHG mit Europarecht (insbesondere der RL 2006/54/EG), Art. 33 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vereinbar ist, kann offenbleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob das weibliche Geschlecht generell für das Amt der nach § 42 NHG zu bestellenden Gleichstellungsbeauftragten iSd. § 8 Abs. 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sondern, ob dies im Hinblick auf die konkret von der Beklagten gesuchte Gleichstellungsbeauftragte der Fall ist. Dies ist vorliegend nach dem Stellenzuschnitt zu bejahen. Zur Erbringung eines Teils der der Gleichstellungsbeauftragten obliegenden Tätigkeiten ist das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung, weil sie von einem Mann nicht ausgeübt werden könnten, ohne den verfolgten Zweck zu gefährden. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Das gilt aber nach der Stellenanzeige der Beklagten nicht für einen nicht nur unerheblichen Teil der Aufgaben.

(1)
Nach der Stellenanzeige der Beklagten und dem beschriebenen Aufgabenbereich berät die Gleichstellungsbeauftragte Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc. Die Gleichstellungsbeauftragte dient danach insbesondere als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene nach wie vor Frauen sein dürften (Epping/Neuvians § 42 NHG Rn. 9, 1. Aufl. 2016). Es ist zwar nicht für jede Fallgestaltung zwingend, dass sich eine potentiell diskriminierte Frau nicht auch an eine(n) nicht gleichgeschlechtliche(n) Gleichstellungsbeauftragte(n) wenden würde. Ausreichend ist jedoch, dass solche Fallgestaltungen gerade im Bereich sexueller Belästigungen oder aufgrund geschlechtsbezogener persönlicher Herabsetzungen möglich sind (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09, Rn. 31). Nach der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erhobenen empirischen Studie „Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention“ (abrufbar unter www.antidiskriminierungsstelle.de), die von Juni 2018 bis Mai 2019 durchgeführt wurde, waren bei den erwerbstätigen Personen im Zeitraum der vergangenen drei Jahre Frauen mit einem Anteil von 13 % deutlich häufiger als Männer (5 %) von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. 82 % der Betroffenen gaben an, die belästigenden Personen seien ausschließlich oder überwiegend Männer gewesen. Weibliche Betroffene gaben zu 98 % an, die belästigenden Personen seien männlich gewesen. Männliche Betroffene gaben dies zu 39 % an, nannten zu 16 % beide Geschlechter und zu 46 % ausschließlich oder überwiegend Frauen. Nach der Studie empfanden viele Betroffene die sexuelle Belästigung als erniedrigend, belastend oder bedrohlich. 48 % der betroffenen Frauen sagten, sie hätten sich durch die Belästigung mittel bis sehr stark erniedrigt und abgewertet gefühlt (Männer 28 %). Von mittelstarken bis sehr starken psychischen Belastungen berichteten 41 % der Frauen und 27 % der Männer. Insoweit ist davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und damit das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin ebenfalls unverzichtbare Voraussetzung für die Stellenbesetzung ist (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09, Rn. 36). Ihnen wohnt kein diskriminierender Charakter inne. Es kommt insofern nicht darauf an, ob der Kläger rein tatsächlich als Ansprechpartner fungieren und die anfallenden Aufgaben einer Beratung erbringen könnte. Entscheidend ist, dass die Tätigkeiten einen direkten Bezug auf andere Personen aufweisen. Gleiches gilt, wenn ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich ist und dieses erfordert, dass der fragliche Arbeitnehmer selbst dieser Gruppe angehört, wie dies der Fall ist, wenn Opfer von Diskriminierung beraten und betreut werden (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09, Rn. 36). Für die Gleichstellungsbeauftragte, die sich insoweit sowohl nach dem Gesetzeszweck als auch nach den tatsächlichen Gegebenheiten überwiegend der Belange der weiblichen Beschäftigten annehmen soll, ist es daher wichtig, die Verhältnisse im Einzelfall aus der Sicht des benachteiligten Geschlechts beurteilen zu können (vgl. LAG Schleswig-Holstein 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 Rn. 64). Dies gilt auch für die Fähigkeit, spezifische Gleichstellungsdefizite zu entdecken und zu benennen, um diese abzustellen, da dies von Frauen eher zu erwarten ist, solange und soweit gerade weibliche Beschäftigte diese Defizite besonders häufig, zumindest aber überwiegend erfahren und diese das Alltagsleben von nicht weiblichen Beschäftigten nicht in gleichem Maße prägen (vgl. LAG Schleswig-Holstein 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 Rn. 64). Vor diesem Hintergrund ist für die Erbringung dieser Tätigkeiten das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung.

(2)
Die von der Beklagten gesuchte Gleichstellungsbeauftragte soll u. a. im Hinblick auf die Erfüllung des Gleichstellungsauftrages nach § 42 NHG die Beklagte beraten und unterstützen. Gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 NHG wirkt die Gleichstellungsbeauftragte auf die Erfüllung des Gleichstellungsauftrags nach § 3 Abs. 3 NHG mit. Danach fördern die Hochschulen u. a. bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Zudem wirkt die Gleichstellungsbeauftragte gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 NHG insbesondere bei der Entwicklungsplanung, bei der Erstellung des Gleichstellungsplans sowie bei Struktur- und Personalentscheidungen mit. § 42 NHG beruht auf dem Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz (NGG). Die allgemeinen Regelungen des NGG gelten auch für die Hochschulen, § 2 Abs. 1 Ziff. 3 NGG. Lediglich der zweite Abschnitt des NGG, der die Vorgaben zu den Gleichstellungsbeauftragten betrifft, gilt gem. § 18 NGG nicht für Hochschulen. § 42 NHG stellt insoweit besondere Regelungen für die Hochschulen auf (Epping/Neuvians § 42 NHG Rn. 3 aaO). Zielsetzung des NGG ist es u. a., für Frauen und Männer in der öffentlichen Verwaltung die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit zu fördern und zu erleichtern und Frauen und Männern eine gleiche Stellung zu verschaffen, § 1 Abs. 1 NGG. Um diese Zielsetzung zu erreichen sieht § 2 NGG u. a. vor, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Frauen und Männer ihre Erwerbsarbeit mit ihrer Familienarbeit vereinbaren können, das Handeln der Verwaltung stärker durch Frauen zu prägen und weibliche und männliche Sichtweisen und Erfahrungen sowie die Erfahrungen aus einem Leben mit Kindern einzubeziehen, die berufliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verwirklichen und gleiche berufliche Chancen herzustellen sowie Nachteile, die Männer und Frauen aufgrund ihrer geschlechtlichen Unterschiedlichkeit oder ihrer Geschlechterrolle erfahren, zu beseitigen oder auszugleichen. Dabei geht das NGG vom Vorliegen einer Unterrepräsentanz aus, wenn der Frauen- oder Männeranteil in einem Bereich einer Dienst- stelle unter 45 vom Hundert liegt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 NGG). § 42 NHG dient in diesem Zusammenhang insbesondere der Behebung der Unterrepräsentanz eines der Geschlechter und der Herstellung der Chancengleichheit für Frauen und Männer. Insbesondere im Bereich der geho- benen Führungspositionen und bei den Professorenstellen sind Frauen immer noch unterreprä- sentiert (vgl. Epping/Neuvians § 42 NHG Rn. 4 und 9 aaO.). Daher sah der Gesetzgeber selbst im Hinblick auf das NGG insbesondere bezüglich der Unterrepräsentanz in Führungspositionen und der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit die Frauen zumindest in der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung vom 15. Dezember 2015 des NHG immer noch als Hauptbetroffene an, so dass es erforderlich sei, für sie eine Gleichstellungsbeauftragte zu installieren (LT-Drucks. 16/281, 25). Eine Unterrepräsentanz von Frauen im Bereich der gehobenen Führungspositionen besteht nach wie vor. So betrug nach der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 22. Dezember 2022 der Frauenanteil hauptberuflicher Professoren an Hochschulen im Jahr 2021 gut 27 % (Pressemitteilung Nr. 559, abrufbar unter www.destatis.de). Nach der Pressemitteilung vom 14. Juli 2016 (Pressemitteilung Nr. 245) lag der Frauenanteil an der Professorenschaft Ende 2015 bei 23 %. Angesichts der Zielsetzung des NGG und des NHG sowie der gesetzlichen Maßgabe, das Handeln der Verwaltung stärker durch Frauen zu prägen und - insofern - weibliche Sichtweisen und Erfahrungen einzubeziehen, kann nur durch eine gleichgeschlechtliche Gleichstellungsbeauftragte tatsächlich etwas zur Gleichstellung der Geschlechter beigetragen werden, zumal die weiblichen Beschäftigten der Hochschule sich diesen eher anvertrauen dürften und es bei dieser Tätigkeit auch darum gehen wird, Interessen von Frauen entgegen den Vorstellungen der Männer wahrzunehmen um hinreichend effektiv dieses Amt auszufüllen (Epping/Neuvians § 42 NHG Rn. 9 aaO.). Vor diesem Hintergrund ist für die Erbringung eines Teils dieser Tätigkeiten das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung, weil sie von einer nicht weiblichen Person nicht ausgeübt werden können, ohne den verfolgten Zweck zu gefährden. Zwar kann eine nicht weibliche Person grundsätzlich in gleicher Weise an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken. Etwas Anderes gilt aber für die Berücksichtigung prägenden weiblichen Handelns unter Einbeziehung von weiblichen Sichtweisen und Erfahrungen sowie einer Tätigkeit, Interessen von Frauen ggf. entgegen den Vorstellungen von Männern wahrzunehmen und hinreichend effektiv durchzusetzen. Auf die Frage, wie der Begriff „geschlechtsbezogenes Merkmal“ im Zusammenhang mit einer „we- sentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung“ nach Art. 14 Abs. 2 der RL 2006/54/EG näher zu verstehen ist (BAG 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19 – Rn. 44), kommt es hierbei nicht weiter an. Insoweit geht es auch um spezifische Kenntnisse oder Erfahrungen der Stelleninhaber, die aus der Natur der Sache nur von den Angehörigen des weiblichen Geschlechts erfüllt werden können. Differenzierungskriterium ist in diesem Fall nicht das Geschlecht, sondern das Vorhandensein der spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen (vgl. BAG 12. November 1998 – 8 AZR 365/97 – Rn. 70).

(3)
Das weibliche Geschlecht betrifft für die von der Beklagten in ihrer Stellenanzeige vorgegebenen Aufgaben nicht nur unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Arbeiten. Der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags nach § 42 NHG und dem NGG, aber auch und gerade der Unterstützung in Fällen von Frauendiskriminierung, insbesondere sexuellen Belästigungen kommt jedenfalls keine nur untergeordnete Bedeutung zu. Allein zu letzterem hat die Beklagte unwidersprochen einen Anteil von mindestens 5 bis 10 % an der Gesamttätigkeit vorgetragen. Auch wenn es für die Frage, ob das vom Arbeitgeber geforderte Merkmal für die von diesem vorgegebene berufliche Anforderung eine prägende Bedeutung hat, nicht auf einen zeitlichen Anteil ankommt (vgl. BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 26), kann die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ohne das Merkmal des weiblichen Geschlechts jedenfalls insoweit nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden.

(4)
Der von der Beklagten vorgenommene, das weibliche Geschlecht bedingende Stellenzuschnitt, ist rechtmäßig. Die Beklagte konnte im Rahmen ihrer organisatorischen Bedürfnisse und Möglichkeiten den spezifischen beruflichen Tätigkeitsbereich und die daraus abzuleitenden beruflichen Anforderungen bestimmen. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es daher in diesem Zusammenhang weder darauf an, ob sich Betroffene (auch) an Vorgesetzte, das Präsidium oder den Personalrat wenden könnten oder an dezentral bestellte Gleichstellungsbeauftragte. Hieraus ergeben sich lediglich allgemein gehaltene Anlaufstellen, selbst wenn zugleich eine Beratung erfolgen sollte, ohne dass dies den von der Beklagten zu bestimmenden Aufgabenkreis der zentralen Gleichstellungsbeauftragten einengt oder Bereiche ausschließt. Um die Anforderungen von Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1 AGG sicherzustellen, muss der verfolgte unternehmerische Zweck aber rechtmäßig sein, darf also nicht gegen eine Verbotsnorm verstoßen, und die gestellte Anforderung muss angemessen sein (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 Rn. 33 mwN).

Aufgabe der zentralen Gleichstellungsbeauftragung ist u. a. die Beratung von Hochschulangehörigen in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc. sowie die Beratung und Unterstützung der Beklagten im Hinblick auf die Erfüllung des Gleichstellungsauftrags nach § 42 NHG. Der damit einhergehende verfolgte Zweck ist rechtmäßig, denn er verstößt nicht gegen eine Verbotsnorm. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es angemessen, den Bewerberkreis für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten auf Frauen zu beschränken. Zutreffend hat das Ar- beitsgericht ausgeführt, dass die Abwägung der getroffenen Grundrechte und des europäischen Primärrechts ergibt, dass der nicht weiblichen Bewerbern damit zugefügte Nachteil im Hinblick auf den verfolgten Zweck verhältnismäßig ist. Um den Schutz der Rechte des Bewerbers nach Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG zu gewährleisten, hat jedoch eine Missbrauchskontrolle statt- zufinden (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 36). Deshalb kann der Arbeitgeber das Vorhandensein eines in § 1 AGG genannten Merkmals nicht verlangen, wenn er in willkürlicher Weise einen Arbeitsplatz eingerichtet hat, für dessen Besetzung gerade ein in § 1 AGG genanntes Merkmal unverzichtbar ist (BAG 28. Mai 2009 – 8 AZR 536/08 – Rn. 53). Liegt dem Unternehmenskonzept eine bestimmte Erwartung Dritter zugrunde, darf diese nicht ihrerseits diskriminierend sein. Insoweit ist davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und ihnen kein diskriminierender Charakter innewohnt (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 36). Gleiches gilt zum einen, wenn – wie hier – ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich ist und dieses erfordert, dass der fragliche Arbeitnehmer selbst dieser Gruppe angehört, wie dies der Fall ist, wenn Opfer von Diskriminierung, insbesondere sexueller Belästigung, beraten und betreut werden. Zum anderen gilt dies auch dafür, dass spezifische Kenntnisse oder Erfahrungen der Stelleninhaber, die aus der Natur der Sache nur von den Angehörigen des weiblichen Geschlechts erfüllt werden können, berücksichtigt werden sollen, um so auch eine berufliche Gleichberechtigung zu fördern. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Frauen und die berufliche Gleichberechtigung überwiegen vor diesem Hintergrund das Interesse nicht weiblicher Bewerber die Stelle zu erhalten.

Auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG bestehen keine Bedenken gegen die von der Beklagten getroffene Auswahlentscheidung. Ein dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unterfallendes Merkmal kann als Eignungsmerkmal iSd. Art. 33 Abs. 2 GG herangezogen werden, wenn aufgrund der Anforderungen des Amtes Bewerber ohne die fragliche Eigenschaft ungeeignet sind und besondere verfassungsrechtliche Gründe für die Schaffung eines solchen Amts sprechen (BAG 10. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 38). Diese Voraussetzungen sind - wie oben dargelegt – erfüllt.

(5)
Der Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung nach § 8 AGG wegen der konkret zu leistenden Tätigkeit steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte die Ablehnung des Klä- gers im Schreiben vom 14. Dezember 2021 nicht hiermit, sondern formal mit § 42 NHG begründet hat, selbst wenn diese Norm unwirksam sein sollte. Die Verkennung eines Ermessensspielraums für die Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG ist unschädlich, wenn dessen Voraussetzungen objektiv vorliegen und der öffentliche Arbeitgeber sich bei seiner Auswahlentscheidung jedenfalls auch auf den unter § 8 AGG zu subsumierenden Sachverhalt beruft. Auf die teilweise unzutreffende Begründung einer tatsächlich gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung kann ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gestützt werden (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 39).

5.
Auch das weitere Vorbringen des Klägers, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 2 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.



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