Verwaltungsgericht Berlin

- Az: 5 L 714.22

Polizist kann aufgrund von Cannabis-Konsum entlassen werden

1. Stellt ein polizeiärztliches Gutachten eine im Urin des Widerrufsbeamten ermittelte Konzentration von 39,8 µg/l THC-COOH und damit einen Drogenmissbrauch fest, ist von der mangelnden gesundheitlichen und charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst auszugehen.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Der Besitz und Konsum von Drogen steht nicht in Einklang mit der beamtenrechtlichen Pflicht zu gesetzestreuem und achtungswürdigem Verhalten im Sinne des § 34 BeamtStG.

(3.) Auch ein gelegentlicher Cannabis-Konsum kann zu körperlichen Einschränkungen führen. Die Folgen können u.a. Konzentrationsstörungen, fehlende Selbsteinschätzung, Wahrnehmungsstörungen und gestörter motorischer Koordination sein. Die beschriebenen Einschränkungen schließen es aus, dass die Aufgaben eines Polizeibeamten im Vollzugsdienst erfüllt werden können.

(4.) Darüber hinaus besteht der Verdacht der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz, da sich ein Drogenkonsument trotz der Straflosigkeit des Konsums regelmäßig wegen der vorausgehenden Handlungen des Erwerbs, der Einfuhr oder des Besitzes strafbar mache.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 4.107,35 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung, die mit seiner mangelnden gesundheitlichen und charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst begründet ist.

Der Antragsteller stand seit dem 1. April 2019 als Beamter auf Widerruf im Dienst des Antragsgegners und leistete den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ab.

Erhöhte krankheitsbedingte Fehlzeiten und Sportbefreiungen waren Anlass für polizeiärztliche Untersuchungen am 11. August 2020, am 23. Februar 2021 und am 1. Juli 2021. Das Ergebnis der Laboruntersuchung des am 1. Juli 2021 abgenommen Urins des Antragstellers ließ nach dem polizeiärztlichen Gutachten vom 20. Juli 2021 auf einen Tetrahydrocannabinol-Abusus (THC-Missbrauch) schließen. Es wurde eine Konzentration von 39,8 µg/l THC-COOH (Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure) ermittelt. Aufgrund des THC-Missbrauchs stellte die Polizeiärztin die dauerhafte Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers fest. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 31. August 2021 stellte die Polizeiärztin zudem die Fähigkeit zur Abstinenz in Frage.

Daraufhin hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder gesundheitlicher und charakterlicher Eignung an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Dezember 2021 räumte der Antragsteller „punktuellen Konsum von Cannabis“ ein und begründete dies mit gewalttätigen Übergriffen seiner damaligen Partnerin. Der Laborbericht bedürfe zudem einer fachlichen Erläuterung und Einordnung hinsichtlich der festgestellten THC-Konzentration.

Die von dem Antragsgegner sodann eingeholte weitere ergänzende Stellungnahme der Polizeiärztin vom 31. Januar 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass die nachgewiesene Konzentration einen gelegentlichen Konsum bestätigt.

Am 4. Mai 2022 ließ der Antragsteller seinen Urin untersuchen. Das Testergebnis des Labors war negativ.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2022 entließ der Antragsgegner den Antragsteller wegen fehlender gesundheitlicher Eignung und erheblichen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung mit Ablauf des 31. August 2022 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Angesichts des THC-Konsums lägen die vollzugsspezifischen Einsatzanforderungen, insbesondere an die physische und psychische Belastbarkeit und Stabilität nicht vor. Ferner bestehe der Verdacht strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller die Gewähr dafür biete, seinen Grund- und Verhaltenspflichten als Polizeibeamter nachzukommen.

Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 1. August 2022 Widerspruch über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist. Seine damalige Partnerin habe ihn vergiftet und ihn wahrscheinlich sexuell missbraucht. Vor diesem Hintergrund erkläre sich auch der im Rahmen der Untersuchung vom 1. Juli 2021 festgestellte THC-Abusus.

II.

Der am 31. August 2022 bei dem Verwaltungsgericht Berlin eingegangene Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 1. August 2022 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. Juli 2022 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ausreichend begründet (1.). In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg, weil die Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt (2.).

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Entlassungsverfügung vom 7. Juli 2022 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das mit dieser Vorschrift normierte Begründungserfordernis setzt eine schlüssige, konkrete und substantiierte Darlegung der wesentlichen Erwägungen voraus, warum aus Sicht der Behörde gerade im konkreten Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 DB 26.01 -, juris Rn. 6). Diesen Anforderungen werden die nicht nur formelhaften, sondern einen hinreichend individuellen Bezug aufweisenden Erwägungen des Antragsgegners gerecht. Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass er zur sparsamen Haushaltsführung verpflichtet sei, der es widerspreche, die Bezüge des Antragstellers, für die es unter Berücksichtigung der bestehenden Zweifel an der charakterlichen Eignung und seiner Verwendungsbeschränkungen aufgrund der medizinischen Erkenntnisse keine Beschäftigungsmöglichkeiten in der Behörde gebe, zu zahlen. Auch unter Berücksichtigung der Schutzvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), wonach den Beamtinnen und Beamten Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, überwiege angesichts der fehlenden persönlichen Eignung das Interesse an der sofortigen Vollziehung.

2. Die dem Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO eröffnete Abwägung der widerstreitenden Belange geht zum Nachteil des Antragstellers aus, weil sich der Entlassungsbescheid nach der hier gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist und ein Interesse des Antragstellers, gleichwohl vorerst von dessen Wirkung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse nicht überwiegt. Der Antragsgegner hat das öffentliche Interesse für die sofortige Vollziehung nachvollziehbar aufgezeigt. Die dagegen gerichteten Einwände des Antragstellers vermögen nicht zu überzeugen.

a) Der Entlassungsbescheid vom 7. Juli 2022 ist formell rechtmäßig. Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 gemäß § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes i.V.m. § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Berlin zur beabsichtigten Entlassung an. Auch beteiligte der Antragsgegner die Frauenvertreterin nach § 17 Abs. 1 des Landesgleichstellungsgesetzes und den Personalrat gemäß § 88 Nr. 11 des Personalvertretungsgesetzes Berlin ordnungsgemäß.

b) Der Entlassungsbescheid erweist sich nach der hier gebotenen summarischen Prüfung auch als materiell rechtmäßig, insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner das ihm im Rahmen von § 23 Abs. 4 BeamtStG eröffnete Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

aa) Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 23 Abs. 4 BeamtStG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden, wobei Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll. Hieraus ergibt sich eine Einschränkung des dem Dienstherrn in § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG bei der Entlassung von Widerrufsbeamten eingeräumten Ermessens dahingehend, dass eine Entlassung während des Vorbereitungsdienstes nur ausnahmsweise aus Gründen statthaft ist, die mit dessen Sinn und Zweck in Einklang stehen. Als Unterfall der persönlichen Eignung kann die fehlende gesundheitliche Eignung ein sachlicher Grund für die Entlassung sein, wenn ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, erreicht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 -, juris Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 17. September 1981 - 2 C 4.79 -, juris Rn. 18; Sächsisches OVG, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 B 216/18 -, juris Rn. 3). Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen der Beamten festgestellt und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen bestimmt werden. Hierzu bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 8 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG) vor, dass die gesundheitliche Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis aufgrund einer amts- oder polizeiärztlichen Untersuchung festzustellen ist.

Die vorliegend streitgegenständliche gesundheitliche Eignung des Antragstellers verneinte der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise mit Bescheid der Polizei Berlin vom 7. Juli 2022 auf der Grundlage des polizeiärztlichen Gutachtens vom 20. Juli 2021 sowie der polizeiärztlichen ergänzenden Stellungnahmen vom 31. August 2021 und 31. Januar 2022. Er entließ den Antragsteller gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG, § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 LBG i.V.m. § 7 Abs. 3 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamte des Polizeivollzugsdienst mit Ablauf des 31. August 2022.

Der Antragsgegner stützt seine Entscheidung auf das polizeiärztliche Gutachten vom 20. Juli 2021, mit dem die Polizeiärztin angesichts einer im Urin des Antragstellers ermittelten Konzentration von 39,8 µg/l THC-COOH einen THC-Missbrauch feststellte, und verneinte auf dieser Grundlage die gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Aufgrund dieser Gesundheitsstörung bestünden - so das politeiärztliche Gutachten, das sich der Antragsgegner zu eigen machte, - diverse Verwendungseinschränkungen (keine Tätigkeit mit vermehrter Stressbelastung, kein Verrichten von Nachtschicht und Wechseldienst, keine Tätigkeiten, die Konformitätsdruck erfordern, keine Tätigkeiten mit vermehrtem Zeitdruck, keine Tätigkeiten mit vermehrter Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, kein Verrichten von Dienst an der Waffe, kein Führen von Dienstfahrzeugen, keine Tätigkeit mit besonderer Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit, keine Tätigkeit mit besonderer Anforderung an das Reaktionsvermögen, keine Tätigkeit mit Verantwortung für andere Personen, kein Verrichten von Tätigkeiten mit Unfall- und Verletzungsgefahr, keine Tätigkeiten mit Absturzgefahr, keine Tätigkeiten mit Überwachung/Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge). Der Antragsgegner hob hervor, dass der Antragsteller in Anbetracht der in der polizeiärztlichen Stellungnahme vom 31. August 2021 aufgeführten möglichen Folgen des THC-Konsums, wie Konzentrationsstörungen, fehlende Selbsteinschätzung, Wahrnehmungsstörungen, weitere kognitive Störungen, Halluzinationen, Wahnsymptome und gestörte motorische Koordination, insbesondere weder in der Lage sei, ein Dienstfahrzeug zu führen, noch könne er Dienst an der Waffe verrichten.

Die durch den (jedenfalls gelegentlichen) THC-Konsum ausgelösten körperlichen Einschränkungen, wie sie von der Polizeiärztin beschrieben werden, schließen es aus, dass der Antragsteller die Aufgaben eines Polizeibeamten im Vollzugsdienst erfüllt (vgl. § 105 LBG), so dass die Annahme, der Antragsteller sei gesundheitlich ungeeignet, keinen Bedenken begegnet.

Der Antragsgegner geht in seinem Entlassungsbescheid zudem davon aus, dass der Antragsteller die uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit auch nicht alsbald wiedererlange. Die Einnahme von THC in Kenntnis der angekündigten polizeiärztlichen Untersuchung lasse nicht auf eine völlige Abstinenz schließen. Insofern sei auf einen Zeitraum von einem Jahr abzustellen. Dies deckt sich mit der Regelung in Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), die ihrerseits maßgeblich auf den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr und Bundesministerium für Gesundheit beruht, denen ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 3 C 1.08 -, juris 16). Nach Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV erfordert die Wiedererlangung der Fahreignung und damit auch die Fähigkeit, ein Dienstfahrzeug führen zu können, nach einem zuvor erfolgten eignungsausschließenden Betäubungsmittelkonsum eine Abstinenz von mindestens einem Jahr (vgl. dazu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. August 2018 - 4 S 34.18 -, juris Rn. 6). Der vom Antragteller vorgelegte Laborbericht vom 4. Mai 2022, wonach keine THC-COOH-Konzentration nachgewiesen werden konnte, vermag eine Abstinenz nach dem im Juli 2021 festgestellten THC-Missbrauchs von einem Jahr nicht zu belegen.

Es ist in Anbetracht der im Juli 2021 im Labor ermittelten Konzentration von 39,8 µg/l THC-COOH nach der ergänzenden Stellungnahme der Polizeiärztin vom 31. Januar 2022 von einem mindestens gelegentlichen THC-Konsum auszugehen. Diesen „punktuellen Konsum von Cannabis“ räumte der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung auch ein.

Soweit er nunmehr behauptet, dass der im Zuge der polizeiärztlichen Untersuchung vom 1. Juli 2021 festgestellte THC-Abusus „im Wesentlichen ursächlich auf die Vergiftung durch Frau […] zurückzuführen“ sei, geht die Kammer von einer Schutzbehauptung aus. Weder im Verwaltungs- noch im Verwaltungsgerichtsverfahren, hat der Antragsteller die Anschuldigungen (Vergiftung, sexuelle Übergriffe einhergehend mit Verletzungen an seinen Genitalien) gegen seine ehemalige Partnerin glaubhaft gemacht.

Der Einwand des Antragstellers in Hinblick auf die Fähigkeit zur Abstinenz, er sei vor der polizeiärztlichen Untersuchung am 1. Juli 2021 mit nur drei Wochen Vorlaufzeit geladen worden, hingegen bei den vorhergehenden Untersuchungen mit zehn Wochen, ist nicht nachvollziehbar. Wäre der Antragsteller drei Wochen abstinent gewesen, hätte eine THC-COOH-Konzentration nach der ergänzenden Stellungnahme der Polizeiärztin vom 31. Januar 2022 bei einem vorangegangenen einmaligen Konsum, bei einem mäßigen Konsum (viermal pro Woche) und selbst bei einem starken Konsum (täglich) nicht mehr nachgewiesen werden können. Denn die Nachweisbarkeitsdauer im Urin beträgt bei starkem Konsum zehn und bei weniger starkem Konsum zwischen zwei bis fünf Tage. Nur bei einem chronischen Abusus beträgt die Nachweisbarkeitsdauer mehr als 20 Tage. Unter Berücksichtigung der Nachweisbarkeitsdauer war der Antragsteller mithin vor dem ihm bekannten Untersuchungstermin nicht abstinent oder es lag ein chronischer Missbrauch vor. Die Zweifel des Antragsgegners an der Fähigkeit zur Abstinenz stellen sich vor diesem Hintergrund nicht als unberechtigt dar. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner - was der Antragsteller rügt - keine weiteren Feststellungen zum aktuellen Konsumverhalten des Antragstellers getroffen hat.

bb) Die Entscheidung, den Antragsteller auch aufgrund der charakterlichen Nichteignung zu entlassen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung des Beamten auf Widerruf für die angestrebte Beamtenlaufbahn stellen einen sachlichen Grund dar, der die „jederzeitige“ Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf - hier gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG - rechtfertigen kann. Für die charakterliche Eignung ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Dies schließt nicht aus, dass sich die begründeten Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Beamten auch aus einem einmaligen Fehlverhalten ergeben können, wenn dieses die charakterlichen Mängel hinreichend deutlich zu Tage treten lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2022 - 2 B 5/22 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Es begegnet insbesondere keinen rechtlichen Bedenken, für die Einstellung in den Polizeidienst besonders hohe Anforderungen an die Gesetzestreue und charakterliche Stabilität des Bewerbers zu stellen, weshalb Sachverhalte mit strafrechtlicher Relevanz Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. März 2022 - 4 S 3920/21 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

Der Antragsgegner begründet seine Zweifel an der charakterlichen Eignung mit Zweifeln an der Gesetzestreue des Antragstellers. Dieser sei als Polizeivollzugsbeamter in besonderer Weise verpflichtet, sich gesetzestreu zu verhalten und habe sowohl sein innerdienstliches, aber auch sein außerdienstliches Verhalten dahingehend auszurichten. Der Besitz und Konsum von Drogen stehe nicht in Einklang mit der beamtenrechtlichen Pflicht zu gesetzestreuem und achtungswürdigem Verhalten im Sinne des § 34 BeamtStG. Ausgehend davon, dass der Antragsteller Cannabis angebaut oder es beschafft haben müsse, um es zu konsumieren, bestehe der Verdacht einer Straftat nach § 29 des Betäubungsmittelgesetzes.

In Anbetracht des Umstandes, dass sich der Konsument trotz der Straflosigkeit des Konsums regelmäßig wegen der dem Verbrauch vorausgehenden Tatbegehungsweisen des Erwerbs, der Einfuhr oder des Besitzes strafbar macht (vgl. Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Auflage 2022, BtMG § 29 Rn. 1025), ist der Verdacht des Antragsgegners naheliegend. Die unsubstantiierte Behauptung, seine ehemalige Partnerin habe ihn vergiftet, ist jedenfalls nicht geeignet, den Verdacht auszuräumen und widerspricht dem eigenen Vorbringen zum „punktuellen Konsum“ (vgl. 2. b) aa)). Die Sichtweise des Antragsgegners, wonach dieses Vorbringen des Antragstellers ein weiteres Zeichen für seine charakterliche Instabilität sei, begegnet keinen Bedenken.

cc) Schließlich können die fachlichen Leistungen des Antragstellers zu keinem anderen Ergebnis führen. Auf seine fachlichen Leistungen kommt es bei der gesundheitlichen und charakterlichen Nichteignung nicht an, denn die Berufung in ein Beamtenverhältnis setzt gleichermaßen die Befähigung, die fachliche Leistung und die Eignung, die die gesundheitliche und charakterliche Eignung umfasst, voraus (vgl. Art 33 Abs. 2 GG).

dd) Nach alledem war dem Antragsteller nicht die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst zu beenden. Der Soll-Regelung in § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass das dem Dienstherrn in § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG eröffnete weite Ermessen einer jederzeitigen Entlassungsmöglichkeit dahin eingeschränkt wird, dass die Entlassung nur aus solchen sachlichen Gründen statthaft ist, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Einklang stehen. Solche sachlichen Gründe sind hier nach dem Vorstehenden aufgrund der begründeten Zweifel an der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung des Antragstellers gegeben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2019 - 4 S 16.19 -, juris Rn. 7).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (sechsfacher Betrag des monatlichen Anwärtergrundbetrags in Höhe von 1.327,45 Euro zuzüglich der Hälfte der jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 500,00 Euro), wobei wegen der Vorläufigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes der Streitwert zu halbieren war.



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