Arbeitsgericht Suhl

- Az: 6 Ca 592/23

Probezeit: Unzulässige Kündigung aufgrund unberechtigter Eignungsuntersuchung

Das Arbeitsgericht Suhl hat in seinem jüngsten Urteil entschieden, dass ein Arbeitgeber nur dann die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen darf, wenn er die Kriterien, die zu einer möglichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, eindeutig festlegt. Die entsprechende Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Konsequenzen so detailliert beschreiben, dass keine unangemessenen Interpretationsspielräume für den Arbeitgeber bestehen.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Im folgenden Streitfall hatte der Beklagte eine Stelle als Schießstandwart ausgeschrieben. In der Stellenausschreibung hieß es u.a., dass die Bewerber gesundheitlich und körperlich geeignet sein müssen, insbesondere keine ärztlichen Einschränkungen bezüglich des Hebens oder Bewegens schwerer Gegenstände haben dürfen. Der Kläger und der Beklagte schlossen vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung einen Formulararbeitsvertrag. Der Kläger trat noch vor der gesundheitlichen Untersuchung seinen Dienst an. Nach einer Blutentnahme wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger nicht für die Stelle geeignet sei. Daraufhin wurde dem Kläger während der Probezeit gekündigt Dagegen wehrte sich der Kläger mit der streitgegenständlichen Klage.
Das Arbeitsgericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den im
im Arbeitsvertrag vereinbarte Vorbehalt der Feststellung der gesundheitlichen Eignung aufgelöst worden sei, da dieser von den Parteien nicht wirksam vereinbart wurde. Bei der streitgegenständlichen Klausel könne aufgrund der unklaren Formulierung nicht festgestellt werden, inwieweit mit dem Begriff „vorbehaltlich“ gemeint war. Obwohl die Klausel wie eine aufschiebende Bedingung formuliert war, habe der Beklagte den Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht vom Ergebnis der Einstellungsuntersuchung abhängig machen wollen. Es bestünden Unsicherheiten darüber, ob der "Vorbehalt" noch galt, nachdem der Kläger seine Arbeit bereits angetreten hatte. Darüber hinaus sei nicht eindeutig, wann die Untersuchung stattfindet und welchen Umfang und Eingriffsintensität sie haben sollte. Zudem sei die Kündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie allein auf dem Ergebnis einer unberechtigten Untersuchung beruhte. Da die Einstellungsuntersuchung nicht wirksam vereinbart und erst nach Beginn der Beschäftigung durchgeführt wurde, konnte das Ergebnis nicht als Grund für die Kündigung herangezogen werden.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 06.06.2023 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Bedingung „vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung“ im Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 sein Ende gefunden hat.

3. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 (Anlage K1) in der Fassung des Änderungsvertrages (Anlage K3) geregelten Arbeitsbedingungen als Schießstandwart (TV-L) Entgeltgruppe 4 am Bildungszentrum der A bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge zu Ziffer 1 / Ziffer 2 weiter zu beschäftigen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.475,44 € brutto abzüglich 1.714,50 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.08.2023 zu zahlen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.475,44 € brutto abzüglich 1.714,50 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.09.2023 zu zahlen.

6. Der Beklagte wird verurteilt, die im Rahmen der ärztlichen Untersuchung vom 16.05.2023 erhobenen Gesundheitsdaten des Klägers sowie alle durch deren Verarbeitung erzeugte Daten zu löschen.

7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

8. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

9. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.423,48 € festgesetzt.

10. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der zwischen ihnen geschlossene Arbeitsvertrag beendet wurde, entweder durch einen im Arbeitsvertrag vereinbarten „Vorbehalt" oder durch den Ausspruch einer Kündigung in der Probezeit. Weiterhin streiten sie um die Verpflichtung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers, Zahlung von Annahmeverzugslohn und Löschung von Gesundheitsdaten des Klägers.

Der Beklagte schrieb eine Stelle als Schießstandwart im Bildungszentrum A aus. In der Stellenausschreibung (Anlage B2, Bl. 61 d.A.) heißt es unter dem Punkt „Diese Qualifikation bringen Sie mit:“ u.a.

„gesundheitliche und körperliche Eignung (insbesondere keine ärztlichen Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit, schwere Gegenstände zu heben oder zu bewegen).“

Unter dem 01.02.2023 (Anlage K 1, Bl. 6 f. d.A.) schlossen der am 06.04.1973 geborene Kläger und der Beklagte „vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung" einen Formulararbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger gemäß § 1 des Arbeitsvertrags ab dem 01.02.2023 auf unbestimmte Zeit als Vollbeschäftigter eingestellt. Nach § 3 des Vertrages beträgt die Probezeit nach § 2 Abs.4 TV-L sechs 6 Monate. Nach § 4 wurde der Beschäftigte in die Entgeltgruppe 3 TV-L eingruppiert. Die Entgeltgruppe 3 wurde mit Änderungsvertrag ohne Datum (Anlage K 3, Bl. 9 f.d.A.) mit Wirkung zum 01.02.2023 durch die Entgeltgruppe 4 ersetzt. Diese Vergütung entspricht einem monatlichen Gesamtbruttogehalt von 2.475,40 €.

Noch vor Durchführung einer gesundheitlichen Untersuchung trat der Kläger seinen Dienst an. Unter dem 25.04.2023 wurden ihm die Aufgaben eines „Schießstandwart“ (TV-L) übertragen. Hinsichtlich der Aufgaben eines Schießstandwartes wird auf Bl. 50/51 d,A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 25.04.2023 (Anlage B 3, Bl. 64 d.A.) wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er sich am 16.05.2023 beim Polizeiärztlichen Dienst (nachfolgend PÄD) zu einer „Einstellungsuntersuchung gem. § 3 Abs.5 TV-L“ einfinden soll. Im Rahmen der Untersuchung am 16.05.2023 erfolgte eine Blutentnahme. Am 26.05.2023 wurde dem Beklagten das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt, wonach keine gesundheitliche Eignung für die Einstellung für die Tätigkeit als Schießstandwart bestünde (Anlage B 5, Bl. 70 d.A.).

In der Folge wurde die Einleitung eines Kündigungsvorganges beschlossen. Am 06.06.2023 wurde das Kündigungsschreiben vorbereitet. Das Beteiligungsschreiben an den Personalrat wurde gefertigt und diesem ausgehändigt. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage B 6, Bl. 71 d.A. verwiesen. Der stellvertretende Personalratsvorsitzende, Herr E, führte daraufhin ein persönliches Gespräch mit der stellvertretenden Sachgebietsleiterin Personal, Frau I, weil er sich über die Hintergründe der Probezeitkündigung informieren wollte. Ihm wurde mitgeteilt, dass der PÄD die gesundheitliche Nichteignung für den Dienstposten des Klägers festgestellt hat und dass dies der Grund der Kündigung ist. Der Personalrat stimmte der Kündigung unter dem 07.06.2023 (Anlage B 7, Bl. 72 d.A.) zu.

Am 08.06.2023 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, indem ihm das Ergebnis der Untersuchung und die Folgen erläutert wurden. Im Gesprächsprotokoll heißt es dazu: „Da er sich noch in der Probezeit befindet und auf Basis der auflösenden Bedingung des Arbeitsvertrages (Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung) wird er fristgerecht in der Probezeit entlassen.“ Nach Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, die am 12.06.2023 der Kündigung zustimmte, wurde dem Kläger am 13.06.2023 das von G, dem Leiter der Bildungseinrichtung, unterzeichnete Kündigungsschreiben (Anlage K 4, Bl. 11 d.A.) persönlich übergeben.

Der Kläger erbrachte seine Arbeit vollkommen beanstandungsfrei und hatte keinerlei Fehlzeiten.

Mit seiner am 19.06.2023 beim Arbeitsgericht Suhl erhobenen Klage greift der Kläger die Kündigung an und macht die Unwirksamkeit des „Vorbehalts“ geltend. Mit den Klageerweiterungen begehrt er Weiterbeschäftigung, Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Juli und August 2023 in Höhe von jeweils 2.475,44 € brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.714,50 € netto sowie Löschung der erhobenen Gesundheitsdaten.

Mit der Klage legte der Kläger ein ärztliches Attest seiner Hausärztin vom 15.06.2023 vor. Ein weiteres ärztliches Attest vom 03.09.2023, das ihm uneingeschränkt berufliche Einsetzbarkeit attestiert, legte der Kläger im Laufe des Verfahrens vor. Wegen des Inhalts der beiden Atteste wird auf die Anlage K 5, Bl. 12 d.A und die Anlage K 8, Bl. 100 f. d.A. verwiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, der im Arbeitsvertrag vereinbarte „Vorbehalt" sei nicht wirksam. Er könne auch keine Rechtsgrundlage für die vom Beklagten geforderte und durchgeführte Untersuchung und Verletzung der körperlichen Integrität darstellen. Die gesundheitliche Nichteignung des Klägers sei wegen vorübergehend erhöhter Leberwerte zu Unrecht angenommen worden. Der Kläger meint, die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben und die guten Sitten. Denn die ärztliche Untersuchung und Datenerhebung sei rechtswidrig erfolgt und verwirkliche daher den Tatbestand der unerlaubten Handlung. Die Verwertung der Ergebnisse scheide daher aus. Der Beklagte habe die Untersuchung weder nach § 7 BAT Ost noch nach § 3 Abs.5 TV-L anordnen können. § 3 Abs.5 TV-L setze eine begründete Veranlassung voraus, die nicht vorgelegen habe. Insbesondere habe er am Vormittag seines 1. Arbeitstages, am 01.02.2023, weder nach Alkohol gerochen noch einen glasigen Blick gehabt. Der Kläger rügt zudem die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates.

Er meint, er habe Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn und Löschung der ohne Rechtsgrundlage und unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes erhobenen Gesundheitsdaten im Zuge der ohne Rechtsgrundlage angeordneten und durchgeführten ärztlichen Untersuchung.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 06.06.2023 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Bedingungen vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung im Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 sein Ende gefunden hat.

3. Es wird festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist.

4. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger brutto 2.475,44 € abzüglich 1.714,50 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.08.2023 sowie 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 01.08.2023 zu zahlen.

5. Den Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 / 2 zu dem im Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 (Anlage K1 Bestandteil des Klageantrags) in der Fassung des Änderungsvertrages (Anlage K3 Bestandteil des Klageantrags) geregelten Arbeitsbedingungen als Schießstandwart (TV-L) Entgeltgruppe 4 am Bildungszentrum der A gemäß Stellenbeschreibung vom 25.04.2023 (Anlage K 2 Bestandteil des Klageantrags) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 / Ziffer 2 weiter zu beschäftigen.

6. Den Beklagten zu verurteilen, die im Rahmen der ärztlichen Untersuchung vom 16.05.2023 erhobenen Gesundheitsdaten des Klägers sowie alle durch deren Verarbeitung erzeugte Daten zu löschen.

7. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger brutto 2.475,44 € abzüglich 1.714,50 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.09.2023 sowie 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.09.2023 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass bereits in der Stellenausschreibung auf die Voraussetzung der gesundheitlichen und körperlichen Eignung hingewiesen wurde und auch in der Präambel des Arbeitsvertrages eindeutig auf den Vorbehalt der Feststellung der gesundheitlichen Eignung verwiesen wurde.

Der Beklagte behauptet, bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 01.02.2023 durch den Kläger habe ein Mitarbeiter der Personalverwaltung bei ihm einen alkoholischen Geruch und glasigen Blick festgestellt. Hiernach liege eine in der Person des Klägers begründete Veranlassung für eine ärztliche Untersuchung vor. Darüber hinaus sei die Tätigkeit als Schießwart gefahrgeneigt. Er pflege Umgang mit Waffen, der einer besonderen Verantwortung unterliege. Auch die Sensibilität der Einrichtung im Sinne einer Polizeischule, an der Anfänger und mit Waffen unerfahrene Menschen sowie Minderjährige Schießtraining erfahren, sei zu berücksichtigen. Begründete Veranlassung i.S.d. § 3 Abs.5 TV-L könne sich auch auf die spezifische Tätigkeit beziehen. Die Gefahrneigung des Arbeitsplatzes und die damit einhergehende gesteigerte Verantwortung des Arbeitgebers für seine Beschäftigten und Schülerinnen und Schüler gebe eine begründete Veranlassung für eine ärztliche Untersuchung.

Der Beklagte meint, die auf die gesundheitliche Nichteignung, festgestellt durch den PÄD, gestützte Kündigung sei wirksam. Da zum 30.06.2023 gekündigt wurde, sei kein Raum für Lohnzahlungen ab Juli 2023. Die Voraussetzungen des Artikel 17 Nr. 1 d) DSGVO seien nicht erfüllt. Die Untersuchung sei nicht rechtswidrig erfolgt, sondern finde seine Rechtsgrundlage im Regelwerk des TV-L.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokolle der Sitzungen vom 05.07.2023 und 27.09.2023 (Bl. 20 f. und Bl. 110 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

I. Hinsichtlich des Antrags zu 3) war die Klage bereits unzulässig. Grundsätzlich kann zusätzlich zu der Kündigungsfeststellungsklage, die den punktuellen Streitgegenstand bildet, eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben werden. Für diese Feststellungsklage besteht das nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse dann, wenn nicht nur eine Kündigung angegriffen werden soll, sondern davon auszugehen oder zumindest nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitgeber andere Auflösungstatbestände in den Prozess einführt. Ein solches Feststellungsinteresse ist dann gegeben, wenn der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte dieses Recht ernsthaft bestreitet und wenn das angestrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Kläger hat keine über die mit den Anträgen 1) und 2) angegriffenen hinausgehenden Beendigungstatbestände in den Prozess eingeführt oder zumindest deren konkrete Möglichkeit dargestellt.

II. Hinsichtlich der weiteren Anträge ist die Klage zulässig und überwiegend begründet.

1. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch den im Arbeitsvertrag vereinbarten „Vorbehalt der Feststellung der gesundheitlichen Eignung" aufgelöst worden.

a) Der Kläger hat die Unwirksamkeit des vertraglichen „Vorbehalts" rechtzeitig durch Anrufung des Arbeitsgerichts gemäß §§ 17, 21, 15 Abs.2 TzBfG geltend gemacht.

Gemäß § 17 TzBfG muss der Arbeitnehmer, der die Rechtsunwirksamkeit einer Befristung geltend machen will, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Handelt es sich um eine auflösende Bedingung im Sinne von § 21 TzBfG, so endet das Arbeitsverhältnis gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach dem Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers.

Vorliegend ist die Vertragsklausel dahin auszulegen, dass es sich um eine auflösende Bedingung im Sinne von § 21 TzBfG handelt. Zwar deutet der Wortlaut „Vorbehalt" zunächst darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis vor Feststellung der Eignung gar nicht wirksam und damit unter eine aufschiebende Bedingung gestellt werden sollte. Hiergegen spricht jedoch, dass der Arbeitsbeginn bereits am Tage des Vertragsschlusses stattfinden sollte und eine rechtzeitige Einstellungsuntersuchung daher nicht erwartet werden konnte. Schließlich haben die Parteien das Arbeitsverhältnis im Februar 2023 auch einvernehmlich in Vollzug gesetzt, so dass von einer auflösenden Bedingung auszugehen ist, die zur Anwendung der Klagefrist der §§ 17, 21 TzBfG führt.

Eine ausdrückliche schriftliche Unterrichtung erfolgte nicht. Der Kläger wurde erstmals im Personalgespräch vom 08.06.2023 darauf hingewiesen, dass er auf Basis der auflösenden Bedingung des Arbeitsvertrages, nämlich dem Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung entlassen wird. Der Gesprächsvermerk (Anlage B 8) wurde mit der Klageerwiderung vom 04.08.2023 in das Verfahren eingeführt.

Die Klage mit dem Antrag 2 war damit rechtzeitig erhoben und wurde im Kammertermin zutreffend konkretisiert.

b) Der „Vorbehalt" hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet. Denn er wurde von den Parteien nicht wirksam vereinbart.

Zwar ist davon auszugehen, dass die Vereinbarung einer erfolgreichen Einstellungsuntersuchung als Vertragsbedingung nicht grundsätzlich abzulehnen ist.

Bei der streitgegenständlichen Klausel in der Präambel des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bestimmung, die als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 Abs. 1, 310 BGB anzusehen ist und einer Inhaltskontrolle unterliegt.

Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Vertragsklausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dies ist hier der Fall.

Will ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen, so hat er die Kriterien, die zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, genau festzulegen. Die Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine unangemessenen Beurteilungsspielräume bleiben (Erfurter Kommentar - Preis, 23. Auflage, 2023, §§ 305-310 BGB, Rn. 44).

Die vom Beklagten verwandte Klausel ist in mehrfacher Hinsicht nicht klar formuliert. Unklar ist, was genau mit „vorbehaltlich" gemeint ist. Obwohl die Klausel wie eine aufschiebende Bedingung formuliert ist, hat der Beklagte den Beginn des Arbeitsverhältnisses offenbar nicht von dem Ausgang der Einstellungsuntersuchung abhängig machen wollen. Hier könnten Unsicherheiten darüber bestehen, ob der „Vorbehalt" überhaupt noch gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gleichwohl antreten durfte. Problematisch ist insbesondere auch, dass der Beklagte weder deutlich gemacht hat, wann - wenn schon nicht vor dem Arbeitsbeginn - die Untersuchung stattfinden soll, noch durch wen die Feststellung der gesundheitlichen Eignung erbracht werden kann. Zudem ist unklar, welchen Umfang und welche Eingriffsintensität die Untersuchung haben soll.

c) Nach alledem ist der Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 nicht durch die dort formulierte Bedingung „vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung" aufgelöst worden.

2. Das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht durch die Kündigung vom 06.06.2023 beendet.

a) Der Kläger kann sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, da er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht Suhl erhoben hat, §§ 4, 7 KSchG.

b) Die Kammer erachtet die Kündigung als unwirksam gemäß § 138 Abs.1 BGB. Denn sie beruht allein auf dem Ergebnis einer unberechtigten Untersuchung des Klägers.

Wie oben dargestellt, wurde eine Einstellungsuntersuchung nicht wirksam vereinbart. Es wurde auch keine Einstellungsuntersuchung durchgeführt. Denn zum Zeitpunkt der Untersuchung am 16.05.2023 war der Kläger schon mehrere Monate für den Beklagten tätig.

Eine Rechtsgrundlage für die Untersuchung während des Beschäftigungsverhältnisses liegt nicht vor.

Soweit im Anordnungsschreiben § 7 BAT-O benannt wird, scheidet er als Rechtsgrundlage aus. Die Norm galt nicht mehr.

Die Voraussetzungen des § 3 Abs.5 TV-L liegen nicht vor. Danach kann ein Beschäftigter im laufenden Arbeitsverhältnis wirksam zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung und damit auch zur Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung bei Vorliegen einer begründeten Veranlassung verpflichtet werden. Das bedeutet, der Arbeitgeber darf eine ärztliche Untersuchung nur anordnen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass der Beschäftigte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Dafür bedarf es objektiver Umstände, die bei vernünftiger und lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Beschäftigte aufgrund von körperlichen oder seelischen Leiden nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Entsprechende Anhaltspunkte können sich beispielsweise aus hohen Krankheitszeiten oder Minderleistungen des Beschäftigten ergeben.

Derartige Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Der Kläger hat unstreitig mehrere Monate lang seine Arbeit unbeanstandet erbracht. Weder Fehlzeiten noch Minderleistungen wurden von dem Beklagten dargetan. Soweit er sich auf den streitigen Sachverhalt bezieht, der Kläger sei am 01.02.2023 zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages mit glasigen Augen und alkoholischem Geruch erschienen, kann hieraus eine begründete Veranlassung nicht (mehr) hergeleitet werden. Hier ist es zum einen bedenklich, dass der Beklagte den Kläger überhaupt mit der Arbeitsleistung beginnen lässt, obwohl der Beklagte nach eigenem Vortrag aufgrund der gefahrgeneigten Tätigkeit auf der Schießanlage eines Bildungszentrums einem besonderen Schutzauftrag nachzukommen hat. Zum anderen kann dieser Umstand die Besorgnis, der Kläger werde nicht in der Lage sein, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen, nicht mehr begründen, wenn er danach völlig unbeanstandet über Wochen und Monate die geforderte Arbeitsleistung erbringt und keine sonstigen Auffälligkeiten zeigt.

Allein auf das Ergebnis dieser unberechtigten Untersuchung stützt der Beklagte die Kündigung in der Probezeit. Die vermeintliche gesundheitliche Nichteignung kam bei der unbeanstandeten Aufgabenerfüllung durch den Kläger jedoch nicht zum Tragen.

Durch die unberechtigte Untersuchung wurden naturgemäß Gesundheitsdaten des Klägers erhoben und verarbeitet. Dies ist grundsätzlich nach Art 9 Absatz 1 DSGVO untersagt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Ausnahmetatbestand des Absatzes 2 gegeben ist, insbesondere, dass der Kläger der Verarbeitung nach Absatz 2 Buchst. a) ausdrücklich zugestimmt hätte. Somit liegt auch ein Datenschutzverstoß vor.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer anderen Fallgestaltung zur Wirksamkeit einer Probezeitkündigung mit Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 - dargelegt: „An der Informationsbeschaffung durch die unspezifizierte Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren an den Stellenbewerber besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse des potenziellen Arbeitgebers. Eine solche Frage ist damit im Regelfall nicht erforderlich iSv. § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW (juris: DSG NW 2000). Das ergibt sich aus den Wertentscheidungen des § 53 BZRG. Eine allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer solchen Frage gestützte Kündigung verstößt deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt, und ist nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.“

Entsprechend dieser Wertung kann auch eine Kündigung, die auf ein Untersuchungsergebnis gestützt wird, das ohne Rechtsgrundlage und unter Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen ermittelt wurde, keinen Bestand haben.

c) Die Kündigung ist auch unwirksam, da es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats fehlt.

Die Unterrichtung nach § 69a ThürPersVG hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und ist grundsätzlich schriftlich zu begründen. Der Arbeitgeber hat dem Personalrat die Person des Arbeitnehmers, dem gekündigt werden soll, die Art der Kündigung, ggf. auch den Kündigungstermin, und die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Dem genügt das Anhörungsschreiben vom 06.06.2023 (Anlage B 6) nicht. Der Kündigungsgrund wurde nicht benannt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss ein Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. In Bezug auf die Personalratsbeteiligung gelten die gleichen Anforderungen wie sie an die Anhörung eines Betriebsrates nach § 102 BetrVG zu stellen sind (BAG 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – juris).

Der Personalrat kann zwar gemäß § 69a Abs.2 S.3 ThürPersVG auf die Schriftform und die Begründung verzichten. Ein solcher Verzicht wurde jedoch nicht vorgetragen. Ein Verzicht des Gremiums kann auch nicht in der mündlichen Nachfrage des stellvertretenden Vorsitzenden gesehen werden. Ihm wurde in einem persönlichen Gespräch mit der stellvertretenden Sachgebietsleiterin Personal auf Nachfrage zwar mitgeteilt, dass Grund der Kündigung die vom PÄD festgestellte gesundheitliche Nichteignung sei. Ob und wie das Gremium Personalrat an sich über den Grund informiert wurde, ist allerdings unklar.

3. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil des GS, 27.02.1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung in der Regel die Interessen des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung, sobald der Arbeitnehmer ein erstinstanzliches, noch nicht rechtskräftiges positives Kündigungsschutzurteil erlangt hat. Des Weiteren kann ein Arbeitnehmer während des Rechtsstreits um die Wirksamkeit der Befristung Weiterbeschäftigung verlangen. Hier gelten die Grundsätze der Weiterbeschäftigung während eines Klageverfahrens gegen die ordentliche Kündigung entsprechend.

4. Die Zahlungsanträge des Klägers sind überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn gemäß §§ 611a Abs. 2, 615 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 01.02.2023 und dem Änderungsvertrag.

Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges liegen vor. In der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt regelmäßig das Angebot des Arbeitnehmers auf Erbringung der Arbeitsleistung nach Ablauf der Kündigungsfrist. Darüber hinaus wendet das BAG nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung § 296 BGB an, ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers ist danach entbehrlich. Durch den Ausspruch einer rechtsunwirksamen Kündigung gerät der Arbeitgeber unmittelbar in Annahmeverzug, der bei fristgerechter Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist beginnt.

Für die Monate Juli und August 2023 besteht der Zahlungsanspruch in Höhe von jeweils 2.475,44 € brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.714,50 € netto.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug gemäß §§ 286, 288 BGB. Gemäß § 24 TV-L ist eine kalendermäßige Fälligkeit des Arbeitslohns am letzten Tag eines laufenden Monats vereinbart, so dass Verzug mit der Zahlung des Monatslohns Juli am 01.08.2023 und des Monatslohns August am 01.09.2023 eingetreten ist.

Allerdings hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Pauschalen. Insoweit war die Klage teilweise abzuweisen. Dem Anspruch des Klägers aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Diese Bestimmung schließt als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandenen Beitreibungskosten und damit insoweit auch einen Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus (BAG, Urteil vom 25. September 2018 – 8 AZR 26/18 – Rn. 23 ff., juris).

5. Der Kläger hat letztlich einen Anspruch auf Löschung der im Rahmen der ärztlichen Untersuchung vom 16.05.2023 erhobenen Gesundheitsdaten sowie aller durch deren Verarbeitung erzeugten Daten aus Art. 17 Abs.1 d) DSGVO. Denn die Verarbeitung der Gesundheitsdaten des Klägers erfolgte, wie bereits oben ausgeführt, unrechtmäßig.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 Abs. 2 ZPO. Es lag eine geringfügige Zuvielforderung vor, die keine weiteren Kosten verursacht.

IV. Bei der Festsetzung des Streitwerts, die gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil erfolgte, hat die Kammer, ausgehend vom Gehalt des Klägers in Höhe von monatlich 2.475,40 für den Klageantrag zu 1) ein Vierteljahresentgelt in Ansatz gebracht. Der Antrag zu 2) ist hier wirtschaftlich identisch und war daher nicht gesondert zu bewerten. Da über den Hilfsantrag zu entscheiden war, wurde dieser mit einem weiteren Monatsentgelt bewertet. Die Zahlungsanträge wurden jeweils mit dem Differenzwert berücksichtigt. Für den Löschungsantrag wurde der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 € in Ansatz gebracht.

V. Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zuzulassen, da Berufungszulassungs-gründe gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht ersichtlich sind. Unberührt von dieser Entscheidung ist für den im Rechtsstreit unterlegenen Beklagten die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft.



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