Arbeitsgericht Dortmund

Urteil vom - Az: 9 Ca 5518/13

Probezeitkündigung wegen Beauftragung eines Anwalts - Kündigung nichtig

1. Macht eine Arbeitnehmerin unter Einschaltung eines Rechtsanwalts einen Urlaubsanspruch geltend, der ihr bereits bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mündlich zugesagt worden ist, so erweist sich eine Kündigung als unwirksam, die darauf gestützt wird, eine Kommunikation über einen Rechtsanwalt bereits während der Probezeit entziehe die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
(Leitsatz)

(2.) Während der Wartezeit des KündigungsschutzG ist der Arbeitnehmer durch das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) geschützt. § 612 a BGB untersagt dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
Die Maßnahme ist allerdings nur dann unwirksam, wenn die zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer der tragende Beweggrund ist.

(3.) Nimmt ein Arbeitnehmer in zulässiger Weise arbeitsvertragliche Rechte wahr, darf der Arbeitgeber dies nicht sanktionieren; dies muss erst Recht für Rechte gelten, die dem Arbeitnehmer unabhängig von der vertraglichen Beziehung zum Arbeitgeber zustehen und mit deren Existenz und Bestand in keinerlei Zusammenhang stehen.

(4.) Aus Sicht eines Arbeitnehmers ist es verständlich und auch vernünftig, sich externe anwaltliche Hilfe zu suchen, insbesondere wenn die Verantwortlichen den zuvor mündlich genehmigten Urlaub im Nachhinein abschließend nicht genehmigen. Eine Verpflichtung, sich zuvor an die Arbeitnehmervertretung oder an die Personalleitung zu wenden, besteht nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 16.5.2013, der Klägerin zugegangen am 17.5.2013, nicht zum 31.5.2013 beendet worden ist, sondern bis zum 31.10.2013 fortbestanden hat.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägern zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.853,61 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten gegenüber der Klägerin vom 16.5.2013.

Die 1981 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 11.4.2013 seit dem 15.4.2013 für die Beklagte als Angestellte im Servicebereich tätig. Das Arbeitsverhältnis war befristet bis zum 31.10.2013 (wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 40 ff d.A. verwiesen). Die Klägerin erzielte ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 617,87 € bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 60 Stunden monatlich.

Der Vertragsunterzeichnung ist am 21.3.2013 ein Bewerbungsgespräch zwischen der Klägerin und der Mitarbeiterin der Beklagten T vorausgegangen. Die Mitarbeiterin T war für die Führung von Bewerbungsgesprächen und für das Aushandeln der arbeitsvertraglichen Bedingungen autorisiert. Im Rahmen der Erörterungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen, insbesondere der Urlaubsplanungen, hatte die Klägerin die Mitarbeiterin T darauf hingewiesen, dass sie bereits im Jahr 2012 zusammen mit ihrem Ehemann entsprechend dessen Urlaubsmöglichkeiten einen Sommerurlaub für den Zeitraum 1.6.2013 bis 22.6.2013 geplant und auch gebucht hat. Die Klägerin hatte die Mitarbeiterin T auch darauf hingewiesen, dass sie den Arbeitsvertrag mit der Beklagten nur dann unterzeichnen könne, wenn sie den bereits gebuchten Urlaub auch wie geplant antreten könne. Daraufhin hatte die Mitarbeiterin T der Klägerin zugesagt, dass die konkrete Urlaubsplanung der Klägerin Berücksichtigung findet. Der Urlaub der Klägerin für den Zeitraum 1.-22.6.2013 war auch im Urlaubsplaner, der sich im Sozialraum der Beklagten befindet, vermerkt. Kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses kam der stellvertretende Bereichsleiter, der Mitarbeiter T1, auf die Klägerin zu und teilte ihr mit, dass ihr Urlaub nicht genehmigt werden könne. Daraufhin wurde der Urlaub der Klägerin (1.-22.6.2013) auch wieder aus dem Urlaubsplaner im Sozialraum entfernt. Die Klägerin nahm nochmals Kontakt zu Herrn T1 auf, der wiederum mit dem zuständigen Abteilungsleiter B sprach. Letztlich wurde der Klägern mitgeteilt, dass ihr Urlaub nicht genehmigt werden könne. Zudem erklärte der Mitarbeiter T1 der Klägerin gegenüber, dass sie das Unternehmen der Beklagten verlassen könne, wenn sie sich nicht mit den Gegebenheiten arrangieren könne. Daraufhin wandte die Klägerin sich an ihren Prozessbevollmächtigten, der mit Schreiben vom 11.5.2013 nochmals unter Fristsetzung bis zum 17.5.2013 um Urlaubsgenehmigung für den Zeitraum 1.-22.6.2013 bat (wegen der Einzelheiten des anwaltlichen Schreibens wird auf Bl. 18 d. A. verwiesen). Auf das anwaltliche Schreiben reagierten weder die Geschäftsleitung noch die Personalleitung der Beklagten.

Mit Schreiben vom 16.5.2013, der Klägerin zugegangen am 17.5.2013, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis während der Probezeit zum 31.5.2013 (wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 16 d. A. verwiesen). Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit ihrer am 6.6.2013 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, die streitgegenständliche Kündigung sei sittenwidrig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstoße. Die Kündigung der Beklagten sei eine unmittelbare Reaktion auf das Begehren der Klägerin gewesen, ihre im Einstellungsgespräch abgesprochene und durch die autorisierte Mitarbeiterin T zugesagte Urlaubsplanung umzusetzen. Nachdem der stellvertretende Bereichsleiter T1 ihr mitgeteilt habe, dass ihr Urlaub nicht genehmigt werden könne, sei es für sie der richtige Weg gewesen, zunächst mit dem aus ihrer Sicht Verantwortlichen - nämlich mit dem Bereichsleiter T1 - nochmals Kontakt aufzunehmen. Nachdem ihr erneut mitgeteilt worden sei, dass ihr Urlaub nicht genehmigt werden könne und ihr durch Herrn T1 nahegelegt worden sei, das Unternehmen der Beklagten zu verlassen, habe sie sich an ihren Prozessbevollmächtigten gewandt. Angesichts der bereits erfolgten Urlaubsbuchung und des damit verbundenen Zeitdrucks habe sich der Prozessbevollmächtigte sodann mit Schreiben vom 11.5.2013 unter Fristsetzung an die Beklagte gewandt. Diese Art des Vorgehens sei ein normaler Vorgang; schließlich habe jeder Arbeitnehmer das Recht, einen Rechtsanwalt in strittigen arbeitsrechtlichen Fragen hinzuzuziehen. Für die Klägerin drängt sich der Verdacht auf, dass die Kündigung dazu diente, der gesamten Belegschaft zu signalisieren, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu einer ernsthaften Bedrohung des Arbeitsverhältnisses werden kann.

Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte sich nicht auf § 4 des Arbeitsvertrages und somit auf die „Kündigung innerhalb der Probezeit“ berufen könne. § 4 des Arbeitsvertrages sei eine überraschende Klausel, mit der die Klägerin nicht habe rechnen müssen. Zunächst betrage die befristete Arbeitszeit insgesamt nur wenig mehr als sechs Monate, so dass dies aus Sicht des Arbeitnehmers nicht den Schluss zulasse, dass eine Probezeit vereinbart sei. Zudem fehlte in § 4 des Arbeitsvertrages eine Überschrift, auch sei der Begriff „Probezeit“ nicht drucktechnisch hervorgehoben. Auch sei in dem Einstellungsgespräch von einer Probezeit nicht die Rede gewesen. Schließlich fehle in dem Arbeitsvertrag ein Hinweis auf beiderseitige Kündigungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung entsprechender Fristen. Die Kündigungsmöglichkeit und die Kündigungsfrist ergäben sich erst durch den Verweis in § 10 des Arbeitsvertrages auf den Tarifvertrag der Flughafen E GmbH und sodann durch den dortigen Verweis auf den TVöD. Es bedürfe schon juristischer Vorbildung, um vom Arbeitsvertrag zur einschlägigen Vorschrift im TVöD zu kommen.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme des Weiterbeschäftigungsantrags,

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 16.5.2013, der Klägerin zugegangen am 17.5.2013, nicht zum 31.5.2013, sondern erst zum 31.10.2013 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Kündigung vom 16.5.2013 wirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.5.2013 aufgelöst hat.

Es handele sich vorliegend um eine Kündigung während der Probezeit, wofür objektive Gründe nicht erforderlich seien. Ursache der Kündigung während der Probezeit sei nicht die Urlaubsplanung der Klägerin gewesen, sondern allein ihre Vorgehensweise. So habe sie zu keinem Zeitpunkt den Kontakt zu der Personalabteilung oder aber auch zu der im Unternehmen der Beklagten vorhandenen Arbeitnehmervertretung gesucht. Stattdessen sei am 11.5.2013, also kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses, ein anwaltlicher Schriftsatz unter Fristsetzung eingegangen. Die Beklagte als Arbeitgeberin empfinde die Kommunikation über einen Rechtsanwalt direkt zu Beginn und in der Probezeit eines neuen Arbeitsverhältnisses als irritierend. Eine derartige Vorgehensweise sei im Hause der Beklagten weder gewünscht noch üblich. Es sei der Klägerin jederzeit möglich gewesen, einen Termin mit der Personalabteilung zu vereinbaren. Eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht vorhanden.

Eine Kündigung innerhalb der Probezeit sei auch möglich gewesen. In § 4 des Arbeitsvertrages hätten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. In § 10 des Arbeitsvertrages sei der Tarifvertrag der Flughafen E GmbH vom 26.2.2009 wirksam in Bezug genommen worden, der wiederum in § 3 auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst verweise. Dort sei geregelt, dass der Arbeitsvertrag innerhalb der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden kann.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Feststellung.

1. Die Klage ist als Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG zulässig und insbesondere innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang der Kündigung erhoben worden, da sie am 6.6.2013 beim Arbeitsgericht Dortmund einging.

2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Kündigung der Beklagten vom 16.5.2013 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31.5.2013 aufgelöst. Vielmehr endete das Arbeitsverhältnis erst zum 31.10.2013 aufgrund der wirksamen Befristung des Arbeitsvertrages.

a) Unstreitig findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, weil die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt ist. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG entsteht der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes gegenüber ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber erst, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zum 15.4.2013 begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ging der Klägerin unstreitig am 17.5.2013 zu, mithin vor Ablauf der Wartezeit. Dies bedeutet, dass die streitgegenständliche Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung gem. § 1 KSchG bedarf. Durch die Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz ist die Klägerin jedoch nicht schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt (vgl. BVerfG vom 27.1.1998, NZA 1998, 470). Der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber praktisch die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden (BAG vom 21.2.2001, NZA 2001, 951). Somit darf über die Generalklauseln (insbes. §§ 242, 138 BGB) nicht geprüft werden, ob die von der Beklagten angeführten Gründe die streitige Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozialrechtfertigen.

b) Zudem ist der Arbeitnehmer auch während der Wartezeit durch das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB geschützt. § 612 a BGB untersagt dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. § 612 a BGB ist unabdingbar und gewährleistet einen umfassenden Schutz, der sich nicht nur auf die aus dem Arbeitsvertrag folgenden Rechte beschränkt, sondern sich auf jede Form der Rechtsausübung erstreckt. Es handelt sich um ein allgemeines Benachteiligungsverbot und einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (BAG vom 22.5.2003,  AP-Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit).

Hauptanwendungsfall der arbeitgeberseitigen Maßnahme, die gegen § 612 a BGB verstoßen kann, ist die Kündigung. Sie ist allerdings nur dann unwirksam, wenn der tragende Beweggrund für die Kündigung die zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer ist (BAG vom 2.4.1987, DB 1987, 2525). Arbeitsvertraglich unzulässiges Verhalten kann demgegenüber vom Arbeitgeber sanktioniert werden. Allerdings bezieht sich die Rechtsausübung und das daran anknüpfende Verbot nicht nur auf im Arbeitsvertrag selbst begründete Rechte, sondern darüber hinaus auf jede Form der Rechtsausübung. Nimmt ein Arbeitnehmer in zulässiger Weise arbeitsvertragliche Rechte wahr, darf der Arbeitgeber dies nicht sanktionieren; dies muss erst Recht für Rechte gelten, die dem Arbeitnehmer unabhängig von der vertraglichen Beziehung zum Arbeitgeber zustehen und mit deren Existenz und Bestand in keinerlei Zusammenhang stehen (Henssler, Willemsen, Kalb, Arbeitsrecht-Kommentar, 3. Auflage, § 612 a BGB Rd-Ziff.12). Zudem muss das geltend gemachte „Recht“ nicht die Qualität einer Anspruchsgrundlage erreichen; es reicht, wenn es verständlich und vernünftig ist und dessen Verweigerung durch den Arbeitgeber sich als treuwidrig darstellt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage, § 612 a BGB Rd-Ziff. 2).

§ 612a BGB ist ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB. Besteht der Verstoß gegen § 612a BGB in einer Kündigung wegen zulässiger Rechtsausübung, so ist die Kündigung nichtig (BAG vom 2.4.1987, a.a.O.).

c) Die streitgegenständliche Kündigung verstößt gegen das Maßregelungsverbot gem. § 612a BGB.

aa) Die Klägerin trägt vor, dass ihr bereits in dem Bewerbungsgespräch am 21.3.2013 von einer entsprechend autorisierten Mitarbeiterin der Beklagten, T, zugesagt wurde, dass ihr bereits geplanter und gebuchter Urlaub in dem Zeitraum 1.-22.6.2013 in der konkreten Urlaubsplanung berücksichtigt wird. Dementsprechend wurde der Urlaub der Klägerin für den Zeitraum 1.-22.6.2013 auch im Urlaubsplaner der Beklagten, der sich im Sozialraum befindet, vermerkt. Sodann teilte der verantwortliche Schichtleiter, der Mitarbeiter T1, der Klägerin mit, dass ihr Urlaub nicht gewährt werden könne, woraufhin der für die Klägerin vorgesehene Urlaubszeitraum auch aus dem Urlaubsplaner entfernt wurde. Nach erneuter Rücksprache mit dem stellvertretenden Bereichsleiter T1 und nach dessen endgültiger Aussage, ihr Urlaub könne nicht genehmigt werden, hat die Klägerin sich daraufhin an ihren Prozessbevollmächtigten gewendet, der sodann das anwaltliche Schreiben vom 11.5.2013 verfasste. Dieser Sachvortrag der Klägerin wird von der Beklagten nicht bestritten, sodass er gem. § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen ist.

Zudem stellt die Beklagte in ihren Schriftsätzen klar, dass Ursache der Kündigung nicht die Urlaubsplanung der Klägerin sei, sondern allein ihre Vorgehensweise dahingehend, während der Probezeit mit der Beklagten über einen Rechtsanwalt zu kommunizieren.

bb) Nach Überzeugung der erkennenden Kammer hat die Klägerin in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt, indem sie einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen hat, der seinerseits ein anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung an die Beklagte gerichtet hat. Hierfür wurde die Klägerin dadurch sanktioniert, dass sie die streitgegenständliche Kündigung erhalten hat.

Aufgrund der Tatsache, dass die - zumindest aus Sicht der Klägerin - autorisierte Mitarbeiterin T eine verbindliche Zusage erteilt hatte, dass die Klägerin in dem Zeitraum 1.-22.6.2013 Urlaub nehmen kann und aufgrund der Tatsache, dass dieser Urlaub bereits im Urlaubsplaner im Sozialraum vermerkt war, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass ihr der bereits geplante und gebuchte Urlaub auch tatsächlich gewährt wird. Nachdem ihr durch den stellvertretenden Bereichsleiter T1 mitgeteilt worden war, dass ihr Urlaub doch nicht genehmigt werden könne und der Urlaub bereits aus dem Urlaubsplaner gestrichen war, hat die Klägerin sich nicht unmittelbar an ihren Prozessbevollmächtigten gewandt, sondern hat zunächst erneut mit dem Mitarbeiter T1 Kontakt aufgenommen, der wiederum mit dem zuständigen Abteilungsleiter B Rücksprache hielt. Nachdem der Klägerin sodann wiederum mitgeteilt wurde, dass ihr Urlaub nicht genehmigt werden könne, hat die Klägerin einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen. Dies stellt auch eine zulässige Rechtsausübung dar. Aus Sicht der Klägerin war es verständlich und auch vernünftig, sich externe anwaltliche Hilfe zu suchen, insbesondere nachdem die aus ihrer Sicht Verantwortlichen ihren Urlaub abschließend nicht genehmigt hatten. Eine Verpflichtung, sich zuvor an die Arbeitnehmervertretung oder an die Personalleitung zu wenden, besteht nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagtenvertreter im Kammertermin am 12.2.2014 nochmals ausführte, dass für die Urlaubsgenehmigung die jeweiligen Bereichsleiter zuständig sind. Dass die Klägern sich anwaltliche Hilfe suchte, war insbesondere auch vor dem Hintergrund verständlich, dass der Bereichsleiter T1 ihr mitgeteilt hatte, dass sie ja das Unternehmen verlassen könne, wenn sie sich mit den Gegebenheiten - gemeint war wohl die Nichtgewährung des Urlaubs - nicht arrangieren könne.

Das anwaltliche Schreiben vom 11.5.2013 erscheint auch vor dem Hintergrund der Fristsetzung nicht unzulässig oder unangemessen. Schließlich bestand in Anbetracht des in ca. 14 Tagen bevorstehenden Urlaubs ein gewisser Handlungsdruck. Zudem war das Schreiben nicht in einem unangemessenen Ton verfasst, auch wurde darin eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht angedroht.

Da nach den eigenen Ausführungen der Beklagten der tragende Beweggrund für die streitgegenständliche Kündigung die Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - mithin die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch einen Rechtsanwalt -war, nachdem der Klägerin der zuvor zugesagte Urlaub verweigert wurde, stellt sich die streitgegenständliche Kündigung als Maßregelung im Sinne des § 612a BGB dar. Insbesondere stellt sie sich als absolut unangemessene Reaktion auf ein anwaltliches Schreiben dar, ohne dass die Beklagte zunächst versucht hat, mit der Klägerin oder aber mit ihrem Prozessbevollmächtigten Kontakt aufzunehmen.

Die Kündigung ist somit wegen des Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB unwirksam.

d) Festzustellen war ferner, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2013 fortbestanden hat.

Die Parteien haben einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, der zum 31.10.2013 sein Ende finden sollte. Da von der Klägerin keine Gründe dafür vorgetragen werden, dass die Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam ist und derartige Gründe auch nicht ersichtlich sind, endete das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die streitgegenständliche Kündigung zum 31.5.2013, sondern aufgrund wirksamer Befristung zum 31.10.2013. Entsprechend hat die Klägerin in der Kammerverhandlung vom 12.2.2014 auch ihren Klageantrag zu Ziff. 1 angepasst.

e) Die Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, das befristete Arbeitsverhältnis während der Probezeit zu kündigen und ob § 4 des  Arbeitsvertrages eine überraschende Klausel darstellt, musste nicht entschieden werden. Denn die streitgegenständliche Kündigung vom 16.5.2013 ist - wie oben ausgeführt - bereits wegen des Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB unwirksam mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2013 fortbestand.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Insofern waren die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich des noch in der letzten mündlichen Verhandlung anhängigen Antrags der Beklagten als unterliegende Partei des Rechtsstreits aufzuerlegen. Soweit die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag auf Weiterbeschäftigung zurückgenommen hat, folgt ihre Kostentragungspflicht aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Daher hat im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung die Klägerin ¼ der gesamten Kosten des Rechtsstreits und die Beklagte ¾ dieser Kosten zu tragen.

Der Streitwert wurde gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3 GKG in Höhe des dreifachen Bruttomonatsgehalts der Klägerin (617,87 €) auf insgesamt 1.853,61 € festgesetzt.



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