Landesarbeitsgericht Hamburg

Urteil vom - Az: 5 SaGa 1/12

Streik - Menschenkette darf 15 Minuten lang Eingang blockieren

Auch im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks sind Betriebsblockaden als Eigentumsverletzung und Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Streikrechts, und zwar auch bei Zulassung effektiver Kampfmittel, in der Regel rechtswidrig. Es kann aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit rechtlich zulässig sein, den Zugang zu einem bestreikten Betrieb für Arbeitswillige und Dritte für einen angemessenen Zeitraum - hier: maximal 15 Minuten - etwa durch Bildung von Menschenketten zu behindern.
(Leitsatz)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. November 2012 - 26 Ga 10/12 - mit dem zugrunde liegenden Beschluss vom 6. November 2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der einstweiligen Verfügung werden die Verfügungsbeklagten zu 1. und 2. bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,-- verpflichtet,

es zu unterlassen, während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen im Werk Hamburg der Verfügungsklägerin den Personaleingang, den Eingang zum Bürogebäude, die Haupteinfahrt D.-Weg 15, die zwischen den Gebäuden D.-Weg 15 und 13 sowie die an der Grenze zum Grundstück D.-Weg 13 befindlichen Ein- und Ausfahrten sowie die Einfahrt zum Firmenparkplatz D.-Weg 15 zur Verhinderung des Zutritts und Ausgangs von Arbeitnehmern, Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen auf Dauer zu blockieren und/oder im Einzelfall über eine Dauer von 15 Minuten hinausgehend zu behindern oder blockieren und im Einzelfall über eine Dauer von 15 Minuten hinausgehend behindern zu lassen, insbesondere indem Streikende oder Streikposten

- vor den Eingängen oder Einfahrten Menschenketten bilden;

- Fahrzeuge oder Anhänger in oder vor den Einfahrten abstellen.

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 50%, die Beklagten als Gesamtschuldner 50%.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren über die Zulässigkeit von Streikmaßnahmen.

Die nicht tarifgebundene Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) stellt an den Standorten Hamburg und R. Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff her. Sie beschäftigt knapp 200 Arbeitnehmer, davon ca. 130 am Standort Hamburg und ca. 70 im Werk R.. Es ist ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. (nachfolgend: Beklagte zu 1.) ist eine im Betrieb der Klägerin vertretene Gewerkschaft. Beim Verfügungsbeklagten zu 2. (nachfolgend: Beklagter zu 2.) handelt es sich um den zuständigen Gewerkschaftssekretär der Beklagten zu 1. und Streikleiter im derzeit andauernden Arbeitskampf sowohl in Hamburg wie auch in R..

Seit Mai 2012 verhandeln die Geschäftsleitung und die gewerkschaftliche Tarifkommission über einen Haustarifvertrag. Am 22. Oktober 2012 um ca. 10:30 Uhr brach der Beklagte zu 2. die laufenden Verhandlungen ab, erklärte diese für gescheitert und rief zu einem Warnstreik auf, der am gleichen Tag von 12 Uhr bis 18 Uhr stattfand.

Am 29./30. Oktober 2012 führte die Tarifkommission eine Urabstimmung durch, bei der 89,7 Prozent der an der Abstimmung beteiligten Gewerkschaftsmitglieder für einen unbefristeten Streik stimmten. Seit dem 1. November 2012 wird die Klägerin - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - bestreikt. Ca. 100 Arbeitnehmer haben die Arbeit niedergelegt.

Zum Betriebsgelände der Klägerin in Hamburg gehören das Grundstück D.-Weg 15 (Bürogebäude und Produktion), daneben das Grundstück D.-Weg 13 (Lager und Leerstand) und gegenüber das Grundstück J.-Weg 20 (Lager).

Mitarbeiter der Verwaltung, Kunden und Besucher betreten den Betrieb durch die verglaste Eingangstür des Bürogebäudes. Dieser Eingang wird über den davor liegenden Parkplatz betreten, der zum Firmengelände gehört. Der Personaleingang für gewerbliche Mitarbeiter befindet sich an der Südseite des Gebäudes D.-Weg 15. Dorthin gelangt man nur über die dort verlaufende Haupteinfahrt, die zugleich als Einfahrt für LKW und Lieferanten dient. Die Haupteinfahrt ist ca. 5 m breit und mit einem nach innen schwenkenden Tor aus Metallstreben versehen. Zwei schmalere Ein- bzw. Ausfahrten mit Toren befinden sich zwischen den Gebäuden D.-Weg 13 und 15 und ein weiteres Tor (Rolltor) an der Nordseite des Grundstücks D.-Weg 13.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Rahmen ihrer Antragsschrift durch Vorlage von vier eidesstattlichen Versicherungen ihrer Arbeitnehmer S. P2 (Bl. 13 der Akte), T. L. (Bl. 14 der Akte), M. U. (Bl. 15 der Akte) sowie des Betriebsleiters und Prokuristen A. H. (Bl. 16 f. der Akte) glaubhaft gemacht, dass - beginnend am ersten Streiktag - es durch Streikende zu Blockaden der Ein- und Ausfahrten kam. Teilweise waren vor den Zugängen Fahrzeuge abgestellt, teilweise wurden Menschenketten gebildet, Streikposten stellten sich Arbeitswilligen in den Weg. Es kam zu erheblichen Verzögerungen beim Zutritt, Lieferanten kehrten wieder um. Auch die Polizei musste einschreiten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Der Beklagte zu 2. befand sich während der Blockade des Büroeingangs und der Haupteinfahrt zeitweise auf dem Parkplatz und zeitweise auf der Straße und dem Gehweg vor der Haupteinfahrt und beobachtete das Geschehen. Er hielt die Streikenden nicht von der Blockade ab.

Der Betriebsleiter Herr H. beschwerte sich im Lauf des Vormittags bei dem als Streikleiter benannten Beklagten zu 2. über die widerrechtliche Blockade. Dieser vertrat gegenüber Herrn H. die Auffassung, eine 30-minütige Blockade sei zulässig.

Mit dem am 5. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte die Klägerin von beiden Verfügungsbeklagten die Unterlassung von bestimmten Blockademaßnahmen und körperlicher Einwirkung auf Arbeitswillige.

Sie hat vorgetragen, das Vorgehen der Streikenden und Streikposten sei nicht vom Streikrecht gedeckt. Als Rechtsfolge der unerlaubten Handlung habe sie, die Klägerin, entsprechend § 1004 BGB einen Unterlassungsanspruch. Dieser bestehe gegen beide Beklagte. Die Blockade der Eingänge und Zufahrten sowie die Rempeleien und Tätlichkeiten hätten sich unter den Augen des vor Ort anwesenden Antragsgegners zu 2. abgespielt. Es sei seine Pflicht gewesen, das Kampfverhalten der Streikenden und Streikposten zu beobachten und auf diese dahin einzuwirken, dass die Grenzen eines zulässigen Arbeitskampfs nicht überschritten werden. Er habe nichts dergleichen getan und die Streikenden sowie Streikposten gewähren lassen. Es sei daher zu befürchten, dass der Beklagte zu 2. auch künftig rechtswidrige Handlungen wie Blockaden und Rempeleien sowie Tätlichkeiten gegen arbeitswillige Arbeitnehmer zulassen werde. Da der unbefristete Streik fortdauere, bestehe Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch sei auch gegen die Beklagte zu 1. gegeben. Der Beklagte zu 2. habe die Auffassung vertreten, eine Betriebsblockade für die Dauer von 30 Minuten sei zulässig. Es sei davon auszugehen, dass der Streik auf einem Antrag der Tarifkommission beruhe und satzungsgemäß vom Hauptvorstand beschlossen wurde. Die Klägerin nehme an, dass die Tarifkommission gemäß den vom Hauptvorstand erlassenen Arbeitskampfrichtlinien dem Hauptvorstand bei der Beantragung des Arbeitskampfes mitgeteilt hat, welche Maßnahmen zur Erzielung einer möglichst hohen Streikwirksamkeit geplant seien und hierbei u.a. die Durchführung von bis zu dreißigminütigen Blockaden angegeben habe. Da die Blockade stattfand, müsse die Klägerin ferner annehmen, dass der Hauptvorstand die Blockade auch genehmigt habe. Somit sei zu befürchten, dass auch im weiteren Verlauf mit vom Hauptvorstand genehmigten Blockadeaktionen zu rechnen sei.

Das Arbeitsgericht erließ am 6. November 2011 - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - einen Beschluss mit dem folgenden Ausspruch in der Hauptsache:

1. Im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung, werden die Antragsgegner zu 1) und zu 2) bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR zu verpflichtet, es zu unterlassen, während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen im Werk Hamburg den Personaleingang, den Eingang zum Bürogebäude, die Haupteinfahrt D.-Weg 15, die zwischen den Gebäuden D.-Weg 15 und 13 sowie die an der Grenze zum Grundstück D.-Weg 13 befindlichen Ein- und Ausfahrten sowie die Einfahrt zum Firmenparkplatz D.-Weg 15 zur Verhinderung oder Erschwerung des Zutritts und Ausgangs von Arbeitnehmern, Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen zu blockieren und zu behindern oder blockieren und behindern zu lassen, indem Streikende oder Streikposten

- vor den Eingängen oder Einfahrten Menschenketten oder Menschentrauben bilden;

- Fahrzeuge oder Anhänger in oder vor den Einfahrten abstellen;

- schwere oder sperrige Gegenstände wie beladene Paletten in oder vor den Einfahrten abstellen;

2. Im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung, wird der Antragsgegner 2) bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR zu verpflichtet, es zu unterlassen, während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen im Werk Hamburg physisch auf arbeitswillige Arbeitnehmer einzuwirken oder einwirken zu lassen, indem Streikende oder Streikposten arbeitswillige Arbeitnehmer anfassen, anrempeln und stoßen.

Dagegen richtet sich der am 7. November 2012 bei Gericht eingegangene Widerspruch der Beklagten.

Sie haben vorgetragen, der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. November 2012 schränke sie in ihrem grundgesetzlich gesicherten Anspruch aus Artikel 9 Abs. 3 GG auf Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeit unzulässig ein. Es werde der Klägerin zugestanden, dass nach Rechtsprechung des BAG und des BVerfG Betriebsbesetzungen und Betriebsblockaden über das rechtmäßige Ziel eines Streiks hinausgehen können. Bei jenen Maßnahmen handele es sich jedoch um streikbedingte Vorkommnisse, die den geregelten Betriebsablauf oder das Erreichen des Betriebs für arbeitswillige Arbeitnehmer, die Geschäftsleitung oder Dritte unmöglich machen. Solche Maßnahmen hätten im Betrieb der Antragstellerin bislang nicht stattgefunden und fänden auch derzeitig nicht statt. Es sei das Wesen einer Streikveranstaltung, dass die streikenden Beschäftigten sich vor dem Betrieb positionieren. An diesen Positionierungen nähmen in den Betrieben der Klägerin regelmäßig 50 bis 100 Personen teil. Es sei verfassungsrechtlich völlig unbedenklich, wenn Streikende sowohl streikbrechende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Geschäftsleitung oder aber auch Dritte ansprechen und auf ihre streikbezogenen Interessen aufmerksam machen und mit ihnen ein Gespräch darüber führen, was auch zu zeitlichen Verzögerungen führen dürfe. Eine solche Verzögerung von geringem Ausmaß sei als Folge eines Streiks notwendig und von der Arbeitgeberseite hinzunehmen. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg könne dazu führen, dass es den Streikposten nicht mehr möglich sei, gemeinsam Dritte auf streikbezogene Themen anzusprechen, da sie Gefahr liefen, dass dies als Behinderung am Zugang durch eine Menschentraube gewertet werden könnte. Tatsächlich seien die ersten Streiktage sowohl auf Seite der Streikenden, als auch auf Seiten der Arbeitgeberin hoch emotional verlaufen. In diesem Zusammenhang könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Streikende verbale Angriffe gegenüber sogenannten Streikbrechern vollzogen haben. Der Beklagte zu 2. habe jedoch nicht von sämtlichen Maßnahmen Kenntnis erhalten können, da sich wie von der Klägerin im Sachverhalt auch richtig dargestellt, ca. 100 streikende Arbeitnehmer an verschiedenen Stellen vor dem Betriebsgelände aufgehalten hätten. Die Stimmung sei regelmäßig aber auch dadurch aufgeheizt worden, dass arbeitgeberseitig die Streikenden aus dem Gebäude heraus gefilmt wurden. Dies habe zu einem mehrfachen Polizeieinsatz geführt. Auch dieses Verhalten könne dazu geführt haben, dass einzelne Streikende in der aufgeheizten Atmosphäre arbeitswillige Arbeitnehmer oder Dritte vereinzelt verbal angegangen haben. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg unter Punkt 2. sei ebenfalls unbegründet, da auch dieser sie unzulässig in ihrer verfassungsrechtlichen Position auf freie Ausübung des Grundrechts gem. Art. 9 Abs. 3 GG behindere. Zudem werde durch diesen Beschluss von ihnen die Unterlassung von Maßnahmen verlangt, auf die sie nur beschränkt oder gar keinen Einfluss hätten. Sie hätten zu keiner Zeit physisch auf arbeitswillige Arbeitnehmer eingewirkt. Dies habe die Klägerin auch zu keiner Zeit vorgetragen. Insofern bestehe schon kein Verfügungsanspruch. Sie hätten auch zu keiner Zeit Streikende oder Streikposten dazu veranlasst, physisch auf arbeitswillige Arbeitnehmer durch Anfassen, Anrempeln oder Stoßen einzuwirken. Auch wenn es zwischen Streikenden und arbeitswilligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu physischen Kontakten gekommen sein mag, so es nicht durch sie geschehen und nicht veranlasst.

Die Beklagten haben beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgericht Hamburg vom 6. November 2012 - 26 Ga 10/12 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses aufzuheben und die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgericht Hamburg vom 6. November 2012 - 26 Ga 10/12 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses zu bestätigen.

Durch das den Beklagten am 22. November 2012 zugestellte Urteil vom 14. November 2012, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Beschluss vom 6. November 2012 teilweise, nämlich hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer 1 betreffend die Menschentraube und Ziffer 2, aufgehoben und die einstweilige Verfügung im Übrigen aufrecht erhalten.

Hiergegen richtet sich die am 19. Dezember eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihre Rechtsausführungen, wonach bei einem rechtmäßigem Streik, Behinderungen von Arbeitswilligen und anderen Personen durch Ansprache und Information hinzunehmen sind. Jedenfalls könnten Behinderungen einen Umfang von bis zu 15 Minuten erreichen. Die Beklagte zu 1 habe durch Schulungen vor dem Streik und durch sorgfältige Auswahl der Streikleitung alles ihr Mögliche getan, um Exzesse zu verhindern.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. November 2012 - 26 Ga 10/12 - teilweise abzuändern und die Klage ganz abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

1. Die Anträge sind zulässig. Zu Recht geht das Arbeitsgericht von einer hinreichenden Bestimmtheit der Anträge im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO aus. Der Begriff „Blockade“ umfasst die Sperrung von Zufahrtswegen, z.B. um die Güterversorgung zu erschweren (Kissel, Arbeitskampfrecht 2002, § 61 RdNr. 101). Sie ist auf Dauer, jedenfalls nicht auf eine kurze Zeitspanne angelegt. Der Begriff der Behinderung ist sicherlich weiter, betrifft im vorliegenden Zusammenhang aber die zwischen den Parteien strittige Frage insbesondere der Dauer von Einwirkungen auf Arbeitswillige beispielsweise durch die Bildung von Menschenketten. Die Auslegung des Antrags ergibt, dass die Aufzählung der Maßnahmen, durch die die Blockaden und Behinderungen erfolgen, nicht abschließend sondern als Beispiel gemeint sind. Die Kammer hat dies im Tenor durch das Wort „insbesondere“ klargestellt.

Es geht also um einzelne Maßnahmen innerhalb eines Streiks, nicht um die Untersagung des Streiks. Insoweit wird die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung nicht in Frage gestellt, die angesichts des laufenden Streiks auch eine schnelle gerichtliche Entscheidung fordert, so dass die besondere Eilbedürftigkeit, der Verfügungsgrund, nicht zu bezweifeln ist.

2. Der Verfügungsanspruch gemäß §§ 935, 940 ZPO ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art 9 Abs. 3 GG. Er besteht im tenorierten Umfang gegen beide Beklagte.

a. Es wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks Betriebsblockaden als Eigentumsverletzung und Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes auch bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Streikrechts, und zwar auch bei Zulassung effektiver Kampfmittel, rechtswidrig sind. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen.

Die Klägerin hat - wie das Arbeitsgericht zu Recht ausführt - durch Einreichung der eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht, dass mit Beginn des Arbeitskampfes ab dem 1. November 2012 durch Streikende und Streikposten der Personaleingang, der Eingang zum Bürogebäude und die Haupteinfahrt durch eine Menschenkette und Fahrzeuge bzw. Anhänger blockiert wurden und damit der Zutritt für Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden und Besucher verhindert bzw. erheblich erschwert wurde. Menschenketten wurden jedenfalls am 1. und 5. November 2012 gebildet. Die von den Beklagten erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen betrafen hingegen Vorfälle im Zusammenhang mit Fotoaufnahmen und/oder Übergriffen der von der Klägerin eingesetzten Sicherheitskräfte und damit ein anderes Verfahren. Zweitinstanzlich wurden von den Beklagten eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, die wiederum Übergriffe der Klägerseite betrafen (C.), sich mit dem Fotografieren und den Schulungsmaßnahmen beschäftigten (P.) oder spätere Vorfälle betrafen, insbesondere im Zusammenhang mit Bussen (D1, S1, G., R1, T1, M1, M2, D2, B.) oder späteren Deeskalationsbemühungen der Streikleitung etwa am 17. Januar 2013 (P1, M3, S2, G1, B1, E., S3, G.). Aus ihnen - wie auch aus den von der Klägerin zweitinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen - ergibt sich die erstaunliche Härte dieses ungewöhnlich lang anhaltenden Arbeitskampfes, nicht aber eine Erschütterung der Glaubhaftmachung der von der Klägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen betreffend die Blockademaßnahmen vor Erlass der einstweiligen Verfügung im vorliegenden Verfahren. Insoweit ist der Verfügungsanspruch für ein Unterlassen gegeben, die Wiederholungsgefahr ist indiziert. Angesichts der nicht klaren Tatsachenlage betreffend die Verantwortung für das Absperren der Einfahrten durch beladene Paletten hat die Kammer darauf verzichtet, auch diesen Beispielsfall in den Tenor aufzunehmen. Da es sich nur um Beispiele handelt, bleibt es bei dem Verbot der Blockade unabhängig von den dafür eingesetzten Mitteln.

b. Die zwischen den Parteien strittige Kernfrage betrifft den zeitlichen Umfang von Behinderungen, wobei zwischen den Parteien Übereinstimmung besteht, dass diese Behinderungen nicht in schon an sich strafbaren Handlungen - etwa Körperverletzung oder Beleidigung - bestehen dürfen. Eine Behinderung des Zutritts zum Betrieb durch Arbeitswillige, Lieferanten usw. kann dabei auch zur Straftat werden, § 240 StGB, muss es allerdings im Hinblick auf die Mittel-/Zweckrelation nicht, eine Frage, die vorliegend nicht zu beantworten ist (wenn im Ergebnis auch ein ähnlicher Maßstab, nämlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gilt) und deren Antwort im Risiko der Streikenden bleibt. Vorliegend ist nur die Frage zu beantworten, was innerhalb eines rechtmäßigen Streiks zivilrechtlich zulässig ist oder nicht. Nicht rechtswidrig sind etwa Eingriffe in den Gewerbebetrieb oder das Selbstbestimmungsrecht der Arbeitswilligen, wenn sie als Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind.

aa. Hierbei ist mit dem BAG (22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - AP Nr 174 zu Art 9 GG Arbeitskampf, juris) von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen: Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand hat. Diese erfordert koordinierende Regelungen, die gewährleisten, dass die aufeinander bezogenen Grundrechtspositionen trotz ihres Gegensatzes nebeneinander bestehen können. Die Möglichkeit des Einsatzes von Kampfmitteln setzt rechtliche Rahmenbedingungen voraus, die sichern, dass Sinn und Zweck des durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Freiheitsrechts sowie seine Einbettung in die verfassungsrechtliche Ordnung gewahrt bleiben (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 92, 365; BAG22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - AP Nr 174 zu Art 9 GG Arbeitskampf; 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 123, 134). Die Ausgestaltung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber. Bei fehlenden oder unzureichenden gesetzlichen Vorgaben müssen die Gerichte das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Grundsätzen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - aaO). Bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts haben die Gerichte - neben den von den Tarifvertragsparteien selbst für etwaige Arbeitskämpfe gezogenen Grenzen - vor allem darauf zu achten, dass ein vorhandenes Kräftegleichgewicht zwischen den Tarifvertragsparteien nicht gestört oder ein Ungleichgewicht verstärkt wird. Zentraler Prüfungsmaßstab ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 aaO; 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 17, aaO).

Zunächst haben die Gerichte zu berücksichtigen, dass jegliche Reglementierung zugleich eine Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit darstellt, die der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Aus der Bewertung des Art. 9 Abs. 3 GG als Freiheitsrecht der Koalitionen und der Staatsferne der Koalitionsfreiheit folgt, dass die Wahl der Mittel, welche die Koalitionen zur Erreichung des Zwecks der Regelungen für geeignet halten, den Koalitionen selbst obliegt. Eine Bewertung von Arbeitskampfmaßnahmen durch die Fachgerichte als rechtswidrig kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn eine Arbeitskampfmaßnahme offensichtlich ungeeignet oder nicht erforderlich oder wenn sie unverhältnismäßig ist (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - mwN. aaO).

Für die Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts stellt die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sowohl Rechtfertigung als auch Grenze dar. Das Tarifvertragssystem ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichwertiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Funktionsfähig ist die Tarifautonomie nur, solange ein ungefähres Gleichgewicht (Parität) besteht. Unvereinbar mit Art. 9 Abs. 3 GG ist daher eine Ausgestaltung, wenn sie dazu führt, dass die Verhandlungsfähigkeit einer Tarifvertragspartei bei Tarifauseinandersetzungen einschließlich der Fähigkeit, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen, nicht mehr gewahrt ist oder ihre koalitionsmäßige Betätigung weitergehend beschränkt wird, als es zum Ausgleich der beiderseitigen Grundrechtspositionen erforderlich ist (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 c der Gründe, BVerfGE 92, 365; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 20, BAGE 123, 134).

Konkrete Maßstäbe, nach denen das Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien beurteilt werden könnte, lassen sich Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnehmen. Die Kampfstärke von Koalitionen hängt von einer im Einzelnen kaum überschaubaren Fülle von Faktoren ab, die in ihren Wirkungen schwer abschätzbar sind. Die Vorgabe, möglichst für Parität zwischen den Tarifvertragsparteien zu sorgen, genügt daher als Handlungsanweisung für die konkrete gerichtliche Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts allein in der Regel nicht. Das Paritätsprinzip ist wegen seiner Abstraktionshöhe als Maßstab zur Bewertung einzelner Kampfsituationen regelmäßig nicht ausreichend. Es bezeichnet aber zumindest eine Grenze, die bei der gerichtlichen Ausgestaltung nicht überschritten werden darf (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 21 mwN, BAGE 123, 134).

Zentraler Maßstab für die Beurteilung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Arbeitskampfs ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiten Sinn (19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 22, 23 mit zahlreichen Nachw., BAGE 123, 134). Auch das Bundesverfassungsgericht hat dieses Prinzip als tauglichen Maßstab für die fachgerichtliche Überprüfung von Arbeitskampfmaßnahmen anerkannt (4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 c der Gründe, BVerfGE 92, 365; vgl. auch 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 b der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167). Das Abwägungspostulat der Verhältnismäßigkeit erfordert stets eine Würdigung, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich ist und bezogen auf das Kampfziel angemessen (proportional) eingesetzt wird (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 25 mwN, aaO).

Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des Kampfziels gefördert werden kann. Dabei kommt den einen Arbeitskampf führenden Koalitionen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie haben einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Die Einschätzungsprärogative ist Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 26 mwN, BAGE 123, 134).

Erforderlich ist ein Kampfmittel, wenn mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels nach der Beurteilung der den Arbeitskampf führenden Koalition nicht zur Verfügung stehen. Auch insoweit umfasst deren Betätigungsfreiheit grundsätzlich die Einschätzung, ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels das gewählte Mittel für erforderlich oder andere Mittel für ausreichend erachtet. Die Grenze bildet auch hier der Rechtsmissbrauch. Ein solcher liegt vor, wenn es des ergriffenen Kampfmittels zur Erreichung des Ziels offensichtlich nicht bedarf (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 27, BAGE 123, 134).

Verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional) ist ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Insoweit steht einer Arbeitskampfpartei keine Einschätzungsprärogative zu, geht es doch hierbei nicht um eine tatsächliche Einschätzung, sondern um eine rechtliche Abwägung. Allerdings ist bei dieser stets zu beachten, dass es gerade Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 28, BAGE 123, 134).

bb. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stellt sich das Arbeitskampfverhalten der Gewerkschaft und ihrer Streikleitung - abgesehen von der unbeschränkten Blockade - als weitgehend zulässig dar. Ein Arbeitskampf beschränkt sich eben nicht nur auf die - passive - Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung. Es ist ein Prozess mit sich stetig ändernden Bedingungen. Einen entscheidenden Anteil auf Seiten der Arbeitnehmer hat dabei ihr Selbstverständnis als solidarische Gemeinschaft, die kollektiv im Kampf ein rechtmäßiges Ziel verfolgt, nämlich den Abschluss eines Tarifvertrages. Hierbei versucht die Arbeitgeberseite mit eigenen Kampfmitteln, den Abschluss eben dieses Tarifvertrages ganz zu verhindern oder jedenfalls aus ihrer Sicht günstige Ergebnisse zu erreichen. Vorliegend versucht die Arbeitgeberseite u.a., die Streikenden durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern oder durch Neueinstellungen zu ersetzen. Eine Reaktion im Rahmen der Kampfparität durch die Streikenden ihrerseits ist die Behinderung des Zugangs zum Betrieb. Hierbei bilden sie u.a. Menschenketten. Diese sind ohne Einsatz von (verbotener) Gewalt auf Seiten des Arbeitgebers nicht zu durchbrechen. Das Mittel der Behinderung, sei es durch eine Menschenkette, sei es durch Abstellen von Fahrzeugen o.ä. ist damit ein Kampfmittel, das geeignet ist zur Durchsetzung des Kampfziels, nämlich durch einen effektiven Streik einen Tarifabschluss zu erreichen und dafür den Einsatz von Streikbrechern und den Zugang durch Dritte zum Betrieb zu erschweren.

Die Arbeitnehmerseite kann hierbei von der Einschätzung ausgehen, dass es sich bei solchen Handlungen zur Behinderung des Zugangs auch um ein erforderliches Kampfmittel handelt. Betroffen ist nur ein Teilaspekt des Arbeitskampfes, nämlich den Zugang von Arbeitswilligen und Lieferanten usw. zum Betrieb zu behindern, zu verlangsamen und so die wirtschaftlichen Einbußen durch die Arbeitsniederlegung mit dem Ziel der Druckausübung aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang stehen mildere Mittel nicht zur Verfügung. Bei einer Bildung von Gassen etwa würden die von der Arbeitgeberseite in Bussen herangeführten Leiharbeitskräfte und neueingestellte Arbeitnehmer schlicht durchgewinkt, ohne dass es Möglichkeiten gäbe, auf sie einzuwirken, sich zu solidarisieren oder sie jedenfalls über das Streikgeschehen zu informieren. Bei einer schlichten Auswechselung der Streikenden durch Arbeitswillige ohne eine Möglichkeit, sie anzuhalten, auf sie zuzugehen, sie zu informieren und zum Streik zu bewegen, wäre der Streik insgesamt zum Scheitern verurteilt. Eine uneingeschränkte Untersagung des Kampfmittels der Behinderung kann deshalb nach Auffassung der Kammer nicht erfolgen. Insoweit war der Berufung stattzugeben.

Unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels und unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen erweisen sich diese Zugangsbehinderungen allerdings nur dann als angemessen, wenn sie nicht einer Blockade gleichkommen, sondern eine zeitlich beschränkte Behinderung darstellen. Die zeitlich unbeschränkte Behinderung erweist sich als Blockade, greift unverhältnismäßig in das Eigentum, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein, verletzt die Handlungsfreiheit der am Zugang behinderten Personen, verletzt die Kampfparität, weil sie den Arbeitgeber an eigener Kampfesreaktion hindert und ist damit insgesamt nicht angemessen. Die Kammer musste daher im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung diese Kampfmittel in der zeitlichen Ausübung begrenzen. Einerseits muss dieses Kampfmittel auch mit zeitlicher Beschränkung noch Druck ausüben können, andererseits muss den davon Betroffenen noch die Möglichkeit verbleiben, ihre verfassungsrechtlich geschützten Positionen zu verwirklichen, also z.B. in noch hinnehmbarer Zeit als Arbeitswilliger, Lieferant oder Handwerker Zugang zum Betrieb zu finden. Die Kammer ist bei der Festsetzung der Zeitspanne der Einschätzungsprorogative der Gewerkschaft, der Beklagtenseite, gefolgt und hält eine fünfzehnminütige Behinderung für verhältnismäßig im vorgenannten Sinne. Diese Zeitspanne reicht, um Streikunwillige aufzuhalten und anzusprechen, um Druck auszuüben und nicht nur passiv zu verharren. Sie ist andererseits so geringfügig, dass es zumutbar ist, sich als Arbeitswilliger auf die Verzögerung einzustellen und sie hinzunehmen, auch wenn es zum wiederholten Male passiert und eine innere Meinungsumkehr nicht zu erwarten ist. Die Kammer hat erwogen, ob sie bei der Festlegung dieser Zeitspanne im Rahmen des § 938 ZPO differenzieren sollte bspw. zwischen bereits angesprochenen Arbeitswilligen, erstmals auftretenden Arbeitswilligen, Lieferanten, Handwerkern usw., hat aber davon Abstand genommen, weil eine praktische Umsetzung vor Ort im Kampfesgeschehen nicht realistisch ist. Es musste eine handhabbare, praxisgerechte Regelung gefunden werden, die insgesamt verhältnismäßig ist, dann allerdings auch pauschal sein mag.

c. Die Haftung des Beklagten zu 2. ergibt sich im - wie das Arbeitsgericht zu Recht ausführt - aus der Tatsache, dass er - wie von der Klägerin glaubhaft gemacht - trotz Kenntnis von den rechtswidrigen Vorgängen und Verhaltensweisen von Streikenden und Streikposten und nach Hinweis und Aufforderung durch Vertreter der Klägerin jedenfalls vor Erlass der einstweiligen Verfügung im vorliegenden Verfahren als Streikleiter es unterlassen hat, auf diese zureichend einzuwirken.

Die Gewerkschaft, die Beklagte zu 1, führt den rechtmäßigen Streik. Sie hat für den ordnungsgemäßen Ablauf des Streiks zu sorgen.Für rechtswidriges Verhalten der Streikposten haftet die Gewerkschaft gem. § 831 BGB. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn die Gewerkschaft bei der Auswahl und Überwachung der Streikposten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde (BAG 8. November 1988 - 1 AZR 417/86 - AP Nr 111 zu Art 9 GG Arbeitskampf, juris).Die Beklagte zu 1 hat zugelassen, dass ihr Streikleiter in Hamburg zugleich den Streik im weit entfernten niedersächsischen R. leiten soll, eine Aufgabe, die schon wegen der erforderlichen Fahrzeiten nicht ordnungsgemäß erfüllt werden kann und ein Auswahlverschulden darstellt. Dementsprechend hat die Klägerin auch einen Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB in Verbindung mit § 31 BGB gegen die Gewerkschaft.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92, 97 ZPO.



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