Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Urteil vom - Az: L 3 U 124/17

Terroranschlag auf Dienstreise ist kein Arbeitsunfall

Wird auf einer Dienst- und Geschäftsreise der Versicherte während eines privaten Restaurantbesuches Opfer eines Sprengstoffanschlags, steht er nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Im vorliegenden Streitfall wurde der Kläger auf Weisung seines Arbeitgebers zu einem dienstlichen Seminar innerhalb der Bundesrepublik entsandt. Nach seiner Anreise hielt sich der Kläger im Außenbereich eines Altstadtlokals zum Abendessen auf. Zu diesem Zeitpunkt verübte ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoffanschlag, durch den der Kläger immaterielle Schäden erlitt. Seinen Antrag auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls lehnte die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) ab. Der private Gasthausbesuch des Klägers habe zum Zeitpunkt der Gewalttat in keinem inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden – so die BG.
Das LSG bestätigte die Rechtsauffassung der Beklagten. Zwar gelte auf Dienst- und Geschäftsreisen ein erweiterter Unfallversicherungsschutz, da der Versicherte dabei betriebsbedingt größeren Gefahren ausgesetzt sei als im Umfeld seines Arbeits- und Wohnorts. Allerdings müsse auch während einer Dienst- und Geschäftsreise die konkrete Verrichtung des Versicherten zum Unfallzeitpunkt in einem wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden haben. Deshalb entfalle der Versicherungsschutz, wenn sich der Versicherte während der Dienst- und Geschäftsreise rein persönlichen Belangen widme. Auch entstehe ein betrieblicher Bezug nicht bereits dadurch, dass eine Lokalität an einem Ort aufgesucht werde, der Ziel einer Dienstreise sei. Darüber hinaus stelle die Gefahr eines terroristischen Anschlags ein allgemeines Lebensrisiko dar, das an jedem Ort in Deutschland bestehe.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (AU).

Der 1958 geborene Kläger ist als Einkäufer bei der G. tätig.

Am 24. Juli 2016 reiste der Kläger von seinem Wohnort (in H.) nach I., um dort am nächsten Tag an einem dienstlichen Seminar teilzunehmen. Nach der Anreise suchte er in der J. Altstadt ein Lokal auf, aß dort zu Abend und trank (im Außenbereich des Lokals) ein Glas Wein. Zu diesem Zeitpunkt (gegen 22:00) Uhr verübte ein K. Selbstmordattentäter in der J. Altstadt einen Sprengstoffanschlag, durch den der Kläger Rückenverbrennungen, multiple Schürfwunden und eine Posttraumatische Belastungsstörung erlitt (Durchgangsarzt-Zwischenbericht Prof. Dr. L. vom 31. Juli 2016).

Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 24. Juli 2016 jedoch nicht als AU an. Der Kläger habe sich zwar zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlags auf einer von seinem Arbeitgeber genehmigten Dienstreise befunden. Auf einer solchen Reise stünden Versicherte aber nicht während der gesamten Dauer und auch nicht bei jeder Verrichtung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme es vielmehr darauf an, dass die unfallbringende Betätigung jeweils mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhänge. Ein solcher Zusammenhang liege hier jedoch nicht vor, weil der private Gasthausbesuch des Klägers zum Zeitpunkt der Gewalttat in keinem inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Einkäufer gestanden habe (Bescheid vom 1. September 2016). Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. November 2016).

Der Kläger hat am 22. Dezember 2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und dort geltend gemacht, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung Ausnahmen von dem Grundsatz anerkannt habe, wonach die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen ein Grundbedürfnis sei und betriebliche Belange insoweit zurücktreten müssten. Ein solcher Ausnahmefall sei danach ua anzunehmen, wenn betriebliche Zwänge den Versicherten veranlasst hätten, seine Mahlzeit an einem besonderen Ort einzunehmen. Davon müsse hier ausgegangen werden, weil er sich ausschließlich aus dienstlichen Gründen an dem Ort des Sprengstoffanschlags aufgehalten habe. Im Übrigen stehe die Entscheidung der Beklagten in einem Wertungswiderspruch zu dem Fall, in dem der auf einer Dienstreise befindliche Versicherte seine Mahlzeit während der Fahrt zu dem jeweiligen Zielort einnehme. Dann stünde die Nahrungsaufnahme unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung; in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation könne nichts anderes gelten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. August 2017 abgewiesen. Das Unfallereignis vom 25. Juli 2016 sei kein AU. Zwar gelte auf Dienst- und Geschäftsreisen ein erweiterter Unfallversicherungsschutz, da der Versicherte dabei betriebsbedingt größeren Gefahren ausgesetzt sei als im Umfeld seines Arbeits- und Wohnorts. Dennoch müsse auch während einer Dienst- und Geschäftsreise die konkrete Verrichtung des Versicherten zum Unfallzeitpunkt in einem wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden haben. Deshalb entfalle der Versicherungsschutz, wenn sich der Versicherte während der Dienst- und Geschäftsreise rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen - wie beispielsweise der Nahrungsaufnahme - widme. Durch den Sprengstoffanschlag habe sich auch kein besonderes Gefahrenmoment verwirklicht, das mit der betrieblich bedingten Unterbringung des Klägers in I. verbunden gewesen sei. Vielmehr habe sich mit der Gewalttat ein allgemeines Lebensrisiko realisiert, dass sich an jedem anderen Ort und unabhängig von dem Umstand, dass sich der Kläger auf einer Dienst- und Geschäftsreise befunden habe, hätte ereignen können.

Gegen das Urteil (zugestellt am 27. Oktober 2017) wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 22. November 2017 und stützt sich insoweit auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 25. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 1. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2016 aufzuheben,

2. festzustellen, dass er am 24. Juli 2016 durch den Sprengstoffanschlag in der M. Altstadt einen Arbeitsunfall erlitten hat,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Arbeitsunfalls Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers - über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) - ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG) statthaft. Soweit der Kläger (im Berufungsverfahren noch zusätzlich) beantragt hat, ihm weitere Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen, kommt dem vorliegend neben dem schon erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag keine eigenständige Bedeutung zu, weil die Beklagte über konkrete Sozialleistungen in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden hat (vgl hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4).

Die so verstandene und auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 24. Juli 2016 (Sprengstoffanschlag in der J. Altstadt) als AU anzuerkennen.

2. Arbeitsunfälle sind in § 8 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) definiert als Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; S 1). Es handelt sich dabei um zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (S 2). Ein AU setzt danach im Regelfall voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zum Zeitpunkt des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen; nur für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen ist der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit ausreichend (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 43 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat sich der Kläger zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlags auf einer Dienst- und Geschäftsreise befunden und damit zumindest dem Grunde nach unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden (dazu a). Dabei hat der Kläger auch einen Unfall iSv § 8 Abs 1 S 2 SGB VII erlitten (dazu b). Die konkrete Verrichtung, die der Kläger zum Unfallzeitpunkt ausgeübt hat (Nahrungs- und Trinkaufnahme) hat aber in keinem inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der hier grundsätzlich versicherten Tätigkeit (Teilnahme an einer Dienst- und Geschäftsreise) gestanden (dazu c). Ein AU liegt damit nicht vor.

a) Der Kläger ist am 24. Juli 2016 zum Unfallzeitpunkt (gegen 22:00 Uhr) dem Grunde nach iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versichert gewesen. Zu dieser Zeit hat er sich auf einer Dienst- und Geschäftsreise befunden und ist mit der Teilnahme daran grundsätzlich einer nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit nachgegangen.

b) Der Kläger ist am Unfalltag durch den Sprengstoffanschlag in der J. Altstadt auch einem zeitlich begrenzten, von außen auf seinen Körper einwirkenden Ereignis ausgesetzt gewesen und hat damit einen Unfall iS von § 8 Abs 1 S 2 SGB VII erlitten. Seine körperliche Integrität ist dadurch verletzt worden.

c) Die konkrete Verrichtung, die der Kläger zum Unfallzeitpunkt ausgeübt hat (Nahrungs- und Trinkaufnahme), ist aber eigenwirtschaftlich gewesen und hat mit der am 24. Juli 2016 aufgenommenen Dienst- und Geschäftsreise in keinem inneren bzw sachlichen Zusammenhang gestanden.

aa) Wie vorangestellt dargelegt, kann von einem AU ua nur dann ausgegangen werden, wenn die zum Unfallzeitpunkt von dem Versicherten ausgeübte Verrichtung der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sogenannter innerer bzw sachlicher Zusammenhang). Maßgeblich ist insofern, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit hat ausüben wollen und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Dabei wird ein derartiger Zusammenhang - darauf hat bereits das SG in der hier angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen - während einer Dienst- und Geschäftsreise am Ort der auswärtigen Beschäftigung zwar oftmals eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Arbeitsort. Ein lückenloser Versicherungsschutz auf derartigen Reisen mit der Erwägung, dass der Reisende gezwungen sei, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber regelmäßig abgelehnt worden (hierzu grundlegend BSG SozR Nr 13 zu § 542 RVO aF). Vielmehr kommt es auch insoweit darauf an, dass die konkrete Verrichtung, bei der der Unfall eingetreten ist, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufgewiesen hat, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt. Grundsätzlich entfällt daher der Unfallversicherungsschutz selbst auf Dienst- und Geschäftsreisen, solange sich der Versicherte dort rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (vgl hierzu beispielhaft BSG SozR 2200 § 548 Nr 21 - Besuch des Oktoberfests im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung).

Deshalb vermag - entgegen der Auffassung des Klägers - allein der Umstand, dass er sich zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlags in der J. Altstadt auf einer Dienst- und Geschäftsreise befunden hat, die Annahme eines AU (noch) nicht zu rechtfertigen. Einen derartigen "Dienstreisebann" gibt es in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Vorliegend besteht zwar insofern eine Verbindung zwischen dem unfallverursachenden Sprengstoffanschlag und der versicherten Tätigkeit des Klägers als Geschäftsreisender, als eine dienstliche Fortbildung am Folgetag der eigentliche Anlass für seinen Aufenthalt in der J. Altstadt zum Unfallzeitpunkt gewesen ist. Das alleine reicht jedoch für die Annahme des erforderlichen sachlichen Zusammenhangs nicht aus, weil sich aus diesem Umstand nicht herleiten lässt, ob die konkrete Verrichtung, die er als grundsätzlich versicherter Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt tatsächlich ausgeübt hat, im Betriebsinteresse gelegen hat oder ob es sich stattdessen um eine (den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig unterbrechende) eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt hat, für die ein sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann.

bb) Nach diesen Maßgaben kann die Nahrungs- und Trinkaufnahme des Klägers zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlags in der J. Altstadt nur als eine unversicherte Tätigkeit angesehen werden, weil es sich dabei um eine höchstpersönliche Verrichtung gehandelt und sich in dem Anschlag außerdem keine der versicherten Tätigkeit mehr zuzurechnende spezifische Gefahr verwirklicht hat. Zwar kann auf einer Dienst- und Geschäftsreise ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ausnahmsweise auch dadurch begründet werden, dass der Versicherte während der Reise gezwungen ist, sich bei seiner privaten Lebensgestaltung am Aufenthaltsort Risiken auszusetzen, die an seinem üblichen Wohn- oder Beschäftigungsort nicht bestehen. Eine derartige Gefahrenquelle kann der versicherten Tätigkeit allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Erforderlich ist zum einen, dass sie sich bei solchen privaten Verrichtungen des täglichen Lebens auswirkt, die auch während einer Dienst- oder Geschäftsreise zwangsläufig anfallen, mit der Folge, dass sich der Versicherte der Gefährdung nicht entziehen kann. Ein betrieblicher Bezug ist deshalb gegeben, wenn besondere gefahrbringende Umstände am Ort des Dienstgeschäfts Unfälle beispielsweise bei der Nachtruhe, der Körperreinigung oder der Nahrungsaufnahme einschließlich der damit zusammenhängenden Wege verursacht haben. Erforderlich ist für die Annahme eines betrieblichen Zusammenhangs zum anderen, dass es sich dabei um eine Gefahrenquelle handeln muss, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten am Wohn- oder Arbeitsort nicht begegnet wäre (vgl hierzu beispielhaft BSG SozR Nr 13 zu § 542 RVO aF - Riss des Fahrstuhlseils auf dem Weg zur Nachtruhe).

Wie sich bereits dem angefochtenen Urteil des SG mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, liegen hier hinsichtlich des Sprengstoffanschlags in der J. Altstadt beide Voraussetzungen dafür, einen betrieblichen Bezug (ausnahmsweise) auch für die Nahrungs- und Trinkaufnahme des Klägers während der Dienst- und Geschäftsreise nach I. anzunehmen, aber nicht vor. Weder hat ein "besonderer gefahrbringender Umstand" des Lokals, in dessen Außenbereich sich der Kläger zum Zeitpunkt des Anschlags aufgehalten hat, das Unfallereignis verursacht noch ist zu erkennen, dass es sich bei dem terroristischen Anschlag in der J. Altstadt um eine "Gefahrenquelle" gehandelt hat, die in ihrer besonderen Eigenart dem Kläger an seinem Wohn- oder Arbeitsort nicht hätte begegnen können. Die mit einem solchen Anschlag verbunden Gefahren stellen erkennbar ein allgemeines Lebensrisiko dar, dem der Kläger grundsätzlich an jedem Ort in Deutschland ausgesetzt sein kann.

cc) Es trifft im Übrigen auch nicht zu, dass die Nahrungs- und Trinkaufnahme während einer Dienst- und Geschäftsreise stets unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, wenn die (eigenwirtschaftliche) Verrichtung auf der Fahrt zum Seminarort erfolgt. Das gilt sowohl für den Fall, dass der Versicherte die Fahrt unterbricht, um in einem Lokal eine Mahlzeit einzunehmen, als auch für den Fall, dass er eine bereits vorbereitete Mahlzeit während einer solchen Fahrt zu sich nimmt (sog gemischte Tätigkeit). In der ersten Fallkonstellation besteht für die Dauer der Unterbrechung einer Dienst- und Geschäftsreise aufgrund einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig schon dem Grunde nach kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (hierzu grundlegend BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 19; zur Ausnahme (betriebliche Interessen beeinflussen Nahrungsaufnahme wesentlich) BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 62). In der zweiten Fallkonstellation einer gemischten Tätigkeit - in Form von zwei gleichzeitig ausgeübten Verrichtungen, von denen zumindest eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt - wäre zu klären, ob sich infolge der zu dem jeweiligen Unfallzeitpunkt ausgeübten und versicherten Verrichtung (hier: das Zurücklegen des Betriebswegs zum Seminarort) eine durch den Versicherungstatbestand des SGB VII geschützte Gefahr verwirklicht hat - dann läge ein AU vor - oder ob stattdessen allein eine unversicherte Ursache (hier: die eigenwirtschaftliche Nahrungs- bzw Trinkaufnahme) für das konkrete Unfallereignis wesentlich gewesen ist - dann läge kein AU vor (vgl zu dieser Abgrenzung bei der Ausübung gemischter Tätigkeiten BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 52 Rn 20 ff mwN; vgl auch das Senatsurteil vom 29. August 2018 – L 3 U 184/16 - juris). Entgegen der Annahme des Klägers besteht damit zwischen diesen beiden Sachverhaltskonstellationen und der hier zu entscheidenden kein Wertungswiderspruch.

3. Nach alledem ist für die Entscheidung des Rechtsstreits die bereits von der Vorinstanz angestellte Erwägung maßgeblich, dass die Nahrungs- und Trinkaufnahme des Klägers zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlags in der J. Altstadt keine - auch keine ausnahmsweise - mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten versicherten Tätigkeit (hier: Teilnehmer an einer Dienst- und Geschäftsreise) in einem inneren bzw sachlichen Zusammenhang stehende Verrichtung darstellt und das Unfallereignis deshalb nicht als AU iSv § 8 Abs 1 S 1 SGB VII angesehen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich. 



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