Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 14 Sa 865/12

Urlaubsabgeltungsanspruch; Vermutungswirkung des schriftlichen Vertrages

(1.) Eine arbeitsvertragliche Klausel, wonach ein Urlaubsabgeltungsanspruch nur entsteht, wenn der Urlaub betriebsbedingt vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden konnte, ist wegen Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz BUrlG unwirksam.

(2.) Die Äußerung "Die restlichen Urlaubstage schenke ich Ihnen" von Seiten des Arbeitnehmers kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht als Verzicht auf noch nicht entstandene Urlaubsabgeltungsansprüche auszulegen.

(3.) Ein schriftlicher Vertrag begründet die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit. Außerdem begründet er die Vermutung, das Ergebnis der geführten Verhandlungen wiederzugeben.
(Orientierungssätze; nach den Leitsätzen)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26.04.2012 - 10 Ca 1009/11 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.590,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Juli 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 6,7 % und der Kläger 93,3 % zu tragen.

Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers wegen Urlaubsabgeltung und zusätzlicher Vergütung.

Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2010 bei der Firma A als technischer Betriebsleiter beschäftigt. Am 12. Oktober 2010 übersendete die Beklagte an die Firma A ein Angebot zur Durchführung der von dieser geplanten Betriebsschließung, dem eine Kalkulation des Klägers zugrunde lag (Bl. 58 ff d.A.). Im Zusammenhang hiermit schlossen der Kläger und die Beklagte am 22/25. Oktober 2010 eine schriftliche Vereinbarung, in der sich der Kläger verpflichtete, im Falle der Auftragserteilung die mit der Betriebsschließung verbundenen Tätigkeiten als Projektleiter durchzuführen, wobei die Parteien nach Mitteilung des Klägers im Berufungstermin zu diesem Zeitpunkt schon absehen konnten, dass sich eine Auftragserteilung durch die Firma A auf die Position 3 des Angebots vom 12. Oktober 2010 beziehen würde. Für diese Position 3 belief sich das Angebot auf 580 000 EUR, hierbei waren in die Kalkulation des Klägers für Personalkosten 350 000 EUR eingestellt (Bl. 187 d.A.).

Der Kläger verpflichtete sich in der Vereinbarung vom 22/25. Oktober 2010, das zur Auftragsdurchführung erforderliche Mitarbeiterteam zusammenzustellen. Sowohl er als auch die zu rekrutierenden Mitarbeiter sollten nach Ziff. 4 des Vertrags einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Beklagten erhalten. Ziff. 5 regelt, dass für den Kläger und die anderen Mitarbeiter nicht die Möglichkeit einer vorzeitigen Vertragskündigung bestehen sollte.

Ziff. 6 des Vertrags lautet:

 „ Die Vergütung für den Gesamtzeitraum (6 Monate) beträgt 350.000 EUR brutto. Darin enthalten ist die Vergütung von Herrn B und die der anderen Mitarbeiter, die von Herrn B rekrutiert werden.“

Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf Bl. 9, 10 d.A. verwiesen.

Die Vereinbarung wurde vom Kläger entworfen, der Beklagten unter dem 20. Oktober 2010 übersendet und anlässlich eines Gesprächs unterschrieben, das der Kläger mit den Geschäftsführern der Beklagten am 25. Oktober 2010 am Hauptbahnhof in C führte und dessen Verlauf streitig ist.

In der Folgezeit kam es aufgrund Verhandlungen zwischen der Firma A und der Beklagten zu einer Reduktion des Honorars betreffend Position 3 des Angebots von 580 000 EUR auf 520 000 EUR. Mit diesem Honorar wurde der Beklagten im November 2010 der Zuschlag für die Position 3 erteilt. Auf den zur Akte gereichten Ausdruck der E-Mail der Firma A vom 25. November 2010 (Bl. 129 d.A.) wird Bezug genommen. Zwischen den Parteien wurde darüber gesprochen, ob und gfs. wie die Reduktion des Honorars um 60 000 EUR umgelegt werden soll, wobei die Einzelheiten hierzu streitig sind.

Bei einer Besprechung am 8. Dezember 2010 legte der Kläger der Beklagten die Gehaltslisten betreffend ihn selbst und die anderen von ihm rekrutierten Mitarbeiter vor, wobei für ihn selbst als Vergütung ein Bruttogehalt von 19. 500 EUR pro Monat angegeben war. Unter dem gleichen Datum wurde zwischen den Parteien ein bis zum 30. Juni 2010 befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der Vertrag lautet auszugsweise:

§ 3 Bezüge

1. Der Arbeitnehmer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit im Rahmen der unter § 2 vereinbarten Arbeitzeit ein monatliches Bruttogehalt von 19.500,00 Euro.

2. Das Monatsgehalt wird unter Einhaltung der gesetzlichen Abzüge am Ende eines jeden Kalendermonats gezahlt. Hiermit sind alle Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld abgegolten.

§ 4 Urlaub

1. Der Arbeitnehmer erhält für den Befristungszeitraum einen Erholungsurlaub von 12 Arbeitstagen.

2. Der Jahresurlaub kann nur in Abstimmung mit der Geschäftsführung und der Projektleitung und unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange genommen werden.

3. Eine Abgeltung des Urlaubs ist nur zulässig, wenn dieser aus betriebsbedingten Gründen nicht gewährt werden kann.

§ 15 Schlussbestimmungen

1. Dieser Vertrag ersetzt alle bisher zwischen den Parteien mündlich oder schriftlich getroffenen Vereinbarungen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.

2. Alle Ansprüche aus diesem Vertrag und seiner Beendigung sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen, andernfalls verfallen sie. Dies gilt nicht für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen. Für diese gelten die gesetzlichen Verjährungsfristen.

3. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die Parteien sind verpflichtet, die unwirksame Bestimmung durch eine wirksame Bestimmung zu ersetzen, die den angestrebten, wirtschaftlichen Erfolg so weit wie möglich erreicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abschrift des Arbeitsvertrags (Bl. 25 ff d.A.) Bezug genommen.

Auch mit fünf weiteren Projektmitgliedern schloss die Beklagte im Dezember 2010 befristete Arbeitsverträge ab, in denen ein Monatsgehalt vereinbart war.

Der Kläger nahm am 28. Januar 2011, am 7. März 2011, am 6. Mai 2011 und am 25. Mai 2011 Urlaub. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses übergab er an den Mitarbeiter der Beklagten D eine Liste (Bl. 36 d.A.), in der seine Urlaubstage und die der der weiteren Projektmitarbeiter aufgeführt waren und die in der Fußzeile das Datum „3.1.2011“ trägt. Für den Kläger war neben den genannten Tagen Urlaub für den 26. Mai 2011, den 27. Mai 2011 und den 17. Juni 2011 eingetragen. Im Betrieb der Beklagten ist es üblich, dass Urlaubsanträge in vorgefertigter Form ausgefüllt und eingereicht werden. Dies tat der Kläger nicht.

Der Kläger wurde über das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus noch an einigen Tagen im Juli 2011 für die Beklagte tätig.

Am 23. August 2011 fand zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin E sowie dem Mitarbeiter D im F ein Abschlussgespräch statt, bei dem auch die Zahlungsforderungen des Klägers thematisiert wurden, dessen Verlauf im Einzelnen jedoch streitig ist.

Der Kläger hat mit am 30. September 2011 bei Gericht eingegangener und am gleichen Tag der Beklagten per Fax übersendeter Klageschrift beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung für acht Tage Resturlaub iHv. 7090, 91 EUR brutto, 11.620 EUR brutto als Vermittlungsprovision und 86.900 EUR brutto zusätzliches Gehalt zu zahlen.

Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Urlaubsabgeltung für acht Tage Urlaub zu, wobei er hiervon drei Tage entgegen der ursprünglichen Planung nicht genommen habe und hat insofern behauptet, die dem Mitarbeiter D übergebene Urlaubsübersicht gebe nicht den tatsächlich genommenen, sondern nur den geplanten Urlaub wieder. Tatsächlich habe er am 26. Mai 2011, am 27. Mai 2011 und am 17. Juni 2011 gearbeitet. Die Übersicht habe er D zusammen mit allen anderen Unterlagen übergeben, ohne dass er ihr eine besondere Bedeutung zugemessen habe.

Zudem hat er die Ansicht vertreten, ihm stehe über die im schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten und unstreitig gezahlten 19. 500 EUR brutto monatlich eine weitere Vergütung von 86.900 EUR brutto zu. Insofern hat er behauptet, es sei zwischen ihm und der Geschäftsführerin E und deren Vater, dem Geschäftsführer G, bei dem Gespräch am Hauptbahnhof in C anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 22/25. Oktober 2010 vereinbart worden, dass diese neben dem noch abzuschließenden Arbeitsvertrag bestehen sollte und dass an ihn die dort vereinbarte „Gesamtvergütung“ von 350 000 EUR abzüglich der an die anderen Arbeitnehmer gezahlten Bruttogehälter zur Auszahlung kommen sollte. Die im Arbeitsvertrag niedergelegten 19.500 EUR brutto hätten nur Abschlagszahlungen darstellen sollen und die Arbeitsverträge zwischen der Beklagten und ihm sowie den anderen Mitarbeitern seien nur pro forma geschlossen worden, um solche Abschlagszahlungen für ihn und die anderen Mitarbeiter sicher zu stellen. Da von den 350 000 EUR brutto lediglich 263.100,00 EUR für Gehaltszahlungen an ihn und die anderen Mitarbeiter verbraucht worden seien, habe er noch Anspruch auf die Zahlung des Restbetrags von 86.900,00 EUR brutto.

Weiter hat der Kläger behauptet, in einem Gespräch zwischen der Geschäftsführerin E und ihm sei mündlich vereinbart worden, dass er für die Vermittlung von zwei Mitarbeitern einen Betrag in Höhe von 11.620 EUR erhalten solle. Diese Kollegen habe er auch absprachegemäß vermittelt. Seine Kalkulation betreffend die Position 5 des Angebots „Kesselhaus“ an die Firma A habe einen ausgewiesenen Gewinn für die Beklagte enthalten und der zusätzlich zu erzielende Verkaufserlös habe an ihn ausgezahlt werden sollen.

Die klägerische Partei hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 86.900,00 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2011 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.620,00 brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2011 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, zur Urlaubsabgeltung für 8 Tage Resturlaub an ihn 7.090,91 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein weiterer Zahlungsanspruch zu. Soweit er den ihm zustehenden Urlaub nicht genommen habe, was ausweislich der Urlaubsliste nur betreffend fünf Tagen der Fall sei, habe er auf ihn verzichtet. Insoweit hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe bei der Übergabe der Urlaubsliste am Ende des Arbeitsverhältnisses D gegenüber geäußert „Die restlichen Urlaubstage schenke ich Ihnen.“ Soweit man nicht von einem Verzicht ausgehe, seien die Urlaubstage jedenfalls verfallen. Zudem habe sie darauf vertrauen können, dass sich der Kläger den ihm zustehenden Resturlaub selbst gewähre. Als Betriebsleiter habe er selbst entscheiden können, wann und wie er arbeite, über Urlaub sei daher zwischen dem Kläger und den Geschäftsführern nie geredet worden.

Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten weiteren Gehaltsanspruchs hat die Beklagte behauptet, die in der Vereinbarung vom 22/25. Oktober 2010 genannten 350 000 EUR hätten lediglich das Personalbudget wiedergeben sollen. Es habe sich insoweit um eine Rahmenvereinbarung gehandelt. Sie hat die Meinung vertreten, die Ansprüche des Klägers richteten sich allein nach dem später abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Auch die behauptete Vermittlungsprämie stehe dem Kläger nicht zu. Eine diesbezügliche Vereinbarung sei auch mündlich nie geschlossen worden. Schließlich seien mögliche Zahlungsansprüche jedenfalls nach § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags verfallen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit seinem am 26. April 2012 verkündeten Urteil - 10 Ca 1009/11 - (Bl. 70 - 82 d.A.) die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4500 EUR brutto nebst Zinsen hieraus seit dem 1. Juli 2012 als Urlaubsabgeltung für fünf Tage Resturlaub zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei wegen der eingereichten Urlaubsliste darlegungspflichtig dafür, an den dort angegeben Urlaubstagen tatsächlich keinen Urlaub gehabt, sondern gearbeitet zu haben. Insofern sei nur von fünf Tagen Resturlaub auszugehen, auf diese habe der Kläger aber nicht wirksam verzichten können. Der Urlaub sei auch wegen rechtzeitigen Eingangs der Klage bei Gericht und der Geltung des § 167 ZPO nicht nach § 15. Abs. 2 des Arbeitsvertrags verfallen. Ein Anspruch des Klägers auf die Zahlung von 86.900 EUR brutto bestehe mangels Anspruchsgrundlage nicht, weil der Kläger nicht substantiiert vorgetragen habe, dass die Weitergeltung der Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 neben dem Arbeitsvertrag vereinbart gewesen sei und zudem vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine solche Weitergeltung nicht ersichtlich sei. Wie die Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 auszulegen sei, könne deshalb dahinstehen. Einen Anspruch auf die Zahlung einer Vermittlungsprovision habe der Kläger nicht schlüssig vorgetragen.

Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihm am 11. Juni 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2012 Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 13. August 2012, eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11. Juni 2012 zugestellte Urteil am 11. Juli 2012 Berufung eingelegt und diese ebenfalls mit am Montag, dem 13. August 2012, eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er den in der Urlaubsliste angegebenen Urlaub auch tatsächlich genommen habe. Er behauptet, er sei am 26. und 27. Mai 2011 mit der Rechnungsprüfung der Firma H beschäftigt gewesen und am 17. Juni 2011 mit der Abschlussdokumentation für die Beklagte und zwar jeweils im Büro in C. Die dem Mitarbeiter D übergebene Liste sei nur eine private grobe Übersicht gewesen und sie sei gemeinsam mit einer Unmenge Unterlagen übergeben worden, die er gar nicht mehr durchgesehen habe. In seiner Berufungserwiderung behauptet er, er habe die Geschäftsführerin der Beklagten darauf hingewiesen, dass er Ende Juni noch seine restlichen Urlaubstage nehmen müsse, sei aber darauf verwiesen worden, zunächst müsse die Arbeit erledigt sein. Er habe zu keiner Zeit gegenüber dem Mitarbeiter D auf seinen Resturlaub verzichtet, sondern sei lediglich damit einverstanden gewesen, ihn wegen der noch zu erledigenden Arbeit nicht zu nehmen.

Hinsichtlich der geforderten 86.900 EUR brutto behauptet der Kläger, bei dem Gespräch am Hauptbahnhof am 25. Oktober 2010 mit den Geschäftsführern der Beklagten habe völlige Klarheit bestanden, dass an ihn insgesamt 350 000 EUR gezahlt würden und sich die Summe nicht aufgrund des Abschlusses der Arbeitsverträge reduzieren würde. Er, der Kläger, habe wörtlich gesagt: “Es werden Arbeitsverträge gemacht, trotzdem kommt es zur Gesamtzahlung i.H.v. 350 000 EUR abzüglich der Gehälter an mich.“ Die Geschäftsführer der Beklagten hätten dazu beide gesagt: “Ja natürlich machen wir das so.“ Der Kläger bietet hierfür Beweis an durch seine Vernehmung als Partei sowie der Geschäftsführer der der Beklagten und vertritt die Auffassung, seine Vernehmung als Partei müsse nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beweiserhebung betreffend den Inhalt von Vier-Augen-Gesprächen erfolgen. Er behauptet, eine Diskussion zu den Vertragsinhalten sei nicht geführt worden, es habe Einvernehmen über die getroffene Absprache bestanden. Die Arbeitsverträge seien geschlossenen worden, weil die Beklagte darum gebeten habe, es sei dabei darum gegangen, Abschlagszahlungen für ihn selbst und die von ihm engagierten Mitarbeiter sicherstellen zu können. Bei der Übergabe der Arbeitsverträge an die Mitarbeiter im Dezember 2010 in C hätten der Geschäftsführer G und der Mitarbeiter D nochmals ausdrücklich auf die Vereinbarung mit dem Kläger verwiesen. Der offene Differenzbetrag sei nicht in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden, weil im Dezember 2010 noch nicht klar gewesen sei, ob es der Einstellung eines weiteren Mitarbeiters bedurfte, dessen Gehalt dann ja vereinbarungsgemäß von dem an ihn zu zahlenden Differenzbetrag abzuziehen gewesen wäre. Der Kläger behauptet weiter, nach der Reduktion des Vertragsangebots an die Firma A um 60 000 EUR sei die Beklagte mit dem Anliegen auf ihn zugekommen, diesen Betrag dergestalt zu teilen, dass 30 000 EUR von dem nach der Abschlusskalkulation verbleibenden Betrag von 350 000 EUR abzüglich der Gehälter abgezogen werden sollten, also von dem sich nun errechnenden Betrag iHv. 86. 900 EUR. Dies sei von ihm abgelehnt worden, der Vorschlag mache aber nur Sinn vor dem Hintergrund der von ihm behaupteten Vereinbarung. Schließlich behauptet der Kläger, bei dem Gespräch am 23. August 2011 habe D auf seine Forderung hin erklärt, dass ja zumindest noch die Hälfte des von der Firma I an die Firma A gewährten Nachlasses angerechnet werden müsse. D habe gefragt:“ Wollen wir uns nicht die 60 000 EUR, die wir nun von der Firma A weniger erhalten, teilen?“ Auch insoweit bietet der Kläger als Beweismittel seine Vernehmung als Partei an.

Zu dem geltend gemachten Zahlungsanspruch iHv. 11.620 EUR brutto behauptet der Kläger, die Vermittlungsprovision habe sich auf die Vermittlung der Mitarbeiter J und K bezogen. Noch bevor das Angebot an die Firma A abgeschickt worden sei, sei die an ihn zu zahlende Summe basierend auf der von ihm erstellten Kalkulation zwischen Frau E und ihm abgesprochen worden. Aus der von ihm gefertigten Abschlusskalkulation ergebe sich nach Abzug der Kosten und eines Gewinns der Beklagten iHv. 12.000 EUR ein Betrag von 11.629,00 EUR, der an ihn auszukehren sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 - 10 Ca 1009/11 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 101.110,91 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Juli 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 - 10 Ca 1009/11 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Beide Parteien beantragen,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sich der Urlaubsanspruch des Klägers gar nicht in einen Abgeltungsanspruch verwandelt habe, weil er seinen Urlaub innerhalb des Arbeitsverhältnisses nicht verlangt habe. Nur dann könne aber eine Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Zudem sei der Verzicht auf einen Zahlungsanspruch, wie ihn der Abrechnungsanspruch darstelle, unproblematisch möglich. Mit ihrer Berufungserwiderung verteidigt die Beklagte die angefochtene Entscheidung, soweit durch sie die Klage abgewiesen worden ist und bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger am 26. Mai, 27. Mai und 17. Juni 2011 gearbeitet hat. Sie behauptet weiterhin, es habe sich bei der Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 ausschließlich um eine Rahmenvereinbarung gehandelt, in der die Personalausgaben mit maximal 350 000 EUR benannt worden seien und Grundlage des Arbeitsverhältnisses seien die Arbeitsverträge gewesen. Absprachen, dass daneben die Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 gelten sollte, habe es nicht gegeben. Hinsichtlich der geltend gemachten Provision von 11. 620,00 EUR habe das Arbeitsgericht die Klage zu Recht mangels Anspruchsgrundlage abgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 25. Januar 2013 (Bl. 188/ 189 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

2. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht einen Zahlungsanspruch auf Urlaubsabgeltung für fünf Tage Resturlaub nebst Zinsen hieraus zugesprochen. Der Anspruch folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

a) Dem Kläger stand unstreitig ein Urlaubsanspruch von 12 Tagen zu, von denen er ebenfalls unstreitig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2011 jedenfalls fünf Tage noch nicht genommen hatte. Ob der Kläger den Urlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich hätte nehmen können, ist unerheblich. Der Urlaubsanspruch verwandelt sich gem. § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch in einen Abgeltungsanspruch, ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedürfte (BAG 19.08.2003 - 9 AZR 619/02 - NZA 2004, 1352). Es ist insofern nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber etwa mit der Urlaubsgewährung in Verzug geraten ist oder zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen vorliegen, die § 7 Abs. 3 BUrlG für eine Urlaubsübertragung auf das nächste Kalenderjahr regelt. Will der Arbeitgeber die Umwandlung verhindern, muss er den Urlaubsanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllen, in dem er erklärt, zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub zu erteilen, sofern Urlaubswünsche des Arbeitnehmers iSe. „Inanspruchnahme“ nicht erfolgt sind. Hieran ändert sich auch nichts aufgrund § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags. Eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende individualrechtliche Regelung ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässig.

b) Der Kläger hat auch weder auf seinen Urlaubsanspruch noch auf seinen Urlaubsabgeltungsanspruch wirksam verzichtet. Insofern kann die von der Beklagten behauptete Äußerung des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter D kurz vor der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses, er schenke ihm die restlichen Urlaubstage, als wahr unterstellt werden. Selbst wenn eine solche Äußerung gefallen wäre, könnte sie nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 BGB aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht dahingehend verstanden werden, dass der Kläger auf die noch offen stehenden Urlaubstage dergestalt verzichten wollte, dass sich diese bei dem unmittelbar bevorstehenden Ende des Arbeitsverhältnisses nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch verwandeln sollten. Eine solche Äußerung wäre vor dem Hintergrund, dass die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch nicht zum Abschluss gebracht worden waren, so dass der Kläger sogar noch einige Tage im Juli 2011 Arbeitsleistungen erbrachte, vielmehr so auszulegen, dass er nicht darauf bestand, diesen Urlaub noch zu nehmen, soweit dies möglich gewesen wäre und darauf hinweisen wollte, dass er den ihm zustehenden Urlaub teilweise nicht angetreten hatte. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, wäre ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG ohnehin unwirksam. Ein nach Aufgabe der Surrogatstheorie durch das Bundesarbeitsgericht (BAG 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - NZA 2012, 1087) wohl zulässiger Verzicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche läge in der von der Beklagten behaupteten Bemerkung des Klägers jedenfalls nicht. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger eine Erklärung hätte abgegeben sollen, die darauf gerichtet gewesen wäre, das Entstehen des Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub zu verhindern. Um der - unterstellten - Erklärung einen derartig ungewöhnlichen Erklärungsinhalt beizumessen, hätte es weiterer Äußerungen oder besonderer Umstände bedurft, die die Beklagte nicht vorgetragen hat.

c) Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist auch nicht gem. § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags verfallen. Dies folgt zwar nicht aus § 167 ZPO, der nur Anwendung findet, wenn es zur Einhaltung einer Frist der Klageerhebung bedarf, was bei einer Ausschlussklausel, die wie hier lediglich die schriftliche Geltendmachung verlangt, nicht der Fall ist. Der Kläger hat aber die Klage unstreitig noch am 30. September 2011 und damit innerhalb der Dreimonatsfrist des § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Beklagten zugefaxt. Dies reicht als schriftliche Geltendmachung iSe. Ausschlussfrist aus, da es sich bei der Geltendmachung eines Anspruchs nicht um eine Willenserklärung handelt, auf die §§ 125, 126 BGB direkt Anwendung fände, sondern um eine geschäftsähnliche Handlung (BAG 11.10.2000 - 5 AZR 313/99 - NZA 2001, 231).

d) Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB.

II.

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

2. Die Berufung hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg. Dem Kläger steht über die ihm im erstinstanzlichen Urteil hinaus zuerkannte Urlaubsabgeltung für fünf Urlaubstage Urlaubsabgeltung für weitere drei Urlaubstage zu. Seine Klage auf die Zahlung eines weiteren Gehalts iHv. 86.900 EUR brutto und auf eine Provision iHv. 11.620 EUR brutto bleibt dagegen ohne Erfolg.

a) Dem Kläger steht über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus Urlaubsabgeltung für weitere drei Urlaubstage an sich in rechnerischer von 2700 EUR brutto Höhe zu [(19. 500 x 3 / 65) x 3] nebst Zinsen zu. Allerdings ist die Kammer wegen § 308 ZPO gehindert, dem Kläger insoweit mehr als 2590, 91 EUR brutto zuzusprechen, da er für die insgesamt geforderte Abgeltung von 8 Urlaubstagen nur 7090,91 EUR brutto eingeklagt hat und ihm erstinstanzlich bereits 4500 EUR brutto zugesprochen wurden, bezüglich derer die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist.

aa) Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nur fünf, sondern noch acht Tage Resturlaub. Insbesondere ist ihm am 26. Mai, 27. Mai und 17. Juni 2011 kein Urlaub gewährt worden. Hiervon muss die Kammer nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast ausgehen. Für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig (vgl. ErfK-Dörner/Gallner § 7 BUrlG Rz. 8). Da er den Urlaubsanspruch durch Freistellungserklärung erfüllt und es sich insoweit um eine Willenserklärung nach § 130 BGB handelt, hat er die Abgabe der Erklärung und ihren Zugang zu beweisen. Der Arbeitgeber kann sich von dieser Verpflichtung nicht dadurch befreien, dass er dem Arbeitnehmer zugesteht, sich zum Zwecke der Urlaubsgewährung selbst freizustellen und im Falle seiner Behauptung, der Arbeitnehmer habe sich an einem bestimmten Tag selbst Urlaub gewährt, dieser gehalten wäre, darzulegen und zu beweisen dass dies nicht zutrifft, sondern er seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, den Urlaubsanspruch zu erfüllen und seine Erfüllung zu dokumentieren. Überträgt er dies dem Arbeitnehmer, ändert sich die Darlegungs- und Beweislast nicht zu dessen Lasten. Die Beklagte trägt zudem selbst vor, dass in ihrem Betrieb ein Verfahren zur Beantragung und Gewährung von Urlaub bestand und der Kläger für die fraglichen Tage keinen Urlaub beantragt hat.

Etwas anders ergibt sich vorliegend nicht aus der vom Kläger übergebenen Urlaubsliste. Sein Vortrag, es habe sich insofern nur um eine grobe Planung gehandelt und nicht um genommenen Urlaub, wird durch das Datum der Liste - 3. Januar 2011 - gestützt. Zu diesem Zeitpunkt kam eine bereits erfolgte Erfüllung von Urlaubsansprüchen im Mai und Juni 2011 naturgemäß nicht in Betracht. Es sind auch nicht etwa durch die Beklagte Urlaubstage in dieser Liste abgezeichnet oder in anderer Form genehmigt worden. Selbst wenn man aber mit dem Arbeitsgericht davon ausgeht, durch die Übergabe der Liste habe sich die Darlegungslast dergestalt verkehrt, dass nunmehr der Kläger darlegen müsse, an den streitigen und in dieser Liste als Urlaubtage geführten Tagen gearbeitet zu haben, ergibt sich nichts anders. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz dargelegt, dass, was und wo er am 26. Mai, 27. Mai und 17. Juni 2011 gearbeitet hat. Zumindest daraufhin wäre die Beklagte gehalten gewesen, Beweis dafür anzubieten, dass die Behauptungen des Klägers unzutreffend sind. Sie hat jedoch keinen Beweis angeboten und die Darlegung des Klägers lediglich mit Nichtwissen bestritten.

Hinsichtlich der Umwandlung des Resturlaubs in einen Urlaubsabgeltungsanspruch und die Fragen des Verzichts und des Verfalls des Urlaubsabgeltungsanspruchs wird auf die entsprechend geltenden Ausführungen unter I. 2. b) und c) verwiesen.

bb) Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB.

b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend den auf die Zahlung von 86.900 EUR brutto gerichteten Teil der Klage abgewiesen. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz bedingt keine abweichende Beurteilung.

aa) Gem. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrags des Klägers vom 8. Dezember 2010 haben die Parteien als Vergütung für die Tätigkeit des Klägers ein monatliches Bruttogehalt von 19. 500 EUR vereinbart, mit dem nach § 3 Abs. 2 alle Sonderzahlungen abgegolten sein sollten. Es sollte sich nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vereinbarung nicht um eine Abschlagszahlung auf ein höheres Gehalt handeln. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags um eine AGB handelt und ob die Klausel wirksam ist. Schriftliche Verträge tragen in sich ohnehin nicht nur die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit, sondern geben regelmäßig auch das Ergebnis der zwischen den Parteien geführten Verhandlung wieder (LAG Niedersachsen 26.2.2007 - 9 Sa 1560/06 - Juris; LAG Baden-Württemberg 4.7.2002 - 21 Sa 117/01 - Juris). Der Inhalt von Vertragsverhandlungen vor Abschluss eines Arbeitsvertrages ist grds. rechtlich unerheblich (vgl. auch LAG Niedersachsen 26.2.2007 - 9 Sa 1560/06 - a.a.O.). Es spricht eine Vermutung dafür, dass das in Vorverhandlungen zunächst mündlich Vereinbarte später im Sinne des Urkundsinhalts geändert wurde. Derjenige, der eine nicht in der Urkunde enthaltene Abrede behauptet, muss diese - bezogen auf den Zeitpunkt der Urkundserrichtung - beweisen (LAG Baden-Württemberg 4.7.2002 - 21 Sa 117/01 - Juris).

bb) Der Kläger hat bereits nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass vor der Unterzeichnung des von ihm durch Ausfüllung eines von der Beklagten überlassenen Formulars entworfenen Arbeitsvertrags vereinbart war, dass er den Betrag als Vergütung erhalten sollte, der sich nach Abschluss des Projekts aus 350 000 EUR brutto abzüglich tatsächlich aufgebrachter Personalkosten ergeben würde. Erst Recht ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, dass eine entsprechende Vereinbarung trotz der klaren Formulierung im Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt von dessen Abschluss noch bestanden haben soll. Eine Parteivernehmung zum Inhalt der geführten Verhandlungen kam mithin nicht in Betracht.

 (1) Die vom Kläger geltend gemachte Abrede haben die Parteien nicht in der Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 getroffen. Dies ergibt die Auslegung der Ziff. 6 der Vereinbarung. Deren Wortlaut nach sollte „die Vergütung“ 350 000 EUR brutto für den Gesamtzeitraum betragen und hierin sollte die Vergütung des Klägers und die der anderen von ihm zu rekrutierenden Teammitglieder enthalten sein. Es ist also nicht die Rede davon, dass an den Kläger 350 000 EUR brutto Vergütung zu zahlen sein sollten, von denen nur die Vergütung der Teammitglieder in Abzug zu bringen wäre, sondern der Betrag sollte die Vergütung aller Mitarbeiter, auch die des Klägers „enthalten“. Ihrem Wortlaut nach kann die Vereinbarung damit nur so verstanden werden, dass es sich entweder um das zur Verfügung stehende Budget für die Vergütung aller Teammitglieder handeln sollte - so wie die Beklagte die Vereinbarung versteht - oder, dass verbindlich eine Teamvergütung von insgesamt 350 000 EUR brutto vereinbart sein sollte. Dies führte aber dazu, dass - unterstellt die Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 hätte neben dem Arbeitsvertrag des Klägers bestehen sollen - nicht dieser allein die Differenz zwischen der Gesamtvergütung von 350 000 EUR brutto und den in den Arbeitsverträgen aller Teammitglieder vereinbarten Gehältern hätte erhalten sollen, sondern der “Überschuss“ unter den Teammitgliedern hätte aufgeteilt werden müssen. Zwar konnten die Parteien wirksam keine Vereinbarungen (auch) zu Lasten Dritter treffen, hiergegen verstößt die Vereinbarung jedoch auch in Ziff. 4 und 5. Diese Lesart deckt sich im Übrigen mit dem Vortrag des Klägers auf Bl. 2 seines Schriftsatzes vom 14. März 2012 (Bl. 51 d.A.) wonach es im Hinblick auf den Abschluss der Arbeitsverträge darum gegangen sei „Abschlagszahlungen für den Kläger und die von ihm engagierten Mitarbeiter sicherzustellen“ und die Beklagte ihn gebeten habe, die Arbeitsverträge vorzulegen, damit diese Abschlagszahlungen erfolgen könnten. Den gleichen Vortrag hält der Kläger auf Seite 3 der Berufungsbegründung (Bl. 116 d.A,) und auf Seite 4 der Berufungsbegründung (Bl. 117 d.A.).

 (2) Der Kläger hat auch nicht substantiiert und widerspruchsfrei vorgetragen, dass er anlässlich des von ihm mit den Geschäftsführern der Beklagten geführten Gesprächs am Hauptbahnhof C am 25. Oktober 2010 mit diesen vereinbart hätte, dass er unabhängig von einer späteren Regelung im Arbeitsvertrag insgesamt eine Vergütung von 350 000 EUR abzüglich der Gehälter für die anderen Projektmitarbeiter erhalten sollte. Er trägt in der Berufungsbegründung zunächst vor, man sei sich hinsichtlich dessen einig gewesen, was in der schriftlichen Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 niedergelegt war. Dieser ist die vom Kläger geltend gemachte Abrede wie dargelegt aber gerade nicht zu entnehmen. Sodann trägt er vor, es habe Klarheit bestanden, dass sich die Summe von 350 000 EUR brutto gar nicht aufgrund des Abschlusses der Arbeitsverträge reduzieren sollte. Dies würde bedeuten, dass er zusätzlich zu seinem später im Arbeitsvertrag zu vereinbarenden Gehalt ungekürzte 350 000 EUR brutto erhalten sollte, was er letztlich selbst nicht geltend macht. Sodann trägt er vor, er habe wörtlich gesagt:“ Es werden Arbeitsverträge gemacht, trotzdem kommt es zur Gesamtzahlung iHv 350 000 EUR brutto abzüglich der Gehälter an mich“ was seitens der Beklagten bestätigt worden sei. Dies stützte zwar den von ihm erhobenen Anspruch, steht aber in Widerspruch zu der am gleichen Tag unterzeichneten Vereinbarung und zu seinem vorherigen Vortrag sowie zu seiner auch danach wiederholten Behauptung, es habe Einigkeit bestanden, dass auch an die anderen Mitarbeiter aufgrund der Arbeitsverträge nur Abschlagszahlungen geleistet werden sollten.

 (3) Selbst wenn aber - abweichend von der schriftlichen Vereinbarung vom selben Tag - am Hauptbahnhof C mündlich vereinbart worden wäre, dass der Kläger 350 000 EUR brutto abzüglich der Gehälter der anderen Projektmitarbeiter erhalten sollte und ein Arbeitsvertrag für ihn geschlossenen werden sollte, der nur Abschlagszahlungen hierauf enthielt, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Vereinbarung noch am 8. Dezember 2010 bestand, also zur Zeit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags, der gerade keine Abschlagszahlung vorsieht und der von ihm selbst ausgefüllt und vorgelegt wurde. Dies gilt zumal, als sich das Angebotshonorar aufgrund Nachverhandlungen der Firma A zwischenzeitlich um 60 000 EUR reduziert hatte und damit eine gemeinsame Annahme der Parteien, die der Vereinbarung vom 22./25. Oktober 2010 zu Grunde lag, entfallen war.

Eine derartige Fortgeltung ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, bei Übergabe der Arbeitsverträge an die anderen Mitarbeiter seien diese von dem Geschäftsführer G und dem Mitarbeiter D ausdrücklich auf die Existenz und Geltung der Vereinbarung aus dem Oktober hingewiesen worden. Wenn allein der Kläger den Differenzbetrag zwischen 350 000 EUR und den ausgezahlten Gehältern erhalten sollte, ergäbe ein Hinweis an diese im Gegenteil gar keinen Sinn - eine entsprechende Vereinbarung wirkte sich für sie nämlich überhaupt nicht aus. Aber auch der Vortrag des Klägers, es sei nach Reduktion des Angebots von der Beklagten thematisiert worden, man könne sich den Minderverdienst von 60 000 EUR doch teilen, stellt keine hinreichende Hilfstatsache für die vom Kläger behauptete Vereinbarung und deren Fortbestand dar. Dies kann ebenso dahingehend zu verstehen sein, wie es nach dem Vortrag der Beklagten gemeint war, dass nämlich das Personalbudget reduziert werden sollte, das ihm zur Erstellung der Arbeitsverträge und Festlegung der Gehälter zur Verfügung stand.

Schließlich bildet der vom Kläger behauptete Verlauf des Gesprächs im F am 23. August 2011 kein ausreichendes Indiz dafür, dass die Parteien sich zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrags einig waren, dass der Kläger über die 19. 500 EUR brutto hinaus eine Vergütung erhalten sollte. Auch insoweit kann der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt und angenommen werden, dass D auf das Zahlungsbegehren des Klägers geäußert hat, dass ja zumindest noch die Hälfte des von der Firma I an die Firma A gewährten Nachlasses abgezogen werden müsse und ob man sich die 60 000, die man von der Firma A weniger erhalte, nicht teilen wolle. Der Kläger selbst trägt vor, dass das Gespräch jedenfalls auch dazu dienen sollte, über die von ihm erhobenen Ansprüche zu reden. Insoweit wäre die Äußerung das ja „zumindest“ die Forderung des Klägers um 30 000 EUR reduziert werden müsse, bestenfalls als Vergleichsvorschlag auszulegen, nicht jedoch dahingehend, dass eine neben dem Arbeitsvertrag bestehende Vergütungsvereinbarung, wie der Kläger sie behauptet, zugestanden würde.

c) Einen Anspruch auf die Zahlung einer Provision iHv. von 11. 620 EUR brutto hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Sein Vortrag ist widersprüchlich und genügt nicht den Anforderungen des § 138 Abs. 1 ZPO. Der Kläger trägt einerseits vor, ihm sei der eingeklagte Betrag als Vermittlungsprovision für die Vermittlung der jetzt in der Berufungsinstanz namentlich benannten Mitarbeiter J und K versprochen worden. Andererseits hat er in beiden Instanzen behauptet, es handele sich um eine Art Gewinnprovision, die ihm im Hinblick auf die Position „Kesselhaus“ versprochen worden sei. Zu dieser Position fehlt allerdings jeder weitere Vortrag - selbst ein entsprechender Auftrag der Firm A ist nicht dargelegt und ergibt sich insbesondere nicht aus der E-Mail vom 25. November 2010, die sich nur auf die Position 3 des Angebots bezieht. Dazu behauptet der Kläger einerseits, noch bevor das Angebot an die Firma A abgeschickt worden sei, sei diese an ihn zu zahlende Summe basierend auf der von ihm erstellten Kalkulation zwischen Frau E und ihm abgesprochen worden. Im Schriftsatz vom 9. Januar 2013 (Bl. 186 d.A.) trägt er dagegen vor, aus der von ihm gefertigten Abschlusskalkulation ergebe sich nach Abzug der Kosten und eines Gewinns der Beklagten iHv. 12.000 EUR ein Betrag von 11.629,00 EUR, der an ihn auszukehren sei. Unabhängig davon, dass der Vortrag des Klägers, wofür die eingeklagte Summe gezahlt werden sollte und woraus sich der genannten Betrag ergeben soll, widersprüchlich ist, ist ihm auch nicht zu entnehmen, wann und wo eine entsprechende Vereinbarung mit der Geschäftsführerin E getroffen worden sein soll.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision ist durch keinen der gesetzlich vorgesehenen Gründe veranlasst, § 72 Abs. 2 ArbGG.



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