Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 13 Sa 1108/12

Verfrühte Kündigung in Insolvenz - Verfrühter Bezug von ALG I als Schaden

Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 113 Satz 3 InsO, wonach Schadensersatz wegen der verfrühten Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz verlangt werden kann, ist auf die Höhe des Verdienstaufalls begrenzt.
Irgendwelche weiteren Nachteile, die der Arbeitnehmer erleidet, gerade weil wegen der Insolvenz gekündigt wurde, sind nicht ersetzbar.
Daher kann der Arbeitnehmer auch keinen Ersatz für sozialrechtliche Nachteile verlangen, insbesondere nicht wegen des früher beginnenden -und damit auch früher endenden- Bezugs von Arbeitslosengeld I.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Juni 2012 - 1 Ca 1331/11 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des Klägers eine weitere Forderung von 202,84 € brutto zur Insolvenztabelle festzustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 96 %, der Beklagte 4 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Feststellung von Vergütungsforderungen des Klägers zur Insolvenztabelle.

Der am 17. Mai 1950 geborene verheiratete Kläger war seit dem 01. Januar 1983 bei der A in B beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 6085,32 € zuzüglich 608,53 € brutto als jährlichem Urlaubsgeld.

Über das Vermögen der A wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 01. Juli 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (AZ.: 10 IN 298/10).

Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 (Bl. 11-12 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der insolvenzrechtlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten zum 31. Oktober 2010. Die „reguläre“ Kündigungsfrist des Klägers hätte bei 7 Monaten gelegen und das Arbeitsverhältnis erst zum 28. Februar 2011 enden lassen.

Mit der Kündigung wurde der Kläger auch freigestellt mit der Formulierung:

 „Sie werden ab sofort unter Anrechnung gegebenenfalls noch vorhandenen Urlaubs und Überstunden von der Arbeit freigestellt.“

Mit Schreiben vom 04. August 2010 (Bl. 13-16 d. A.) meldete die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu seinen Gunsten eine Forderung in Höhe von 28.029,84 € als „Verfrühungschaden“ zur Insolvenztabelle an, zusammengesetzt aus der Bruttovergütung für 4 Monate, Urlaubsvergütung und Urlaubsgeld. Der Beklagte bestritt diese Forderung unter dem 31. August 2010 vorläufig. Am 26. Juli 2011 wurde die Forderung in Höhe von 18.076,62 € nachträglich zu Insolvenztabelle festgestellt; das ist im Wesentlichen die Bruttovergütung für die Monate November 2010 bis Februar 2011 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes.

Der Kläger bezog in der Zeit seit Beginn der Arbeitslosigkeit von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 67,01 Euro; dies entspricht einem monatlichen Betrag in Höhe von 2010,30 Euro, befristet bis maximal 31. Juli 2012. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Ablichtung des Bewilligungsbescheides vom 11. November 2010 (Blatt 23-24 d.A.) verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, der ihm nach der Insolvenzordnung zustehende Schadenersatzanspruch umfasse die komplette Vergütung des Klägers für die vier fraglichen Monate. Das erhaltene Arbeitslosengeld dürfe hierauf nicht angerechnet werden, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld vier Monate früher in Anspruch genommen werden musste und damit auch vier Monate früher ende. Es sei wegen seines Alters nicht zu erwarten, dass er noch einen anderen Arbeitsplatz erhalten könne. Insgesamt belaufe sich dieser Teil des Schadens daher auf 24.341,28 Euro (6085,32 x 4 Monate).

Ferner hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass in dem Zeitraum, den der Verfrühungsschaden umfasst (hier: 01. November 2010 bis 28. Februar 2011), ein Urlaubsanspruch von 10 Tagen entstanden sei. Da der Kläger diesen nicht in Natur habe antreten können, wandele er sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 280,86 Euro pro Tag um (6085,32 x 3 Monate dividiert durch 65 Arbeitstage). Mithin ergebe sich hieraus ein weiterer Schaden von 2808,60 Euro.

Schließlich müsse auch das Urlaubsgeld in Höhe von 10 % eines Gehalts berücksichtigt werden. Für vier Monate errechne sich daraus ein Betrag in Höhe von 202,84 Euro brutto.

Der Urlaubsanspruch sei auch nicht durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Freistellung verbraucht. Zwar sei eine Freistellung durch den Arbeitgeber während der Kündigungsfrist unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche zulässig. Allerdings habe hier die arbeitgeberseitige Erklärung nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs von Urlaub erfolgen und in welchem Umfang dies geschehen sollte.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, zugunsten des Klägers eine weitere Forderung in Höhe von 3011,44 EUR brutto zur Insolvenztabelle festzustellen,

den Beklagten zu verurteilen, für jeden Tag, den der Kläger ab dem 31. Juli 2012 noch arbeitslos ist 67,01 EUR, maximal monatlich 2010,30 EUR zur Insolvenztabelle festzustellen, begrenzt bis 30. November 2012;

hilfsweise

festzustellen, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, zugunsten des Klägers für jeden Tag, den der Kläger ab dem 31. Juli 2012 noch arbeitslos ist, weitere EUR 67,01 maximal monatlich EUR 2010,30 zur Insolvenztabelle festzustellen, begrenzt bis 30. November 2012;

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass der Verfrühungsschaden auch das vom Kläger in dem Zeitraum vom 01. November 2010 bis 28. Februar 2011 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 8041,20 EUR umfasst.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe im Hinblick auf die zum 31. Oktober 2010 erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses und seine sofortige Freistellung keinen Urlaubsanspruch mehr habe erwerben können, der abgegolten werden müsse. Entsprechendes gelte für das Urlaubsgeld. Im Kündigungsschreiben sei die Freistellung des Klägers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche eindeutig erklärt worden.

Der Antrag zu Ziffer 2 sowie der Hilfsantrag seien unbegründet, da die Arbeitslosengeldzahlungen an den Kläger den Schaden entsprechend verringert hätten.

Mit Urteil vom 19. Juni 2012 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, der Urlaub des Klägers sei durch Freistellung gemäß der Freistellungserklärung aus dem Kündigungsschreiben verbraucht. Der Urlaubsgeldanspruch sei nach Grund und Höhe nicht nachvollziehbar. Das Arbeitslosengeld für die vier Monate, die das Arbeitsverhältnis durch die verkürzte Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren früher ende, sei als Verfrühungsschaden nicht zur Insolvenztabelle feststellbar. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 54-60 d. A.).

Gegen dieses dem Kläger am 30. Juli 2012 zugestellte Urteil hat dieser mit einem beim erkennenden Gericht am 17. August 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27. September 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ihm stehe noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 2808,60 € brutto für die vier Monate zu, die sein Arbeitsverhältnis durch die kurze insolvenzrechtliche Kündigungsfrist früher endete. Die Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub sei nicht eindeutig und für die vier Monate der abgekürzten Kündigungsfrist erfolgt, insbesondere nicht für den Urlaubsteil, der auf das Kalenderjahr 2011 entfallen ist. Das anteilige zusätzliche Urlaubsgeld für die fragliche vier Monate betrage ausgehend von einem - unstreitigen - jährlichen Urlaubsgeldanspruch von 608,53 € brutto noch 202,84 € brutto.

Das Arbeitslosengeld für vier Monate sei ebenfalls als Verfrühungsschaden zu Insolvenztabelle festzustellen, da sein Arbeitslosengeldanspruch ohne die kurze insolvenzrechtliche Kündigungsfrist vier Monate länger gelaufen wäre. Der Arbeitslosengeldanspruch des Klägers habe am 30. Juli 2012 geendet. Bis heute sei er arbeitslos.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Juni 2012 - AZ.: 1 Ca 1331/11 - abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, zugunsten des Klägers eine weitere Forderung in Höhe von 3011,44 € brutto zur Insolvenztabelle festzustellen,

2. den Beklagten zu verurteilen, für jeden Tag, den der Kläger ab dem 1. Juli 2012 noch arbeitslos ist, 67,01 €, maximal monatlich 2010,30 € zur Insolvenztabelle festzustellen, begrenzt bis 30. November 2012;

hilfsweise

festzustellen, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, zugunsten des Klägers für jeden Tag, den der Kläger ab dem 31. Juli 2012 noch arbeitslos ist, weitere 67,01 € maximal monatlich 1.694,10 € zur Insolvenztabelle festzustellen, begrenzt bis 30. November 2011;

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass der Verfrühungsschaden auch das vom Kläger in dem Zeitraum 1. November 2010 bis 28. Februar 2011 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 8041,20 € umfasst

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit ergänzenden rechtlichen Erwägungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 22. Januar 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Die Berufung ist jedoch im Wesentlichen unbegründet.

Der Kläger hat nur Anspruch auf Feststellung weiterer 2. 2,84 € brutto zur Insolvenztabelle, im Übrigen sind das Haupt- und die Hilfsbegehren unbegründet. Ein weiterer Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 113 Satz 3 InsO.

Kündigt der Insolvenzverwalter ein Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen Frist von 3 Monaten, obwohl ohne Insolvenz eine längere Kündigungsfrist maßgeblich gewesen wäre, so kann der Arbeitnehmer wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatz als Insolvenzgläubiger verlangen (sogenannter Verfrühungsschaden, § 113 Satz 3 InsO).

Hier bestand zwischen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers, der Insolvenzschuldnerin, und dem Kläger zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits seit dem 1. Januar 1983 und damit seit mehr als 20 Jahren ein Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 Ziffer 7 BGB sieben Monate betrug. Die Arbeitgeberin des Klägers hätte das Arbeitsverhältnis also frühestens zum 28. Februar 2011 kündigen können.

Mit der Wahrnehmung der dreimonatigen Kündigungsfrist des § 113 InsO durch den Beklagten endete das Arbeitsverhältnis vier Monate früher am 31. Oktober 2010.

Den sich daraus für den Kläger ergebenden Verfrühungsschaden hat der Beklagte im Wesentlichen als Forderung zur Insolvenztabelle anerkannt.

Der Kläger kann darüber hinaus keine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2808,60 € brutto festgestellt verlangen.

Der Kläger hat diesen Urlaub verbraucht durch seine mehr als 2½-monatige Freistellung nach Erhalt der Kündigung. Die entsprechende Formulierung im Kündigungsschreiben ist eindeutig. Der Kläger wurde „ab sofort unter Anrechnung gegebenenfalls noch vorhandenen Urlaubs... von der Arbeit freigestellt“. Deutlicher kann man das nicht ausdrücken. Auch dem Kläger musste klar sein, dass durch diese Freistellung sein wie auch immer zu berechnender Urlaub (mehrfach) verbraucht wird. Über die Berechtigung des Beklagten zur Freistellung des Klägers bis zum Ende der Kündigungsfrist kann nicht ernsthaft gestritten werden.

Anders ist dies für den zusätzlichen Urlaubsgeldanspruch für die vier „entgangenen“ Monate der Kündigungsfrist. Dieser Anspruch ist durch den Verbrauch des Urlaubs „in natura“ nicht (mit-) verbraucht, wie der Beklagte anscheinend meint. Der entgangene Urlaubsgeldanspruch für vier Monate ist ein adäquat kausaler Schaden, der durch die verkürzte Kündigungsfrist in der Insolvenz entstanden ist. Ohne die Verkürzung der Kündigungsfrist hätte der Kläger mit seinem zusätzlichen - und verbrauchten - Urlaub für vier Monaten auch Anspruch auf das anteilige Urlaubsgeld gehabt. Der Kläger hat dieses Urlaubsgeld in Höhe von 202,84 € brutto jedenfalls im zweiten Rechtszug auch der Höhe nach schlüssig dargetan. Der Beklagte hat insoweit auch keine Einwände erhoben. Deshalb ist dieser Betrag noch zusätzlich zur Insolvenztabelle festzustellen. Der Kläger hat insoweit einen Schadensersatzanspruch gemäß § 113 Satz 3 InsO, der im Übrigen nach allgemeiner Ansicht verschuldensunabhängig ist (BAG vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 772/06 -, AP Nr. 24 zu § 113 InsO; Dörner/Künzel/Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 113 InsO Randziffer 12).

Keinen Anspruch hat der Kläger auf die Feststellung von Arbeitslosengeldleistungen für weitere vier Monate zur Insolvenztabelle.

Gegenstand des Ersatzanspruchs aus § 113 Satz 3 InsO ist die Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeitspanne, um die sich das Arbeitsverhältnis in Folge der vorzeitigen Kündigung durch den Insolvenzverwalter verkürzt hat (BAG vom 16. Mai 2007, a. a. O., Hessisches LAG vom 01. September 2008 - 17 Sa 341/08 -, zitiert nach juris; Löwisch/Caspers in MüKo-InsO, 2. Auflage 2008, § 113 Randziffer 32).

Auf diesen Schadensersatzanspruch hat sich der Arbeitnehmer im Wege der Vorteilsausgleichung das anrechnen zu lassen, was er in einem neuen Arbeitsverhältnis oder in anderer Weise durch seine freigewordene Arbeitskraft erwirbt oder aber (Rechtsgedanke der §§ 615 Satz 2; 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu erwerben böswillig unterlässt. Anrechnen lassen muss sich der Arbeitnehmer auch ersatzweise bezogene Sozialleistungen, insbesondere Arbeitslosengeld (BAG vom 16. Mai 2007, a. a. O.; Plössner in Beckscher Online-Kommentar InsO, Stand 01. September 2012, § 113 Randziffer 54; Löwisch/Caspers, a. a. O. und Randziffer 83).

Daran hat sich der Beklagte gehalten mit der Anerkennung der in den vier fraglichen Monaten angefallenen Bruttogehälter zur Insolvenztabelle ohne Berücksichtigung von Arbeitslosengeld.

Einen weitergehenden Schadensersatzanspruch hat der Kläger nicht. Nach Sinn und Zweck des § 113 Satz 3 InsO ist der Schaden auf die Höhe des Verdienstaufalls begrenzt, der in den Monaten November 2010 bis Februar 2011 angefallen ist. Es geht um den Ersatz des Schadens allein wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG vom 16. Mai 2007, a. a. O.; Hessisches LAG vom 01. September 2008 a. a. O.; KR-Weigand, 10. Auflage 2013, §§ 113, 120 -124 InsO, Randziffern 88 und 93). Keinen Schadensersatzanspruch hat der Arbeitnehmer wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes an sich. Irgendwelche weiteren Nachteile, die der Arbeitnehmer erleidet, gerade weil wegen der Insolvenz gekündigt wurde, sind nach dem Sinn und Zweck des § 113 Satz InsO nicht ersetzbar (Löwisch/Caspers a. a. O., Randziffer 31), etwa durch veränderte Chancen am Arbeitsmarkt, fehlgeschlagene Vergütungserwartungen, verpasste Beförderungschancen, verpasstes Entstehen betrieblicher Rentenanwartschaften oder ähnliches. Eine Aufweitung des Schadensersatzanspruchs auf jene denkbaren Schäden wäre für den Insolvenzverwalter unwägbar. Das Insolvenzverfahren wäre mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Deshalb fällt auch der vom Kläger geltend gemachte „mittelbare“ Schaden aus dem Schutzzweck der Norm. Der Schaden durch den vier Monate früher endenden Bezugszeitraum für ALG I verwirklicht sich nicht nur zeitlich außerhalb der hier fraglichen Vier-Monats-Frist, er entsteht auch gerade nicht durch die insolvenzrechtliche Verkürzung der Kündigungsfrist, sondern durch die sozialrechtlich bedingte begrenzte Bezugsdauer für das ALG I. Damit ist der dem Kläger so entstandene Nachteil nicht mehr adäquat kausal auf das Handeln des Insolvenzverwalters zurückzuführen, sondern auf die Wirkung rechtlicher Regelungen, auf die der Insolvenzverwalter keinen Einfluss hat. Dies würde z. B. auch gelten für mögliche Nachteile in der steuerlichen Veranlagung oder bei der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits nach Maßgabe ihres jeweiligen Unterliegens zu tragen (§ 92 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG ist nicht ersichtlich.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen