Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Urteil vom - Az: 5 Sa 219/14

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Überschreitung einer Minusstundengrenze

1. Ist in einer Dienstvereinbarung zu Gleitzeit nebst Kernarbeitszeit vereinbart, dass maximal 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen und überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze der Minusstunden wiederholt um ein Vielfaches, kann dies die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der aktuelle Vorwurf (nur) im fehlenden Abbau des schon bestehenden unzulässigen Negativsaldos besteht, nachdem das frühere Aufbauen des negativen Saldos bereits abgemahnt wurde, und wenn objektiv nach dem Arbeitszeitmodell beim Arbeitgeber unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes unproblematisch die Möglichkeit bestand, den entstandenen unzulässigen Negativsaldo abzubauen.

2. Sieht die Dienstvereinbarung einen frühestmöglichen Dienstbeginn und ein spätmöglichstes Dienstende vor, was auch in Wechselwirkung zur Schaltung der Alarmanlage und zur Arbeitszeit des Hausmeisters steht, der das Gebäude verschließt, so kann sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, man habe ihm eine Arbeit außerhalb dieser möglichen Dienstzeiten verweigert. Auch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister rechtfertigt nicht dieses Begehren.

3. Der Arbeitnehmer kann sich in dieser Situation auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber - wie oftmals in der Vergangenheit - doch eine Verrechnung des Negativsaldos mit Entgeltansprüchen oder Urlaubsansprüchen hätte vornehmen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber frühere Verrechnung mit einer Abmahnung oder sonstigen rügenden Äußerungen wegen des zugrundeliegenden Arbeitszeitverstoßes verbunden hatte.
(Leitsätze)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund zum Aktenzeichen 3 Ca 806/13 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.

Die bei Klageeingang 55-jährige Klägerin ist seit dem 01.03.1994 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Zuletzt war sie als Sachbearbeiterin in der Bauverwaltung mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe E 10 TVöD in Höhe von 4.800,00 € brutto monatlich eingesetzt.

Neben ihrem Arbeitsverhältnis bei der Stadt war die Klägerin in den letzten Jahren auch ehrenamtliche Bürgermeisterin ihrer von der beklagten Stadt zu unterscheidenden Heimatgemeinde.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Es besteht ein Personalrat.

Bei der Beklagten existiert eine Dienstvereinbarung über die Durchführung der gleitenden Arbeitszeit für die Beschäftigten. Hiernach umfasst die Kernarbeitszeit den Zeitraum von 08:30 Uhr bis 15:00 Uhr, dienstags bis 18:00 Uhr und freitags bis 12:00 Uhr. Die Gleitzeit ist festgesetzt auf folgenden Zeitraum: Arbeitsbeginn zwischen 06:30 Uhr und 08:30 Uhr, Arbeitsende zwischen 15:00 Uhr und 17:00 Uhr, dienstags bis 18:30 Uhr und freitags zwischen 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr. Für vollbeschäftigte Mitarbeiter/innen (40 Std. wöchentlich) ist die tägliche Sollarbeitszeit wie folgt festgelegt: Mo-Mi-Do 8 Stunden, Dienstag 10,5 Stunden, Freitag 5,5. Nach Ziffer 6.3 der Dienstvereinbarung sollen Arbeitszeitguthaben und Arbeitszeitschulden innerhalb des Kalendermonats ausgeglichen werden. Arbeitszeitguthaben bis zu 10 Stunden können in den nächsten Kalendermonat übernommen werden. Arbeitszeitschulden werden in voller Höhe übernommen. Dabei ist ebenso von 10 Minusstunden auszugehen (vgl. Blatt. 73 ff d. A. zur Dienstvereinbarung). Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer wird durch ein aushängendes Zeiterfassungsgerät in Verbindung mit individuellen Zeiterfassungskarten ermittelt und elektronisch verarbeitet. Alle Mitarbeiter können am Zeiterfassungsgerät u. a. durch Drücken der Taste F1 ihren aktuellen Zeitkontostand abrufen. Die näheren Umgangsregeln nebst einer gewissen Anleitung der Zeiterfassung sind in der Anlage 2 zur Dienstvereinbarung dargestellt (vgl. Blatt 77 f d. A.). Die Dienstvereinbarung ist der Klägerin bekannt.

Ab dem Jahr 2008 wies das Mitarbeiterjournal der Klägerin wiederholt über mehrere Monatswechsel und längere Zeiträume hinweg einen Gesamtsaldo des Arbeitszeitkontos von mehr als 10 Minusstunden aus. Bis einschließlich 2012 wurden sodann mehrfach von der Klägerin angesammelte Minusstunden ( - nachdem der Klägerin trotz Aufforderung ein Ausgleich des Arbeitszeitkontos nicht gelang - ) nachträglich einvernehmlich entweder mit Urlaubstagen oder durch Lohnabzug verrechnet.

Hierzu sind ergänzend folgende konkrete Einzelumstände vorgetragen worden:

Erstmals am 11.09.2008 erging an die Klägerin die Aufforderung, ihr Arbeitszeitkonto bis Ende 2008 auszugleichen und die Dienstvereinbarung einzuhalten.

Mit Schreiben vom 06.08.2009 übergab die Stadt die letzten 3 monatlichen Mitarbeiterjournale und wies erneut auf die Dienstvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit und insbesondere die Grenze von 10 Minusstunden hin. Die Klägerin solle ihren Gesamtsaldo bis Monatsende entsprechend ausgleichen (Blatt 55 d. A.).

Mit Schreiben vom 22.10.2009 wurde das aktuelle Monatsjournal übergeben und wiederholt beanstandet, dass das Arbeitszeitkonto der Klägerin mehr als 10 Minusstunden (hier 44,27 Minusstunden) aufwies. Weiter wurde mitgeteilt, dass mangels Ausgleichs 34 Minusstunden von der Gehaltsabrechnung im Oktober abgezogen werden. Die Klägerin solle jedoch künftig die Dienstvereinbarung einhalten (Blatt 57 d. A.).

Mit Schreiben vom 07.01.2010 wurde die Klägerin erneut zur Einhaltung der Arbeitszeit aufgefordert. Ihr wurde mitgeteilt, dass am 15.12.2009 ein Gesamtsaldo von 19,50 Minusstunden festgestellt wurde und 9,50 Minusstunden mit der Gehaltsabrechnung Dezember 2009 abgezogen wurden. Sie wurde nochmals darauf hingewiesen, dass eine korrekte Einhaltung der Dienstvereinbarung erwartet wird. Ferner erfolgte der Hinweis, dass bei Nichteinhaltung der Regelungen der Dienstvereinbarung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden müsse (Blatt 60 f d. A.).

Mit Schreiben vom 02.02.2012 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung (Blatt 21 f d. A.). Dies betraf zunächst die Nichteinhaltung der Kernarbeitszeit, da die Klägerin an 2 Tagen zu spät erschienen war. Zum weiteren bemängelte die Beklagte die Einhaltung der wöchentlichen Arbeitszeit. Sie verwies darauf, dass schon im Dezember 2011 der Klägerin 30 Minusstunden vom Gehalt abgezogen wurden, um einen Ausgleich vorzunehmen. Nunmehr waren bis zum 31.01.2012 erneut 12,31 Minusstunden aufgelaufen. Die Klägerin solle künftig die Arbeitszeiten einhalten. Weiter drohte die Beklagte Konsequenzen bis zu einer Kündigung an.

Im August 2013 erteilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27.08.2013 eine weitere Abmahnung, die nunmehr vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten erstellt worden war. Hier nahm die Beklagte zunächst auf die vergangenen Verfehlungen und Hinweise Bezug. Sodann wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie in den Januar 2013 10,40 Minusstunden, in den Februar 2013 15,21 Minusstunden, in den März 2013 22,30 Minusstunden, in den April 2013 21,42 Minusstunden, in den Mai 2013 17,22 Minusstunden, in den Juni 2013 26,03 Minusstunden, in den Juli 2013 30,48 Minusstunden jeweils übertragen hatte und per 15.08.2013 bereits 40,49 Minusstunden angesammelt hatte (Blatt 24 d. A.). Die Stadt sei nicht bereit, das Verhalten hinzunehmen. Für den Fall einer weiteren Pflichtverletzung wurde eine Kündigung angedroht. Zwar es in der Abmahnung nicht angesprochen, da nur der 15.08.2013 benannt war; jedoch betrug der Übertrag in den August 2013 32,11 Minusstunden.

Im November 2013 stellte die Beklagte sodann fest, dass die Klägerin 33,10 Minusstunden in den November übertragen hatte. Zum Zeitpunkt der Feststellung waren 34,04 Minusstunden aufgelaufen.

Unter dem 14.11.2013 hörte die Beklagte den Personalrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 30.06.2014 an. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 34 f d. A. verwiesen. Mit Schreiben vom 18.11.2013 teilte der Personalrat mit, dass er dieser Maßnahme zustimme (Blatt 36 d. A.).

Mit Schreiben vom 20.11.2013, der Klägerin am 26.11.2013 zugegangen, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß aus verhaltensbedingten Gründen zum 30.06.2014.

Im Laufe des Prozesses ergänzte die Beklagte, dass auch nach der Kündigung keine Besserung eingetreten sei, da die Klägerin 36,04 Minusstunden in den Dezember 2013 und 35,39 Minusstunden in den Januar 2014 übertragen hatte. Stichprobenartig waren es am 11.02.2014 47,49 Minusstunden am 20.02.2014 42,03 Minusstunden und im Mai 2014 43,29 Minusstunden.

Mit ihrer Klage vom 17.12.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Stralsund am selbigen Tage, wandte sich die Klägerin gegen diese Kündigung.

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 02.07.2014 ab. Das Urteil wurde der Klägerin 21.08.2014 zugestellt. Die Klägerin legte hiergegen am 22.09.2014 (einem Montag) Berufung ein und begründete diese am 17.10.2014.

Die Klägerin ist weiterhin der Meinung, dass die Kündigung unwirksam sei.

Ein Vorwurf könne ihr nicht gemacht werden. Die Fehlstunden könne sich die Klägerin nicht erklären. Sie habe keinen Überblick über ihr Arbeitszeitkonto. Der Klägerin persönlich sei es nicht möglich, ihren Zeitkontostand abzurufen. Sie könne mit den Zahlen am Zeiterfassungsgerät nichts anfangen. Stundennachweise lägen ihr nicht vor. Sie habe mehrfach einen Ausdruck verlangt, aber nicht erhalten. Der Vortrag der Beklagten zu den Jahren 2008 bis 2012 gehe an der Sache vorbei, weil die Minusstunden bereits durch Urlaub oder Lohnabzug verrechnet wurden. Erstmals 2013 sei die Beklagte mit diesem Vorgehen nicht einverstanden gewesen. Es sei unklar, weshalb. Bis 2013 habe Einvernehmen bestanden, eine Verrechnung mit Urlaub und Lohn vorzunehmen. Auch in 2013 habe die Klägerin nicht erhebliche Minusstunden gehabt. 10,4 Minusstunden kamen aus dem Vorjahr und seien vorab abzuziehen. Sodann seien die erlaubten 10 Minusstunden am Ende ebenfalls abzuziehen. Damit habe sie nur 12,11 Minusstunden vorschriftswidrig aufgebaut.

Die Klägerin habe sich auch nicht geweigert, sich an die Dienstvereinbarung zu halten. Es sei ihr jedoch nicht möglich gewesen. Die Klägerin habe aufgrund des Arbeitsanfalles zwar eigentlich Überstunden in 2013 leisten können. Das Leisten von Überstunden nach 17 Uhr sei ihr jedoch verweigert worden. Allenfalls habe man ihr einen Beginn ab 6 Uhr erlaubt. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass sie ehrenamtliche Bürgermeisterin ist und deshalb nicht ihre Arbeit vor 8:30 Uhr beginnen könne. Die Klägerin wolle keine Sonderbehandlung; aber warum könne sie nicht abweichend von der Regel nach 17 Uhr arbeiten?

Die Entwicklung zeige doch auch, dass die Klägerin äußerst bemüht gewesen sei, die Minusstunden abzubauen. So habe eine zwischenzeitliche Verringerung bis zum Mai 2013 erreichen können. Aufgrund wichtiger Geschäfte in den Sommermonaten habe sie dann leider wieder Minusstunden aufbauen müssen. In der Kürze der Zeit von der letzten Abmahnung bis zur Kündigung sei es ihr dann nicht mehr gelungen, die Minusstunden abzubauen.

Die Klägerin behauptet auch, sie habe eine Herabsetzung der Arbeitszeit beantragt, was abgelehnt worden sei.

Sie habe nach vorgenannten Ablehnungen auch keine Weisung erhalten, wie mit den angelaufenen Überstunden umzugehen sei.

Die Abmahnung vom 02.02.2012 habe sich durch Zeitablauf erledigt. Auch sei sie hinfällig, weil hinsichtlich der Minusstunden nachträglich eine Verrechnung vereinbart wurde.

Die Kündigung sei auch nicht verhältnismäßig, da das Arbeitsverhältnis zuvor jahrzehntelang störungsfrei verlaufen sei. Statt einer Kündigung hätte die Beklagte mit der Klägerin eine vernünftige Regelung treffen können. Die Beklagte hätte der Klägerin auch eine Weisung zum Abbau der Minusstunden erteilen müssen. Sie hätte auch wieder eine Verrechnung vornehmen können. Da die Klägerin sich stets etwa 30 bis 40 Stunden im Minus befunden hatte, hiervon 10 Stunden erlaubt waren, betrage die Störung im Arbeitsverhältnis nur 3 Arbeitstage.

Die Vorwürfe seien auch durch die Abmahnung vom 27.08.2013 verbraucht.

Die Personalratsanhörung sei unwirksam, da sie wortgleich mit dem Vortrag im Klageerwiderungsschriftsatz der Beklagten vom 21.01.2014 sei. Die Anhörung zur Kündigung könne jedoch nicht mit der späteren Begründung der Kündigung identisch sein. Die Beklagte habe auch verschwiegen, dass bis 2012 einvernehmliche Regelungen getroffen worden seien.

Es sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht die Entwicklung nach der Kündigung unberücksichtigt gelassen hatte und weshalb der Abbau von Minusstunden nach der Kündigung unerheblich sei. So hatte die Klägerin doch nach ihrer Berechnung von Dezember 2013 bis Januar 2014 0,25 Minusstunden abgebaut. Der Zeitausdruck nach der Kündigung vom 20.02.14 sei zudem verfälscht, da er aus der Mittagszeit stammte, jedoch für diesen Tag dann schon ein Soll von 8 Stunden des Gesamttages eingebucht wurde. Jedenfalls habe sie dann doch vom 11.02. bis 20.02.14 ebenfalls Stunden abgebaut, wenn danach auch wieder aufgebaut.

Die Klägerin beantragt:

1. auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 02.07.14 zum Az. 3 Ca 806/13 abgeändert:

a) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.11.2013 zum 30.06.2014 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht.

b) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Sachbearbeiterin in der Bauverwaltung zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Kündigung sei als verhaltensbedingte Kündigung wirksam. Die Klägerin weigere sich seit Jahren beharrlich, die Vorgaben zur Arbeitszeit einzuhalten. Auch die Klägerin könne wie jeder andere durch Druck auf F1 taggenau einen Überblick über Ihr Zeitkonto erlangen. Die Klägerin hätte auf Anfrage auch einen Ausdruck des Journals erhalten können. Im Übrigen hätten die Minusstunden auch aufgrund der Vielzahl an Gesprächen bekannt sein müssen. Eine zwischenzeitlich vorgenommene Verrechnung mit Urlaub oder Lohn führe nicht zu einem Einverständnis mit dem Verhalten der Klägerin. Auch vor 2013 sei die Beklagte nie mit dem Verhalten der Klägerin einverstanden gewesen. Dies ergäbe sich schon aus den Schreiben der Beklagten. Es sei auch keine weitere Weisung an die Klägerin notwendig gewesen, da die Dienstvereinbarung bekannt war. Der Klägerin sei es nie verwehrt worden, nach 17 Uhr zu arbeiten. Die Beklagte verweist aber darauf, dass das Arbeiten außerhalb 6 bis 17 unstreitig problematisch ist, da das Arbeitszeitgesetz einzuhalten ist, die Arbeitszeit des Hausmeisters zu beachten ist, welcher das Rathaus abschließt, und auch die Funktionsweise der Sicherheitssysteme zu beachten sind, die außerhalb der Öffnungszeit angeschaltet sind. Die Klägerin hätte unstreitig aber jedenfalls immer dann nach 17 Uhr arbeiten können, wenn einer der Ausschüsse tagt, da an diesen Tagen jemand bis 21:30 Uhr da ist. Terminskollisionen zwischen der Tätigkeit als ehrenamtliche Bürgermeisterin und ihrer Arbeit gäbe es nicht. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit sei nicht beantragt worden. Eine solche Anfrage habe es allein 2009 einmalig gegeben, wobei dann seinerzeit unstreitig für einige Monate die Arbeitszeit gesenkt wurde. Für die Beklagte sei auch nicht erkennbar gewesen, dass sich die Klägerin bemüht habe, ihre Minusstunden abzubauen. Die Beklagte sieht eher das Gegenteil, auch unter Verweis auf die Entwicklung nach der Kündigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angefochtene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die angegriffene Kündigung vom 20.11.2013 mit Ablauf des 30.06.2014 beendet, da sich die Kündigung insgesamt als wirksam darstellt.

1.

Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG, dessen Anwendbarkeit unstreitig ist, sozial gerechtfertigt, da sie durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt ist.

a)

Die Klägerin hat in erheblichem Maße arbeitsvertragliche Pflichten in Zusammenhang mit der Arbeitszeit verletzt.

Zunächst war die Klägerin arbeitsvertraglich zu einer Arbeitsleistung von 40 Stunden je Woche verpflichtet. Diese nicht nur Nebenpflicht sondern Hauptleistungspflicht hat sie wiederholt verletzt. Sie hat die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 40 Wochenstunden wiederholt nicht erfüllt, obwohl die Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen nachgekommen ist. Dabei ist auch zu beachten, dass es aufgrund der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung der Klägerin selbst in gewissen Freiräumen überlassen war, die Erfüllung ihrer Arbeitsverpflichtung in quantitativer Hinsicht zu steuern. So sieht die Dienstvereinbarung unter anderem vor, dass maximal nur 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen, was insoweit schon ein gewisses Entgegenkommen der Arbeitgeberin darstellt.

Nach den unstreitigen Darstellungen hatte sich die Klägerin nicht an die für sie bindend geltende Dienstvereinbarung gehalten und damit gleichzeitig auch ihre Hauptleistungspflicht in quantitativer Hinsicht nicht erfüllt. Eine derartige Pflichtverletzung hat sich auch nach Ausspruch der letzten Abmahnung vom August 2013 ereignet, da insoweit zu beachten sind, dass bereits abgemahnte Vorfälle nicht mehr den Grund einer verhaltensbedingten Kündigung darstellen können. Hier hatte die Klägerin nach Ablauf des Monats Oktober 2013 33,10 Minusstunden in den Monat November 2013 übertragen. Damit hat sie in erheblichem Maße gegen die Dienstvereinbarung verstoßen, die nur eine Übertragung von 10 Stunden zulässt. Das zulässige Maß wurde somit um 230 % überschritten. Gleichzeitig hat die Klägerin damit nicht nur gegen eine Vorschrift der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit verstoßen, sondern auch deutlich ihre Hauptleistungspflicht zur Arbeitsleistung untererfüllt.

Selbst bis zum Kündigungsausspruch hatte sich ihr Arbeitszeitkonto nicht verbessert, so dass prognostisch von einem kurzfristigen Ausgleich des Arbeitszeitkontos hätte ausgegangen werden können. Vielmehr hatte sich der Stand auf 34,04 Minusstunden erhöht.

Dabei besteht der Vorwurf nicht - wie die Klägerin in ihrer Verteidigung teilweise wohl anzunehmen scheint - darin, dass sie seit der letzten Abmahnung aus dem August 2013 weitere Minusstunden angehäuft habe (,was sie in der Tat nicht nennenswert hat). Die Pflichtverletzung liegt hier schon in dem Umstand, dass die Klägerin es unterlassen hat, den pflichtwidrigen Zustand von mehr als 10 Minusstunden, welcher ihr schon in der Abmahnung im August 2013 vorgeworfen wurde, abzuändern, so dass auch nach der Abmahnung pflichtwidrig mehr als 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen wurden, obwohl der Arbeitgeber zur vollen Gehaltszahlung (grundsätzlich) verpflichtet ist. Bereits in den August 2013 hatte die Klägerin unzulässigerweise 32,11 Minusstunden übertragen. In den Monaten zuvor waren die Minusstundenüberträge seit Mai 2013 stetig angestiegen. An dieser im August 2013 durch Abmahnung gerügten Situation hat sich nachfolgend bis zur Kündigung nichts positiv geändert.

Dabei hätte die Klägerin objektiv hinreichend Gelegenheit gehabt, ihren Minusstand abzubauen. Im Schnitt konnte doch von 6:30 Uhr bis 17:00 Uhr gearbeitet werden. Dies sind 10,5 Stunden. Nach Abzug von 45 min Pause verbleibt eine mögliche Nettoarbeitszeit von 9:45 Stunden. Damit hätte die Klägerin im Schnitt täglich 1:45 Stunden abbauen können. Unstreitig war ihr sogar eingeräumt worden, um 6:00 Uhr zu beginnen, so dass sie noch eine halbe Stunde mehr hätte schaffen können. Die weiteren Möglichkeiten am langen Dienstag oder an Tagen einer Ausschusssitzung seien einmal ausgeblendet. Der Klägerin wäre vielleicht noch nicht einmal kündigungsrelevant vorzuwerfen, nicht die zur Verfügung stehenden maximalen Möglichkeiten ausgenutzt zu haben. Im Kern hat die Klägerin bei ehrlicher Betrachtung seit der Abmahnung jedoch schlicht nichts zur Verbesserung der Situation unternommen. Zwischen der Abmahnung und der Kündung liegen etwa 3 Monate. In der Zwischenzeit lagen auch drei Wechsel von einem Monat auf den Nächsten. Es wäre nachvollziehbar, dass die Klägerin das Arbeitszeitkonto nicht bis zum Wechsel vom August auf den September ausgleichen kann. Aber wenn die Klägerin täglich nur 1 Stunde länger geblieben wäre, so hätte sie in nur einem einzigen Durchschnittsmonat schon 21,66 Stunden abgebaut und wäre der Grenze von 10 Minusstunden sehr nahe gekommen. In den 3 Monaten bis zur Kündigung hätte die Klägerin weit mehr erreichen können. Wäre die Klägerin alternativ täglich nur eine halbe Stunde länger geblieben, so hätte sie in 3 Monaten über 30 Stunden abbauen können. Es ist ersichtlich, dass mit nur sehr geringem Aufwand in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Dienstvereinbarung ein Verlassen der Pflichtwidrigkeit hätte erreicht werden können. Bei der Klägerin war jedoch nicht einmal eine spürbare Bewegung in diese Richtung erkennbar. Die Abmahnung aus dem August 2013 ist offenbar im Nichts verhallt.

Die Behauptung der Klägerin, sie habe keinen Überblick über ihr Arbeitszeitkonto und sie könne ihre Daten am Zeiterfassungsgerät nicht abrufen, ändert nichts an obiger Betrachtung. Das Gericht hält diese völlig pauschale Behauptung für eine offensichtliche Schutzbehauptung. Die Klägerin kann dem Gericht nicht unsubstantiiert weismachen, allein ihrer Person sei es nicht möglich, mit ihrem Finger die Taste F1 zu drücken, um danach den im Display angezeigten Stand des Arbeitszeitkontos abzulesen. Die Klägerin ist seit Jahren in der Entgeltgruppe 10 in der Bauverwaltung tätig. Da sollte es der Klägerin ohne weiteres möglich sein, vorgenannte Ablesehandlung durchzuführen und den angezeigten Wert des Arbeitszeitkontos gedanklich zu verarbeiten. Selbst wenn die Klägerin dies überraschenderweise nicht könnte, war ihr nach der Dienstvereinbarung die Einhaltung der Wochenarbeitszeit überlassen. Dann hätte sie sich selbst Aufzeichnungen erstellen müssen. Außerdem ergibt sich aus den Abmahnungen und weiteren Schreiben der Beklagten, dass der Klägerin der aktuelle Stand immer wieder mitgeteilt wurde. Insoweit trägt auch nicht die pauschal gebliebene Behauptung, die Klägerin habe einen Ausdruck angefordert, was ihr jedoch verweigert worden sei.

Wenn die Klägerin nun meint, sie könne wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bürgermeisterin nicht vor 8:30 Uhr anfangen, so belässt es die Klägerin auch hier bei dieser völlig pauschalen Behauptung. Hintergründe sind für das Gericht wie auch die Stadt nicht erkennbar. Eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vor 8:30 Uhr kann hieraus nicht abgeleitet werden. Es existiert auch keine allgemein anerkannte Tatsache, dass ehrenamtliche Bürgermeister nicht vor 8:30 Uhr arbeiten können. Zudem ist die Aussage schon durch den konkreten Fall der Klägerin widerlegt. Aus den in der Akte befindlichen Journalen ergeben sich tatsächlich gearbeitete Zeiten vor 8:30 Uhr. Selbst wenn die Klägerin erst um 8:30 Uhr anfangen hätte können, so hätte sie bis 17:00 Uhr jeweils 8 Stunden erbringen können. Dann wäre jedoch nicht ersichtlich, weshalb überhaupt wiederholt Minusstunden aufgelaufen sind. Die Klägerin hat sich auch nicht einfach dauerhaft bei 30 bis 40 Minusstunden befunden. Da es immer wieder zwischenzeitliche Verrechnungen mit Urlaub etc. gab, sind auch immer wieder neu Minusstunden angefallen. Letztlich wäre auch zu beachten, dass etwaige Aufgaben als ehrenamtliche Bürgermeisterin es der Klägerin nicht objektiv unmöglich gemacht haben, ihrer Arbeitsverpflichtung bei der Beklagten nachzukommen. Sie hat sich vielmehr subjektiv freiwillig entschieden, ihre Arbeitspflicht nicht zu erfüllen, egal ob der Auslöser dieser Entscheidung nun tatsächlich entsprechend ihrer pauschalen Behauptung bei ihrem Ehrenamt zu suchen ist. Bei einer tatsächlich bestehenden objektiven Nichtvereinbarkeit beider Aufgaben, hätte sich die Klägerin zudem abschließend für eine Tätigkeit entscheiden müssen. Jedenfalls war sie bei der Beklagten vertraglich zu einer Leistung von 40 Stunden in der Woche verpflichtet, solange dieser Vertrag nicht gekündigt war.

b)

Prognostisch konnte die Beklagte aufgrund der unter a) festgestellten Pflichtverletzung auch für die Zukunft von fortgesetzten Arbeitspflichtverletzungen ausgehen und das Arbeitsverhältnis als hinreichend gestört ansehen.

Denn die Klägerin hat eine hier selten gesehene Beharrlichkeit an gleichartigen Pflichtverstößen schon in der Vergangenheit an den Tag gelegt. Von einer künftigen Verbesserung ihres Verhaltens konnte die Beklagte zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung, auf den nach ständiger Rechtsprechung des BAG allein abzustellen ist, nicht ausgehen.

Bereits seit dem Jahr 2008 hatte die Klägerin wiederholt und fortgesetzt Minusstunden in einem Maß angehäuft und auf Folgemonate übertragen, welches deutlich über das nach der Dienstvereinbarung zulässige Maß hinausging. Dabei ist auch hier darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht einmalig etwa 30 Minusstunden angehäuft hätte und diese dann vor sich hergeschoben hätte. Die vielfältigen Verrechnungen mit Urlaub und Lohn, die offenbar im Prozess nur in Auszügen konkretisiert vorgetragen wurden, zeigen, dass die Klägerin nach einer abbauenden Verrechnung immer wieder neue Minusstunden angesammelt hatte. Auch hatte die Beklagte die Klägerin seit 2008 mehrfach und völlig eindeutig darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Grenze von 10 Minusstunden künftig einhalten solle. Diese Äußerungen waren auch nicht von eher beiläufiger Natur, so dass die Klägerin etwa an der Ernsthaftigkeit hätte zweifeln können. Zudem steigerte die Beklagte ihre Kommunikationsweise von Hinweisen und Aufforderungen bis zu einer ersten arbeitsrechtlichen Abmahnung vom 02.02.2012. Schon hier wurde auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen. Nach fortgesetzten Pflichtverletzungen auch in 2013 folgte sodann eine weitere Abmahnung. Diese ließ die Beklagte nunmehr sogar schon durch ihren Prozessbevollmächtigten schreiben. Allein diese Bevollmächtigung eines Externen nebst notwendiger Vergütung zeigte doch deutlich, wie ernst es der Beklagten ist. Zudem wurde in dieser anwaltlich erstellten Abmahnung noch einmal der Sachverhalt seit 2008 geschildert und detailliert aufgezählt, welche vielen Pflichtverletzungen den Pflichtverletzungen seit Anfang 2013 hinzu kamen. Es wurde dargelegt, dass die Beklagte „nicht bereit“ sei, dieses Verhalten hinzunehmen. Schließlich wurden nicht mehr arbeitsrechtliche Konsequenzen sondern konkret allein die Kündigung angedroht. Aus obigem unstreitigen Tatbestand ergeben sich somit jahrelang gleichartige und wesentliche Pflichtverstöße, bei einem an Deutlichkeit der Missbilligung ansteigendem Verhalten der Beklagten. Setzt die Klägerin ihr Verhalten gerade nach der letzten Abmahnung wieder unverändert fort, so kann auch für die Zukunft eine nur negative Prognose erstellt werden.

Die von der Klägerin gewünschte Berücksichtigung der Entwicklung nach Zugang der Kündigung kann nicht erfolgen. Die Klägerin beachtet nicht, dass nach allgemein bekannter, ständiger und nur logischer Rechtsprechung sich die Wirksamkeit einer Kündigung – egal ob verhaltensbedingt oder aus anderen Gründen – allein nach den Umständen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bemisst. Bei Ausspruch der Kündigung muss dem Arbeitgeber ein hinreichender Kündigungsgrund zur Seite stehen. Spätere Änderung in die eine oder andere Richtung sind nicht relevant. Anderenfalls wäre es für keinen Arbeitgeber abschätzbar, ob er nun kündigen könne oder nicht. Niemand kann in die Zukunft schauen. Zudem wäre die nachfolgende Entwicklung für die Klägerin – gelinde gesagt – nicht von Vorteil.

c)

Soweit die Klägerin nun sogar meint, die Beklagte könne aus der Vergangenheit nichts ableiten, da keine Pflichtverletzungen aufgrund der vorgenommenen Verrechnungen vorlägen oder sich die Pflichtverletzungen jedenfalls nicht mehr auswirken könnten oder aber die Beklagte mit dem Vorgehen der Klägerin einverstanden gewesen sei oder aber die Klägerin bis 2013 nicht mit einem Vorwurf habe rechnen können, tragen auch diese Argumente ganz offensichtlich nicht und sind teils nicht einmal mit dem unstreitigen Sachverhalt in Einklang zu bringen.

Natürlich und unstreitig können, wie bereits oben dargestellt, bereits abgemahnte Pflichtverletzungen nicht mehr als tragender Kündigungsgrund herangezogen werden. Gleichzeitig verlieren Sie aber doch durch die Abmahnung nicht ihre Eigenschaft als Pflichtverletzungen, die bei der Prognose zukünftiger Pflichtverletzungen mit heranzuziehen sind. Anderenfalls wäre im Ergebnis nach klägersicher Ansicht der Ausspruch einer Abmahnung doch tödlich für eine künftige Kündigung. Offensichtlich ist nach ständiger Rechtsprechung und einfacher Logik aber gerade das Gegenteil der Fall: Der Ausspruch einer Abmahnung für ein gleichartiges Fehlverhalten eröffnet bei späterer Wiederholung die negative Prognose und damit die Kündigung. Dazu muss dem Gericht aber die Abmahnung nebst der ihr zugrunde liegenden Pflichtverletzungen vorgetragen werden können. Die Ansicht der Klägerin ist hier absolut unvertretbar.

Die Abmahnung vom 02.02.2012 hat sich auch nicht durch Zeitablauf erledigt. Das Arbeitsgericht hatte bereits richtig dargestellt, dass dies der Fall sein könnte, wenn durch langen Zeitablauf die Warnfunktion verloren gegangen wäre. Davon kann hier aber nicht im Ansatz die Rede sein. Feste Fristen für ein zeitliches Ablaufen einer Abmahnung existieren nicht. Jedoch ist die Abmahnung aus dem Februar 2012 bereits 1,5 Jahre später durch eine erneute Abmahnung aufgefrischt worden. Zudem gab es schon zuvor viele Hinweise auf das vom Arbeitgeber gewünschte Verhalten. Schließlich erfolgte die Kündigung weniger als 2 Jahre nach der ersten Abmahnung. Bei dieser Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abmahnung vom Februar 2012 nicht mehr gewirkt habe. Zudem wäre dies nicht einmal unbedingt von Bedeutung, da es noch im August 2013 eine sehr deutliche Abmahnung gegeben hatte.

Auch zwischenzeitliche Verrechnungen machen eine vergangene Pflichtverletzung nicht ungeschehen. Bei der Verrechnung der Minusstunden mit Urlaub oder Entgelt wird – untechnisch persönlich für die Klägerin gesprochen – der durch die bereits vorliegende Pflichtverletzung bei der Arbeitgeberin eingetretene „Schaden“ offensichtlich nur ausgeglichen. Mit der späteren Forderung nach einem Schadensausgleich billigt der geschädigte Arbeitgeber keinesfalls die zum Schaden führende Pflichtverletzung. Der Schadensausgleich ist nur die notwendige Folge einer Pflichtverletzung. Hat die Klägerin wiederholt in der Vergangenheit erhebliche Minusstunden angesammelt und übertragen, der Arbeitgeber jedoch das volle Entgelt geleistet, so ist ein Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung eingetreten. Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfang und der Arbeitgeber im Gegenzug zu einer Zahlung in bestimmter Höhe. Hat der Arbeitnehmer nicht voll geleistet, der Arbeitgeber jedoch voll gezahlt, so besteht ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers. Diesen Zahlungsanspruch könnte er nun gesondert geltend machen oder aber u.U. eine Verrechnung vornehmen. Allerdings ist eine Verrechnung mit Urlaub ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers gar nicht möglich und eine Verrechnung mit künftigen Entgeltforderungen auch nur unter Beachtung gewisser Grenzen erlaubt. Das Einvernehmen, von dem die Klägerin hier spricht, bezog sich damit offensichtlich nur auf den gewählten Verrechnungsweg. Das Einvernehmen, wie der „Schaden“ ausgeglichen wird, ändert doch aber nichts an dem Umstand, dass die Klägerin im Arbeitsvertrag zu 40 Stunden je Woche verpflichtet ist. Eine andere Sichtweise geht völlig an der Realität vorbei. Denn die Beklagte hatte die Klägerin immer wieder, auch vor 2013, bis hin zur Abmahnung deutlich darauf hingewiesen, dass sie sich an die Arbeitszeitregelungen halten solle. Teilweise erfolgte die Mitteilung der Verrechnung sogar in demselben Schreiben, in dem eine künftige Einhaltung der Pflichten verlangt wurde. Dem Gericht ist unverständlich, wie die Klägerin dies anders sehen kann und meinen kann, sie sei von einem plötzlichen Sinneswandel der Beklagten überrascht worden.

d)

Im Rahmen der notwendigen Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen, war die Kündigungsentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.

Zwar war die Klägerin schon durchaus lange bei der Beklagten seit 1994 beschäftigt. Besondere Störungen im Arbeitsverhältnis vor 2008 sind auch nicht vorgetragen worden. Allerdings ist zugunsten der Beklagten zu beachten, dass die Klägerin von 2008 bis 2013 fortgesetzt gleichartige Pflichtverletzungen gezeigt hatte. Diese betrafen auch nicht nur eine unbedeutende Nebenpflicht, sondern gerade die vertraglich vereinbarte Hauptleistungspflicht. Die Pflichtverletzungen waren auch hier nicht nur marginal. Die Klägerin hatte jeweils deutlich um ein Vielfaches die vereinbarte Grenze (10 Minusstunden am Monatsende) überschritten. Trotz zwischenzeitlicher Verrechnungen trat dies immer wieder ein. Selbst Abmahnungen als milderes Mittel zeigten keinerlei Wirkung. Aufgrund der deutlich ansteigenden Drohwirkung der Beklagten ist es auch nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte mehrere Jahre bis zur Kündigung Zeit ließ. Insoweit ist der Fall von der Konstellation etwa 15 lapidarer Abmahnungen zu unterscheiden, nach denen eine Kündigung dann als überraschend erscheinen mag.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte hätte eine Weisung zum Abbau von Überstunden erteilen müssen. Genau dies ist doch bereits mit all den Abmahnungen und weiteren Schreiben geschehen. Wobei es in diesem Zusammenhang ohnehin als sonderbar erscheint, wenn die Klägerin wohl meinen will, dass ihr eine offensichtliche Pflichtverletzung nicht vorgehalten werden können, wenn man ihr keine Anweisung erteile, dies zu beenden.

Erfolglos bleibt auch der Hinweis auf eine beantragte Arbeitszeitreduzierung. Die Klägerin belässt es hier bei der streitigen pauschalen Behauptung, sie habe einen solchen Antrag gestellt. Sie macht jedoch keine Aussage dazu, konkret wann, wie, gegenüber wem mit welchem konkreten Antragsinhalt. Auch fehlt ein Beweisantritt.

Ebenso kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie nicht nach 17 Uhr arbeiten durfte. Unstreitig konnte sie es an Tagen der Ausschusssitzung. Zu konkret anderen Anträgen ist substantiiert nichts vorgetragen worden. Allerdings ist auch von besonderer Bedeutung, dass die Beklagte nicht einfach völlig grundlos ein Arbeiten nach 17 Uhr verweigert hat, sofern es denn einen konkreten Antrag gibt. Aus § 106 GewO folgt das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Allein er legt die Arbeitszeit nach betrieblichen Erfordernissen fest. Es ist kein allgemeines Recht des Arbeitnehmers bekannt, wonach es ihm überlassen wäre, seine Arbeitszeit frei selbst festzulegen. Arbeitsvertraglich hat die Klägerin Solches auch nicht vereinbart. Im vorliegenden Fall ist zudem durch die Dienstvereinbarung bindend für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitszeit geregelt worden. Dort ist 17 Uhr als Ende bestimmt. Der Arbeitgeber hat sich somit nur an eine Vereinbarung gehalten, die für alle gilt. Auch ist nachvollziehbar, dass dies aus gutem Grund erfolgte: Arbeitszeit des Hausmeisters, Abschließen des Gebäudes, Einschalten der Sicherungsanlage, Gleichbehandlung.

Die Klägerin kann auch nicht verlangen, dass wieder eine Verrechnung vorgenommen werde. Denn dies würde nichts an der Pflichtverletzung ändern. Die Klägerin ist zur Ableistung von 40 Stunden in der Woche verpflichtet. Damit kalkuliert die Beklagte. Soll die Beklagte über Rechtsverletzungen hinwegschauen, nur weil es die Möglichkeit des nachträglichen Ausgleichs gibt? Mit dieser Überlegung der Klägerin könnte man dann nahezu jede Rechtsverletzung im Staat sanktionslos stellen, weil nahezu immer eine Art Schadensausgleich möglich ist.

2.

Das Arbeitsgericht hat auch richtig erkannt, dass die Kündigung nicht an einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung scheitert. Auf die Ausführungen hierzu im Urteil kann verwiesen werden.

Soweit Klägerin nunmehr eine Unwirksamkeit auch daraus ableiten möchte, dass die Darstellung der Kündigungsgründe in der Klageerwiderung mit der Darstellung der Sachverhalts in der Personalratsanhörung übereinstimmt, stellt sich das Gericht die Frage, wie auf dieses Argument reagiert werden soll. Um es schlicht zu sagen: Natürlich muss die Anhörung des Personalrates gerade zu den Gründen erfolgen, die später bei Gericht vorgetragen werden sollen. Der Arbeitgeber, der später eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen möchte, kann doch nicht den Personalrat zu einer betriebsbedingten Kündigung anhören.

3.

Die Kündigungsschutzklage war danach abzuweisen.

Aus diesem Unterliegen folgt automatisch das Unterliegen beim Weiterbeschäftigungsantrag.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.



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