Landesarbeitsgericht Sachsen

Beschluss vom - Az: 4 Ta 170/12 (9)

Vollstreckung eines "wohlwollenden Zeugnisses"

Wird in einem Prozessvergleich vereinbart, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein "wohlwollendes Zeugnis" zu erteilen hat, so liegt darin eine rein deklaratorische Aussage - das heißt, es wird keine über das Gesetz hinaus gehende Pflicht begründet. Der Arbeitgeber genügt daher seiner Zeugniserteilungspflicht, wenn er dem Arbeitnehmer ein Zeugnis erteilt, das den Anforderungen des §109 GewO entspricht (z.B. wahrheitsgemäßer Inhalt).
Hingegen ist er nicht verpflichtet einen bestimmten -vom Arbeitnehmer vorformulierten- Wortlaut zu verwenden.
Diese Pflicht bestünde nur dann, wenn der konkrete Wortlaut bereits im Vergleich vereinbart wurde.

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers/Klägers/Gläubigers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.05.2012 - 9 Ca 2927/11 - wird auf Kosten des Klägers/Gläubigers zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 462,50 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Gläubiger) wendet sich gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig, mit dem sein Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln gegen die Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) zurückgewiesen worden ist.

Im Rahmen eines zuvor vor dem Arbeitsgericht Leipzig geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 08.09.2011 einen gerichtlichen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 31.08.2011 u. a. auf folgende Regelung zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnisses enthält:

 „5. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das seiner weiteren beruflichen Entwicklung dienlich ist.“

Die Schuldnerin erteilte dem Gläubiger zunächst ein solches Zeugnis trotz mehrfacher Aufforderung hierzu nicht. Mit dem Antrag vom 18.01.2012 machte der Gläubiger die Erteilung eines von ihm vorformulierten Arbeitszeugnisses geltend. Hierauf reagierte die Schuldnerin mit einem unter dem 02.09.2011 erteilten Zeugnis, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 33 d. A.).

Der Gläubiger ist der Auffassung, dass mit diesem Zeugnis vom 02.09.2011 der Zeugnisanspruch aus Ziff. 5 des Vergleiches nicht erfüllt sei, da die Bewertung der Arbeitsleistungen des Gläubigers in zum Teil schädlicher Weise und böswillig erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2012 hat der Gläubiger/Kläger beantragt, gegen die Schuldnerin/Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten Verpflichtung auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entsprechend dem als Anlage beigefügten Entwurf ein Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft gegen den Geschäftsführer der Beklagten festzusetzen.

Die Beklagte/Schuldnerin hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da sie den Gläubiger ein der Ziff. 5 des Vergleiches entsprechendes qualifiziertes Zeugnis erteilt habe, wie sich aus dem dem Schriftsatz vom 13.02.2012 beigefügten Arbeitszeugnis (Bl. 32 d. A.) ergebe.

Mit Beschluss vom 02.05.2012, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 40/41 d. A.), hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen, da die Schuldnerin dem Gläubiger ein Zeugnis entsprechend dem Vergleich vom 08.09.2011 erteilt habe.

Gegen diesen dem Gläubiger am 07.05.2012 zugestellten Beschluss ließ er mit am 16.05.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde einlegen, da er bislang entgegen dem angefochtenen Beschluss kein dem Vergleich entsprechendes Zeugnis von der Beklagten/Schuldnerin erhalten habe.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, dass der Gläubiger inhaltliche Änderungen des Zeugnisses nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren durchsetzen könne, und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

1. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Schuldnerin ist ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich vom 08.09.2011 nachgekommen. Die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO scheidet damit aus, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat.

Wie das Arbeitsgericht in seinem Beschluss zutreffend ausgeführt hat, hat die Schuldnerin ihre Verpflichtung zur Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses vorliegend erfüllt (§ 362 BGB).

Sie hat dem Gläubiger jedenfalls mit dem am 18.10.2011 ihm übermittelten Zeugnis ein Zeugnis erteilt, das den formalen Vorgaben des § 109 I 3 GewO genügt. Das Zeugnis enthält Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit des Gläubigers bei der Schuldnerin sowie Angaben über Leistung und Verhalten des Gläubigers im Arbeitsverhältnis. Das auf einem Briefbogen der Schuldnerin erstellte Zeugnis ist vom Aussteller unterschrieben, womit die Schriftform gewahrt ist. Der Aussteller ist erkennbar. Das Zeugnis enthält ein Ausstellungsdatum. Bereits das Arbeitsgericht hat in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend darauf verwiesen, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren bestimmte inhaltliche Formulierungen nicht durchsetzbar sind, sondern dass dies ggf. einem neuen Erkenntnisverfahren überlassen ist. Ist ein bestimmter Zeugnisinhalt im Vollstreckungstitel nicht festgelegt, ist im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren lediglich zu prüfen, ob der Schuldner seiner Zeugniserteilungspflicht überhaupt nachgekommen ist, d. h., ob er ein Zeugnis erteilt hat, das nach Form und Inhalt die Merkmale eines qualifizierten Zeugnisses aufweist (LAG Köln 17.06.2010 - 7 Ta 352/09 -; LAG Hessen 17.03.2003 - 16 Ta 82/03 -; Löw, NZA-RR 2008, 561. 564, m. w. N.). Dies ist hier der Fall.

Soweit der Vergleich ein „wohlwollendes“ Zeugnis fordert, gibt er deklaratorisch dasjenige wieder, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist (vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 17 ff., Rn. 27). Daraus ergibt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Formulierung oder einen bestimmten Wortlaut. Vollstreckungsrechtlich hat die Vergleichsformulierung „wohlwollendes Zeugnis“ keine Bedeutung. Der Vergleich ist insoweit mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig (LAG Hessen 02.09.1997 - 16 Ta 378/97 -; LAG Rheinland-Pfalz 25.03.2008 - 8 Ta 39/09 -).

Gleiches gilt für die Formulierung „das seiner weiteren beruflichen Entwicklung dienlich ist“.

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Schuldnerin dem Gläubiger ein Zeugnis erteilt hat, das den formalen Anforderungen genügt, die an ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gemäß § 109 I 3 GewO gestellt werden. Regelmäßig sind im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren auch bestimmte inhaltliche Formulierungen nicht durchsetzbar, da dies einem ggf. neu durchzuführenden Erkenntnisverfahren überlassen bleibt (LAG Köln 17.06.2010 - 7 Ta 352/09 -; LAG Hessen 17.03.2003 - 16 Ta 83/03 -; Löw, NZA-RR 2008, 561, 564 m. w. N.). Davon umfasst sind auch Formulierungen, die deklaratorisch das wiedergeben, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist (vgl. ErfK/Müller-Glöge, 10. Aufl., § 109 GewO Rn. 17 ff., Rn. 27), die regelmäßig mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig sind, wie „wohlwollendes Zeugnis“ (LAG Hessen 02.09.1997 - 16 Ta 378/97 -; LAG Rheinland-Pfalz 25.03.2008 - 8 Ta 39/09 -) oder „dem beruflichen Fortkommen dienlich“.

Die Schuldnerin hat sich in Ziff. 5 des Vergleiches auch keinen bestimmten Vorgaben für das Zeugnis unterworfen, an die sie sich bei der nachfolgenden Zeugniserteilung hätte halten müssen.

Von einer Bewertung der Arbeitsleistungen des Gläubigers in zum Teil schädigender oder böswilliger Weise kann daher keine Rede sein.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Beschwerdewert folgt aus den §§ 3, 765 ZPO i. V. m. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG, wobei das Beschwerdegericht 1/4 Bruttomonatsgehalt des Gläubigers für das Beschwerdeverfahren für angemessen hält (vgl. ständige Rechtsprechung, Beschluss vom 07.07.2009 - 4 Ta 59/09 -).

Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 567 I Nr. 1, 568 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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