Landesarbeitsgericht Thüringen

- Az: 5 Sa 243/22

Voreilige Kündigung durch Arbeitnehmer bleibt bestehen

Die Kündigung eines Arbeitnehmers bleibt auch dann bestehen, wenn dieser sie einseitig zurückgezogen hat und im Anschluss seiner Tätigkeit nachgegangen ist.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten in unterschiedlichen Positionen tätig. Am 7. April 2021 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten schriftlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist. Am 18. April 2021 schickte der Kläger eine E-Mail an die Personalabteilung, in welchem er seine Kündigung zurückzog. In einer weiteren E-Mail kontaktierte der Kläger erneut die Personalabteilung und fragte nach, ob die Geschäftsleitung die Rücknahme seiner Kündigung akzeptiert habe. Auf beide E-Mails erhielt der Kläger keine Reaktion vom Beklagten. In der Folge ging der Kläger seiner Tätigkeit bis zum 19.November 2021 nach. An diesem Tag wurde der Kläger zu einem Gespräch mit der Werksleitung und der Personalabteilung der Beklagten gebeten. Darin wurde ihm erklärt, dass es bei der von ihm ausgesprochenen Kündigung bleibe.
Der Kläger gab seinen Betriebsschlüssel, den Werksausweis und das betriebliche Mobiltelefon heraus und nahm anschließend seinen verbliebenen Resturlaub bis zum 30.11.2021. Vor Gericht begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Kündigung vom 7.04.2021 unwirksam sei und sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestehe – ohne Erfolg.
Das LAG entschied, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis durch den Kläger mit seinem Schreiben vom 7.04.2021 wirksam und fristgemäß zum 30. November 2021 beendet wurde. Da das Arbeitsverhältnis mehr als 20 Jahre bestanden habe, sei gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB eine Kündigungsfrist von sieben Monaten, d.h. bis zum 30.11.2021, einzuhalten gewesen. Eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sei weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart worden. Die Rücknahme der Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung durch den Kläger allein sei nicht möglich. Durch die Weiterbeschäftigung des Klägers erfolgte auch keine konkludente Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr müssen eindeutige Umstände hinzutreten, aus denen objektiv auf den Willen des Arbeitgebers geschlossen werden kann, das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu wollen. Die Beklagte habe den Kläger bis zum Beendigungszeitpunkt beschäftigt und vergütet. Die Beklagte habe sich zu keinem Zeitpunkt zu der Kündigungsfrist geäußert. Hierfür bestand auch kein Anlass, da der Kläger in seiner Kündigung vom 7. April .2021 kein konkretes Beendigungsdatum nannte. Erst im Gespräch am 19.11.2021 wurde dem Kläger unmissverständlich erklärt, dass es bei der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung bleiben sollte und er nach Abgabe der Schlüssel, des Werksausweises und des Telefons das Unternehmen verlassen und den Resturlaub bis zum 30.11.2021 nehmen sollte.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit dem 02.01.1998 bei der Beklagten u. a. als Einrichter und stellvertretender Meister, zuletzt als Schichtmeister beschäftigt. Am 16.07.2018 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag. Danach wurde vereinbart, dass der Kläger mit Wirkung vom 01.07.2018 als Schichtmeister eingesetzt wurde. Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses heißt es in § 16 Ziffer 1:

"Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Das Arbeitsverhältnis kann beidseits mit einer Frist

-3 Monaten zum Quartalsende

gekündigt werden. Ferner wird die Verlängerung der Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB vereinbart, die sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer als vereinbart gelten."

Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen belief sich inkl. zusätzlicher Vergütungsbestandteile zuletzt auf rund 5.500,00 €.

Mit Schreiben vom 07.04.2021 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten. Hierin heißt es: "Hiermit kündige ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich festgelegten Frist meine Anstellung in Ihrem Unternehmen. ..."

Am 18.04.2021 schickte der Kläger eine E-Mail an die Mitarbeiterin der Personalabteilung der Beklagten, Frau.... Darin heißt es:

"Ich ziehe hiermit meine Kündigung vom 07.04.2021 zurück. Ich hatte ein kurzes Gespräch mit Herrn ... und ein längeres mit Herrn .... Wir, die Schichtmeister, werden uns zusammensetzen und diverse Möglichkeiten ausarbeiten um ein leichteres und angenehmeres Arbeiten zu ermöglichen.

Sag mir bitte Bescheid, ob es Okay ist für die Geschäftsleitung und sie die Rücknahme akzeptieren."

In einer weiteren E-Mail an Frau ... vom 21.04.2021 heißt es:

"... Ich habe Dich leider nicht erreicht. Hat sich die Geschäftsleitung mal geäußert zu der Rücknahme der Kündigung? ..."

Auf diese E-Mails erhielt der Kläger keine Antwort. In der Folge ging der Kläger seiner Tätigkeit bis zum 19.11.2021 nach. An diesem Tag wurde der Kläger zu einem Gespräch mit der Werksleitung und der Personalabteilung der Beklagten gebeten. Darin wurde ihm erklärt, dass es bei der von ihm ausgesprochenen Kündigung bleiben sollte. Er gab seinen Betriebsschlüssel, den Werksausweis und das betriebliche Mobiltelefon heraus und nahm anschließend seinen verbliebenen Resturlaub bis zum 30.11.2021.

Nach dem Gespräch am 19.11.2021 trat der Betriebsratsvorsitzende, Herr ..., an den Werksleiter, Herrn ..., heran und erkundigte sich nach den Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung des Klägers. Herr ... verneinte dies und verwies auf die vom Kläger selbst ausgesprochene Kündigung. Der Kläger nahm als Ersatzmitglied des Betriebsrates bei der Beklagten an einer Sitzung des Betriebsrates am 02.12.2021 teil.

Mit seiner am 19.12.2021 beim Arbeitsgericht Suhl eingereichten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht und begehrte die Weiterbeschäftigung als Schichtmeister zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen. Der Kläger trug zur Begründung vor, dass das durch den Kläger unterbreitete Angebot auf Fortbestehen des ursprünglich gekündigten Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nicht ausdrücklich angenommen worden sei, sondern die Beklagte durch die Weiterbeschäftigung über den 30.09.2021 hinaus die Annahme des Kündigungsrücknahmeangebots konkludent zum Ausdruck gebracht habe. Die Regelung des § 16 Ziffer 1 im Arbeitsvertrag, welche die beiderseitige Anwendung des § 622 Abs. 2 BGB vorsehe, sei unwirksam. Die Klausel sei intransparent und würde den Kläger unangemessen benachteiligen.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Klausel in § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2018 wirksam und die Kündigungsfrist somit zum 30.11.2021 abgelaufen sei. Seitens der Beklagten sei keinerlei Verhalten an den Tag gelegt worden, welches der Kläger als konkludente Annahme eines Weiterbeschäftigungsangebotes habe ansehen dürfen.

Mit dem 26.04.2022 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Suhl die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sei durch die Beklagte weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart worden. Die E-Mail des Klägers vom 18.04.2021 sei als Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen auszulegen. Eine Annahme dieses Angebotes sei durch die Beklagte jedoch nicht erfolgt. Die Kündigungsfrist richte sich nach § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2021, wonach im Grundsatz eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vereinbart worden sei, gleichzeitig jedoch die Verlängerung der Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB, die sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer gelten solle. Die Klausel unterliege der Inhaltskontrolle. Eine unangemessene Benachteiligung des Klägers i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liege nicht vor. Der Kläger habe im Rahmen der Vertragsänderung vom 16.07.2018 für die nunmehr verlängerte Kündigungsfrist eine angemessene Kompensation erhalten. Er sei zum Schichtmeister befördert worden. Mit der neuen Position sei er gegenüber weniger Mitarbeitern weisungsgebunden gewesen und habe darüber hinaus ein nicht unbeträchtlich höheres Arbeitsentgelt erhalten. Ferner habe die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, für Stellen mit erhöhtem Anforderungsprofil und Verantwortung im Betrieb eine längere Planungssicherheit zu gewährleisten, da auch die Nachbesetzung eines entsprechend längeren Vorlaufes bedürfe. Die Vereinbarung der Kündigungsfrist in § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2018 sei auch i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB transparent.

Eine konkludente Annahme des Fortsetzungsangebotes ergäbe sich nicht daraus, dass der Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist in seiner bisherigen Funktion als Ersatzmitglied des Betriebsrates zu zwei weiteren Betriebsratssitzungen eingeladen worden sei. Eine Zurechnung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden zu der Beklagten sei nicht ersichtlich. Entsprechend sei auch der Anspruch auf Weiterbeschäftigung unbegründet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 05.05.2022 zugestellte Urteil am 25.05.2022 beim Thüringer Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger nach einer am 05.07.2022 beantragten und bis zum 05.08.2022 verlängerten Begründungsfrist am 03.08.2022 aus, dass das erstinstanzliche Urteil unter erheblichen Rechtsfehlern leiden würde. Er trägt nunmehr vor, dass bereits am 12.04.2021 zwischen ihm und dem neuen Werksleiter, Herrn ..., eine ausdrückliche Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz Kündigung getroffen worden sei. Anlass für das Gespräch sei gewesen, dass Herr ... den Kläger und dessen Erfahrung für das Werk langfristig habe erhalten wollen. Entsprechend habe Herr ... dem Kläger in dem Gespräch nun zugesagt, dass er durch die Einführung von Teamleadern entlastet werde. Er sei damit der Forderung des Klägers nach Entlastung entgegen gekommen, deren bisherige Nichterfüllung zur Kündigung des Klägers am 07.04.2021 geführt habe. Am Ende des Gespräches habe zwischen dem Kläger und Herrn ... Einigkeit bestanden, dass sich durch die zugesagte Entlastung die Kündigung erledigt habe und das Arbeitsverhältnis gemeinsam fortgesetzt werde. Der eigenverantwortlich zu Einstellung und Entlassung von Personal berechtigte neue Werksleiter, sei zu einer entsprechenden Vereinbarung auch befugt gewesen. Die vom Kläger am 18.04.2021 per E-Mail an die Personalabteilung wiederholte Kündigungsrücknahme und Bitte um Bestätigung durch die Geschäftsführung habe vor allem der verwaltungsmäßigen Umsetzung der bisher nur mündlich getroffenen Vereinbarung gedient. Ferner seien dem Kläger nachträglich Zweifel gekommen, ob Herr ... bei seinen Zusagen die Geschäftsführung ausreichend eingebunden gehabt habe.

Unabhängig davon hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass spätestens durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2021 hinaus eine konkludente Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sei. Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Klausel in § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2018 nicht transparent sei. Neben der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende sei der Verweis auf die verlängerte gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB geregelt. Welche Regelung im Kollisionsfall vorgehen sollen, werde nicht erläutert. Zusätzlich verkompliziert werde die Situation durch die Tarifunterwerfungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 16.07.2018. Die sachlich einschlägige Kündigungsfrist des Manteltarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie in Thüringen läge bei sechs Monaten klägerseitig. Da die Beklagte die bisher geltende Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende wiederum prominent in den Text des Arbeitsvertrages vom 16.07.2018 aufgenommen habe, obwohl eine Anwendbarkeit dieser Frist bei einem Vorrang der Fristen des § 622 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ausgeschlossen gewesen sei, sei der vom Arbeitsgericht angenommene Vorrang der Frist des § 622 Abs. 2 BGB rechtsfehlerhaft. Zumindest sei der Kläger bei der Kündigung von der im Vertragstext genannten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende ausgegangen. Angesichts des Vertragstextes hätte dies auch die Beklagte erkennen müssen. Zudem habe der Kläger am 02.12.2021 als Betriebsrat an einer Betriebsratssitzung teilgenommen und sei hierfür von der Beklagten i.H.v. 107,27 € durch Überweisung am 29.12.2021 vergütet worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 26.04.2022, Az. 2 Ca 1207/21, abzuändern und die Beklagte wie folgt zu verurteilen:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Schichtmeister weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Suhl. Der Kläger habe mit Schreiben vom 07.04.2021 wirksam fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Die Kündigungsfrist berechne sich hierbei nach § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2021, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2021 ende.

Zwischen den Parteien habe keine Vereinbarung dahingehend bestanden, dass das Arbeitsverhältnis auch nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30.11.2021 weiter bestehen sollte. In der ersten Instanz habe der Kläger kein solches Gespräch erwähnt. Die Behauptung zu einer angeblichen Zusage vom 12.04.2021 sei falsch. Herr ... habe dem Kläger weder am 12.04.2021 noch zu einem anderen Zeitpunkt zugesagt, dass das Arbeitsverhältnis fortgeführt werde. Er hat an diesem Tag keine Rücknahme der Kündigung durch den Kläger empfangen oder gar angenommen. Zur Abgabe solcher Willenserklärungen wäre er auch überhaupt nicht befugt gewesen. Nach der internen Kompetenzverteilung sei der selbst erst seit März 2021 bei der Beklagten beschäftigte Herr ... weder zum Abschluss von Arbeitsverhältnissen noch zu deren Beendigung befugt gewesen. Diese Kompetenz stehe allein der Geschäftsführung zu. Herr ... würde aufgrund dieser internen Kompetenzverteilung die vom Kläger behauptete und gegen die Kompetenzverteilung verstoßende Erklärung zu einer Fortführung des gekündigten Arbeitsverhältnisses niemals abgeben, schon gar nicht so kurz nach Aufnahme seiner Tätigkeit für die Beklagte. Die Behauptung des Klägers sei vollkommen unglaubwürdig. Dieser habe erstmals mit E-Mail vom 18.04.2021 die Rücknahme der Kündigung erklärt, welche jedoch nicht durch die Beklagte angenommen worden sei. Der Inhalt der E-Mail vom 18.04.2021 spreche gegen die Behauptung des Klägers, dass es bereits am 12.04.2021 eine Einigung bezüglich des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses gegeben haben soll. Wäre dies so gewesen, hätte es der Anfragen des Klägers vom 18.04.2021 und 21.04.2021 nicht mehr bedurft.

Die Klausel in § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2021 verstoße weder gegen das Transparenzgebot noch liege eine unangemessene Benachteiligung des Klägers vor. Die Klausel sei leicht zu verstehen. Es gelte zunächst die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende und sodann die Verlängerung gem. § 622 BGB. Da das Arbeitsverhältnis bereits mehr als 20 Jahre bestehe, gelte die Fristverlängerung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB auf sieben Monate. Eine angebliche Verkomplizierung unter Bezugnahme auf die Tarifunterwerfungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages und den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Thüringen könne nicht nachvollzogen werden. Der Manteltarifvertrag finde auf den Betrieb der Beklagten keine Anwendung. Es würden ausschließlich der Haustarifvertrag vom 19.06.2014 sowie der Anerkennungs- und Sanierungstarifvertrag vom 13.12.2019 gelten, die keinerlei Regelungen zu Kündigungsfristen enthalten würden. Die der Beklagten unbekannte Teilnahme des Klägers an der Betriebsratssitzung sei nicht vergütet worden. Bei dem mit der Dezemberabrechnung 2021 abgerechneten Betrag von 107,27 € handele es sich um eine Korrektur der Stundenabrechnung für November 2021. Der Betriebsratsvorsitzende habe spätestens kurz nach dem 19.11.2021 durch ein Gespräch mit dem Betriebsleiter Kenntnis vom anstehenden Ausscheiden des Klägers gehabt. Der Betriebsratsvorsitzende sei gem. § 30 Abs. 2 S. 1 BetrVG für die Ladung zur Betriebsratssitzungen zuständig. Eine Zurechnung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden zu der Beklagte sei nicht ersichtlich.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten beidseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und nach Maßgabe des § 520 ZPO begründet.

Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mehr besteht. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch den Kläger mit Schreiben vom 07.04.2021 wirksam fristgemäß zum 30.11.2022 beendet.

Eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien wurde weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart. Die Rücknahme der Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung durch den Kläger allein war nicht möglich.

Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die Annahme der Zustimmung zur Rücknahme einer Kündigung im Gespräch am 12.04.2021 zwischen dem Kläger und dem neuen Werksleiter, Herrn ..., wurde von der Beklagten bestritten. Der erstmalige Vortrag in der Berufungsbegründung ist bereits im Hinblick auf die Einlassung des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren mit Schreiben vom 16.03.2022 (Bl. 46 d. A.) widersprüchlich. Dort hat der Kläger vorgetragen, dass das unterbreitete Angebot auf Fortbestehen des ursprünglich gekündigten Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nicht ausdrücklich angenommen wurde. Dies steht im Widerspruch zu der in der Berufungsinstanz behaupteten ausdrücklichen mündlichen Zusage der Werksleiters zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Zudem passt die Behauptung einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung nicht zum Inhalt der E-Mails vom 18.04.2021 und 21.04.2021 an die Personalabteilung. Die Formulierung in der E-Mail vom 18.04.2021 lässt sich nur so verstehen, dass der Kläger erstmals erklärt, dass er seine Kündigung vom 07.04.2021 zurücknimmt und um Bestätigung der Rücknahme bei der Geschäftsleitung bittet.

Für die Kammer ist auch völlig unverständlich, warum sich der Kläger nicht schon in der E-Mail vom 18.04.2017 oder spätestens in der ersten Instanz auf die mündliche Zusage des Werksleiters berief. Die Erklärungsversuche des Klägers zum inkonsistenten Vortrag überzeugen daher nicht.

Zudem ist der Vortrag über eine angebliche ausdrückliche Vereinbarung im Gespräch am 12.04.2021 mit Herrn ... unsubstantiiert. Der Vortrag in der Berufungsbegründung enthält lediglich die Wertung, dass am Ende des Gesprächs vom 12.04.2021 zwischen dem Kläger und Herrn ... Einigkeit bestünde, dass sich durch die zugesagte Entlastung die Kündigung erledigt habe und das Arbeitsverhältnis gemeinsam fortgesetzt werde. Es ist unklar, welche konkrete Äußerungen der Kläger und Herr ... getroffen haben. Auch auf Nachfrage der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung am 17.01.2023 konnte der Klägervertreter keine weiteren konkreten Angaben machen. Ohne überprüfbare Angaben zum Inhalt des Gespräches lassen sich keine Willenserklärungen erkennen, die als Angebot und Annahme eine vertragliche Vereinbarung ergeben. Das hierzu gemachte Beweisangebot zielt auf eine entsprechende Ausforschung.

Darüber hinaus war der Werksleiter nicht bevollmächtigt, eigenverantwortlich Einstellungen oder Entlassungen von Personal vorzunehmen und somit auch nicht zu einer entsprechenden Vereinbarung befugt. Die pauschale Behauptung des Klägers, dass Herr ... eigenverantwortlich zu Einstellung und Entlassung von Personal berechtigt sei, ist unsubstantiiert. Der Kläger müsste vortragen, woraus er die entsprechende Befugnis des Werksleiters schlussfolgert. Grundsätzlich ist ein Werksleiter nicht zur Vertretung der juristischen Person, hier der GmbH, berufen. Dies ist regelmäßig nur die Geschäftsführung. Es ist völlig unklar, aus welchen Gründen der Kläger eine entsprechende andere Kompetenzverteilung angenommen hat oder positiv gewusst haben will, dass der Werksleiter eine entsprechende Vollmacht hatte. Sofern der Werksleiter eine entsprechende Vollmacht vorgegeben hätte, müsste auch dies der Kläger substantiiert vortragen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht erkennbar. Letztlich widersprechen gerade die nachfolgenden E-Mails des Klägers vom 18.04.2021 und 21.04.2021 der Annahme einer Anscheinsvollmacht. Den E-Mails ist zu entnehmen, dass der Kläger davon ausgegangen ist, dass die Geschäftsleitung der Kündigungsrücknahme zustimmen muss. Einer derartigen Zustimmung hätte es nur bei fehlender Vollmacht des Werksleiters bedurft.

Durch die Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.09.2022 hinaus erfolgte auch keine konkludente Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Aus der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus kann nur auf einen Rechtsfolgewillen zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden, wenn Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitgeber von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist ausging und der Arbeitnehmer darauf schließen konnte. Dabei muss vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus dem Verhalten des Arbeitgebers aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Willen geschlossen werden können, das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu wollen.

Dies ist hier nicht der Fall. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2017 ausging und auch nicht ausgehen konnte.

Die Kündigungsfrist richtet sich nach § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2021 und lief nach objektivem Maßstab am 30.11.2021 ab. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Klausel transparent und benachteiligt den Kläger nicht unangemessen. Auf die Gründe im erstinstanzlichen Urteil wird Bezug genommen. Es ist durchaus üblich, auf die Fristen in § 622 Abs. 2 BGB Bezug zu nehmen und die Geltung für beide Parteien zu vereinbaren. Die Beklagte musste daher nicht von einem früheren Beendigungszeitpunkt ausgehen. Dieser Termin drängte sich zu keinem Zeitpunkt auf.

Der Kläger hat keine Indizien vorgetragen, wonach man annehmen konnte, dass die Beklagte von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 30.11.2021 ausgegangen ist und den Kläger gleichwohl darüber hinaus weiter beschäftigen wollte.

Die Beklagte hat den Kläger, ausgehend vom Beendigungszeitpunkt 30.11.2021, bis dahin beschäftigt und vergütet. Sie hat sich zu keinem Zeitpunkt zum Ablauf der Kündigungsfrist geäußert. Hierfür bestand auch kein Anlass, da der Kläger in seiner Kündigung vom 07.04.2017 kein konkretes Beendigungsdatum nannte. Erst im Gespräch am 19.11.2021 wurde dem Kläger unmissverständlich erklärt, dass es bei der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung bleiben sollte und er nach Abgabe der Schlüssel, des Werksausweises und des Telefons das Unternehmen verlassen und den Resturlaub bis zum 30.11.2017 nehmen sollte.

Die Teilnahme des Klägers an der Betriebsratssitzung am 02.12.2021 kann ebenfalls nicht als Indiz gewertet werden, dass die Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, den Kläger weiterbeschäftigen zu wollen. Die Teilnahme an der Sitzung erfolgte ohne Wissen der Beklagten. Unstreitig wandte sich der Betriebsratsvorsitzende, Herr ..., nach dem Gespräch am 19.11.2021 an den Werksleiter, Herrn ..., und erkundigte sich nach Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des Klägers. Dies wurde verneint und auf die vom Kläger selbst ausgesprochene Kündigung Bezug genommen. Der Betriebsratsvorsitzende wusste somit von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2017. Die Teilnahme des Klägers an der Betriebsratssitzung ist der Beklagten daher keinesfalls zuzurechnen. Es erfolgte auch keine Vergütung für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung, wie vom Kläger behauptet. Bei dem abgerechneten Betrag von 107,27 € handelte es sich um eine Korrektur der Stundenabrechnung für November 2021. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.

Der Antrag zu 2. ist unbegründet. Da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis über den 30.11.2021 hinaus besteht, hat der Kläger keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.



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