Arbeitsgericht Darmstadt

Beschluss vom - Az: 3 BV 2/12

Zum Konzernprivileg nach §1 III Nr.2 AÜG; Zustimmungsersetzungsverfahren bezüglich Versetzungen und Einstellungen

(!.) Für die Einschlägigkeit des Konzernprivilegs im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (§1 Abs.3 Nr.2 AÜG) ist die tatsächliche Ausübung einer Leitungsmacht in Deutschland, wie sie das BAG im Rahmen des § 54 BetrVG verlangt, nicht Voraussetzung.
(2.) Das Konzernprivileg gem. §1 Abs.3 Nr.2 AÜG ist einschlägig, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung eingestellt und beschäftigt wird. Diese Formulierung soll klarstellen, dass reine konzernangehörige Verleihunternehmen („Personalführungsgesellschaften“) nicht unter das Konzernprivileg fallen sollen.
(3.) Voraussetzung für die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrates (hier: bezüglich Versetzungen und Einstellungen) ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat im Sinne von § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG ausreichend unterrichtet hat.
Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit resultiert die Pflicht des Betriebsrates, den Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG auf eine etwaige Unzulänglichkeit seiner Information hinzuweisen und entsprechende Nachfragen zu stellen.
(4.) Im Einzelnen sind bei einer ordnungsgemäßen Information bei einer Einstellung der Name, die genauen Personalien, die vorgesehene Eingruppierung, der Zeitpunkt der Maßnahme und alle persönlichen Tatsachen über den Arbeitnehmer und etwaige Bewerber sowie alle Umstände über die fachliche und persönliche Einigung für den vorgesehenen Arbeitsplatz sowie über die betrieblichen Auswirkungen mitzuteilen.

Tenor

1. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Versetzung der Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... wird ersetzt.

2. Es wird festgestellt, dass die vorläufige Versetzung der Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

3. Es wird festgestellt, dass die vorläufige Einstellung der Arbeitnehmer ..., ..., ..., ... und ... aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

4. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung zu verschiedenen personellen Maßnahmen (Versetzungen und Einstellungen) von neun Arbeitnehmern und deren vorläufige Durchführung.

Die Beteiligte zu 1) (Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen der ... mit einem Betrieb in der .... Der Beteiligte zu 2) (Betriebsrat) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Zu der ... gehören neben der Beteiligten zu 1) unter anderem die ... mit einem Betrieb in der ..., sowie die ... mit einem Betrieb in ....

Innerhalb der Unternehmensgruppe waren ursprünglich die Geschäftsbereiche des Beauty Care Sektors (Salon, Mass, Molton Brown und Kanebo) eigenständig organisiert und waren für ihr jeweiliges Geschäft weltweit verantwortlich. Diese Organisationsstruktur hatte zur Folge, dass in Unternehmen der Gruppe teilweise für jeden vertretenen Geschäftsbereich eigenständige Abteilungen für Produktion, Logistik, Einkauf, Planung, etc., vorhanden waren. Im Jahr 2011 wurde beschlossen, die bestehende Struktur des Beauty Care Sektors ab dem 1. Januar 2012 durch Aufhebung der Trennung der einzelnen Geschäftsbereiche neu zu organisieren. Dabei wurde insbesondere eine neue Management Ebene "Supply Chain Management EMEA" geschaffen, die für die Bereiche Produktion, Logistik, Einkauf, Planung, Qualitätsmanagement, Technisches Projektmanagement und MB-SCM aller Produkte und aller Beauty Care Marken zuständig ist, die in Europa, Mittlerem Osten und Afrika (EMEA) produziert werden.

Im Zuge der Umsetzung der neuen Organisation führte die Arbeitgeberin personelle betriebsübergreifende Maßnahmen in tatsächlicher Hinsicht durch, die Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens sind.

Die Herren ..., ..., ... und ... sind bei der Arbeitgeberin angestellt und waren im Betrieb der Arbeitgeberin in der ... in der Abteilung „SCM“ beschäftigt. Herr ... und Herr ... sowie Frau ..., Frau ... und Frau ... sind Mitarbeiter der ... und waren ursprünglich im Betrieb der ... in ... beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19.12.2011 (Bl. 8 bis 25 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Versetzung der Herren ..., ..., ... und Herrn .... Ausweislich des Schreibens sollen die Arbeitnehmer der Abteilung SCM der Arbeitgeberin weiterhin "organisatorisch", „örtlich“ jedoch der Abteilung KG der Kao ... zugeordnet sein, mithin ihren Arbeitsort nicht mehr in der ..., sondern in dem Betrieb der ... in der ... haben. Die Änderung der Arbeitsaufgaben ist in den dem Schreiben angefügten "Rollenprofilen" im Änderungsmodus kenntlich gemacht. Ferner beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zu einer Umsetzung der Herren ... und ... sowie der Frauen ..., ... und .... Insbesondere schrieb die Beteiligte zu 1): „Darüber hinaus möchten wir sie über die ... [...] informieren, die ab dem neuen Jahr bei ... mit zum Teil veränderten Aufgaben zum Einsatz kommen werden. [...]  Die Stellenbeschreibungen der oben genannten ... entnehmen Sie bitte der Anlage.“ Die hinsichtlich der ... angefügten Stellenbeschreibungen sind in englischer Sprache abgefasst. Auf Inhalt und Wortlaut des Schreibens vom 19.12.2012 wird verwiesen.

Die Zeiterfassung für die Mitarbeiter ..., ..., ... und Herrn ... erfolgt weiter im Betrieb der Arbeitgeberin. Auch die Parkplätze und im Kantine im Betrieb der Arbeitgeberin werden weiter von ihnen genutzt.

Mit zwei Schreiben vom 20.12.2011 (Bl. 26 und 27 d. A.) widersprach der Beteiligte zu 2) der Versetzung der Herren ..., ... und ... sowie den "geplanten Umsetzungen" von Herrn ... und Herrn ... sowie der Frauen ..., ... und .... In beiden Schreiben führte der Betriebsrat aus, dass aus seiner Sicht noch kein detaillierter schriftlicher Beweis vorgelegt worden sei, dass es sich bei den beteiligten Gesellschaften um einen Konzern im Sinne des BetrVG handele. Der Betriebsrat gehe weiterhin davon aus, dass die geplanten Versetzungen Arbeitnehmerüberlassungen seien und keine Erlaubnis für diese Maßnahmen vorliege.

Mit Schreiben vom 4.1.2012 (Bl. 28), auf dessen Inhalt und Wortlaut verwiesen wird, informierte die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2), dass sie die personellen Maßnahmen  aus dringenden sachlichen Gründen vorläufig durchführen werde. Wenn die neue Supply Chain Organisation nicht unverzüglich implementiert werde, seien die Warenversorgungen an die Kunden und die Beschaffungsprozesse gefährdet, was zu einem Scheitern der angestrebten Wachstumsziele führe. Insbesondere um Schaden abzuwenden sei die Beteiligte zu 1) gezwungen, die vorgesehenen Änderungen unverzüglich durchzuführen. Darüber hinaus ergänzte die Arbeitgeberin ihre Information über die geplanten personellen Maßnahmen.

Mit Schreiben vom 6.1.2012 (Bl. 47 d. A.), auf dessen Inhalt und Wortlaut verwiesen wird, widersprach der Betriebsrat der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahmen. Die neue Matrixstruktur werde nicht dadurch gestört, dass Mitarbeiter weiterhin in den Betrieben ihrer Arbeitgeber säßen, da dies vielmehr der Regelfall sei. Die Warenversorgung der Kunden sei nicht gefährdet. Ferner führte der Beteiligte zu 2) insbesondere aus, dass die Mitarbeiter der "..." neue Stellen im Sinne des § 93 BetrVG besetzten, eine Ausschreibung jedoch nicht erfolgt sei und eine Unterrichtung des Betriebsrates über Neueinstellungen unterblieben sei. Bereits mit Schreiben vom 3.2.2004 (Bl. 100 d. A.), auf das verwiesen wird, hatte der Betriebsrat die Ausschreibung aller Stellen mit Ausnahme der Besetzung von Arbeitsplätzen, die durch die Übernahme von Auszubildenden der Beteiligten zu 1) und durch Mitarbeiter, die aus der Elternzeit zurückkehren, besetzt werden, verlangt. Ferner hatte der Betriebsrat mit Schreiben vom 1.11.2011 (Bl. 101 d. A.) die Arbeitgeberin aufgefordert, im Zuge des Global Business Harmonization Projektes und den damit geplanten verbundenen Veränderungen sämtliche neu zu besetzenden Stellen intern auszuschreiben.

Mit Antragschrift vom 9. Januar 2012, beim Arbeitsgericht Darmstadt am selben Tag eingegangen, hat die Beteiligte zu 1) das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet und zunächst beantragt, die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Versetzung der Herren ..., ..., ..., ..., ... und ... sowie der Frauen ..., ... und ... zu ersetzen und festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der Maßnahme dringend erforderlich war.

Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, die Zustimmung sei zu ersetzen. Eine ordnungsgemäße Information sei erfolgt, so dass die Frist in Gang gesetzt wurde. Der Betriebsrat und insbesondere dessen Vorsitzender seien der in einem internationalen Konzern alltäglichen englischen Sprache umfassend mächtig. Zustimmungsverweigerungsgründe seien nicht gegeben. Sie und die ... seien Konzernunternehmen, so dass eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht erforderlich sei. Insofern behauptet sie, die japanische Gesellschaft halte 90% der Anteile an der ... sowie 100% der Anteile an ihr und der .... Die japanische Gesellschaft übe ihre Leitungsmacht auch tatsächlich aus. Ferner meint sie, ohnehin liege jedenfalls hinsichtlich der Arbeitnehmer ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... eine Arbeitnehmerüberlassung nicht vor, da diese Arbeitnehmer unmittelbar oder zumindest mittelbar nicht an Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes berichten, sondern vielfach an Arbeitnehmer, die im Ausland bei einer anderen Konzerngesellschaft angestellt seien. Sie behauptet ferner, sämtliche Mitarbeiter hätten einer Änderung der Arbeitsverträge zugestimmt und seien mit der personellen Maßnahme einverstanden. Sofern hinsichtlich der Mitarbeiter ... und ... sowie der Frauen ..., ... und ... zunächst eine Versetzung statt einer Einstellung beantragt wurde, sei dies eine unerhebliche Falschbezeichnung. Sie meint, eine Ausschreibung gemäß § 93 BetrVG sei nicht erforderlich gewesen, da es sich nicht um freie Arbeitsplätze gehandelt habe.

Nach Antragsumstellung beantragt sie zuletzt,

1. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Versetzung der Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... wird ersetzt.

2. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zu der Einstellung der Arbeitnehmer ..., ..., ..., ... und ... wird ersetzt.

3. Festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung der im Antrag zu Ziffer 1) genannten Arbeitnehmer und die Einstellung der im Antrag zu Ziffer 2) genannten Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß informiert worden. Hinsichtlich der Mitarbeiter ..., ..., ..., ..., und ... hätte die Information vollständig in deutscher Sprache erfolgen müssen. Darüber hinaus fehle es bezüglich dieser Mitarbeiter an der Information, dass es sich um eine Einstellung handele sowie an der vorgesehenen Eingruppierung und den Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf das Arbeitsverhältnis und die jeweils betroffenen Mitarbeiter. Darüber hinaus seien sowohl hinsichtlich der Versetzungen als auch hinsichtlich der Einstellungen Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben. Bei der Versetzung der Mitarbeiter ..., ..., ... und ... sowie bei der Einstellung der Mitarbeiter ..., ..., ..., ... und ... handele es sich um unzulässige Arbeitnehmerüberlassung. Das Konzernprivileg sei nicht einschlägig, da kein Konzernverhältnis gegeben sei und eine Erlaubnis zur Überlassung der Arbeitnehmer nicht vorliege. Die Beteiligte zu 1) und die ... bildeten keinen Konzern im aktienrechtlichen Sinne, die behaupteten gesellschaftsrechtlichen Strukturen würden bestritten. Auch übe die ... mit Sitz in ... nicht eine etwaige Herrschaftsmacht tatsächlich aus. Darüber hinaus meint er, das Vorliegen eines Konzerns im aktienrechtlichen Sinne sei für die Einschlägigkeit des Konzernprivilegs im AÜG nicht ausreichend, da das BAG einen anderen Konzernbegriff vertrete. Die Arbeitgeberin könne nicht das Vorliegen des Konzernprivileges geltend machen, wenn sie gleichzeitig - insofern unstreitig - mangels einer deutschen Konzernspitze die Errichtung eines Konzernbetriebsrates ablehne. Außerdem verstoße die Arbeitnehmerüberlassung gegen § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG, da die Umsetzungen - insofern unstreitig - nicht vorübergehend, sondern dauerhaft seien. Letztlich mangele es bei der begehrten Zustimmung zur Einstellung bereits an einer Ausschreibung der neuen Stellen im Betrieb der .... Für die vorläufige Durchführung seien keine sachlichen Gründe erkennbar. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Betriebsrates vom 13.2.2012 (Bl. 43 - 48 d. A.) sowie vom 23.4.2012 (Bl. 94 bis 99 d. A.) verwiesen.

Im Anhörungstermin vom 8.5.2012 hat das Gericht gemäß Beweisbeschluss (Bl. 121 d. A.) Beweis erhoben über die Gesellschaftsstrukturen in der ... durch Vernehmung des Zeugen ....

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Beteiligten zur Akte gereichten Schriftsätze samt Anlagen, sowie die Protokolle (Bl. 55, 119 f.) und somit auf die Gerichtsakte als Ganzes verwiesen.

II. Die Anträge zu 1, 3 und 4 sind begründet. Der Antrag zu 2 ist unbegründet.

1. Der Antrag zu 1) ist begründet. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Versetzung der Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... ist zu ersetzen.

a) Eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne liegt vor. Eine Versetzung ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, der die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, § 95 Abs. 3 BetrVG. Maßgeblich geht es damit um den konkreten Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht (BAG, Beschluss vom 27.6.2006, 1 ABR 35/05, BB 2006,2647; Fitting BetrVG Kommentar, § 99 Rn. 124). Auch eine erhebliche Änderung der äußeren Arbeitsumstände, nämlich von Ort, Art und Weise der Arbeitsleistung kann eine Versetzung darstellen. Eine erhebliche Änderung der äußeren Umstände liegt in der Regel vor, wenn der Arbeitnehmer seine gleichbleibende Arbeit in einer anderen organisatorischen Einheit erbringen soll (BAG, Beschluss vom 10.4.1984, 1 ABR 67/82, AP BetrVG 1972 §95 Nr. 4; Fitting § 99 BetrVG Rn. 138). Die Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... sollen sämtlich ihre Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort unter teilweiser Änderung der Tätigkeit sowie der Berichtsstrukturen erbringen, so dass eine Versetzung vorliegt. Die Versetzungen sind auch mitbestimmungspflichtig. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BAG kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates des abgebenden Betriebes, wenn ein Arbeitnehmer auf Dauer in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers versetzt wird und der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist (BAG, Beschluss vom 20.9.1990, 1 ABR 37/90, NZA 1991,195). Vorliegend kann allerdings offenbleiben, ob, wie von der Arbeitgeberin behauptet, die genannten Arbeitnehmer die sog. "offer letter" unterschrieben, mithin ihr Einverständnis zu ihrer Versetzung erklärt haben. Denn die Arbeitnehmer ..., ..., ... und ... scheiden aus dem Betrieb der Beteiligten zu 1) nicht aus, sondern bleiben, insbesondere da die genannten Arbeitnehmer unstreitig weiterhin der Zeiterfassung im Betrieb der Arbeitgeberin unterliegen, die Arbeitgeberin mithin jedenfalls auch weiterhin deren weisungsgebundene Tätigkeit organisiert, in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert. Mithin verbleibt es bei einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung.

b) Die begehrte Zustimmung gilt nicht bereits gemäß § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung innerhalb einer Woche nach Unterrichtung unter der Angabe, die Maßnahme verstoße gegen das AÜG da keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorliege, verweigert.

c) Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsersetzungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und den Betriebsrat ausreichend unterrichtet. Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates ist nicht berechtigt.

aa) Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat im Sinne von § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG ausreichend unterrichtet. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.12.2011 über die vorgesehenen Versetzungen informiert. Dabei hat sie dargelegt, dass die Mitarbeiter zukünftig in der ... sitzen werden, die Berichtswege aufgezeigt und die wahrzunehmenden Aufgaben unter Verwendung des Änderungsmodus bei der Darstellung des Rollenprofils beschrieben.

bb) Auch ein Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist nicht gegeben.

 (1) Der Betriebsrat muss alle Gründe, mit denen er seine Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber geplanten personellen Einzelmaßnahme verweigern will, innerhalb einer Woche dem Arbeitgeber mitteilen. Er kann im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren keine neuen Gründe nachschieben. (vgl. BAG, Beschluss vom 3.7.1984, 1 ABR 74/82, NZA 1985, 67). Der Beteiligte zu 2) hat seinen Widerspruch lediglich darauf gestützt, dass es sich bei den Versetzungen um Arbeitnehmerüberlassung handele, ein Konzernverhältnis aber nicht nachgewiesen sei und deshalb seiner Ansicht nach die Versetzung gegen die Verbotsnorm des § 1 Abs. 1 S.1 AÜG wegen Fehlens der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verstoße.

 (2) Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ist nicht gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem streitigen Vortrag der Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht gegeben sind. Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes liegt vor, wenn ein Arbeitgeber (Verleiher) einem anderen Unternehmen (Entleiher) Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung zur Verfügung stellt, die in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen ausführen (BAG, Beschluss vom 20.4.2005, 7 ABR 20/04, NZA 2005, 1006). Die Arbeitnehmerüberlassung bedürfte jedoch jedenfalls keiner Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 3 AÜG. Gemäß § 1 Abs. 3 AÜG ist das AÜG mit Ausnahme des § 1b Satz 1, des § 16 Abs. 1 Nr. 1b und Abs. 2 bis 5 sowie der §§ 17 und 18 nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Bei der ... und der Beteiligten zu 1) handelt es sich um Konzernunternehmen. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 AktG bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen, die unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind, einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 AktG wird von einem abhängigen Unternehmen vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Gemäß § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Gemäß § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. In Anwendung der gesetzlichen Vermutungsregelung des § 17 Abs. 2 AktG ergibt sich, dass die Beteiligte zu 1) und die ... Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG sind. Gemäß § 17 Abs. 2 AktG wird sowohl hinsichtlich der ... als auch der Beteiligten zu 1) vermutet, dass sie von der gemeinsamen ... Muttergesellschaft abhängig sind, so dass die Vermutungsregelung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für das Bestehen eines Konzerns greift. Hinsichtlich der Gesellschaftsanteile der Unternehmen hat die Arbeitgeberin, von dem Betriebsrat bestritten, vorgetragen, die 100% ... Muttergesellschaft der Beteiligten zu 1) halte zugleich 100% der Gesellschaftsanteile an der ... sowie 90% an der .... Diesen Vortrag hat der Zeuge ..., der Geschäftsführer der ... sowie Prokurist der Arbeitgeberin ist, bestätigt. Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der für die Arbeitgeberin an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, zu zweifeln, besteht nicht. Aufgrund der eingreifenden Vermutungsregelungen wäre es damit an dem Betriebsrat gewesen, die gesetzliche Vermutung durch Tatsachenvortrag zu widerlegen. Dies hat er nicht getan. Weitergehende Anforderungen, insbesondere die tatsächliche Ausübung einer Leitungsmacht in Deutschland, wie sie das BAG im Rahmen des § 54 BetrVG verlangt (vgl. BAG, Beschluss vom 14.02.2007, 7 ABR 26/06, AP Nr. 13 zu § 54 BetrVG 1954, Fitting, BetrVG § 54 Rn. 34), sind für die Einschlägigkeit des Konzernprivilegs im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung nicht Voraussetzung. Das BAG begründet die für die Errichtung eines Konzernbetriebsrates weiteren Voraussetzungen mit dem mit der Errichtung eines Konzernbetriebsrates verfolgten gesetzgeberischen Zweck, der darin besteht, bei der Behandlung von Angelegenheiten mitzuwirken, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Bei einer fehlenden inländischen Leitungsmacht hat der Konzernbetriebsrat aufgrund der rein territorialen Geltung des BetrVG keine durchsetzbaren Beteiligungsrechte gegenüber der Konzernobergesellschaft im Ausland und ist damit funktionslos (BAG, Beschluss vom 14.02.2007, 7 ABR 26/06, AP Nr. 13 zu § 54 BetrVG 1954). Diese von dem BAG herausgebildeten Anforderungen zur Errichtung eines Konzernbetriebsrates lassen sich nicht auf das Konzernprivileg gemäß § 1 Abs. 3 AÜG übertragen. Hintergrund der Regelung des § 1 Abs. 3 AÜG ist dagegen, dass der Gesetzgeber den Sozialschutz der Konzernarbeitnehmer grundsätzlich als nicht gefährdet sieht, sofern das verleihende Konzernunternehmen keine reine konzerninterne Personalführungsgesellschaft ist. Das Konzernprivileg ist auch einschlägig, da die betroffenen Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung eingestellt und beschäftigt werden. Die Formulierung soll klarstellen, dass reine konzernangehörige Verleihunternehmen („Personalführungsgesellschaften“) nicht unter das Konzernprivileg fallen sollen (vgl. bspw. Hamann, NZA 2011, 70 m.w.N.). Die Herren ..., ..., ... und ... sind jedoch sämtlich zum Zweck der Beschäftigung bei der Beteiligten zu 1) eingestellt worden und waren bei dieser in der Vergangenheit beschäftigt. Eine Einstellung und Beschäftigung zum Zwecke der Überlassung liegt nicht vor.

2. Der Antrag zu 2) (Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmer ..., ..., ..., ... und ... der ...) in den Betrieb der Beteiligten zu 1) ist dagegen nicht begründet.

a) Voraussetzung für die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat im Sinne von § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG ausreichend unterrichtet hat. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung darf unabhängig von den dafür vorgebrachten Gründen nur ersetzt werden, wenn die Frist gemäß § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG in Gang gesetzt worden ist. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Hat der Arbeitgeber allerdings innerhalb der Wochenfrist eine Information gegeben, die auf den ersten Blick alle Positionen erfasst, die üblicherweise zu einer ordnungsgemäßen Information gehören, darf der Betriebsrat, der diese Information für unvollständig hält, sich nicht zurücklehnen im Vertrauen darauf, dass er dies dem Arbeitgeber im Zustimmungsersetzungsverfahren entgegenhalten könne. Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit resultiert vielmehr die Pflicht des Betriebsrates, den Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG auf eine etwaige Unzulänglichkeit seiner Information hinzuweisen und entsprechende Nachfragen zu stellen (BAG 14.3.1989, 1 ABR 80/87, DB 89, 1523; D/K/K-Kittner/Bachner BetrVG § 99 Rn. 117).

Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Blick auf die beabsichtigten Einstellungen im Sinne von § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG nicht ausreichend unterrichtet. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.12.2011 informiert, dass die Mitarbeiter ..., ..., ..., ... und ... „ab dem neuen Jahr“ bei der Beteiligten zu 1) „mit zum Teil verändertem Aufgabenbereich zum Einsatz kommen werden“. Dabei hat sie die jeweilige Stellenbeschreibung in englischer Sprache vorgelegt. Bezüglich einer Einstellung genügt die Information jedoch auf den ersten Blick nicht den Anforderungen gemäß § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG. Dem Betriebsrat ist es nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwar verwehrt, sich erst im Laufe des Beschlussverfahrens auf die Verwendung der englischen Sprache zu berufen. Jedoch ist die Information mit Blick auf eine später beantragte Einstellung erkennbar unvollständig. Dies mag dadurch bedingt sein, dass die Arbeitgeberin selbst zunächst von dem Vorliegen der personellen Maßnahme einer Versetzung für den aufnehmenden Betrieb ausgegangen ist. Im Einzelnen sind bei einer ordnungsgemäßen Information bei einer Einstellung der Name, die genauen Personalien, die vorgesehene Eingruppierung, der Zeitpunkt der Maßnahme und alle persönlichen Tatsachen über den Arbeitnehmer und etwaige Bewerber sowie alle Umstände über die fachliche und persönliche Einigung für den vorgesehenen Arbeitsplatz sowie über die betrieblichen Auswirkungen mitzuteilen (Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 174; BAG, 18.10.1988, 1 ABR 33/87, NZA-RR 1989, 355). Die Auskunft muss so erschöpfend sein, dass der Betriebsrat sich ein Bild von der Person und etwaigen Bewerbern machen kann (Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 176). Wesentliche der vorstehenden erforderlichen Informationen sind vorliegend nicht erteilt worden, insbesondere sind außer den Namen der bislang betriebsfremden Mitarbeiter keine Informationen mitgeteilt worden. Umstände für die fachliche und persönliche Eignung für den vorgesehenen Arbeitsplatz sowie über die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des Betriebes fehlen.

b) Darüber hinaus liegt hinsichtlich der begehrten Zustimmungen zur jeweiligen Einstellung auch der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG vor. Der Betriebsrat hat zu Recht gerügt, dass entgegen seines Ausschreibungsverlangens keine Ausschreibung der jeweiligen Arbeitsplätze im Betrieb stattgefunden hat. Diese Rüge hat der Betriebsrat zwar nicht mit seinem Widerspruch geltend gemacht. Da die Wochenfrist nicht in Gang gesetzt wurde, kann der Betriebsrat sich auf diese Rüge jedoch erfolgreich stützen. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 3.2.2004 die Ausschreibung grundsätzlich aller Arbeitsplätze verlangt, ausgenommen derjenigen, die im Anschluss an eine im Betrieb absolvierte Ausbildung oder von einem aus der Elternzeit zurückkehrenden Mitarbeiter besetzt werden können. Diese Pflicht zur Stellenausschreibung hat die Arbeitgeberin nicht beachtet. Die Ausschreibungspflicht tritt auch nicht etwa deshalb zurück, da schon feststeht, wer den jeweiligen - im Betrieb neuen -  Arbeitsplatz besetzen wird. Normziel des § 93 BetrVG ist nicht nur die Förderung des innerbetrieblichen Arbeitsmarktes sondern auch eine erhöhte Transparenz betrieblicher Vorgänge. Für die Interessen der Belegschaft ist es auch ohne Bedeutung, ob der Arbeitgeber mit dem einzustellenden Arbeitnehmer durch einen Arbeitsvertrag verbunden ist. (BAG, Beschluss vom 1.2.2011, 1 ABR 79/09, NJW 2011, 1757). Die Erwägungen des Arbeitgebers zur Personenbezogenheit des zu besetzenden Arbeitsplatzes gehören dagegen in die Erörterungen im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG (vgl. Sächs. LAG, Beschluss vom 13.8.1993, 3 TaBV 2/93, AuA 1994,26). Die Arbeitgeberin wird durch das Erfordernis einer Ausschreibung auch nicht übermäßig belastet, da es keinen erheblichen Aufwand erfordert, eine ordnungsgemäße innerbetriebliche Ausschreibung vorzunehmen und dadurch einer Zustimmungsverweigerung vorzubeugen.

3. Die Anträge zu 3 und 4 sind begründet. Die vorläufige Durchführung der Maßnahmen war jedenfalls nicht offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend, so dass den Anträgen gemäß § 100 BetrVG stattzugeben ist. Die Offensichtlichkeit erfordert eine grobe, ohne weiteres ersichtliche Verkennung der sachlich-betrieblich Notwendigkeiten für eine alsbaldige Umsetzung der Maßnahme (vgl. Fitting, BetrVG, § 100 Rn. 14). Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, dass aus ihrer Sicht aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit eine optimale Kommunikation durch Änderung der Organisationsstruktur notwendig sei. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass sie damit die sachlich-betrieblichen Notwendigkeiten verkannt hat.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.



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