Bundesarbeitsgericht

Beschluss vom - Az: 3 AZN 952/12

Betriebsrentenerhöhung - reallohnbezogene Obergrenze

Bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze wird nur das verfügbare Einkommen der aktiven Beschäftigten berücksichtigt.
Dazu gehört nicht der Versorgungslohn, das heißt der Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. März 2012 - 9 Sa 1854/11 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 3.199,32 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008.

Der Kläger bezieht seit dem 1. Februar 2005 von der Beklagten eine Betriebsrente. Diese belief sich zunächst auf monatlich 1.346,00 Euro brutto. Die Beklagte, die die Anpassungsprüfungen jeweils zum 1. Juli eines jeden Kalenderjahres bündelt, hob die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 um 1,57 % auf monatlich 1.367,50 Euro brutto an. Dieser Anpassung lag die Nettolohnentwicklung sämtlicher Mitarbeiter im I-Konzern in Deutschland mit Ausnahme der sog. „Executives“ in den Kalenderjahren 2005 bis 2007 zugrunde. Nach dem Vorbringen der Beklagten waren die Nettovergütungen dieser Mitarbeiter - unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Werts der im Prüfungszeitraum erdienten Betriebsrentenanwartschaften - auch in der Zeit vom individuellen Rentenbeginn des Klägers bis zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2008 in geringerem Umfang angestiegen als der Kaufkraftverlust. Der Kläger hat eine Erhöhung seiner Betriebsrente um den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust sowie die Nachzahlung des jeweiligen monatlichen Differenzbetrages zur gezahlten Betriebsrente verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer auf grundsätzliche Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zuzulassen.

1. Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer dartun, dass die anzufechtende Entscheidung von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und deren Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - zu 2 c aa der Gründe mwN, BAGE 114, 200). Eine Rechtsfrage iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZN 1258/07 - Rn. 5, BAGE 126, 346). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann. Klärungsbedürftig ist sie, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - zu 2 c aa der Gründe mwN, aaO). Von allgemeiner Bedeutung ist die Rechtsfrage, wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19 mwN, NJW 2009, 572). Entscheidungserheblich ist die Rechtsfrage, wenn die anzufechtende Entscheidung auf ihr beruht. Ist die anzufechtende Entscheidung auf mehrere jeweils tragende Begründungen gestützt, muss die Beschwerdebegründung jeder dieser Begründungen einen Zulassungsgrund aufzeigen (BAG 10. März 1999 - 4 AZN 857/98 - BAGE 91, 93).

Der Beschwerdeführer hat die nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig so konkret zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann; das schließt im Einzelfall eine differenzierte Formulierung zwar nicht aus, unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 6, BAGE 121, 52).

2. Danach ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zuzulassen.

a) Soweit mit der Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Hinblick auf den Prüfungszeitraum zur Bestimmung der reallohnbezogenen Obergrenze nach § 16 BetrAVG geltend gemacht wird, bleibt sie erfolglos. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie höchstrichterlich durch die in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen des Senats geklärt ist und gewichtige Gesichtspunkte gegen diese Rechtsprechung, die das Bundesarbeitsgericht bislang nicht berücksichtigt hätte, nicht vorgebracht wurden.

b) Die von der Beschwerde auf S. 26 der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage:

 „Darf bei Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze auch der Versorgungslohn, das heißt der Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften, als Lohnbestandteil einbezogen werden?“,

ist nicht klärungsbedürftig, da sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats so einfach zu beantworten ist, dass divergierende Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte nicht zu erwarten sind.

Sinn und Zweck der reallohnbezogenen Obergrenze ist es, das Versorgungsniveau der Versorgungsempfänger in demselben Umfang aufrechtzuerhalten wie das Einkommensniveau der Aktiven. Deshalb sind grundsätzlich sämtliche Vergütungsbestandteile der maßgeblichen Beschäftigten zu berücksichtigen. Die reallohnbezogene Obergrenze stellt allerdings nur auf den Teil des Arbeitsverdienstes ab, der den aktiven Beschäftigten nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben üblicherweise verbleibt. Damit geht es um die Aufrechterhaltung eines bestimmten Lebensstandards. Dieser hängt vom verfügbaren Einkommen ab (BAG 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - zu II 6 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1; 10. September 2002 - 3 AZR 593/01 - zu III 2 a cc (1) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 41). Betriebsrentenanwartschaften gehören jedoch nicht zum verfügbaren Arbeitseinkommen.

c) Soweit die Beschwerde die auf S. 23 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtsfrage:

 „Sind bei Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze Gehaltserhöhungen für aktive Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die erst nach dem Anpassungsstichtag vereinbart und ausgezahlt werden, sich dabei aber rückwirkend auf Zeiträume vor dem Anpassungsstichtag beziehen?“,              

für klärungsbedürftig hält, fehlt es jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat unter II 2 b cc (2) seiner Entscheidungsgründe selbständig tragend ausgeführt, dass sich die Beklagte auch deshalb nicht auf die reallohnbezogene Obergrenze nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG berufen kann, weil die Beklagte bei ihrer Berechnung der reallohnbezogenen Obergrenze den Versorgungslohn (sog. „baV-Lohnäquivalent“) mit einbezogen hat. Hinsichtlich dieser selbständig tragenden Begründung liegt nach dem oben unter II 2 b Dargelegten kein Zulassungsgrund vor.

III. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen der Beklagten wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.



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