Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 8 AZR 37/10

Grenzüberschreitender Betriebsübergang

(1.) Eine erhebliche räumliche Entfernung, welche der für einen Betriebsübergang notwendigen Wahrung der Identität entgegenstehen kann, besteht nicht, wenn die Entfernung zwischen "alter" und "neuer" Betriebsstätte lediglich 59 Kilometer beträgt.

(2.) § 613a BGB auch bei Betriebsübergängen in das Ausland grundsätzlich anwendbar.
Verrichtet der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrags seine Arbeit gewöhnlich in einem bestimmten Staat, so unterliegt sein Arbeitsverhältnis dem Recht dieses Staates, es sei denn, aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat. Regelmäßig wird sich daher das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Vertragsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, bei einem Wechsel von Deutschland in das Ausland infolge eines Betriebsübergangs ändern.
Für eine vor dem Betriebsübergang ausgesprochene, nach deutschem Recht zu beurteilende Kündigung, sind solche Rechtsänderungen ohne Belang.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 15. Dezember 2009 - 22 Sa 45/09 - wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird das Berufungsurteil in Ziffer 1 Satz 1 wie folgt neu gefasst: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 13. März 2009 - 14 Ca 515/08 - abgeändert.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Kündigungen.

Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1998 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt iHv. 4.728,47 Euro beschäftigt.

Die Alleingesellschafterin der Beklagten ist die G G AG. Zu deren Unternehmen gehört auch die G P S AG in B/CH bei Ba. Die Aktivitäten der Muttergesellschaft sind in sog. Divisionen aufgeteilt. Die „H-Division“ umfasst „P S“. Ihr steht R Y vor, der zugleich ein (alleinvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der Beklagten ist.

Die Beklagte beschäftigte Ende 2008 in etwas weniger als 60 km Entfernung von B/CH im Betrieb M 30 Arbeitnehmer, davon 22 in dem der H-Division zugeordneten selbständigen Geschäftsbereich „V“, der die Herstellung und den Vertrieb von Klappenventilen, vor allem für die Pharmaindustrie, zum Gegenstand hatte. Dem Innendienst dieses Bereichs war der Kläger zugeordnet, der teilweise von zu Hause aus arbeitete. Die übrigen acht Arbeitnehmer in M gehörten zur „Pulverbeschichtung“ (P-Division).

Am 22. Oktober 2008 informierte der Geschäftsführer Y die Geschäftsleitung der Beklagten davon, dass der Bereich V in M nicht aufrechterhalten werden solle. Noch am selben Tag stellte die Beklagte bei dem zuständigen Integrationsamt Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen. Am 24. Oktober 2008 teilte die Beklagte den Mitarbeitern des Bereichs V auf einer Betriebsversammlung die bestehende Kündigungsabsicht mit und zeigte gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 22 Arbeitnehmern an. Mit Bescheid vom 10. November 2008 bestätigte die Bundesagentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige am 24. Oktober 2008 und wies auf den Ablauf der Entlassungssperre nach § 18 KSchG am 24. November 2008 hin.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sowie mit weiterem Schreiben vom 27. Oktober 2008, Zugang ebenfalls am selben Tag, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis sowie die Arbeitsverhältnisse weiterer 19 Arbeitnehmer zum 28. Februar 2009.

Am Tag der ersten Kündigung, also am 24. Oktober 2008, erhielt der Kläger wie zehn weitere gekündigte Arbeitnehmer, ein Arbeitsvertragsangebot der G P S AG in B/CH. Sechs Arbeitnehmer nahmen dieses Angebot an, fünf andere, darunter der Kläger, lehnten es ab.

Danach veräußerte die Beklagte die für ihre Produktion und Montage im Geschäftsbereich V genutzten Anlagen, Maschinen und Werkzeuge sowie ihr Lager an die G P S AG in B/CH. In der Zeit vom 17. bis 23. Dezember 2008 erfolgten Abbau, Verladung und der Abtransport nach B/CH, wo der Wiederaufbau erfolgte. Die laufenden Projekte der Beklagten aus dem Geschäftsbereich V wurden auf die G P S AG übertragen. Kunden und Lieferanten wurden dahin informiert, dass die geschäftlichen Aktivitäten von V ab dem 1. Januar 2009 in B/CH konzentriert werden, dass alle bestehenden Verträge nahtlos übernommen werden und dass als neue Rechnungsanschrift die der G P S AG in der Schweiz gelte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam. Er hat bestritten, dass die Beklagte eine unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geführt habe. Eine Betriebsstilllegung habe es nicht gegeben, vielmehr sei ein Betriebsteilübergang des Bereichs V auf die G P S AG in B/CH erfolgt. Die Kündigungen seien wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden, also nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Dass ein Betriebsübergang in die Schweiz erfolgt sei, ändere daran nichts, weil sich der für die objektive Anknüpfung maßgebliche vertragliche Erfüllungsort in Deutschland befinde. Außerdem gelte mit Art. 333 Schweizer Obligationenrecht eine dem § 613a BGB entsprechende Regelung auch in der Schweiz. Ferner hat der Kläger geltend gemacht, er sei sozial schutzbedürftiger als die nicht entlassenen Mitarbeiter aus dem Bereich der Pulverbeschichtung.    

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2008 zum Ablauf des 28. Februar 2009 endete, sondern unverändert fortbesteht;

2.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2008 zum Ablauf des 28. Februar 2009 endete, sondern unverändert fortbesteht;

3.    die Beklagte zu verurteilen, den Kläger - für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen Ziffer 1 und 2 - zu den im Arbeitsvertrag vom 20. Mai 1998 geregelten bisherigen Arbeitsbedingungen als internen Vertriebsingenieur bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien sozial gerechtfertigt und weder nach §§ 17 f. KSchG noch nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.

Dazu hat sie behauptet, im September 2008 sei auf Konzernebene eine Restrukturierung der H-Division beschlossen worden, die eine Zusammenlegung verschiedener Produktgruppen an den Standorten B/Schweiz, W/Belgien und E/Großbritannien beinhaltete. Zur Umsetzung dieser Restrukturierungsmaßnahme habe der Geschäftsführer Y beschlossen, den zur H-Division gehörenden Geschäftsbereich V bis spätestens 31. Dezember 2008 stillzulegen. Die Schließung des Bereichs V habe sich seit Ende September entsprechend der unternehmerischen Entscheidung vollzogen, seit Januar 2009 seien keine Produktionsmittel mehr in M vorhanden, die Mehrheit der betroffenen Mitarbeiter sei freigestellt worden. Die Betriebsmittel aus M seien in die vorhandene betriebliche Einheit der G P S AG in B/CH integriert worden, wo im Dezember 2008 bereits 97 Arbeitnehmer in einer eigenen Organisation beschäftigt gewesen seien. Diese vorhandene Organisation werde auch für Arbeiten im Geschäftsbereich V mit genutzt, die Arbeitsorganisation der Beklagten habe sich die G P S AG in B/CH nicht zu eigen gemacht. Eine eigenständige betriebliche Einheit, die dem Betriebsteil „V“ der Beklagten entspräche, existiere in B/CH nicht, zumal auch nicht alle Tätigkeiten, die bei der Beklagten ausgeführt wurden, von der G P S AG wahrgenommen würden. So seien insbesondere Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten an externe Dienstleister vergeben worden. Damit sei ein die Identität wahrender Wiederaufbau des Betriebsteils im Sinne eines Betriebsteilübergangs in B/CH nicht erfolgt.

Nach Ansicht der Beklagten ist § 613a BGB auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht anwendbar. 

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich beider Kündigungen abgewiesen. Aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich jedoch, dass die Kündigung vom 24. Oktober 2008 mangels vorheriger Erstattung der Massenentlassungsanzeige für unwirksam befunden wurde. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt. Die weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Soweit die Revision nicht bereits unzulässig ist (Kündigung vom 24. Oktober 2008), ist sie unbegründet. Für die Kündigung vom 27. Oktober 2008 bestand kein dringendes betriebliches Erfordernis, da der Beschäftigungsbereich des Klägers bei der Beklagten nicht stillgelegt werden, sondern im Wege des Betriebsübergangs auf die G P S AG in B/CH übergehen sollte.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Kündigung vom 24. Oktober 2008 sei deswegen unwirksam, weil die Beklagte ihrer Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Die Kündigung vom 27. Oktober 2008 sei nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Ihrer Darlegungslast, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb entgegenstehen, sei die Beklagte nicht ausreichend nachgekommen. Sie habe zwar eine zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs beabsichtigte Stilllegungsabsicht behauptet. Jedoch habe sie die Darstellung des Klägers nicht entkräften können, zu diesem Zeitpunkt habe schon die Absicht bestanden, den Teilbetrieb zu veräußern. Der Kläger habe unwidersprochen dargelegt, die G P S AG habe nicht nur die materiellen Betriebsmittel der bei der Beklagten selbständigen Abteilung V übernommen. Vielmehr seien auch die Kundschaft und die laufenden Projekte übertragen sowie alle Verträge und die Lieferanten übernommen worden. Die gesamte Fertigungslinie sei eins zu eins fortgeführt worden. Es habe bei der G P S AG bis zur Übertragung keine dem Betriebsteil V bei der Beklagten entsprechende Tätigkeit gegeben. Mit der Übertragung sei die Tätigkeit ohne Unterbrechung und unter Verwendung des bisherigen Produktnamens „V“ fortgeführt worden. Darüber hinaus habe die G P S AG in ihrem Anschreiben an Kunden und Lieferanten selbst von einem Umzug von M nach B/CH gesprochen. All dies spreche bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung für das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Die von der Beklagten angeführten gegenläufigen Aspekte, wie die Auflösung der vormals eigenständigen Einheit V durch die G P S AG, die Integration der Betriebsmittel in eine vorhandene Einheit sowie der Umstand, dass die G P S AG nicht mehr alle im Teilbereich V angefallenen Arbeiten ausführe, genügten nicht, um die festzustellende Absicht einer Betriebsübertragung zu entkräften.

Auch bei einem grenzüberschreitenden Betriebsübergang sei die Beklagte an § 613a BGB gebunden. Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ändere sich nicht dadurch, dass der Erwerber einem anderen einzelstaatlichen Recht unterliege. Die Änderung des Betriebssitzes habe keine Auswirkungen auf die erforderliche Wahrung der Identität. Da die Fahrtstrecke zwischen alter und neuer Arbeitsstelle nur kurz sei, könne auch nicht von einer unzumutbaren Beschäftigung der Belegschaft am neuen Betriebssitz ausgegangen werden.

Dem Antrag auf Feststellung des unveränderten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses hat das Landesarbeitsgericht nicht entsprochen, da durch den grenzüberschreitenden Betriebsübergang künftig die Arbeitsleistung nicht mehr in Deutschland, sondern in der Schweiz zu erbringen sei. Mithin sei kein unverändertes Fortbestehen festzustellen. Auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Da die Beschäftigungspflicht der Beklagten mit dem Betriebsübergang ende, habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Weiterbeschäftigungsanspruch für Zeiten nach dem Betriebsübergang.

B. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen.

I. Soweit die Revision die Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 24. Oktober 2008 angreift, ist sie unzulässig.

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 18, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 155 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 2).

2. Das Arbeitsgericht hatte zwar im Tenor die Klage vollständig abgewiesen, in den Gründen seines Urteils jedoch ausgeführt, dass die Kündigung vom 24. Oktober 2008 unwirksam sei, da jeder Vortrag der Beklagten zu einer Massenentlassungsanzeige vor Ausspruch dieser Kündigung fehle. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag hinsichtlich der Kündigung vom 24. Oktober 2008 unter Hinweis auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts, die nur im Tenor keinen Niederschlag gefunden hätten und denen die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten sei, stattgegeben. Damit setzt sich die Revision der Beklagten nicht auseinander.

II. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Kündigung vom 27. Oktober 2008 richtet, ist sie unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2008 nach § 1 Abs. 1 KSchG angenommen, da die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb entgegenstanden, bedingt war. Die von der Beklagten behauptete Stilllegungsabsicht des Betriebsteils V lag im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vor.

1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20; 24. August 2006 - 8 AZR 317/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu B III 1 a bb der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).

a) Unter der Stilllegung eines Betriebs ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Für die Stilllegung von Betriebsabteilungen und Betriebsteilen gilt dies, auf die jeweilige Einheit begrenzt, entsprechend.

Bei einer mit Betriebsschließung begründeten Kündigung ist der Arbeitgeber nicht gehalten, diese erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen der beabsichtigten Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Grundsätzlich brauchen betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genügt, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu B III 1 b bb (1) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - zu II 1 b (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87).

b) Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt dann nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb bzw. seinen Betriebsteil zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebs oder Betriebsteils allein ist - wie sich aus der Wertung des § 613a BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme auch objektiv als Betriebsstilllegung und nicht etwa deshalb als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet (BAG 9. Februar 1994 - 2 AZR 666/93 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 105 = EzA BGB § 613a Nr. 116).

c) Ist in einem Kündigungsrechtsstreit streitig, ob im Zeitpunkt der Kündigung ein Betriebsübergang oder eine Betriebsstilllegung beabsichtigt war, hängt die Darlegungs- und Beweislast davon ab, ob sich der Arbeitnehmer im Rahmen des Prozesses darauf beruft, der Betrieb sei von dem bisherigen Arbeitgeber nicht stillgelegt, sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden und ihm sei aus diesem Grund gekündigt worden oder ob er nur den Unwirksamkeitsgrund des § 613a Abs. 4 BGB geltend macht. Im letzteren Fall hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass ihm wegen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs gekündigt worden ist. Im Kündigungsschutzverfahren nach § 1 Abs. 2 KSchG hat demgegenüber der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen und es ist seine Aufgabe vorzutragen und nachzuweisen, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Fehlt es daran, ist der Kündigungsschutzklage stattzugeben, ohne dass es der Feststellung bedarf, dass der tragende Beweggrund für die Kündigung ein Betriebsübergang ist (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu III 1 a bb (2) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 9. Februar 1994 - 2 AZR 666/93 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 105 = EzA BGB § 613a Nr. 116; 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - zu B II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 47 = EzA BGB § 613a Nr. 50).

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die von dem Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - zu B I der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65).

3. Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, zum Zeitpunkt der Kündigung habe die Beklagte nicht die Absicht gehabt, den Betriebsteil V dauerhaft stillzulegen, auf der Grundlage des festgestellten und nicht angegriffenen Sachverhalts nicht zu beanstanden. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Beklagte habe im Oktober 2008 beabsichtigt, den unstreitig organisatorisch abgegrenzten Bereich V im Wege des Teilbetriebsübergangs iSd. § 613a BGB auf die G P S AG in B/CH zu übertragen.

a) § 613a BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr., vgl. BAG 21. August 2008 - 8 AZR 481/07 - Rn. 24, AP BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 96; 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - zu II 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47).

b) Danach hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Bereich V, der bei der Beklagten eine auf Dauer angelegte, hinreichend strukturierte und selbständige wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 613a BGB darstellte, aufgrund einer Entscheidung aus dem September 2008 zum 1. Januar 2009 identitätswahrend auf die G P S AG übertragen werden sollte.

aa) Der beabsichtigten identitätswahrenden Übertragung des Betriebsteils V steht nicht entgegen, dass die vormals eigenständige Einheit V bei der G P S AG aufgelöst und die übernommenen Betriebsmittel in die vorhandene Organisation integriert worden sind. Entscheidend ist, worauf das Landesarbeitsgericht auch zutreffend abstellt, dass der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den übertragenen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln sowie den sonstigen Produktionsfaktoren wie etwa den Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder den Fertigungsmethoden, beibehalten wird, und dies dem Erwerber gestattet, die verknüpften Produktionsfaktoren zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen. Auf die Beibehaltung der bisherigen Organisationsstruktur kommt es hierbei nicht entscheidend an (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 158/07 - Rn. 19, AP BGB § 613a Nr. 367 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 107; EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 47 f., Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA Richtlinie 2001/23 EG-Vertrag 1999 Nr. 2).

bb) Das für die H-Division im September 2008 erarbeitete Restrukturierungskonzept sah eine Fortführung der bisherigen Aktivitäten des „V“ Bereichs der Beklagten bei der G P S AG in B/CH und die Verbringung der Betriebsmittel von M nach B/CH vor. Dies ergibt sich einerseits aus dem Anschreiben an Kunden und Lieferanten, andererseits aus der E-mail vom 10. Dezember 2008, die den Ablauf der Umzugsaktivitäten beschreibt und in der ausgeführt wird, dass in B/CH der Werkstattbereich und das Lager sukzessive aufgebaut werden, „so dass schnellstmöglich die Arbeit fortgesetzt werden kann“. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist der Umstand, dass Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten von der G P S AG an externe Dienstleister vergeben wurden, demgegenüber von nachgeordneter Bedeutung, zumal die Beklagte nicht vorgetragen hat, dass diese später erfolgte externe Vergabe schon Teil des Restrukturierungskonzepts vom September 2008 gewesen ist.

cc) Der beabsichtigten identitätswahrenden Übertragung des Betriebsteils steht auch nicht die Entfernung zwischen „alter“ und „neuer“ Betriebsstätte entgegen. Eine erhebliche räumliche Entfernung, die die Wahrung der Identität zweifelhaft erscheinen lassen könnte, besteht nicht (BAG 25. Mai 2000 - 8 AZR 335/99 - Rn. 37, RzK I 5e Nr. 137; 13. November 1997 - 8 AZR 435/95 - Rn. 27, ZInsO 1998, 140; 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Unstreitig beträgt die Wegstrecke zwischen beiden Betriebsstätten etwa 59 Kilometer, sie lässt sich für die Arbeitnehmer ohne Notwendigkeit eines Umzugs in einer knappen Autostunde bewältigen.

dd) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Gesamtbetrachtung die Absicht, einen Betriebsteilübergang durchzuführen, bejaht, nachdem es festgestellt hat, dass die G P S AG nicht nur die Betriebsmittel der Abteilung V, die Kundschaft, die laufenden Projekte sowie alle Verträge und die Lieferanten übernommen hat, sondern auch die gesamte Fertigungslinie unverändert und ohne Unterbrechung der Tätigkeit fortführt. Angesichts der übertragenen Produktions- und Montagemaschinen und Werkzeuge, der Läger und der sonstigen Produktionsmittel sind unwesentliche Betriebsmittel, wie Büroeinrichtungen oder Computer, die nicht nach B/CH verbracht werden sollten, von untergeordneter Bedeutung.

III. Der Berücksichtigung des beabsichtigten Betriebsteilübergangs und der Betriebsverlagerung von M nach B/CH bei der Beurteilung der Kündigung vom 27. Oktober 2008 steht nicht entgegen, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Die fehlende Stilllegungsabsicht der Beklagten und § 613a BGB sind auch in diesem Zusammenhang zu beachten.

1. Nach den Regeln des internationalen Privatrechts (IPR) bestimmt sich die Frage, welches Gesetzesrecht auf einen Privatrechtssachverhalt anzuwenden ist, nach den Regelungen des Staates, dessen Gericht zur Entscheidung angerufen wird. Dies sind vorliegend die das Arbeitsrecht betreffenden Bestimmungen der Art. 27 bis 37 EGBGB. Diese sind zwar zum 17. Dezember 2009 durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht abgelöst worden (RomI-VO). Nach Art. 28 RomI-VO finden aber die Regelungen des EGBGB auf Vertragsverhältnisse, die vor dem 17. Dezember 2009 begründet worden sind, weiterhin Anwendung.

2. Die Parteien des Rechtsstreits haben keine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl getroffen. Das auf den zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ist daher nach den in Art. 30 Abs. 2 EGBGB benannten Anknüpfungskriterien zu bestimmen. Vor dem Zeitpunkt des beabsichtigten Betriebsübergangs, also vor dem 1. Januar 2009 ist wegen der dauerhaften Erfüllung der Arbeitspflicht in Deutschland und der Tatsache, dass sich aus den Gesamtumständen keine engere Verbindung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Land ergibt, deutsches Recht anzuwenden, also auch § 613a BGB. Zwar ist das Arbeitsvertragsstatut, also die Frage, welches nationale Recht in einem Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, wandelbar. Einerseits können die Arbeitsvertragsparteien ein anderes Arbeitsvertragsstatut ausdrücklich vereinbaren. Andererseits kommt es regelmäßig zu einem Wechsel des anzuwendenden Rechts, wenn ein Arbeitnehmer, für dessen Arbeitsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, dauerhaft in das Ausland entsandt wird (Thüsing NZA 2003, 1303; MüArbR/Oetker 3. Aufl. Bd. 1 § 11 Rn. 37; Palandt/Thorn 68. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 7). Die Parteien haben aber weder vor dem 1. Januar 2009 ein anderes Arbeitsvertragsstatut vereinbart noch ist der Kläger vor diesem Zeitpunkt bereits dauerhaft zur Erbringung seiner Arbeitsleistung nach B/CH entsandt worden. Ein Arbeitsvertragsangebot der G P S AG in B/CH vom 24. Oktober 2008 hat der Kläger abgelehnt. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 27. Oktober 2008 als dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt greift deutsches Recht, da keine Umstände dafür ersichtlich sind, dass es vor dem Betriebsübergang zu einer Änderung des Arbeitsvertragsstatuts gekommen ist.

3. Die Parteien streiten nicht darüber, mit wem der Kläger ab dem 1. Januar 2009 ein Arbeitsverhältnis hat und welches Recht dafür gilt. Die beantragte Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten bei unverändertem Fortbestand und den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem Betriebsübergang gemäß einem anderen nationalen Recht zu beurteilen wäre und wenn sich diesem zufolge kein Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ergäbe, wirkte dies nicht in der Weise vor, dass der beabsichtigte Betriebsübergang bei der Beurteilung der streitbefangenen Kündigungen außer Betracht zu bleiben hätte.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 613a BGB auch bei Betriebsübergängen in das Ausland grundsätzlich anwendbar (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu B III 1 b cc (3) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 - Verlagerung von Deutschland nach Österreich -; vgl. auch 20. April 1989 - 2 AZR 431/88 - BAGE 61, 369 = AP BGB § 613a Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 61 - möglicher Betriebsübergang nach Frankreich -).

b) Die Auffassung, bei Betriebsübergängen in das Ausland gelte § 613a BGB nicht, da die Geltung deutschen Gesetzesrechts an der deutschen Grenze ende, vermag nicht zu überzeugen (MünchKomm/Schaub 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 14; Loritz RdA 1987, 65, 84; ArbG Hamburg 20. Juli 1979 - S15 Ca 410/78 - AP BGB § 613a Nr. 25). Das im öffentlichen Recht zu beachtende Territorialitätsprinzip wird im grenzüberschreitenden Zivilrechtsverkehr von den Regelungen des IPR verdrängt. Andernfalls müsste schon bei einer vorübergehenden Entsendung eines Arbeitnehmers in das Ausland entgegen Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB das Recht des betroffenen ausländischen Staates Anwendung finden. Grundsätzlich ist daher die Anwendbarkeit des § 613a BGB nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt (Cohnen FS zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein S. 595; Richter ArbuR 1992, 65; Feudner NZA 1999, 1184). Bei Betriebsübergängen mit Auslandsbezug können sachgerechte Lösungen auch nicht über die Regelungen nach Art. 43 EGBGB, sondern nur über die Regelungen des Arbeitsvertragsstatuts nach Art. 30 EGBGB erzielt werden (Koch RIW 1984, 592; Birk RdA 1984, 129; Junker Internationales Arbeitsrecht im Konzern S. 235 ff.). Art. 43 EGBGB regelt die Rechte an einer Sache. Bei einem Betriebsübergang werden nicht nur und auch nicht notwendig Sachen, sondern eine Gesamtheit von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln übertragen (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu II 2 der Gründe, BAGE 71, 297 = AP Internat. Privatrecht Arbeitsrecht Nr. 31 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 2). Andererseits ist das Recht der Arbeitsverträge und der Arbeitsverhältnisse durch Art. 30 EGBGB speziell geregelt, eine für das Sachenrecht geltende Vorschrift kann für die Klärung des Arbeitsvertragsstatuts nicht herangezogen werden. Soweit beide Ansichten darauf hinweisen, ein ausländischer Betriebserwerber könne bei einer Verlagerung des Betriebs in das Ausland nicht zur Anwendung deutschen Rechts gezwungen werden, darf die Frage der Anwendbarkeit einer Norm nicht mit der Frage nach deren Durchsetzbarkeit im Ausland vermengt werden (MüArbR/Wank Bd. 1 § 103 Rn. 60).

c) Andererseits ist die Auffassung, nach einem Betriebsübergang in das Ausland ändere sich nicht das Vertragsstatut von Arbeitsverträgen, in denen keine Rechtswahl vereinbart ist (MAH Moll/Cohnen/Tepass Arbeitsrecht 2. Aufl. § 50 Rn. 63; Feudner NZA 1999, 1184, 1185), nicht mit Art. 30 Abs. 2 EGBGB vereinbar. Verrichtet der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrags seine Arbeit gewöhnlich in einem bestimmten Staat, so unterliegt sein Arbeitsverhältnis dem Recht dieses Staates, es sei denn, aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat.

d) Regelmäßig wird sich daher das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Vertragsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, bei einem Wechsel von Deutschland in das Ausland infolge eines Betriebsübergangs ändern. In Ausnahmefällen kann eine engere Verbindung des Vertrags zum „alten“ Staat, also zu Deutschland denkbar sein. Regelmäßig wird aber nach dem Betriebsübergang das Recht des Staates zur Anwendung kommen, auf dessen Gebiet der Betriebsübergang erfolgt ist (AR-Blattei SD/Hergenröder Stand Juni 2007 Internationaler Betriebsinhaberwechsel 500.3 Rn. 50 ff.). Die Änderung des Arbeitsvertragsstatuts tritt aber erst ein, nachdem die Arbeitsverhältnisse übergegangen sind. Dies kann zwar bei einem Betriebsübergang in das Nicht-EU-Ausland zur Folge haben, dass die durch § 613a BGB oder durch die europäische Unternehmensübergangsrichtlinie gewährleisteten, beim Betriebsübernehmer begründeten Rechte und Pflichten ersatzlos wegfallen, ändert aber nichts daran, dass derartige Rechtswirkungen erst nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses und nach dem Inkrafttreten des neuen Arbeitsstatuts Bedeutung erlangen können. Für eine vor dem Betriebsübergang ausgesprochene, nach deutschem Recht zu beurteilende Kündigung, sind solche Rechtsänderungen ohne Belang.

IV. Der offensichtliche Schreibfehler im Tenor des Berufungsurteils bei der Bezeichnung des erstinstanzlichen Urteils (fälschlich: - 14 Ca 516/08 - statt - 14 Ca 515/08 -) war durch Neufassung des Tenors des Berufungsurteils von Amts wegen zu berichtigen, § 319 ZPO.

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.



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