Europäischer Gerichtshof

Urteil vom - Az: C-710/18

Berufserfahrung aus dem EU-Ausland ist gleichwertig

(1.) Eine nationale Regelung, die eine gleichwertige Tätigkeit bei einem Arbeitgeber eines anderen Mitgliedstaates nur im Umfang von drei Jahren berücksichtigt, verstößt gegen die EU-Regeln zur Arbeitnehmerfreizügigkeit.

(2.) Dementsprechend ist die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat geleistete, gleichwertige Lehrertätigkeit bei einem Wechsel in den deutschen Schuldienst uneingeschränkt anzurechnen.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Die klagende Lehrerin des Ausgangsrechtsstreits, eine deutsche Staatsangehörige, hatte 17 Jahre lang in Frankreich unterrichtet. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit wurde die Klägerin vom Land Niedersachen auf Grundlage des TV-L als Lehrerin eingestellt. Bei ihrer Einstellung wurden nach den tariflichen Regelungen in § 16 Abs. 2 TV-L nur drei Jahre Berufserfahrung angerechnet mit der Folge, dass die Klägerin einen geringeren Gehalt erhielt. Hiergegen beantragte die Klägerin die Neueinstufung in eine höhere Entgeltgruppe und die rückwirkende Zahlung des höheren Entgelts. Dies lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, dass die einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber als dem Land Niedersachsen erworben worden sei und daher nicht vollständig angerechnet werden könne.
Nach Art. 45 Abs. 1 AUEV haben alle Angehörigen von Mitgliedstaaten das Recht, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten. Wenn das Land die gleichwertigen Vordienstzeiten im EU-Ausland nicht vollständig anerkenne, würde dies den Arbeitnehmer davon abhalten, von einem Mitgliedstaat in den anderen zu wechseln – so der EuGH. Damit stehe die in Art. 45 Abs. 1 AEUV verankerte Arbeitnehmerfreizügigkeit jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, diese Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu gestalten.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV und von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen WN und dem Land Niedersachsen (Deutschland) über die teilweise Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten, die die Klägerin des Ausgangsverfahrens bei einem in Frankreich ansässigen Arbeitgeber zurückgelegt hat, für die Bestimmung der Höhe ihres Entgelts.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor:

„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.“     

Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43, im Folgenden: Rahmenvereinbarung) sieht die Durchführung dieser Vereinbarung im Anhang dieser Richtlinie vor.

Paragraf 3 („Definitionen“) der Rahmenvereinbarung lautet:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1. ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

2. ‚vergleichbarer Dauerbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind. Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.“

Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) der Rahmenvereinbarung hat folgenden Wortlaut:

„1. Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

2. Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.

3. Die Anwendungsmodalitäten dieser Bestimmung werden von den Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner und/oder von den Sozialpartnern unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der einzelstaatlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und Gepflogenheiten festgelegt.

4. In Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen gelten für befristet beschäftige Arbeitnehmer dieselben Betriebszugehörigkeitszeiten wie für Dauerbeschäftigte, es sei denn, unterschiedliche Betriebszugehörigkeitszeiten sind aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.“

Deutsches Recht

Der im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits anwendbare Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 9. März 2013 (im Folgenden: TV-L) sieht in § 12 („Eingruppierung“) vor:

„(1) Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

…“

§ 16 TV-L legt die Stufen innerhalb einer Entgeltgruppe in der Entgelttabelle wie folgt fest:

„(1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen …

(2) Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise – bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren – in Stufe 3. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.

Protokollerklärungen zu § 16 Absatz 2:

1. Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit.

3. Ein vorheriges Arbeitsverhältnis im Sinne des Satzes 2 besteht, wenn zwischen dem Ende des vorherigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt; …

(3) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe – von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Absatz 2 – nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

–        Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

–        Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

–        Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,

–        Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 …“

Die Richtlinie 1999/70 zur Durchführung der Rahmenvereinbarung wurde mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 in der durch das Gesetz vom 20. Dezember 2011 geänderten Fassung (im Folgenden: TzBfG) in deutsches Recht umgesetzt.

§ 4 („Verbot der Diskriminierung“) Abs. 2 TzBfG sieht vor:

„Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden … als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.“

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Zwischen 1997 und 2014 war WN, die deutsche Staatsangehörige ist, ununterbrochen in Frankreich an verschiedenen Collèges und Lycées als Lehrerin tätig. Am 8. September 2014, d. h. weniger als sechs Monate nach Beendigung dieser Tätigkeit, wurde sie vom Land Niedersachsen als Lehrerin eingestellt. Ihr Arbeitsvertrag wird durch den TV-L geregelt, der ihre Einstufung nach der Stufe in der Entgelttabelle bestimmt.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die von WN in Frankreich erworbene Berufserfahrung vom Land Niedersachsen für ihre Einstufung in diese Tabelle als einschlägig im Sinne von § 16 Abs. 2 TV-L anerkannt wurde.

Die in Frankreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten wurden vom Land Niedersachsen bei der Ermittlung der Stufe, der WN zuzuordnen war, jedoch nur teilweise angerechnet. Daher wurde sie der Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 der Entgelttabelle zugeordnet. Das vorlegende Gericht führt aus, dass nach § 16 Abs. 2 TV-L, der eine Begrenzung der Anrechnung der bei einem anderen Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrung vorsehe, nur drei der von WN in Frankreich zurückgelegten 17 Jahre beruflicher Tätigkeit angerechnet worden seien.

WN ist der Ansicht, dass sie, wenn sie eine einschlägige Berufserfahrung von 17 Jahren im Rahmen eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber im Sinne von § 16 Abs. 2 TV-L, im vorliegenden Fall dem Land Niedersachsen, erworben hätte, ab dem Beginn ihres neuen Arbeitsverhältnisses mit diesem Arbeitgeber gemäß dieser Bestimmung der Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 der Entgelttabelle zugeordnet worden wäre.

Deshalb beantragte WN am 20. Oktober 2014 beim Land Niedersachsen ihre Neueinstufung in Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 der Entgelttabelle und die rückwirkende Zahlung des entsprechenden Entgelts. Das Land Niedersachsen lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die einschlägige Berufserfahrung von mehr als drei Jahren, auf die sich WN berufen könne, bei einem anderen Arbeitgeber als dem Land Niedersachsen erworben worden sei und daher nicht vollständig angerechnet werden könne.

WN erhob gegen diese Entscheidung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erster Instanz, der stattgegeben wurde und zu einer Überprüfung der Einstufung der Betroffenen führte. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts hatte WN geltend gemacht, dass ihre Einstufung in Stufe 3 dieser Entgeltgruppe fehlerhaft sei, weil die fehlende vollständige Berücksichtigung ihrer in Frankreich erworbenen Berufserfahrung eine Ungleichbehandlung darstelle, die gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße. Das Landesarbeitsgericht (Deutschland) gab der vom Land Niedersachsen eingelegten Berufung statt und hob das erstinstanzliche Urteil auf. WN legte daraufhin Revision zum Bundesarbeitsgericht (Deutschland) ein und beantragt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Da das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 dahin gehend auszulegen, dass sie einer Regelung wie der in § 16 Abs. 2 TV-L getroffenen entgegenstehen, wonach die bei dem bisherigen Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung bei der Zuordnung zu den Stufen eines tariflichen Entgeltsystems nach der Wiedereinstellung privilegiert wird, indem diese Berufserfahrung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L uneingeschränkt anerkannt wird, während die bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nur mit höchstens drei Jahren berücksichtigt wird, wenn diese Privilegierung durch Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung unionsrechtlich geboten ist?

 

Zur Vorlagefrage

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Aus diesem Blickwinkel obliegt es dem Gerichtshof gegebenenfalls, die ihm gestellten Fragen umzuformulieren. Der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung seiner Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 28. März 2019, Cogeco Communications, C‑637/17, EU:C:2019:263, Rn. 35).

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung unterschiedslos auf sämtliche von einem Bundesland eingestellte Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit anwendbar ist. Sie begründet aber eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer nach Maßgabe des Arbeitgebers, bei dem die Berufserfahrung erworben wurde.

Im Unterschied zu der Rechtssache, in der das Urteil vom 5. Dezember 2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken (C‑514/12, EU:C:2013:799), ergangen ist, in dem die in Rede stehende nationale Maßnahme vom Land Salzburg (Österreich) eingestellte Ärzte und Angehörige von Gesundheitsberufen aus anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich betraf, geht im vorliegenden Fall aus der Vorlageentscheidung hervor, dass WN deutsche Staatsangehörige ist, die sich, bevor sie als Lehrerin an einer Schule des Landes Niedersachsen eingestellt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat aufhielt und dort an verschiedenen Schulen und Gymnasien unterrichtete. Somit lassen die dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht die Annahme zu, dass WN eine Arbeitnehmerin ist, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats ist und wegen ihrer Staatsangehörigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen anders behandelt wurde.

In diesem Kontext kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Ausgangsverfahren durch das Vorliegen einer auf der Staatsangehörigkeit beruhenden Diskriminierung im Sinne von Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 gekennzeichnet ist.

Daher ist in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht gemachten Angaben die Vorlagefrage umzuformulieren, um dem vorlegenden Gericht sachdienliche Auslegungshinweise zu geben.

Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass sich das Bundesarbeitsgericht in Wirklichkeit die Frage stellt, ob Art. 45 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der für die Ermittlung der Höhe des Entgelts eines bei einer Gebietskörperschaft als Lehrer beschäftigten Arbeitnehmers die einschlägigen Vordienstzeiten, die von diesem Arbeitnehmer bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, nur im Umfang von insgesamt bis zu drei Jahren angerechnet werden.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit sowie die Bestimmungen der Verordnung Nr. 492/2011 den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Angehörigen der Mitgliedstaaten benachteiligen könnten, wenn sie eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 40).

Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten haben insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten. Folglich steht Art. 45 AEUV jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift verbürgten Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 41).

Eine nationale Regelung, die nicht alle in einem anderen als dem Herkunftsmitgliedstaat des Wanderarbeitnehmers zurückgelegten gleichwertigen Vordienstzeiten anrechnet, ist nämlich geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen Art. 45 Abs. 1 AEUV weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 74, und vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 54).

In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass nach § 16 Abs. 2 TV-L die einschlägige Berufserfahrung einer vom Land Niedersachsen eingestellten Person, die bei anderen Arbeitgebern als dieser Gebietskörperschaft erworben wurde, nur teilweise angerechnet wird.

Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, ist, wenn es speziell um die teilweise Anrechnung der einschlägigen Berufserfahrung geht, eine gleichwertige Berufserfahrung auf der einen Seite von jeder anderen Art von Berufserfahrung, die für die Ausübung der Tätigkeit als Lehrer nützlich ist, auf der anderen Seite zu unterscheiden (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 51).

Was die gleichwertige Berufserfahrung betrifft, ist festzustellen, dass deutsche Wanderarbeitnehmer – einschließlich derjenigen, die aus Niedersachsen stammen –, die beabsichtigen, mehr als drei Jahre eine Tätigkeit als Lehrer oder eine vergleichbare Tätigkeit an einer oder mehreren Schulen oder vergleichbaren Einrichtungen außerhalb dieses Bundeslands oder in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, davon abgehalten werden, dies zu tun. So werden diese Arbeitnehmer insbesondere dann davon abgehalten, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Tätigkeit als Lehrer oder eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, wenn bei ihrer Rückkehr nach Niedersachsen trotz im Wesentlichen gleicher Arbeit in diesem anderen Mitgliedstaat bei ihrer Entgelteinstufung durch das Land Niedersachsen nicht die gesamte gleichwertige Berufserfahrung angerechnet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 74, und vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 47).

Im vorliegenden Fall hätte die Anrechnung der gesamten gleichwertigen Berufserfahrung, die von deutschen Wanderarbeitnehmern einschließlich derjenigen aus Niedersachsen an einer Schule oder einer gleichwertigen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland erworben wurde, zur Folge, dass für diese Arbeitnehmer, die mehr als drei Jahre eine Tätigkeit als Lehrer oder eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben, für die Zwecke ihrer Entgelteinstufung dieselben Bedingungen gälten wie für die Arbeitnehmer des Landes Niedersachsen, die den Beruf als Lehrer während gleich langer Beschäftigungszeiten an Schulen dieses Bundeslands ausüben. Daher ist die Annahme gerechtfertigt, dass es sich hierbei um einen Aspekt handelt, der für die Arbeitnehmer von Relevanz ist, wenn es um die Entscheidung geht, sich um eine Stelle als Lehrer an Schulen in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland zu bewerben und ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 49).

Dagegen ist die Anrechnung der gesamten Berufserfahrung, die, ohne gleichwertig zu sein, für die Ausübung der Tätigkeit als Lehrer schlicht nützlich ist, nach dem in Art. 45 AEUV aufgestellten Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht erforderlich, da es ihrer nicht bedarf, um sicherzustellen, dass für die vom Land Niedersachsen beschäftigten Arbeitnehmer, die nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, und diejenigen, die davon Gebrauch gemacht haben, für die Zwecke ihrer Entgelteinstufung dieselben Bedingungen gelten. Die Annahme, dass ein Arbeitnehmer, dessen gesamte gleichwertige Berufserfahrung, die er in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat erwerben kann, bei seiner anfänglichen Entgelteinstufung als Lehrer an einer Schule des Landes Niedersachsen angerechnet wird, davon abgehalten würde, seinen Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, wenn alle anderen Arten von Berufserfahrung, die er in diesem anderen Mitgliedstaat erwerben kann, sämtlich nicht angerechnet würden, würde sich nämlich augenscheinlich auf eine Gesamtheit von Umständen stützen, die zu ungewiss und zu indirekt sind, um von einer Behinderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgehen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 50).

Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass nach den nationalen Vorschriften, die eng auszulegen sind, die von WN in Frankreich erworbene Berufserfahrung vom Land Niedersachsen als Berufserfahrung anerkannt wurde, die im Rahmen einer Tätigkeit erworben wurde, die derjenigen, für die sie von diesem Bundesland eingestellt wurde, im Wesentlichen gleichwertig war.

Folglich ist eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, sofern sie nicht sämtliche gleichwertige Vordienstzeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat eines Wanderarbeitnehmers zurückgelegt wurden, berücksichtigt, geeignet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit unter Verstoß gegen Art. 45 Abs. 1 AEUV weniger attraktiv zu machen, und stellt damit eine Beeinträchtigung dieser Freiheit dar.

Eine solche Maßnahme ist nur dann zulässig, wenn mit ihr eines der im AEU-Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 55).

Was als Erstes die Frage betrifft, ob diese Maßnahme mit dem Ziel gerechtfertigt werden kann, die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern sicherzustellen, führt das vorlegende Gericht aus, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L auf den Fall der Wiedereinstellung von befristet Beschäftigten durch denselben Arbeitgeber zugeschnitten sei. Die nationale Bestimmung bezwecke, Arbeitnehmern bei wiederholten Befristungen den Stufenaufstieg zu ermöglichen. § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, mit dem Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung durchgeführt werde, sei dafür geschaffen, dass befristet und unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer in Bezug auf die Anerkennung ihres Dienstalters gleich behandelt würden.

Hierzu ist festzustellen, dass aus den Akten hervorgeht, dass nach § 16 Abs. 2 TV-L die Anrechnung der gesamten erworbenen gleichwertigen Berufserfahrung keineswegs den Personen vorbehalten ist, die ihre Berufserfahrung im Rahmen befristeter Arbeitsverträge erworben haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Person, die ihren unbefristeten Arbeitsvertrag, den sie mit dem Land Niedersachsen geschlossen hatte, kündigt, vor dem Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des neuen beschließt, wieder einen Arbeitsvertrag mit diesem Bundesland zu schließen, und in den Genuss der in § 16 Abs. 2 TV-L vorgesehenen Regel kommen kann.

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, ob das Arbeitsverhältnis von WN in Frankreich unbefristet war oder nicht. Allerdings ist dieser tatsächliche Gesichtspunkt nicht von Belang. Für WN gilt nämlich beim Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Land Niedersachsen jedenfalls die in § 16 Abs. 2 TV-L vorgesehene Obergrenze, während bei einem Arbeitnehmer, der eine der Tätigkeit von WN gleichwertige Tätigkeit im Rahmen eines früheren Arbeitsverhältnisses mit dem Land Niedersachsen ausgeübt hat, beim Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit diesem Bundesland unabhängig von der befristeten oder unbefristeten Dauer seines alten Arbeitsvertrags seine gesamte gleichwertige Berufserfahrung angerechnet würde.

Um die Gleichbehandlung von befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern sicherzustellen, ist es im Übrigen nicht erforderlich, die gleichwertige Berufserfahrung der Arbeitnehmer, die für einen anderen Arbeitgeber gearbeitet haben, teilweise auszuschließen. Außerdem verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung keineswegs, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer im Vergleich zu einer solch anderen Kategorie von Arbeitnehmern bevorzugt werden.

Als Zweites machen das Land Niedersachsen und die deutsche Regierung als Rechtfertigung geltend, dass die beim selben Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung dem betreffenden Arbeitnehmer erlaube, seine Leistungen besser zu erbringen. Um die Lohngerechtigkeit sicherzustellen, könne dieser Vorteil somit dadurch belohnt werden, dass den Arbeitnehmern, die über eine solche Berufserfahrung verfügten, ein höheres Entgelt gezahlt werde.

Hierzu genügt der Hinweis, dass aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, dass die von WN in Frankreich erworbene Berufserfahrung vom Land Niedersachsen als eine Berufserfahrung anerkannt wurde, die im Rahmen einer Tätigkeit erworben wurde, die derjenigen, die sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses mit diesem Bundesland auszuüben hat, im Wesentlichen gleichwertig war. Da im vorliegenden Fall diese Erfahrung als der an Schulen des Landes Niedersachsen erworbenen Erfahrung im Wesentlichen gleichwertig angesehen wurde, ist die Tatsache, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurde, nicht geeignet, die Begrenzung der Anrechnung zu rechtfertigen. Bei einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die eine begrenzte Anrechnung der gleichwertigen Berufserfahrung vorsieht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie auf die umfassende Anrechnung dieser Erfahrung abzielt, so dass diese Maßnahme nicht geeignet ist, die Verwirklichung des genannten Ziels zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C‑24/17, EU:C:2019:373, Rn. 88).

Als Drittes machen das Land Niedersachsen und die deutsche Regierung geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme durch das Ziel der Bindung der Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber gerechtfertigt sei. Im Rahmen dieses Vorbringens fügt die deutsche Regierung hinzu, dass im Unterschied zu der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513), ergangen sei, in der verschiedene österreichische Universitäten untereinander konkurriert hätten, im Ausgangsverfahren bestimmte Arbeitsbedingungen wie der Lehrstoff und die Bezahlung an allen staatlichen niedersächsischen Schulen gleich seien. Daraus folge, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung geeignet sei, die Verwirklichung des Ziels der Bindung der Arbeitnehmer zu gewährleisten.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es in der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513), ergangen ist, in der dritten Frage des vorlegenden Gerichts u. a. darum ging, ob eine spezielle von den österreichischen Rechtsvorschriften vorgesehene Dienstalterszulage als Prämie angesehen werden konnte, mit der die Treue der österreichischen Universitätsprofessoren zu ihrem einzigen Arbeitgeber, nämlich dem österreichischen Staat, belohnt werden sollte. Wie auch in jener Rechtssache sind im Ausgangsverfahren die Lehrer staatlicher Schulen zwar Beschäftigte eines einzigen Arbeitgebers, nämlich des Landes Niedersachsen, doch sind sie auf verschiedene staatliche Schulen innerhalb dieses Bundeslands verteilt.

In diesem Kontext ist zum einen festzustellen, dass selbst unter der Annahme, dass bestimmte Arbeitsbedingungen wie der Lehrstoff und die Bezahlung an allen staatlichen niedersächsischen Schulen gleich sind, nicht ausgeschlossen werden kann, dass es andere Bedingungen wie z. B. den Ruf dieser Schulen gibt, die Konkurrenz zwischen ihnen schaffen können. Jedenfalls konkurrieren diese Schulen auf dem Arbeitsmarkt für Lehrer staatlicher Schulen mit den Schulen anderer Gebietskörperschaften, anderer Mitgliedstaaten sowie Drittländern.

Daher ist entgegen dem in Rn. 41 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Vorbringen des Landes Niedersachsen und der deutschen Regierung die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme nicht geeignet, die Treue eines Lehrers zu fördern, da ihm seine entsprechend seiner Berufserfahrung bestimmte Bezahlung auch dann geschuldet wird, wenn er die Schule innerhalb dieses Bundeslands wechselt (vgl. entsprechend Urteil vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 84, und Beschluss vom 10. März 2005, Marhold, C‑178/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:164, Rn. 36).

Zum anderen ist eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet, sich auf die Entscheidung der Lehrer zwischen einer Stelle an einer Schule des Landes Niedersachsen und einer Stelle an einer außerhalb dieses Bundeslands oder einer außerhalb der Bundesrepublik Deutschland liegenden Schule auszuwirken (vgl. entsprechend Urteil vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 85, und Beschluss vom 10. März 2005, Marhold, C‑178/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:164, Rn. 37).

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung führt somit zu einer Abschottung des Arbeitsmarkts für Lehrer in Niedersachsen und läuft dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zuwider (vgl. entsprechend Urteil vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 86, und Beschluss vom 10. März 2005, Marhold, C‑178/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:164, Rn. 38).

In Anbetracht der besonderen Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung, die sie beinhaltet, im vorliegenden Fall nicht mit dem Ziel der Bindung der Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber gerechtfertigt werden kann.

Als Viertes macht das Land Niedersachsen geltend, dass die Anerkennung der gesamten bei demselben Arbeitgeber erworbenen Berufserfahrung die Arbeitnehmer zur Rückkehr bewege, die eine solche Erfahrung erworben hätten und die von diesem Arbeitgeber innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses wieder eingestellt würden.

Hierzu ist festzustellen, dass WN, wie aus Rn. 11 des vorliegenden Urteils hervorgeht, weniger als sechs Monate nach dem Ende ihres vorherigen Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber vom Land Niedersachsen als Lehrerin eingestellt wurde.

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung enthält zwei Gesichtspunkte, nämlich erstens die vollständige Anrechnung der Beschäftigungszeiten, die im Dienst der Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, und zweitens den Ausschluss eines Teils der gleichwertigen Berufserfahrung, die bei einem anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft erworben wurde. Das Land Niedersachsen macht geltend, dass die vollständige Anrechnung der im Dienst der Gebietskörperschaft zurückgelegten Beschäftigungszeiten die Arbeitnehmer nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zur Rückkehr bewege, es erläutert aber nicht, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die Begrenzung der Anrechnung der gleichwertigen Berufserfahrung, die bei einem anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft erworben wurde, zur Rückkehr in den Dienst dieses Bundeslands beiträgt.

Jedenfalls bewegt eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die einen Teil der gleichwertigen Berufserfahrung ausschließt, die bei einem anderen Arbeitgeber als der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gebietskörperschaft oder bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber erworben wurde, ihrer Art nach nicht die Arbeitnehmer zur Rückkehr, die Erfahrung bei dieser Gebietskörperschaft gesammelt haben. Sie hindert sie vielmehr daran, eine gleichwertige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, zu erwerben. Daraus folgt, dass diese Maßnahme nicht als geeignet angesehen werden kann, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 45 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der für die Ermittlung der Höhe des Entgelts eines bei einer Gebietskörperschaft als Lehrer beschäftigten Arbeitnehmers die Vordienstzeiten, die von diesem Arbeitnehmer bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, nur im Umfang von insgesamt bis zu drei Jahren angerechnet werden, wenn diese Tätigkeit derjenigen gleichwertig ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit als Lehrer auszuüben hat.

 

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 45 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Ermittlung der Höhe des Entgelts eines als Lehrer bei einer Gebietskörperschaft beschäftigten Arbeitnehmers die Vordienstzeiten, die von diesem Arbeitnehmer bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, nur im Umfang von insgesamt bis zu drei Jahren berücksichtigt, wenn diese Tätigkeit derjenigen gleichwertig ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit als Lehrer auszuüben hat.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen