Europäischer Gerichtshof

Urteil vom - Az: C-539/12

Provisionen fließen auch in das Urlaubsentgelt

Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Setzt sich das Gehalt des Arbeitnehmers aus einem Grundgehalt sowie Provisionen zusammen, so müssen die Provisionen bei der Bemessung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden.

Es gilt folgender Grundsatz:
Jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung seines Gesamtentgelts eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, muss zwingend Teil des Betrags sein, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat.
Dagegen müssen Bestandteile des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers, die ausschließlich gelegentlich anfallende Kosten oder Nebenkosten decken sollen, die bei der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben entstehen, bei der Berechnung der während des Jahresurlaubs zu entrichtenden Zahlung nicht berücksichtigt werden.

Hier: Da die von Herrn Lock bezogene Provision (für den Verkauf von Energieprodukten) unmittelbar mit seiner Tätigkeit im Unternehmen verbunden ist, besteht zwischen der monatlichen Provision und der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben ein innerer Zusammenhang. Folglich ist eine solche Provision bei der Berechnung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1.      Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen und Praktiken entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt sich aus einem Grundgehalt und einer Provision zusammensetzt, deren Höhe sich nach den Verträgen bemisst, die vom Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer getätigten Verkäufe geschlossen wurden, hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs nur Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat, das ausschließlich aus seinem Grundgehalt besteht.

2.      Die Methoden der Berechnung der Provision, auf die ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat, sind vom nationalen Gericht anhand der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Regeln und Kriterien und im Licht des mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgten Ziels zu beurteilen.

 

Tatbestand

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Lock und seinem Arbeitgeber, der British Gas Trading Limited (im Folgenden: British Gas), über das während seines bezahlten Jahresurlaubs bezogene Arbeitsentgelt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Art. 7 („Jahresurlaub“) der Richtlinie 2003/88 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2)      Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

Recht des Vereinigten Königreichs

Die Arbeitszeitverordnung von 1998 (Working Time Regulations 1998) bestimmt:

„Section 16 - Entgelt hinsichtlich Zeitabschnitten des Urlaubs

(1)       Ein Arbeitnehmer hat hinsichtlich jedes Zeitabschnitts des Jahresurlaubs, auf den er ... Anspruch hat, Anspruch auf ein Entgelt in Höhe eines Wochenlohns für jede Urlaubswoche.

(2)       Bei der Bestimmung der Höhe des Wochenlohns im Sinne dieser Regulation finden die Sections 221 bis 224 des Gesetzes von 1996 [über Arbeitnehmerrechte (Employment Rights Act 1996)] Anwendung.“

Dieses Gesetz von 1996 bestimmt in Section 221:

„221. - Allgemeines

(1)       Diese Section [findet] Anwendung, soweit für einen Arbeitnehmer in einem zum Berechnungsstichtag in Kraft befindlichen Arbeitsvertrag keine gewöhnlichen Arbeitsstunden vorgesehen sind.

(2)       ... soweit sich der Lohn des Arbeitnehmers für eine Beschäftigung während gewöhnlicher Arbeitsstunden ... nicht in Abhängigkeit von dem in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitsvolumen ändert, ...

(3)       ... soweit sich der Lohn des Arbeitnehmers für eine Beschäftigung während gewöhnlicher Arbeitsstunden ... in Abhängigkeit vom Arbeitsvolumen in diesem Zeitraum ändert, gilt als Wochenlohn der Lohn für die Anzahl der gewöhnlichen Arbeitsstunden in einer Woche, berechnet nach dem durchschnittlichen Stundenlohn, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Zwölfwochenzeitraum zu zahlen hat ...

(4)      In dieser Section umfasst der Begriff ‚Lohn, der sich in Abhängigkeit vom Arbeitsvolumen ändert‘ auch Provisionen oder ähnliche der Höhe nach veränderliche Entgelte.“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Herr Lock ist seit dem Jahr 2010 bei British Gas im Innendienst als Verkaufsberater in der Energiesparte („Internal Energy Sales Consultant“) beschäftigt. Seine Aufgabe ist es, Geschäftskunden zum Erwerb der Energieprodukte seines Arbeitgebers zu bewegen.

Sein Arbeitsentgelt setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen. Die erste besteht aus einem Grundgehalt und die zweite aus einer Provision. Im streitigen Zeitraum entsprach das Grundgehalt einem Festbetrag von monatlich 1 222,50 GBP.

Die ebenfalls monatlich ausgezahlte Provision ist variabel. Sie bemisst sich nach den tatsächlich erzielten Verkäufen und hängt somit nicht von der aufgewendeten Arbeitszeit, sondern von dem Ergebnis dieser Arbeit, d. h. von Anzahl und Art der von British Gas neu geschlossenen Verträge, ab. Die Provision wird nicht zum Zeitpunkt der Verrichtung der Arbeit ausgezahlt, die den Provisionsanspruch begründet, sondern mehrere Wochen oder Monate nach Abschluss des Kaufvertrags mit British Gas.

Herr Lock befand sich vom 19. Dezember 2011 bis zum 3. Januar 2012 in bezahltem Jahresurlaub.

In diesem Dezember setzte sich sein Arbeitsentgelt aus dem Grundgehalt von 1 222,50 GBP und einer Provision in Höhe von 2 350,31 GBP zusammen, die er im Lauf der vorhergehenden Wochen verdient hatte. Im Jahr 2011 bezog Herr Lock eine monatliche Provision in Höhe von durchschnittlich 1 912,67 GBP.

Da Herr Lock während seines Jahresurlaubs keine Arbeit verrichtete, konnte er in diesem Zeitraum weder neue Verkäufe tätigen noch mögliche Verkäufe weiterverfolgen. Infolgedessen konnte er in diesem Zeitraum keine Provision verdienen. Da sich dieser Umstand nachteilig auf das Gehalt auswirkte, das Herr Lock in den auf diesen Jahresurlaub folgenden Monaten erhielt, beschloss dieser, beim vorlegenden Gericht Klage wegen ausstehenden Entgelts für bezahlten Jahresurlaub („holiday pay“) für den Zeitraum vom 19. Dezember 2011 bis zum 3. Januar 2012 zu erheben.

Unter diesen Umständen hat das Employment Tribunal Leicester beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Wenn

-        sich das Jahresarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers aus einem Grundgehalt und aus Provisionszahlungen zusammensetzt, die aufgrund eines vertraglichen Provisionsanspruchs geleistet werden,

-        sich die Provision nach den Verkäufen und Verträgen bemisst, die der Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit tätigt bzw. abschließt,

-        die Provision rückwirkend gezahlt wird und die Höhe der in einem bestimmten Referenzzeitraum erhaltenen Provision je nach dem Wert der getätigten Verkäufe und der geschlossenen Verträge sowie nach dem Zeitpunkt der Verkaufsgeschäfte variiert,

-        der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs keine Arbeit verrichtet, die einen Anspruch auf solche Provisionszahlungen begründet, und dementsprechend in dieser Zeit keine Provision verdient,

-        der Arbeitnehmer im Entgeltabrechnungszeitraum, der einen Jahresurlaubszeitabschnitt umfasst, Anspruch auf das Grundgehalt hat und weiterhin Provisionszahlungen für zuvor verdiente Provisionen erhält und

-        sein im Lauf des Jahres erzieltes durchschnittliches Provisionseinkommen niedriger ist, als es ohne die Inanspruchnahme von Urlaub wäre, weil er während des Urlaubs keine Arbeit verrichtet, die einen Provisionsanspruch begründet,

haben dann die Mitgliedstaaten nach Art. 7 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) in der durch die Richtlinie 2003/88 geänderten Fassung Maßnahmen zu treffen, damit ein Arbeitnehmer hinsichtlich der Zeiten des Jahresurlaubs eine Bezahlung erhält, die sich nach den Provisionen, die er ohne Inanspruchnahme des Urlaubs verdient hätte, sowie nach seinem Grundgehalt bemisst?

2.      Welche Grundsätze sind für die Beantwortung der ersten Frage maßgebend?

3.      Falls die erste Frage zu bejahen ist: Welche Grundsätze haben die Mitgliedstaaten gegebenenfalls bei der Berechnung der Beträge zu beachten, die dem Arbeitnehmer unter Zugrundelegung der Provision zu zahlen sind, die der Arbeitnehmer ohne Inanspruchnahme des Jahresurlaubs verdient hätte oder hätte verdienen können?

 

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Bestimmungen und Praktiken entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt sich aus einem Grundgehalt und einer Provision zusammensetzt, deren Höhe sich nach den Verträgen bemisst, die vom Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer getätigten Verkäufe geschlossen wurden, hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs nur Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat, das ausschließlich aus seinem Grundgehalt besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 93/104, die durch die Richtlinie 2003/88 kodifiziert wurde, selbst ausdrücklich gezogen sind (vgl. Urteil KHS, C-214/10, EU:C:2011:761, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Recht ist im Übrigen in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankert, der in Art. 6 Abs. 1 EUV derselbe rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird.

In diesem Kontext ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88 im Licht seines Wortlauts und des mit ihm verfolgten Ziels auszulegen.

Zwar enthält Art. 7 der Richtlinie 2003/88 keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Entgelt, auf das der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat, doch hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass der Ausdruck „bezahlter [J]ahresurlaub“ in Art. 7 Abs. 1 bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des „Jahresurlaubs“ im Sinne dieser Richtlinie weiterzugewähren ist und dass der Arbeitnehmer mit anderen Worten für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss (vgl. Urteile Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 50, sowie Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 58).

Die Richtlinie 2003/88 behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und den auf Zahlung des Urlaubsentgelts nämlich als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch die Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (vgl. Urteile Robinson-Steele u. a., EU:C:2006:177, Rn. 58, sowie Schultz-Hoff u. a., EU:C:2009:18, Rn. 60).

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung machen British Gas und die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, dass nach den nationalen Bestimmungen und Praktiken das Ziel von Art. 7 der Richtlinie 2003/88, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wird, erreicht sei, da der Kläger des Ausgangsverfahrens während seines bezahlten Jahresurlaubs ein Entgelt erhalten habe, das mit dem in den Zeiten, in denen er arbeite, vergleichbar sei. Er habe nämlich im Urlaubszeitraum nicht nur über sein Grundgehalt, sondern auch über die Provision aufgrund der Verkäufe verfügt, die er in den Wochen vor dem Urlaubszeitraum getätigt habe.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2003/88, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wird, scheinen zwar durch die nationalen Bestimmungen und Praktiken insoweit eingehalten zu sein, als der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs über einen Gesamtbetrag verfügt, der mit dem in Zeiten, in denen er arbeitet, bezogenen vergleichbar ist. Dieser hinsichtlich sowohl seines Jahresurlaubs als auch der von ihm in den Wochen vor seinem Jahresurlaub getätigten Verkäufe gezahlte Betrag ermöglicht es dem Arbeitnehmer, den Urlaub, auf den Anspruch hat, tatsächlich zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Robinson-Steele u. a., EU:C:2006:177, Rn. 49).

Es ist jedoch zu bedenken, dass der Arbeitnehmer trotz des Entgelts, über das er in dem Zeitraum verfügt, in dem er den Jahresurlaub tatsächlich nimmt, möglicherweise aufgrund des finanziellen Nachteils, der zwar hinausgeschoben ist, den er jedoch in der auf den Jahresurlaub folgenden Zeit tatsächlich erleidet, davon absieht, sein Recht auf Jahresurlaub auszuüben.

Wie nämlich British Gas in der Sitzung eingeräumt hat, verdient der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs keine Provision. Daher erhält er, wie aus Rn. 8 des vorliegenden Urteils hervorgeht, in der auf seinen Jahresurlaub folgenden Zeit nur ein auf sein Grundgehalt reduziertes Arbeitsentgelt. Dieser finanzielle Nachteil kann sich, wie der Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dahin auswirken, dass davon abgesehen wird, den Urlaub tatsächlich zu nehmen, was in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Provision im Durchschnitt mehr als 60 % des vom Arbeitnehmer bezogenen Arbeitsentgelts ausmacht, umso wahrscheinlicher ist.

Eine solche Verringerung des Arbeitsentgelts eines Arbeitnehmers hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs, aufgrund deren er möglicherweise davon absieht, sein Recht auf diesen Urlaub tatsächlich auszuüben, verstößt gegen das mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgte Ziel (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Williams u. a., C-155/10, EU:C:2011:588, Rn. 21). Dass die Verringerung des Arbeitsentgelts, wie im Ausgangsverfahren, in der Zeit nach dem Jahresurlaub eintritt, ist dabei unerheblich.

Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Bestimmungen und Praktiken entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt sich aus einem Grundgehalt und einer Provision zusammensetzt, deren Höhe sich nach den Verträgen bemisst, die vom Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer getätigten Verkäufe geschlossen wurden, hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs nur Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat, das ausschließlich aus seinem Grundgehalt besteht.

Zur dritten Frage

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste Frage Art. 7 der Richtlinie 2003/88 Hinweise auf die Methoden der Berechnung der Provision entnehmen lassen, auf die ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat, und gegebenenfalls, welche dies sind.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass das hinsichtlich des Urlaubs gezahlte Arbeitsentgelt grundsätzlich so bemessen sein muss, dass es mit dem gewöhnlichen Entgelt des Arbeitnehmers übereinstimmt (vgl. Urteil Williams u. a., EU:C:2011:588, Rn. 21).

Besteht das vom Arbeitnehmer bezogene Entgelt aus mehreren Bestandteilen, erfordert die Bestimmung des gewöhnlichen Entgelts, auf das der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat, eine spezifische Prüfung (vgl. Urteil Williams u. a., EU:C:2011:588, Rn. 22).

Wie in Rn. 7 des vorliegenden Urteils angegeben, ist dies beim Arbeitsentgelt von Herrn Lock der Fall. Dieser Arbeitnehmer bezieht nämlich als bei einem Handelsunternehmen angestellter Verkaufsberater ein Entgelt, das aus einem monatlichen festen Gehalt und einer variablen Provision im Zusammenhang mit den Verträgen besteht, die vom Arbeitgeber aufgrund der von Herrn Lock getätigten Verkäufe abgeschlossen werden.

Im Rahmen einer spezifischen Prüfung im Sinne der angeführten Rechtsprechung steht fest, dass jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein muss, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat (vgl. Urteil Williams u. a., EU:C:2011:588, Rn. 24).

Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass alle diejenigen Bestandteile des Gesamtentgelts, die an die persönliche und berufliche Stellung des Arbeitnehmers anknüpfen, während seines bezahlten Jahresurlaubs fortzuzahlen sind. Daher sind gegebenenfalls die Zulagen, die an seine leitende Position, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und an seine beruflichen Qualifikationen anknüpfen, fortzuzahlen (vgl. in diesem Sinne Urteile Parviainen, C-471/08, EU:C:2010:391, Rn. 73, sowie Williams u. a., EU:C:2011:588, Rn. 27).

Dagegen müssen nach dieser Rechtsprechung Bestandteile des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers, die ausschließlich gelegentlich anfallende Kosten oder Nebenkosten decken sollen, die bei der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben entstehen, bei der Berechnung der während des Jahresurlaubs zu entrichtenden Zahlung nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil Williams u. a., EU:C:2011:588, Rn. 25).

Im Ausgangsverfahren ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 31 bis 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die von Herrn Lock bezogene Provision unmittelbar mit dessen Tätigkeit in seinem Unternehmen verbunden. Daher besteht zwischen der monatlichen Provision, die Herr Lock erhält, und der Erfüllung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben ein innerer Zusammenhang.

Folglich ist eine solche Provision bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigen, auf das ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat.

Unter diesen Umständen ist es Sache des nationalen Gerichts, im Licht der in der erwähnten Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zu beurteilen, ob die Methoden der Berechnung der einem Arbeitnehmer wie dem Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs geschuldeten Provision auf der Grundlage eines Mittelwerts aus einem nach dem nationalen Recht als repräsentativ geltenden Referenzzeitraum dem mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgten Ziel entsprechen.

Infolgedessen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Methoden der Berechnung der Provision, auf die ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat, vom nationalen Gericht anhand der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Regeln und Kriterien und im Licht des mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgten Ziels zu beurteilen sind.

 

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.



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