Insolvenz des Arbeitgebers

I. Was ist damit gemeint?
II. Folgen für den Arbeitnehmer

I. Was ist damit gemeint?

Das Insolvenzverfahren wird auf Antrag eröffnet, wenn der Arbeitgeber1 (drohend) zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Im Insolvenzverfahren wird das Vermögen des Arbeitgebers von einem Dritten, dem Insolvenzverwalter, verwaltet. Dieser tritt außerdem in die Rechtsstellung als Arbeitgeber ein. Er wird also Inhaber aller Rechte und Pflichten, die dem bisherigen Arbeitgeber zustanden.

Beispiele: Lohnforderungen müssen an den Insolvenzverwalter gestellt werden; eine arbeitgeberseitige Kündigung darf nur der Insolvenzverwalter aussprechen.

II. Welche Folgen hat das für den Arbeitnehmer?

Die (drohende) Insolvenz des Arbeitgebers führt meist zu Kündigungen im Betrieb. Denn aufgrund der erwarteten Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers können auch Löhne/Gehälter nicht mehr gezahlt werden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht sogar ein erleichtertes Kündigungsrecht des Arbeitgebers bzw. des Insolvenzverwalters.

Arbeitnehmer müssen außerdem damit rechnen, offene Gehaltsforderungen nicht erfüllt zu bekommen. Denn im Insolvenzverfahren wird das Vermögen des Arbeitgebers unter allen (!) seinen Gläubigern aufgeteilt.

Gut zu wissen: Für die letzten 3 Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten Arbeitnehmer Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur. Soweit ihnen also in dieser Zeit kein Gehalt gezahlt wurde, bekommen sie dieses von der Arbeitsagentur in voller Höhe erstattet.


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird innerhalb dieses Textes das geschlechtsneutral zu verstehende generische Maskulinum als Formulierungsvariante verwendet.

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Kündigungsunterzeichnung ist vor Massenentlassungsanzeige zulässig

Die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann erst dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind daher - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - wirksam, wenn die ordnungsgemäße Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.

(Leitsatz des Gerichts)

 

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die vom Beklagten verfasste Massenentlassungsanzeige ging am 26. Juni 2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für Arbeit ein. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers sowie die Arbeitsverhältnisse der anderen noch 44 beschäftigten Arbeitnehmer ordentlich zum 30. September 2017. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 27. Juni 2017 zu. Der Kläger wandte sich gegen die Wirksamkeit seiner Kündigung und berief sich u.a. auf die Rechtsprechung des EuGH. Hiernach habe der Beklagte die Massenentlassungsanzeige noch vor der Kündigungsentscheidung bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Demnach dürfe die Kündigungserklärung erst dann unterschrieben werden, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Der Beklagte habe insofern die Kündigung zu früh unterzeichnet, weshalb die Kündigung unwirksam sei.

Nachdem die Vorinstanzen die Auffassung des betroffenen Arbeitnehmers bestätigten, hatte die Revision des Beklagten vor dem BAG Erfolg und führte zur Zurückweisung des Rechtsstreits an das LAG. Eine frühzeitige Kündigungsunterzeichnung vor Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Behörde führe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hintergrund einer Anzeigepflicht liege darin, dass die Agentur für Arbeit über eine bevorstehende Massenentlassung rechtzeitig unterrichtet werde, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorzubereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Insoweit verfolge das Anzeigeverfahren rein beschäftigungspolitische Zwecke. Auf die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers kann, soll und will die Agentur für Arbeit – anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens - keinen Einfluss nehmen. Die Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit sei streng von der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats zu trennen, da es sich hierbei um zwei verschiedene Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen handle. Aus diesem Grund müssen Arbeitgeber mit dem Vorbereiten und Unterzeichnen von Kündigungen nicht bis zur Eingangsbestätigung der Massenentlassungsanzeige durch die Agentur für Arbeit warten. Dementsprechend dürfen Kündigungserklärungen bereits unterschrieben werden, die allerdings den Arbeitnehmern erst dann zugehen dürfen, wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Da das BAG die Wirksamkeit der Kündigung nicht abschließend feststellen konnte, habe das LAG aufzuklären, ob das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet wurde und ob die Massenentlassungsanzeige den Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügt.

(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 21. August 2018 - 12 Sa 17/18 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer als Teil einer Massenentlassung erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der P Produktionsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden Schuldnerin) erklärt hat.

Der Kläger war seit 1978 bei der Kommanditistin der Schuldnerin als Gussputzer beschäftigt. Zum 1. Januar 2004 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Schuldnerin über. Deren einzige Auftraggeberinnen waren in der Folgezeit die Kommanditistin sowie deren zwei Tochtergesellschaften, für die sie Gussteile herstellte. Mit Beschluss vom 17. März 2017 ordnete das zuständige Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Schuldnerin an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Der Beklagte informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat, dem der Kläger angehörte, im April 2017 darüber, dass er keine Möglichkeit sehe, den Standort B und damit den Betrieb der Schuldnerin durch einen Betriebsübergang aufrechtzuerhalten. Die Schuldnerin habe weder Produktionsmittel noch Immobilieneigentum oder eigene Kunden. Das Aufsetzen eines Investorenprozesses sei daher von mehreren Firmen abgelehnt worden. Eine Übernahme der gesamten Unternehmensgruppe, zu der die Schuldnerin gehöre, sei von den Gesellschaftern der Gruppe abgelehnt worden. Darum sei zu befürchten, dass der Betrieb der Schuldnerin Ende Mai/Anfang Juni 2017 vollständig eingestellt werden müsse.

Im Mai 2017 übersandte der Beklagte vor dem Hintergrund einer nunmehr beabsichtigten Betriebsstilllegung zum 30. September 2017 einen ersten Entwurf eines Interessenausgleichs an den Betriebsrat. Der Entwurf enthielt unter „§ 6 Stellungnahme des Betriebsrates zu § 17 KSchG“ ua. folgende Regelung:

„Die gemäß § 17 Abs. (2) KSchG erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am … von dem Insolvenzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. (2) KSchG ist somit abgeschlossen.“

Der durch einen Gewerkschaftsvertreter sowie einen Rechtsanwalt beratene Betriebsrat übersandte seinerseits im Juni 2017 Vereinbarungsentwürfe.

Durch Beschluss vom 1. Juni 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Schuldnerin noch 45 Arbeitnehmer.

Unter dem 21. Juni 2017 übersandte der Beklagte ein Schreiben folgenden Inhalts an den Betriebsrat:

„…      

mit diesem Anschreiben möchten wir Sie im Auftrag des Insolvenzverwalters nochmals über die Situation bei der Insolvenzschuldnerin … unterrichten. Der Insolvenzverwalter selbst hat Ihnen ja bereits mündlich den Stand mitgeteilt.

…       

Die Muttergesellschaft P und A hat eine Auftragsauslastung bis Ende September 2017 zugesichert. Danach soll die Produktion gänzlich nach Sp und S verlagert werden, so dass keine weiteren Aufträge in B mehr vorhanden sind.

Deshalb ist die Betriebsschließung für die P in B leider die einzige Möglichkeit.

Ein Übernehmer, der sowohl Arbeitnehmer, als auch Gewerbeimmobilie und Maschinenpark übernommen hätte, hat sich leider nicht gefunden. Dies lag wohl hauptsächlich daran, dass die Maschinen nicht der Insolvenzschuldnerin gehörten, sondern der Muttergesellschaft.

Um nunmehr die verbliebenen 45 Mitarbeiter freizusetzen, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass bei so einer großen Anzahl von Entlassungen vorher eine Anzeige an die Bundesagentur für Arbeit durchgeführt wird. Das entsprechende Formular habe ich bereits ausgefüllt.

Ihre Stellungnahme haben Sie bereits in dem Interessenausgleich vorgenommen, sodass dieses Schreiben lediglich noch als ergänzende Information zu sehen ist.

Sollten Sie zu der Angelegenheit noch Fragen haben, steht Ihnen der Unterzeichner oder der Insolvenzverwalter Dr. E gerne zur Verfügung.

…“    

Am 22. Juni 2017 übergab der Beklagte die letzte Fassung des Interessenausgleichs an den vollzählig anwesenden Betriebsrat. Dieser zog sich gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt sowie dem Gewerkschaftssekretär zur Beratung zurück, erschien nach etwa 15 Minuten wieder und gab den unterzeichneten Interessenausgleich zurück. Der Interessenausgleich, der die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer nicht benennt, enthält ua. folgende Regelungen:

„§ 2 Gegenstand und Durchführung der Betriebsänderung       

Der Betrieb in B wird zum 30.09.2017 stillgelegt. Auf Grund der Stilllegung entfallen sämtliche Arbeitsplätze der Beschäftigten ersatzlos. Bis dahin werden die noch vorhandenen Aufträge abgearbeitet. Je nach Abwicklung der Aufträge kann der Abbau der Fertigungseinrichtung schon vor dem 30.09.2017 erfolgen.

…                   

§ 4 Weitere Beteiligungsrechte

(1) Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Betriebsrat am 22.06.2017 die Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG schriftlich eingeleitet. Im Rahmen der Anhörungsverfahren gibt der Betriebsrat folgende Stellungnahme ab:                       

Der Betriebsrat hat seine Bedenken in Bezug auf die geplante Betriebsänderung im Rahmen der Beratungen über einen Interessenausgleich vorgebracht. Im Rahmen der Anhörungsverfahren nimmt der Betriebsrat auf seine vorgebrachten Bedenken Bezug und macht diese durch diese Stellungnahme zum Gegenstand der Anhörungsverfahren; damit sind die Anhörungsverfahren beendet.       

(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat am 22.06.2017 gemäß § 17 Abs. 2 KSchG schriftlich unterrichtet. Nachfolgend haben die Betriebsparteien die Beratungen gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG durchgeführt. Es besteht Einigkeit, dass die Unterrichtung und die Beratung mit Abschluss dieser Vereinbarung abgeschlossen sind. Der Interessenausgleich bildet gleichzeitig die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG. Der Arbeitgeber wird diese Vereinbarung einer eventuell erforderlichen Anzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG als Anlage beifügen.“

Die vom Beklagten erstellte Massenentlassungsanzeige vom 22. Juni 2017, der der abgeschlossene Interessenausgleich beigefügt war, ging am Montag, den 26. Juni 2017 bei der Agentur für Arbeit ein. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers, ebenso wie diejenigen aller anderen Arbeitnehmer, mit Schreiben vom 26. Juni 2017 zum 30. September 2017. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 27. Juni 2017 zu. Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.

Mit Schreiben vom 28. März 2018 erklärte der Beklagte vorsorglich eine weitere Kündigung zum 30. Juni 2018. Diese hat der Kläger nicht angegriffen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 26. Juni 2017 sei rechtsunwirksam. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) habe der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses nachzukommen. Darum dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Das sei vorliegend nicht geschehen, so dass die Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.

Ebenso wenig sei der Betriebsrat den Vorgaben des § 17 Abs. 2 KSchG gemäß konsultiert worden. Der Beklagte habe diesen nicht schriftlich unterrichtet. Auch habe keine Beratung stattgefunden. Vielmehr sei dem Betriebsrat am 22. Juni 2017 ein Stapel Blätter übergeben worden, mit dem er sich zur Beratung zurückgezogen habe. Von den beiden Beratern des Betriebsrats sei gesagt worden, das müsse jetzt unterschrieben werden. So sei der Betriebsrat dann verfahren.

Die Kündigung sei darüber hinaus unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden sei. Ihm seien am 22. Juni 2017 keine Anhörungsbögen zu den einzelnen Kündigungen übergeben worden.

Schließlich verstoße die Kündigung gegen § 15 Abs. 4 KSchG, da eine Weiterbeschäftigung in S oder Sp möglich gewesen sei. Die dort ansässigen Tochtergesellschaften der Kommanditistin seien gemeinsam mit dieser sowie der Schuldnerin als ein einheitliches Unternehmen („P-Gruppe“) anzusehen. Auch sei aufgrund der unzureichenden Ausstattung der Schuldnerin mit Kapital und Betriebsmitteln an eine Durchgriffshaftung zu denken.

Der Kläger hat nach teilweiser Klagerücknahme in erster Instanz zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 26. Juni 2017, dem Kläger am 27. Juni 2017 zugegangen, nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat behauptet, dem Betriebsrat seien am 22. Juni 2017 die Anhörungsbögen zu allen Kündigungen, einschließlich der des Klägers, übergeben worden. Eine Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG sei mit dem Schreiben vom 21. Juni 2017 erfolgt. Der Betriebsrat sei umfassend informiert worden. Die Ergebnisse der Beratungen seien in die vom Beklagten vorgelegte Fassung des Interessenausgleichs eingearbeitet worden, der - unstreitig - hauptsächlich vom Vertreter des Betriebsrats formuliert worden sei. Die vom Betriebsrat wiederholt angeregte Gründung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) habe mangels des dazu erforderlichen Kapitals nicht realisiert werden können. Der Betriebsrat habe im Interessenausgleich ausdrücklich bestätigt, dass er am 22. Juni 2017 schriftlich unterrichtet worden sei. Jedenfalls habe ausreichend Gelegenheit bestanden, die Sache insgesamt und speziell die Frage der Stilllegung des Betriebs mit allen Konsequenzen zu beraten. Der Interessenausgleich bilde zugleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 KSchG.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Mit der von ihm angenommenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht gemäß § 134 BGB iVm. § 17 Abs. 1 KSchG als nichtig erachten. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Daher ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO)und die Sache, da der Senat die Wirksamkeit der Kündigung nicht abschließend selbst beurteilen kann, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 17 Abs. 1 KSchG angenommen. Der Beklagte hat die Massenentlassungszeige wirksam vorgenommen. Dem steht nicht entgegen, dass er im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen war und das Kündigungsschreiben unterzeichnet hatte. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - wirksam, wenn die ordnungsgemäße Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist. Auf die nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht mögliche Feststellung des genauen Zeitpunkts der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens kommt es daher nicht an.

1. Der Beklagte musste vor der Kündigung des Klägers das Massenentlassungsverfahren durchführen. Der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG maßgebliche Schwellenwert war aufgrund der beabsichtigten Kündigung aller noch vorhandenen 45 Arbeitsverhältnisse überschritten.

2. Die Massenentlassungsanzeige ist am 26. Juni 2017 bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen und damit in Bezug auf die dem Kläger am 27. Juni 2017 zugegangene Kündigung rechtzeitig erfolgt.

a) § 17 Abs. 1 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber bei richtlinienkonformem Verständnis dazu, die Anzeige vor der beabsichtigten Entlassung, das heißt der Kündigungserklärung, zu erstatten. Die Kündigung kann daher erst wirksam erklärt werden, wenn die Massenentlassungsanzeige erfolgt ist (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 17, BAGE 155, 245; vgl. EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 46 ff.; BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 25 ff., BAGE 128, 256). Anderenfalls ist die Kündigung nach § 134 BGB nichtig (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 42, BAGE 144, 366; 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37, BAGE 144, 47).

b) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft die Annahme zugrunde gelegt, dass der Kündigungsentschluss, der sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens manifestiere, wodurch - in der Diktion des Klägers - die Kündigungserklärung „konstitutiv geschaffen“ werde, vor Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit noch nicht tatsächlich gefasst worden sein darf. Die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann im Gegenteil erst dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 25. April 2019 - 21 Sa 1534/18 - zu II 1 e bb (2) der Gründe; 17. April 2019 - 15 Sa 2026/18 - zu B I 4.2 der Gründe; 29. März 2019 - 3 Sa 1253/18 - zu B I 5 c der Gründe; LAG Düsseldorf 29. März 2019 - 6 Sa 657/18 - zu A III 1 b aa ddd (5) der Gründe). Eine Kündigung kann darum schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden.

aa) Zwar ist die Kündigungserklärung des Arbeitgebers die Entlassung iSd. § 17 KSchG (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 17 ff., BAGE 117, 281). Dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige bei der Agentur für Arbeit den Kündigungsentschluss noch nicht gefasst haben darf, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 KSchG jedoch nicht.

bb) Dem entspricht die Systematik des § 17 KSchG. Im Rahmen des Anzeigeverfahrens des Absatzes 1 hat die Anzeige zu erfolgen, bevor der Arbeitgeber „entlässt“. Entlassen, dh. eine Kündigung erklären, kann der Arbeitgeber aber nur, wenn der Adressat der Kündigungserklärung zuvor feststeht. Das korrespondiert mit der Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 KSchG. Die dort geforderten Angaben insbesondere zu Zahl, Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit sowie Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer können sinnvoll nur erfolgen, wenn die betroffenen Arbeitnehmer feststehen, dh. wenn sich der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers auf bestimmte Arbeitnehmer konkretisiert hat (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 25. April 2019 - 21 Sa 1534/18 - zu II 1 e bb (2) (b) der Gründe). Anderenfalls liefe die Anzeigepflicht auf eine gesetzlich nicht zulässige (vgl. BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 638/15 - Rn. 27; 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 33, BAGE 154, 53)bloße Vorratsanzeige hinaus. Demgegenüber spricht das Gesetz bei dem in Absatz 2 geregelten Konsultationsverfahren davon, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits dann zu konsultieren hat, wenn er „beabsichtigt“, anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen. In diesem Stadium des Verfahrens gedenkt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung durchzuführen, ohne dass sich diese schon bis ins Detail konkretisiert hat (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „beabsichtigen“).

cc) Auch der Sinn und Zweck des Anzeige- und Konsultationsverfahrens bestätigen, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Eingangs der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit zur Kündigung entschlossen sein muss.

(1) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist das Konsultationsverfahren vorzunehmen, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen. Es reicht die erkennbare Absicht, Arbeitsverhältnisse in einem anzeigepflichtigen Ausmaß beenden zu wollen (BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 18, BAGE 151, 83). Dies entspricht der zugrunde liegenden Richtlinienbestimmung des Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG (MERL). Hiernach entsteht die Konsultationspflicht, wenn der Arbeitgeber erwägt, Massenentlassungen vorzunehmen, oder einen Plan für Massenentlassungen aufstellt (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 41). Das Konsultationsverfahren soll dem Betriebsrat ermöglichen, konstruktive Vorschläge unterbreiten zu können, um die Massenentlassung zu verhindern oder jedenfalls zu beschränken (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 60, BAGE 143, 150)bzw. die Folgen einer Massenentlassung durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern (EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes ua.] Rn. 56).

(2) Hingegen dient das Anzeigeverfahren vornehmlich beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können (vgl. EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47; ebenso BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 27, BAGE 154, 53). Sie soll für eine anderweitige Beschäftigung der Betroffenen sorgen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 24, BAGE 157, 1). Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit - anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens - keinen Einfluss mehr nehmen (vgl. Holler NZA 2019, 291, 293). Ihr Tätigwerden knüpft vielmehr an einen solchen Willensentschluss an. Diesen unterschiedlichen Zwecken entspricht der unterschiedliche Verfestigungsgrad, den die Planungen bzw. die „Absicht“ des Arbeitgebers in dem Zeitpunkt erreicht haben dürfen, in dem die ihn im Konsultations- bzw. Anzeigeverfahren treffenden Pflichten entstehen.

dd) Diese Unterschiede des Konsultations- und des Anzeigeverfahrens sind in den Vorgaben der MERL angelegt. Anders als in der deutschen Sprachfassung, die in Art. 2 Abs. 1 davon spricht, dass der Arbeitgeber „beabsichtigt“, Massenentlassungen vorzunehmen, und nach deren Art. 3 Abs. 1 alle „beabsichtigten“ Massenentlassungen anzuzeigen sind, finden sich in der französischen und englischen Sprachfassung mit den Worten „envisage“ bzw. „contemplate“ im Zusammenhang mit dem Konsultations- (Art. 2 Abs. 1 MERL)sowie „projet de licenciement collectif“ bzw. „projected collective redundancies“ im Zusammenhang mit dem Anzeigeverfahren (Art. 3 Abs. 1 MERL)unterschiedliche Begrifflichkeiten für den Grad der Verfestigung der Kündigungsabsicht. Ersteres hat die Bedeutung von „erwägen, darüber nachdenken“, während sich Letzteres mit „geplante Massenentlassung“ übersetzen lässt.

ee) Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Klärung der Frage, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Eingangs der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Behörde bereits zur Kündigung entschlossen sein muss, bedarf es nicht. Diese Rechtsfrage ist bereits durch die Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk])geklärt. Vernünftige Zweifel daran bestehen nicht (EuGH 9. September 2015 - C-72/14 und C-197/14 - [van Dijk] Rn. 55 ff.; 9. September 2015 - C-160/14 - [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 38 ff.; grundlegend 6. Oktober 1982 - 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 21; siehe auch BVerfG 9. Mai 2018 - 2 BvR 37/18 - Rn. 24 mwN).

(1) Der Zweck der Anzeige besteht darin, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, innerhalb der Frist des Art. 4 Abs. 1 MERL (Entlassungssperre), die grundsätzlich 30 Tage beträgt, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47, 51). Dieser vom EuGH Art. 3 und Art. 4 der MERL entnommene Zweck des Anzeigeverfahrens bedingt es jedoch, wie ausgeführt, dass die Kündigung im Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige auf den einzelnen Arbeitnehmer „heruntergebrochen“, die Entscheidung, wie viele und welche Arbeitnehmer zu entlassen sind, also bereits gefallen ist. Nur dann kann die Agentur für Arbeit ihrer Aufgabe nachkommen, Lösungen für die konkret entlassenen Arbeitnehmer zu suchen und nur dann kann das Anzeigeverfahren seinen Zweck erfüllen (vgl. Weber in Schlachter/Heinig Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [EnzEuR Bd. 7] § 9 Rn. 84; APS/Moll 5. Aufl. KSchG § 17 Rn. 125a).

(2) Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses des EuGH ist es konsequent, dass dieser in der Rechtssache Junk die zweite Vorlagefrage, ob für den Fall, dass unter „Entlassung“ die Kündigung zu verstehen ist, sowohl das Konsultations- als auch das Anzeigeverfahren vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen sein müssen, dahin beantwortet hat, dass die Massenentlassung nach dem Ende des Konsultationsverfahrens und während des Anzeigeverfahrens erfolgen darf, sofern nur die Kündigung erst nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung erfolgt (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 53 f.). Nach dem Verständnis des EuGH ist die Anzeigepflicht also zu erfüllen, bevor der Arbeitgeber durch die Mitteilung der Kündigung seiner Entscheidung, das Arbeitsverhältnis zu beenden, Ausdruck gegeben hat (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 36), nicht aber, bevor der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss abschließend gefasst hat. Interne Willensbildungsprozesse spielen insoweit keine Rolle (Köhler EWiR 2019, 283, 284).

c) Kündigungen in Massenentlassungsverfahren sind daher - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - wirksam, wenn die ordnungsgemäße Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist. Das war hier der Fall.

aa) Der unionsrechtlich determinierte Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen knüpft an den Zeitpunkt der Entlassung und damit an den Zugang der Kündigungserklärung an (BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16 - Rn. 23, BAGE 158, 104 unter Verweis auf EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 39; in diesem Sinne schon BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 33; ebenso: LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2019 - 15 Sa 2026/18 - zu B I 4.2 der Gründe; 29. März 2019 - 3 Sa 1253/18 - zu B I 5 c der Gründe; LAG Düsseldorf 29. März 2019 - 10 Sa 306/18 - zu I 1 f cc der Gründe; ErfK/Kiel 19. Aufl. KSchG § 17 Rn. 11; aA: LAG Berlin-Brandenburg 25. April 2019 - 21 Sa 1534/18 - zu II 1 e bb (1) der Gründe; LAG Düsseldorf 29. März 2019 - 6 Sa 657/18 - zu A III 1 b aa ddd (5) der Gründe: Abgabe der Kündigungserklärung mit Verlassen des Machtbereichs des Arbeitgebers; Wolff/Köhler BB 2017, 1078, 1079). Wann eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird (vgl. BAG 14. September 2016 - 4 AZR 534/14 - Rn. 37; 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 17. Dezember 2015 - 6 AZR 709/14 - Rn. 31, BAGE 154, 40), wirksam wird, richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Mitgliedstaates (EuGH 21. Dezember 2016 - C-201/15 - [AGET Iraklis] Rn. 29 ff., Rn. 33)und darum nach § 130 Abs. 1 BGB. Der danach maßgebliche Zugang liegt vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann (zum Zugang unter Anwesenden LAG Rheinland-Pfalz 5. Februar 2019 - 8 Sa 251/18 - zu II 2 der Gründe). Dem Abstellen auf den Zugang der Kündigung in diesem Zusammenhang entspricht es, dass dieser zeitlicher Bezugspunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit und damit Wirksamkeit der Kündigung ist (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 66).

bb) Aus der Entscheidung des Senats vom 9. Juni 2016 (- 6 AZR 405/15 - Rn. 18, BAGE 155, 245)folgt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nichts anderes. In dieser hatte das Arbeitsgericht über den Zeitpunkt der Kündigungserklärung Beweis erhoben. Die Beweiserhebung ergab, dass die Kündigungen erst nach der Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG unterschrieben und zur Post gegeben wurden, die Anzeige somit in jedem Fall rechtzeitig erfolgt war. Zu der Frage, ob für die Rechtzeitigkeit der Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG auf die Unterzeichnung des Kündigungsschreibens, das Verlassen des Kündigungsschreibens aus dem Machtbereich des Kündigenden oder den Zugang der Erklärung beim Empfänger abzustellen ist, kann der Entscheidung jedoch nichts entnommen werden. Mit der Entscheidung vom 26. Januar 2017 (- 6 AZR 442/16 - Rn. 23, BAGE 158, 104)hat der Senat dagegen ausdrücklich klargestellt, dass es aus den vorstehenden Gründen auf den Zugang der Erklärung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ankommt.

cc) Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot, dass § 130 BGB auf den Zugang von Willenserklärungen abstellt. In dieser Ausprägung verlangt Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass der Gesetzgeber unter mehreren möglichen Lösungen die zweckmäßigste oder vernünftigste wählt. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt vielmehr erst dann vor, wenn offenkundig ist, dass sich für die angegriffene gesetzliche Regelung und die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund finden lässt (BVerfG 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - Rn. 89, BVerfGE 116, 135). Ein solcher Fall liegt hier offenkundig nicht vor. Werden im Zuge einer Massenentlassung einzelne Kündigungen den Mitarbeitern vor Ort übergeben, andere wegen krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit versendet, führt das Abstellen auf den Zugang der Kündigungserklärung zu keiner sachfremden Differenzierung gleicher Sachverhalte. Die durch die gesetzliche Regelung bewirkten unterschiedlichen Zugangszeitpunkte unter Anwesenden und unter Abwesenden beruhen auf nicht vergleichbaren Ausgangslagen, die unterschiedlich geregelt werden dürfen.

dd) Nachdem vorliegend die Massenentlassungsanzeige am 26. Juni 2017 bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen und die Kündigung dem Kläger erst am 27. Juni 2017 zugegangen ist, erfolgte die Anzeige rechtzeitig.

II. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Die Kündigung ist nicht gemäß § 134 BGB iVm. § 17 Abs. 2 KSchG wegen fehlerhafter Durchführung des Konsultationsverfahrens nichtig.

a) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Das Konsultationsverfahren, das auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen ist (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 22, BAGE 157, 1), steht selbständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 20, BAGE 155, 245; 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 28, BAGE 144, 366; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 62). Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - aaO; 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 15, BAGE 154, 53).

b) Das Konsultationsverfahren soll dem Betriebsrat Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (vgl. BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16 - Rn. 25, BAGE 158, 104; siehe auch oben Rn. 27). Welche Informationen dazu erforderlich sind, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Hat der Betriebsrat, etwa durch Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auf andere Weise, schon Kenntnisse über die Umstände der beabsichtigten Massenentlassung erlangt, genügen auch schlagwortartige Informationen (Hützen ZInsO 2012, 1801, 1805; NK-GA/Boemke § 17 KSchG Rn. 97). Die danach erforderlichen Auskünfte sind seitens des Arbeitgebers zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen, er hat sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52, 53; BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 29, BAGE 151, 83). Die Unterrichtungspflicht kann daher flexibel gehandhabt werden, jedoch darf der Arbeitgeber noch keine unumkehrbaren Maßnahmen getroffen und damit noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen haben.

Die Konsultationspflicht ist der Sache nach regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG, soweit mit ihr ein anzeigepflichtiger Personalabbau verbunden ist oder sie allein in einem solchen besteht, einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt. Soweit die ihm obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie nämlich gleichzeitig erfüllen. Voraussetzung ist aber, dass der Betriebsrat klar erkennen kann, dass die Handlungen des Arbeitgebers (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen (vgl. BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 21, BAGE 155, 245; 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 17, BAGE 151, 83; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47, BAGE 143, 150; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34, BAGE 140, 261).

c) Das Konsultationsverfahren gilt nicht bereits deshalb als ordnungsgemäß durchgeführt, weil der Betriebsrat im Interessenausgleich vom 22. Juni 2017 bestätigt hat, dass er nach § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet wurde und die Beratung mit Abschluss des Interessenausgleichs abgeschlossen ist. Eine Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG kann auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs grundsätzlich nicht durch die bloße Erklärung des Betriebsrats, rechtzeitig und vollständig unterrichtet worden zu sein, unbeachtlich werden (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 32, BAGE 155, 245).

d) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren jedoch ordnungsgemäß eingeleitet, durchgeführt und abgeschlossen.

aa) Spätestens aus dem anwaltlichen Schreiben vom 21. Juni 2017 konnte der Betriebsrat entnehmen, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich - dass solche stattgefunden haben, ergibt sich bereits aus der E-Mail-Korrespondenz der anwaltlichen Vertreter der Betriebsparteien - nunmehr gleichfalls der Erfüllung der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG dienen sollten. Zwar enthält das Schreiben keinen expliziten Hinweis darauf, dass der Beklagte hiermit seinen Verpflichtungen nach § 17 Abs. 2 KSchG nachkommen wollte. Allerdings stellt es eine Zusammenfassung der vorherigen Erörterungen der Betriebsparteien dar. Auch wird in ihm darauf verwiesen, dass aufgrund der großen Anzahl von Entlassungen eine Anzeige an die Agentur für Arbeit durchgeführt werde und der Betriebsrat hierzu bereits seine Stellungnahme im Interessenausgleich vorgenommen habe, so dass dieses Schreiben nur noch als ergänzende Information zu sehen sei. Diesbezüglich sah bereits der im Mai 2017 an den Betriebsrat übersandte Entwurf eines Interessenausgleichs unter § 6 die „Stellungnahme des Betriebsrates zu § 17 KSchG“ vor. Auch wenn der in Bezug genommene Interessenausgleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, konnte der Betriebsrat aus der Formulierung des Schreibens vom 21. Juni 2017 erkennen, dass der Beklagte bereits von einer erfolgten Information nach § 17 Abs. 2 KSchG ausging und mit dem Schreiben diese ergänzen wollte. Eine solche ergänzende Information war auch möglich (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52, 53; BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 29, BAGE 151, 83). Unumkehrbare Maßnahmen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen. Weder waren zum Zeitpunkt der Unterrichtung Kündigungen erklärt noch Gerätschaften an das Mutterunternehmen zurückgegeben worden.

bb) Die Unterrichtung genügte inhaltlich den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG. Sowohl im Schreiben vom 21. Juni 2017 als auch im Interessenausgleich vom 22. Juni 2017 wird die Betriebsschließung zum 30. September 2017 als Grund für die seitens des Beklagten avisierten Kündigungen aller Arbeitnehmer genannt. Eine solche schlagwortartige Bezeichnung war vorliegend ausreichend, da der Betriebsrat aufgrund der vorherigen Erörterungen und der beiderseitigen Korrespondenz Kenntnis von der beabsichtigten Massenentlassung und ihren Umständen hatte. Da allen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte, bedurfte es keiner Nennung von Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. Das Fehlen einer ausdrücklichen Unterrichtung über die betroffenen Berufsgruppen war vorliegend ebenfalls unschädlich. Zwar muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG grundsätzlich über die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer unterrichten. Erfolgt die Unterrichtung nicht, kann dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer jedoch keine Folgen für die Prüfung konstruktiver Vorschläge zur Verhinderung oder Beschränkung der Massenentlassung durch den Betriebsrat haben. Wegen der offenkundigen Betroffenheit aller Berufsgruppen konnte der Betriebsrat aufgrund seines Kenntnisstandes in der von § 17 Abs. 2 KSchG vorgesehenen Weise am Konsultationsverfahren mitwirken. Der Unterrichtungsfehler konnte sich insoweit nicht zulasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken (vgl. BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 30, BAGE 155, 245; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36, BAGE 140, 261). Auch das Fehlen der Mitteilung der für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG)führte unabhängig davon, ob vorliegend ein Sozialplan zustande gekommen ist, nicht zur Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung. Enthält die Unterrichtung diesbezüglich keine Angaben, bringt der Arbeitgeber ausreichend zum Ausdruck, dass es keine Abfindungen geben soll (EuArbR/Spelge 2. Aufl. RL 98/59/EG Art. 2 Rn. 23; aA ErfK/Kiel 19. Aufl. KSchG § 17 Rn. 22).

cc) Die Unterrichtung erfolgte unter Einhaltung der gesetzlichen Formvorschrift. Der Beklagte hat dem Betriebsrat die Auskünfte nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG schriftlich erteilt. Die Wahrung der Textform entsprechend § 126b BGB reicht hierzu aus (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 42, BAGE 157, 1; noch offengelassen von: BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 27, BAGE 155, 245; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 55 ff., BAGE 143, 150). Ob das Schreiben vom 21. Juni 2017 unterzeichnet war oder ob der Interessenausgleich zum Zeitpunkt der Überlassung an den Betriebsrat bereits die Unterschrift des Beklagten aufwies, kann daher dahinstehen.

dd) Die Beratung genügte den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG. Der Betriebsrat hat seine Vorstellungen vom Inhalt des Interessenausgleichs und des Sozialplans unterbreiten können. Erbetene Informationen, etwa zur Möglichkeit der Gründung einer BQG oder eines Betriebsübergangs, hat der Beklagte erteilt und sich mit den Vorschlägen des Betriebsrats ernsthaft auseinandergesetzt (vgl. BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 26, BAGE 151, 83) und so gezeigt, dass er mit dem ernstlichen Willen zu einer Einigung in die Beratungen gegangen ist (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 50, BAGE 157, 1). Er hat sogar begründet, warum er den Vorschlag zur Gründung einer BQG für nicht praktikabel hielt, obwohl im Unterschied zu § 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG eine solche Begründungspflicht weder die MERL noch § 17 Abs. 2 KSchG vorsehen. Entgegen der der Argumentation des Klägers zugrunde liegenden Annahme besteht kein Einigungszwang und erst recht kein Zwang, die Vorstellungen des Betriebsrats zu übernehmen (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - aaO).

ee) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren schließlich ordnungsgemäß abgeschlossen, bevor er die Massenentlassungsanzeige erstattet hat. Er konnte aufgrund der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats vom 22. Juni 2017 die Anzeige der Massenentlassungen gegenüber der Agentur für Arbeit ohne weitere Wartezeit vornehmen. Eine Frist von mindestens zwei Wochen zwischen der Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und den Entlassungen war vorliegend nicht einzuhalten.

(1) Zwar muss im Hinblick auf § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Unterrichtung des Betriebsrats im Regelfall mindestens zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige erfolgen. Gibt der Betriebsrat aber vor Ablauf von zwei Wochen nach seiner ordnungsgemäßen Unterrichtung eine ausreichende und abschließende Stellungnahme ab und erklärt damit das Konsultationsverfahren aus seiner Sicht für abgeschlossen, steht der Massenentlassungsanzeige das Erfordernis einer rechtzeitigen Unterrichtung nicht (mehr) entgegen (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 53). Die Stellungnahme muss jedoch erkennen lassen, dass der Betriebsrat sich für ausreichend unterrichtet hält, keine (weiteren) Vorschläge unterbreiten kann oder will und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen will (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 36, BAGE 155, 245; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 53).

(2) Der Beklagte hat im Nachgang zu seinem Schreiben vom 21. Juni 2017, der Übergabe des ausformulierten Interessenausgleichs vom 22. Juni 2017 und der damit erfolgten abschließenden Unterrichtung des Betriebsrats zunächst die Reaktion des Betriebsrats abgewartet und durfte nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs sowie der darin unter § 4 erfolgten Bestätigung über den Abschluss der Unterrichtung und Beratung davon ausgehen, dass seitens des Betriebsrats kein weiterer Beratungsbedarf besteht. Angesichts der Tatsache, dass die Betriebsparteien zeitgleich einen Interessenausgleich über die geplante Betriebsstilllegung geschlossen haben, welcher bereits im Vorfeld als Entwurf zwischen den Rechtsbeiständen der Betriebsparteien abgestimmt wurde, und damit alle in diesem Zusammenhang relevanten Fragen abschließend geklärt waren, war für den Beklagten auch nachvollziehbar, dass der Betriebsrat keinen weiteren Erörterungs- oder Verhandlungsbedarf mehr gesehen hat. Dass dieser bei Aushändigung des Interessenausgleichs „vor vollendete Tatsachen“ gestellt und regelrecht überrumpelt wurde, wovon der Kläger ausgeht, kann daher nicht angenommen werden. Der Betriebsrat hat sich, nachdem ihm ua. der Interessenausgleich übergeben wurde, zur Beratung zurückgezogen. Dass er nach dem klägerischen Vortrag bereits nach 15 Minuten einen unterzeichneten Interessenausgleich vorgelegt hat, in welchem die abschließende Stellungnahme enthalten war, ist angesichts des vorherigen Austausches der Entwürfe unschädlich. Eine Verhandlungsmindestdauer ist nicht vorgeschrieben (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 50, BAGE 157, 1), zumal die Aufforderung, der Interessenausgleich müsse jetzt unterschrieben werden, durch den den Betriebsrat beratenden Rechtsanwalt und den Gewerkschaftssekretär, hingegen nicht den Beklagten erfolgte.

Soweit der Kläger vorgebracht hat, der Interessenausgleich sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da im Betriebsratsgremium keine Beratung stattgefunden habe, ist das unerheblich. Es gilt hier - wie im Verfahren nach § 102 BetrVG - die Sphärentheorie, nach der sich Mängel im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Betriebsrats grundsätzlich nicht zulasten des Arbeitgebers auswirken (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 60, BAGE 157, 1).

2. Die Kündigung ist nicht nach § 138 BGB nichtig. Die Gegenrüge des Klägers, die Gesellschafter der Schuldnerin hätten diese so ausgestaltet bzw. nicht ausgestaltet, dass Nachteile in der Geschäftstätigkeit notwendigerweise die Gläubiger der Schuldnerin treffen mussten, was die Gesellschafter auch billigend in Kauf genommen hätten, so dass ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden vorliege, ist unbegründet. Ein solcher Anspruch kann nur gegenüber den jeweiligen Gesellschaftern persönlich erhoben werden (Roth/Altmeppen/Altmeppen GmbHG 9. Aufl. § 13 Rn. 145)und daher nicht zur Nichtigkeit der durch den Beklagten erklärten Kündigung führen.

3. Der Rechtswirksamkeit der Kündigung steht zum jetzigen Zeitpunkt keine nach § 1 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 4 KSchG zu berücksichtigende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers bei der Kommanditistin der Schuldnerin bzw. deren Tochtergesellschaften entgegen (zur Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch im Falle des § 15 Abs. 4 KSchG vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 476/16 - Rn. 25). Ausreichender Sachvortrag des Klägers hierzu liegt bisher nicht vor. Es obliegt jedoch dem Arbeitnehmer, konkret aufzuzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst dann hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, weshalb das nicht zu realisieren ist (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 476/16 - Rn. 29, 50; 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 22).

Unabhängig davon liegt entgegen der Annahme des Klägers ein einheitliches Unternehmen, bestehend aus der Schuldnerin, deren Kommanditistin sowie ihrer beiden Tochtergesellschaften, nicht vor. Bei diesen handelt es sich um jeweils eigenständige Rechtsträger (§ 13 GmbHG, § 161 iVm. § 124 Abs. 1 HGB), die eigenständige Unternehmen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG sind. Nichts anderes ergäbe sich im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, sofern man das Vorbringen des Klägers dahin verstehen wollte, dass er sich auf eine bestehende Konzernstruktur berufen will. Das Kündigungsschutzgesetz ist, bis auf hier nicht vorliegende Ausnahmefälle, nicht konzernbezogen (vgl. hierzu sowie zu möglichen Ausnahmefällen: BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 56 f.; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 22; 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 20 f.; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - zu B III 2 b aa und bb der Gründe). Auf das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs hat sich der Kläger nicht mehr berufen, zumal ein solcher im Hinblick auf die Schuldnerin mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2017 geendet hätte (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. LAG Köln 28. Juni 2018 - 7 Sa 794/17 - zu II 2 a der Gründe; KR/Rachor 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 228; EuArbR/Spelge 2. Aufl. RL 98/59/EG Art. 1 Rn. 63; zu einer möglichen Fortführung bzw. Wiederbegründung durch den Insolvenzverwalter vgl. BAG 24. Februar 2005 - 2 AZR 214/04 - zu B I der Gründe).

III. Der Senat kann anhand der bisher getroffenen Feststellungen allerdings nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung im Übrigen wirksam ist. Bei seiner neuerlichen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben.

1. Auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrags wird es zu prüfen haben, ob der Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG angehört hat.

a) Die Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung ist allerdings nicht aus dem Umstand herzuleiten, dass der Beklagte weder über die Abteilung informiert hat, in der der Kläger zuletzt beschäftigt wurde, noch über dessen Status als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Zum einen bedarf es hinsichtlich betriebsratsseitig bereits bekannter Tatsachen keiner Information seitens des Arbeitgebers (vgl. BAG 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 - zu B I 3 a (2) der Gründe). Dem Betriebsrat war jedenfalls die Position des Klägers als stellvertretender Vorsitzender bekannt. Zum anderen bedarf es keiner Nennung einer Abteilung, wenn diese Tatsache in Bezug auf den Kündigungsanlass keinem denkbaren rechtlichen Zweck dienen kann (vgl. KR/Rinck 12. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 77). Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, dh. die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 22). Im Streitfall war dies dem Betriebsrat auch ohne die Angabe der Abteilung, in der der Kläger zuletzt beschäftigt war, möglich, da der beabsichtigten Kündigung die vollständige Stilllegung des gesamten Betriebs zugrunde lag.

b) Des Weiteren kann dahinstehen, ob die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler im Rahmen der Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG vorlagen. Selbst wenn die Betriebsratssitzung nicht ordnungsgemäß einberufen oder die Beratung über die beabsichtigten Kündigungen nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden wäre, zöge weder das eine noch das andere die Unwirksamkeit der Kündigung nach sich. Nur wenn dem Arbeitgeber bei der ihm obliegenden Einleitung des Anhörungsverfahrens ein Fehler unterläuft, liegt darin eine Verletzung des § 102 Abs. 1 BetrVG mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung. Mängel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, führen hingegen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b aa der Gründe). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Solche Fehler gehen schon deshalb nicht zulasten des Arbeitgebers, weil der Arbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 1 b der Gründe). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Arbeitgeber den Fehler bei der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst bzw. beeinflusst hat (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b cc der Gründe). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

c) Auch die Rüge der Nichteinhaltung der Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 BetrVG ist unbegründet. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, muss er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsrat muss die Wochenfrist jedoch nicht vollständig ausschöpfen, sondern kann bereits vor diesem Zeitpunkt zur mitgeteilten Kündigungsabsicht des Arbeitgebers abschließend Stellung nehmen. Das Beteiligungsverfahren ist mit Eingang einer solchen Äußerung vorzeitig beendet und der Arbeitgeber kann die Kündigung umgehend erklären (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 13). Einer Äußerung des Betriebsrats während des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG kommt indes nur fristverkürzende Wirkung zu, wenn ihr der Arbeitgeber unzweifelhaft entnehmen kann, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt (BAG 25. Mai 2016 - 2 AZR 345/15 - Rn. 24, BAGE 155, 181). Das war hier aufgrund § 4 des Interessenausgleichs der Fall.

d) Das Landesarbeitsgericht wird indes zu prüfen haben, ob der Beklagte das Anhörungsverfahren durch Übergabe der Anhörungsbögen ordnungsgemäß eingeleitet hat. Nach den vom Landesarbeitsgericht im angefochtenen Urteil getroffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen hat der Kläger den Vortrag des Beklagten, dem Betriebsratsvorsitzenden seien am 22. Juni 2017 gleichzeitig mit dem Interessenausgleich auch die Anhörungsbögen für jede Einzelkündigung übergeben worden, bestritten. Soweit sich aus dem Urteil des Arbeitsgerichts ergibt, der Kläger habe im Rahmen seiner Anhörung im Kammertermin eingeräumt, dass die Anhörungsschreiben betreffend die einzelnen Arbeitnehmer bezeichnet als „Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG“ übergeben worden seien, wird das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens das arbeitsgerichtliche Urteil auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseitigen haben. Das Berufungsverfahren dient insoweit auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 13).

2. Das Landesarbeitsgericht wird ferner zu prüfen haben, ob die rechtzeitig erfolgte Massenentlassungsanzeige im Übrigen ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob sie den Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügt. Der Beklagte hat weder im Einzelnen zu den nach § 17 Abs. 3 KSchG der Agentur für Arbeit mitzuteilenden Tatsachen vorgetragen noch die erstattete Anzeige zu den Akten gereicht, sondern lediglich die Bestätigung der Agentur für Arbeit über deren vollständigen Eingang. Aus der Bestätigung lässt sich jedoch weder entnehmen, welche Daten der Beklagte der Agentur für Arbeit übermittelt hat, noch führt diese dazu, dass die Prüfung, ob vor Ausspruch der Kündigung vom 26. Juni 2017 eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet wurde, der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 39, BAGE 144, 366).Dementsprechend wird das Landesarbeitsgericht dem Beklagten Gelegenheit zu geben haben, seinen Vortrag zu ergänzen.

3. Zuletzt wird das Landesarbeitsgericht bei seiner Kostenentscheidung zu beachten haben, dass der Kläger die Klage in der ersten Instanz teilweise zurückgenommen hat.



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