Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 1 Ca 3007/94

Zu den Rechten und Pflichten bei Betriebsübergang

§613a Abs.1 S.3 BGB erfordert, dass sowohl der neue Inhaber als auch der Arbeitnehmer an den Tarif gebunden sind. Die Auslegung, dass nur der neue Inhaber an einen Tarif gebunden sein muss, widerspricht der negativen Koalitionsfreiheit aus Art.9 Abs.3 GG.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

I. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers bei der Beklagten über den 31.03.1994 hinaus 36 Stunden, betragt. 

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.407,78 DM brutto zu zahlen. 

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den. Kläger Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 624,00 DM zu zahlen. 

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. 

V. Der Streitwert wird auf 12.031,78 DM festgesetzt.

 

Tatbestand  

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung der für ihn gültigen regelmäßigen Wochenarbeitszeit.

Weiter begehrt er von dieser die Vergütung für 2 Arbeitsstunden pro Woche seit dem 1.04.1994 und die Zahlung vermögenswirksamer Leistungen für das Jahr 1994. Der Kläger trat 1978 als technischer Angestellter in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, ... ein. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der gemeinsame Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Rheinland- Pfalz (im folgenden: MTV) Anwendung. In dem von, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, verwandten Musterarbeitsvertrag des Klägers heißt es: „Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen sind die ... und ... Bestandteile des Arbeitsvertrages.“ Weiter enthält eine als Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene ... (vom 12.12.74) die folgende Regelung: „Die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung sind neben den gesetzlichen Vorschriften und den für das Unternehmen geltenden. Tarifverträgen Bestandteil des Arbeitsvertrages.“

Dieses Arbeitsverhältnis ging infolge eines Betriebsübergangs, der sich nach näherer Maßgabe des Vorbringens der Beklagtem in ihrem Schriftsatz vom 13.02.1995 vollzog (Bl. 18 d.A.), mit Wirkung zum 1. Januar 1993 auf die Beklagte über. Die Beklagte selbst gehört keinem Arbeitgeberverband an. Unter dem 21.04.1994 hat die Beklagte mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) folgende Haustarifverträge abgeschlossen:

 - Tarifvertrag über Arbeitszeit und Mehrarbeit
 - Entgeltrahmentarifvertrag
 - Gehaltsabkommen
 - Tarifvertrag

über betriebliche Sonderzahlungen Die in diesen Verträgen enthaltenen Regelungen legt die Beklagte seit dem 1.04.1994 auch dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zugrunde. Der mit der DAS abgeschlossene Firmentarifvertrag legt dabei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab dem 1.04.1994 auf 38. Stunden fest. Des Weiteren ist in dem Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen bestimmt, dass dieser Tarifvertrag alle bisherigen Anspruche auf Einmalzahlungen ablöst, darunter auch die der vermögenswirksamen Leistungen. Unter dem 21.07.1994 hat die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen, die u.a. folgende Regelungen zum Inhalt hat: „Im Interesse der Gleichbehandlung gelten, die jeweils abgeschlossenen. Haustarifverträge vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an für alle Mitarbeiter/innen des Unternehmens mit Ausnahme der jeweiligen AT-Mitarbeiter/innen. Die Verweisungsklausel auf die für das Unternehmen geltenden Tarifverträge in der Arbeitsordnung vom 12.12.74, die auf die ... übergeleitet wurde, beziehen sich, auf die jeweils abgeschlossenen Haustarifverträge.“

Der Kläger hat seit dem 1.04.1994 entsprechend dem Daueraushang „Arbeitszeiten“ der Beklagten vom 21.03.1994 pro Woche 38 Stunden gearbeitet und ist, nachdem die Beklagte für 1994 keine Leistungen nach dem Vermögensbildungsgesetz erbracht hat, hinsichtlich dieser Leistungen in. Vorlage getreten. Gemäß § 2 Ziffer 1 MTV beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit seit dem 1. April 1993 nur noch 36 Stunden. Nach. § 2 des einschlägigen Tarifvertrages der Metallindustrie Rheinland-Pfalz über vermögenswirksame Leistungen vom 5. Dezember 1988 erbringt der Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen an den Arbeitnehmer in Höhe von 624,- DM jährlich. 

Der Kläger trägt vor, er stütze sein Klagebegehren auf § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB und berufe sich auf den Fortbestand einer 36-Stunden Woche. Aus § 613 a. Abs. 1 Satz 3 BGB könne sich nichts anderes ergeben, nur weil die Beklagte anderslautende Tarifverträge mit der DAG abgeschlossen habe. Für die Ablösungswirkung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB sei nicht nur eine andere Tarifzuständigkeit des neuen Arbeitgebers erforderlich, sondern auch eine beiderseitige Tarifgebundenheit. Wegen seiner - unstreitigen - Berechnung einer zusätzlichen Vergütung für 2 Arbeitsstunden pro Woche seit dem 1.04.1994 verweise er auf die Klageschrift (Bl. 4 d.A.). Bei dieser Vergütung der Mehrarbeit in Höhe von 2 Stunden pro Woche handele es sich nicht um einen tariflichen Anspruch. Es werde lediglich die Vergütung gemäß § 612 BGB geltend gemacht; auf die Berücksichtigung der Mehrarbeitszuschläge habe er verzichtet. Seinen Anspruch auf Vermögens wirksame Leistungen habe er bis zum 31.12.1992 auf den Tarifvertrag über Vermögenswirksame Leistungen vom 5. Dezember 1988 stützen können. Durch den Betriebsübergang hätten auch die Bestimmungen dieses Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien ihren kollektivrechtlichen Charakter verloren und bestünden jetzt als individualrechtlicher Inhalt des Arbeitsverhältnisses weiter. Soweit die Beklagte darauf verweise, die ehedem gültigen Bestimmungen der mit der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge seien durch die Bestimmungen der mit der DAG abgeschlossenen Tarifverträge abgelöst worden, sei darauf hinzuweisen, dass die vollständige oder teilweise inhaltliche Übernahme eines für den Betrieb geltenden Tarifvertrages durch Betriebsvereinbarung unzulässig sei. Jedenfalls eine Verweisung auf den jeweils geltenden Tarifvertrag sei als „dynamische Blankettverweisung“ grundsätzlich unzulässig. Die zwischen den Parteien vereinbarte allgemeine Bezugnahme im Arbeitsvertrag sei allenfalls so auszulegen, dass damit die Vereinbarung der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Tarifverträge gewollt gewesen sei. 

Der Kläger beantragt

1. Es wird festgestellt, dass die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers bei der Beklagten über den 31.03. 1994 hinaus 36 Stunden beträgt.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 5.407,78 brutto zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vermögenswirksame Leistungen in Höhe von DM 624,00 zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 

Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Kläger könne seine Ansprüche nicht auf einzelvertragliche Regelungen stützen. Nach dem Betriebsübergang seien zwar gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB die tariflich geltenden Normen als Individualrechtsnormen transformiert worden. Mit dem Abschluß der Tarifverträge aber zwischen ihr - der Beklagten - und der DAG sei gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB eine entsprechende Änderung eingetreten. Zumindest sei diese Bestimmung analog anzuwenden, da schon der Wortlaut nicht darauf abstelle, ob eine beiderseitige Tarifbindung vorliege und die Bestimmung sonst überflüssig wäre, weil die Geltung von tariflichen Normen kraft beiderseitiger Tarifbindung bereits durch § 4 Abs. 1 TVG bewirkt würde. Dieses Problem könne jedoch im vorliegenden Fall deshalb dahinstehen, weil der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Regelung im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 4 BGB vereinbart habe.

Die in dem Arbeitsvertrag des Klägers enthaltene Klausel führe zur Anwendung der zwischen der Beklagten und der DAG abgeschlossenen Tarifverträge. Diese Klausel sei dahingehend auszulegen, dass damit auf die für den Betrieb geltenden Tarifvorschriften in der jeweiligen Fassung verwiesen sei. Der Kläger gerate mit seiner Argumentation in einen schroffen Gegensatz zu den vom BAG entwickelten Regelungen zur Lösung von Tarifkonkurrenzen. Konsequenz der klägerischen Argumentation wäre nämlich, dass in den Betrieben der Beklagten künftig unterschiedliche kollektive Regelungen zur Anwendung kämen. Auch wenn es nicht darauf ankomme, sei im Hinblick auf die tarifliche Verweisung in der Arbeitsordnung der Beklagten sowie in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.07.1994 darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich dynamische Blankettverweisungen zulässig seien. Wegen der hinter einem Firmentarifvertrag stehenden Absicht der Tarifpartner, abweichend von den allgemeinen Verhältnissen der Branche für ein Unternehmen ein auf dessen spezielle Bedürfnisse angepasstes Regelwerk zu vereinbaren, sei zudem davon auszugehen, dass jeder Firmentarifvertrag inzident eine Öffnungsklausel i.S. des § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG enthalte. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG greife zudem nur, soweit kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG vorliege und die negative Koalitionsfreiheit verletzt sei. Aber auch wenn der Rechtsauffassung des Klägers im Hinblick auf die Geltung einer 36 Stundenwoche grundsätzlich gefolgt würde, erweise sich sein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung als unbegründet.

Der Kläger müsste sich im Hinblick auf die Überstundenvergütung - wenn metalltarifliche Regelungen anwendbar wären - nach den metalltarifvetraglichen Regelungen behandeln lassen. Der Kläger übergehe in diesem Zusammenhang, dass die Regelungen der Bezahlung von Überstunden nach den Metalltarifverträgen nicht auf der Basis des Effektivgehalts möglich wäre, sondern lediglich auf der Grundlage der Tarifvergütung. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von diesen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe  

Die Klage ist insgesamt zulässig und hat auch in der Sache Erfolg:

Der Kläger kann sowohl die Feststellung verlangen, dass seine wöchentliche Arbeitszeit bei der Beklagten über den 31. 03.1994 hinaus 36 Stunden beträgt, als auch die Zahlung von DM 5.407,78 brutto und Vermögens wirksamer Leistungen von DM 624,00. Der Kläger ist der Beklagten einzelvertraglich nur zur Ableistung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 36 Stunden verpflichtet. Die Beklagte schuldet dem Kläger daher die Abgeltung von seit dem 1.04.1994 wöchentlich zusätzlich geleisteten 2 Arbeitsstunden in Höhe von insgesamt 5.407,78 brutto. Die Beklagte hat dem Kläger zudem aufgrund des Arbeitsvertrages vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 624,- DM zu zahlen.

Im Einzelnen gilt folgendes: Die Geltung einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 36 Stunden ab dem 1.04.1993 wurde kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit des Klägers und der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch den gemeinsamen Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Rheinland-Pfalz (MTV), der am 1. April 1990 in Kraft getreten ist, für diese verbindlich begründet. Gemäß § 2 Ziffer 1 MTV beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit seit dem 1.04.1993 nur noch 36 Stunden. Nach § 4 Abs. 1 TVG fand diese Bestimmung mit Inkrafttreten des Tarifvertrages am 1. April 1990 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers und der Rechtsvorgängerin der Beklagten Anwendung. Nach § 2 des einschlägigen Tarifvertrages der Metallindustrie Rheinland-Pfalz über  vermögenswirksame Leistungen vom 5. Dezember 1988 erbringt der Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 624, - DM jährlich. Auch diese Bestimmung war für den Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten gem. § 4 Abs. 1 TVG verbindlich. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte am 1.01.1993 trat diese gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Die kraft Tarifvertrag geltende Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen wurden gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB zum „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“ der Parteien des zugrundeliegenden Rechtsstreites. Die Beklagte war im Zeitpunkt des Betriebsüberganges (noch) nicht tarifgebunden. Die ursprünglich tarifvertraglich begründeten Rechte und Pflichten galten deswegen nunmehr einzelvertraglich zwischen den Parteien fort (vgl. Palandt, BGB, 54. Aufl., § 613 a BGB Rn 22; Kania, Tarifeinheit bei Betriebsübergang?, DB 1994, S. 529 f; Röder, Die Fortgeltung von Kollektivnormen bei Betriebsübergang gem. § 613 a BGB n.F., DB 1981, S. 1980). Trotz der nur „statischen“ Umwandlung (vgl. BAG, 13.11.85, AP Nr. 46 zu § 613 a BGB m. Anm. Scholz) war dabei auch die Reduzierung der Arbeitszeit auf 36 Stunden ab dem 1.04.1993 als bereits vereinbarte künftige Arbeitsbedingung von der Transformation erfasst.

Diese - nunmehr individualrechtlich geltende - Regelung der Wochenarbeitszeit des Klägers von 36 Stunden ab dem 1.04.1993 und sein Anspruch auf Zahlung Vermögens wirksamer Leistungen wurden in der Folge nicht mehr abgeändert. Für eine derartige Abänderung wäre in jedem Fall ein wirksamer normativer oder rechtsgeschäftlicher Tatbestand erforderlich gewesen (vgl. MüKo/Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a, RN 127, 130), der hier nicht gegeben ist: a. Insbesondere durch den Abschluss der Haustarifverträge zwischen der Beklagten und der DAG unter dem 21.04.1994 wurden die einzelvertraglichen Bestimmungen des Vertragsverhältnisses der Parteien nicht abgelöst, bzw. abgeändert. aa. Die Anwendung dieser Haustarifverträge ergibt sich für den - insoweit nicht kraft § 4 TVG gebundenen - Kläger nicht schon aus einer (und sei es nur entsprechenden) Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB. Nach dieser Bestimmung gilt der Satz 2 des § 613 a Abs. 1 BGB dann nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Betriebsinhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Durch die Haustarifverträge werden aber die „Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber“ nicht im Sinne dieser Bestimmung geregelt. Dabei kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Transformation von Kollektivnormen in einzelvertraglich begründete Rechte und Pflichten nur dann eingreift, wenn bereits bei dem Betriebsübergang bei dem Betriebserwerber ein entsprechender Kollektivvertrag besteht oder zumindest aus Anlass des Betriebsübergangs abgeschlossen wird (so ArbG Hamburg, 24.10. 1994, 2. a) ff. der Entscheidungsgründe unter Hinweis auf Henssler, NZA 1994, S. 914 und MüKo-Schaub, 2. Aufl., § 613 a Rn 135, aA BAG, 19.03.1986, AP Nr. 49 zu § 613 a BGB m. Anm. v. Stebut). In jedem Fall ist für das Eingreifen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB verlangen, dass nicht nur der (neue) Arbeitgeber tarifgebunden ist, sondern auch der Arbeitnehmer. Eine andere Auslegung der Bestimmung, derart, dass eine einseitige Tarifbindung des Arbeitgebers ausreichte, ist vom Wortlaut her - insoweit ist der Beklagten beizupflichten - zwar denkbar, aber mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten negativen Koalitionsfreiheit schlechthin nicht zu vereinen, (vgl. Kania a.a.O., S. 530 m.w.Nw; so auch BAG, 19.03.1986, a.a.O.). Dem Arbeitnehmer wurde trotz seiner Verbandszugehörigkeit ein „fremder“ Tarifvertrag auf gezwungen. Entgegen der Annahme der Beklagten ist § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB bei einer derartigen Auslegung auch nicht überflüssig, nur weil bereits § 4 Abs. 1 TVG die Geltung der Tarifverträge bei beiderseits Tarifgebundenen anordnet. Bei Anwendung allein des § 4 Abs. 1 TVG würde über § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB auch bei Geltung eines anderen Tarifvertrages wegen beiderseitiger Tarifbindung die Transformation der Kollektivnormen des ursprünglich geltenden Tarifvertrages in einzelvertraglich begründete Rechte und Pflichten angeordnet. Gerade diese Wirkung soll aber § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB ausschließen; damit ist dann die Günstigkeitsfolge des § 4 Abs. 3 TVG blockiert (vgl. nur Röder a.a.O., S. 1981). Eine weitergehende analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB - wie die Beklagte meint - kommt schon in Ermangelung einer Regelungslücke nicht in Betracht. Da hier der Kläger nicht qua Verbands Zugehörigkeit in den Geltungsbereich der Haustarifverträge der Beklagten einbezogen war, blieb im trotz deren Abschluss der Inhalt des bisherigen Tarifvertrages, „seines“ Tarifvertrages, in individualrechtlicher Geltung erhalten (vgl. i.ü. Kania, a.a.O., S. 531 m.w.Nw.).

Die Haustarifverträge vom 21.04.1994 gelten auch nicht kraft einer einzelvertraglichen In Bezugnahme für den Kläger. (1) Nach, dem Dafürhalten der Kammer ist vorliegend bereits keine einzelvertragliche In Bezugnahme in dem Arbeitsvertrag des Klägers - auf welche Tarifverträge auch immer gegeben: Der Beklagten ist dabei insoweit zu folgen, als die Frage des „Ob“ und des „Wie“ einer Verweisung bei nicht eindeutigen Vertragsbestimmungen stets durch Auslegung zu beantworten ist (vgl. die § 133, 157 BGB). Die Auslegung führt aber gerade nicht zur Annahme einer Verweisung. Die einschlägige Klausel in dem Arbeitsvertrag des Klägers, „Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen sind die ... und ... Bestandteile des Arbeitsvertrages“, verweist zwar auf die als Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene ... die damit individualrechtlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages wurde. Die Arbeitsordnung selbst verweist aber nicht auf „Tarifverträge“, mit der Wirkung, dass diese zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden wären. Die Arbeitsordnung stellt vielmehr nur fest, dass sie, die Arbeitsordnung - sozusagen int Wege eines „renvoi“ - Bestandteil des Arbeitsvertrages ist: „Die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung sind neben den gesetzlichen Vorschriften und den für das Unternehmen geltenden Tarifverträgen Bestandteil des Arbeitsvertrages.“ Die weitere Erwähnung der „gesetzlichen Vorschriften und der für das Unternehmen, geltenden. Tarifverträge“ enthält daneben nur eine - an sich überflüssige - Klarstellung des Rangverhältnisses. Diese kann aber genauso wenig, wie die Erwähnung der „gesetzlichen Bestimmungen“ in ihrer Gesamtheit zu einer Einbeziehung führt - hinsichtlich der „für das Unternehmen geltenden Tarifverträge“ als Einbeziehung in den Arbeitsvertrag ausgelegt werden. Dies ergibt sich zu den Tarifverträgen außerdem daraus, dass nur die „geltenden“ Tarifverträge Erwähnung finden, so dass deren Geltung ohnehin vorausgesetzt wird. Des Weiteren kann auch deswegen in der Formulierung keine Verweisung gesehen werden, weil diese gegenüber der Klausel in dem Arbeitsvertrag des Klägers keinen weitergehenden Inhalt hat, da bereits in dieser eine gleichartige Formulierung enthalten ist („Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ...“, vgl. ebenda); dass in dieser eine Verweisung zu sehen sei, meint auch die Beklagte nicht.

Mangels Verweisung kann als nicht entscheidungserheblich dahinstehen, welche Tarifverträge hier angesprochen waren. (2). Aber selbst wenn man im der Klausel mit der Beklagten über die Verweisung auf die Arbeitsordnung und einer dort angeordneten Weiterverweisung eine In Bezugnahme der „geltenden Tarifverträge“ sehen wollte, wäre dadurch nicht auf die Haustarifverträge mit der DAG mit der Folge verwiesen, dass diese nunmehr auch für den Kläger gelten würden. Grundsätzlich ist zwar einzelvertraglich auch eine „dynamische Verweisung“ mit der Wirkung zulässig, dass auf die jeweils geltenden Tarifverträge verwiesen wird (vgl. BAG, 20.03.1991, AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Allerdings muss auch eine solche Verweisung - wie die Beklagte richtig meint - dem Inhalt des Vertrages mit der notwendigen Eindeutigkeit zu entnehmen sein. Eine derartige Verweisung auf die Haustarifverträge lässt sich hier weder über den Umweg Arbeitsvertrag - Arbeitsordnung - Haustarifverträge noch über eine „ergänzende Vertragsauslegung“ (zu einem solchen Ansatz wohl Kania a.a.O., S. 532 m.Nw.) finden: Die zitierte Bestimmung in dem Musterarbeitsvertrag des Klägers hatte auch in der Form der Auslegung der Beklagten zumindest für den Kläger solange keine „Verweisungswirkung“ entfaltet, wie der MTV wegen § 4 Abs. 1 TVG ohnehin für den. Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegolten hat; sie war mithin insoweit „überflüssig“ (vgl. dazu ArbG Hamburg, a.a.O., 2. a) ee. der Entscheidungsgründe). Da vorliegend die Rechtsnormen des MTV und der ergänzenden Tarifverträge gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in einzelvertragliche Rechte und Pflichten umgewandelt wurden, bestand für den Kläger auch, nach dem Betriebsübergang eine eindeutige Regelungs- und Vertragssituation. Eine Verweisung war damit weiterhin überflüssig. Der Abschluss der Haustarifverträge durch die Beklagte konnte nun nicht dazu, fuhren, dass diese von der bis dahin überflüssigen Verweisung erfasst wurden und nunmehr vorrangig vor den individualrechtlichen Bestimmungen Geltung für das Arbeitsverhältnis beanspruchen könnten. Nach den systematischen Auslegungsgrundsätzen beanspruchen speziellere, d.h. sachnähere Vertragsbestimmungen stets den Vorrang vor den allgemeineren (vgl. nur Palandt, a.a.O., § 133 Rn 14). Da durch die Transformation über § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB der MTV in dem hier einschlägigen Teil und die Bestimmungen über vermögenswirksame Leistungen Bestandteil des Arbeitsvertrages des Klägers geworden waren, bestanden insoweit eindeutige Regelungen, die auch durch eine allgemeine Verweisungsklausel nicht mehr verdrängt hätte werden können. Eine allgemeine Verweisungsklausel führte nur dazu, dass bei Regelungslücken eine ergänzende Heranziehung tarifvertraglicher Bestimmungen hätte erfolgen können. Solange - wie hier - die vertraglichen Regelungen einen bestimmten Bereich ausreichend erfassen, ist der Rückgriff auf eine allgemeine Verweisungsklausel ohnehin ausgeschlossen.

Auch Sinn und Zweck einer angenommenen Verweisungsklausel würde es wiedersprechen, wenn die vormals tarifgebundenen Arbeitnehmer den Schutz ihres (einzelvertraglich fortgeltenden) Tarifvertrages allein wegen einer in ihrem Musterarbeitsvertrag enthaltenen allgemeinen Verweisungsklausel bei Abschluss eines Haustarifvertrages durch, einen Betriebserwerber wieder verlören. Sinn, und Zweck, einer solchen Verweisung in den Musterarbeitsverträgen der Rechtsvorgängerin, der Beklagten, hatte nur gewesen sein können, die sog. Außenseiter mit den organisierten Arbeitnehmern gleichzustellen: Da eine solche Verweisungsbestimmung für den Kläger vor dem Betriebbsübergang keine Geltung beansprucht hätte, kann, sie nach einem solchen nicht die ihr von der Beklagten beigelegte Wirkung entfalten (so int Ergebnis auch Kania, a.a.O. S. 532, III I.). Eine solche Entwicklung war bei Vertragsschluß schlechterdings nicht voraussehbar (vgl. MünchArbR/Löwisch, § 262 Rn 17 m.w.N.; i.ü. BAG, 1.04.1987, AP Nr. 64 zu § 613 a BGB, das einen Wegfall der Geschäftsgrundlage annimmt).

Die Geltung der Haustarifverträge folgt schließlich auch, nicht aus der „Gesamtbetriebsvereinbarung“ 21.07.1994, die u.a. folgende Regelungen zum Inhalt hat: „Im Interesse der Gleichbehandlung gelten die jeweils abgeschlossenen Haustarifverträge vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an für alle Mitarbeiter/innen des Unternehmens mit Ausnahme der jeweiligen ATMitarbeiter/ innen. Die Verweisungsklauseln auf die für das Unternehmen geltenden Tarifveträge in der Arbeitsordnung vom 12.12.74, die auf die ... übergeleitet wurde, beziehen sich auf die jeweils abgeschlossenen Haustarifverträge.“ Dabei kann int Ergebnis dahinstehen, ob die Voraussetzungen für den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach § 50 BetrVG vorgelegen haben (vgl. dazu ArbG Hamburg, a.a.O., 2. a) gg. der Entscheidungsgründe). Die Betriebspartner besaßen hier bereits deswegen nicht die Kompetenz, durch eine Betriebsvereinbarung die Geltung der Haustarifverträge auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer zu erstrecken, weil in dem hier streitgegenständlichen Bereich „Arbeitsbedingungen“ (vgl. dazu Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 77, Rn 73) im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG geregelt werden sollten, die nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die ausgeübte und aktualisierte Tarifautonomie vor einer Aushöhlung und Bedeutungsminderung durch Betriebsvereinbarungen zu schützen (vgl. BAG, 22.05.1979, AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972, BAG 24.02.1987, NZA 1987, 639). Diese Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG greift immer dann ein, wenn Arbeitsbedingungen bereits durch Tarifvertrag geregelt worden sind und der Betrieb in seinen räumlichen, betrieblichen, fachlichen, zeitlichen und persönlichen Geltungsbereich fällt.

Auf die tatsächliche Geltung des Tarifvertrages in dem maßgeblichen Betrieb kommt es demgegenüber nicht an, so dass die Sperrwirkung auch greift, wenn der Arbeitgeber nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist. Zudem reicht es aus, wenn die Arbeitsbedingungen bereits einmal durch Tarifvertrag geregelt worden sind; eine aktuelle Regelung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Lediglich in dem Bereich, in dem der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, ist für das Eingreifen der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG zu verlangen, dass für den Betrieb eine aktuelle tarifliche Regelung vorliegt (BAG, 24.02.1987, NZA 1987, 639; BAG GS, 3.12.1991, NZA 1992, 749). Diese Einschränkung greift vorliegend nicht ein, da die Regelung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit genauso wenig dem Mitbestimmungsrecht unterliegt, wie die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen. Die - vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte wegen der Geltung des MTV unzweifelhaft Platz greifende - Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG blieb nach diesen Grundsätzen auch nach dem Betriebsübergang erhalten. Auch unter Berücksichtigung des Vertrages der Beklagten zum Vollzug des Betriebsüberganges (Bl. 18 d.A.) ist nicht erkennbar, dass deren Betrieb nicht mehr in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen, zeitlichen und persönlichen Geltungsbereich des MTV fällt. Die Beklagte hat bis auf drei Produktionsbetriebe in ... und ... und ein Labor in ... sämtliche anderen Betriebe ihrer Rechtsvorgängerin übernommen und ist ersichtlich in dem gleichen Geschäftsbereich, tätig. Die einzige Veränderung war mithin der Wegfall der Tarifbindung auf Arbeitgeberseite. Die Sperrwirkung, des § 77 Abs. 3 BerVG beansprucht somit vor dem Hintergrund des MTV Geltung. Es kommt deswegen auch nicht darauf an, ob in den Haustarifverträgen eine inzidente Öffnungsklausel vorgesehen ist; in dem MTV ist eine solche jedenfalls nicht enthalten. Da bereits die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht zu der Anwendung der Haustarifverträge führt, kommt es hier auch nicht mehr darauf an, ob eine „dynamische Blankettverweisung“ zulässig ist (dazu BAG, 23.06.1992, DB 1993, 441) und ob die Gesamtbetriebsvereinbarung im Weiteren den Wirksamkeitsanforderungen an eine die Arbeitsbedingungen des Klägers „verschlechternde Betriebsvereinbarung“ genügt (dazu BAG, 16.09.1986, DB 1987, S. 387).

Die in einzelvertragliches Recht transformierten Metalltarifverträge beanspruchen mithin für das Arbeitsverhältnis der Parteien, weiterhin Geltung. Der von der Beklagten angesprochenen Frage der Tarifkonkurrenz ist vorliegend nicht nachzugehen, weil die einzelvertraglichen Regelungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht mit den Haustarifverträgen konkurrieren, da diese für ihn ohnehin nicht gelten (vgl. i.ü. MünchArbR/Löwisch, § 269, Rn 10 m.w.N.). II. Entgegen der dargelegten Auffassung der Beklagten kann der Kläger die Vergütung für die von ihm unstreitig geleistete Mehrarbeit auf der Grundlage des § 612 BGB verlangen, (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl., § 69, III. 2.). Der Kläger hat bei seiner Berechnung der Klageforderung einen Mehrarbeitszuschlag im Sinne des § 6 MTV nicht berücksichtigt _ Da weiter die von dem Kläger über seine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 36 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden den Umständen nach, nur gegen eine Vergütung zu erwarten waren, ist ihm hierfür gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu zahlen. Die übliche Vergütung beurteilt sich aber nach dem (gesamten) Entgelt, dass dem Kläger für die geschuldete regelmäßige Arbeitszeit gezahlt wird (vgl. Schaub a.a.O., III, 1. m.w.Nw.), also nach dem einzelvertraglich geschuldeten Bruttogehalt. Eine Differenzierung zwischen tariflicher und effektiver Vergütung ist daher nicht erforderlich. Der Klage war vollumfänglich stattzugeben. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i.V. § 46 Abs. 2 ArbGG. Danach waren der Beklagten als der unterlegenen Partei die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen. Der Streitwert - der hinsichtlich der Zahlungsanträge diesen in der Höhe folgt und bei dem der Feststellungsantrag mit 6.000,- DM berücksichtigt ist, war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.  



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