Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 10 Ca 1668/04

Zum Annahmeverzugslohn nach unwirksamer Kündigung

Gerät der Arbeitgeber nach Ausspruch einer für unwirksam erklärten Kündigung in Annahmeverzug, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Verzugslohn, der um den zwischenzeitlich verdienten Betrag (hier: Arbeitslosengeld) gemindert ist.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 2.979,11 brutto, abzüglich EUR 1.314,60 Arbeitslosengeld, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2004 zu zahlen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 1.664,54 festgesetzt.

 

Tatbestand  

Die Parteien streiten über die Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Monat Juli 2003.

Der Kläger (geb. am ..., verheiratet, ... Kinder) war seit dem 01.02.2000 bei der Beklagten zu 1) als Kraftfahrzeugmeister und Serviceberater zu einem Bruttostundenlohn von zuletzt EUR 17,99 mit einer täglichen Arbeitszeit von 7,2 Stunden beschäftigt. Die Beklagte zu 1) betrieb in der ... Straße in ... ein ... Autohaus und beschäftigte ca. 32 Arbeitnehmern. Die Firma ... hatte den Vertragshändlervertrag mit der Beklagten zu 1) zum 30.09.2003 gekündigt und mit Wirkung ab 01.10.2003 mit ... einen neuen Händlervertrag abgeschlossen. Herr ... ist Geschäftsführer der Firma ... mit Sitz in der ... Straße in .... Diese Firma betreibt ein Autohaus mit den Marken ... und ... Herr ... ist außerdem Geschäftsführer der neu gegründeten Firma ... die ab dem 01.10.2003 in der ... Straße ... in ... in den Räumlichkeiten von ... und ... ein ... Autohaus betreibt. Der Beklagte zu 2) ist der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zu 1). Er hat die Firma ... & ... gegründet. Diese Firma hat einen Händlervertrag mit ... abgeschlossen sowie Serviceverträge mit den Marken ... und .... Diese Firma bietet seit dem 01.09.2003 in den umgebauten ehemaligen ... Ausstellungsräumen in der ... Straße die Marken ... und ... an. In der sog. freien Werkstatt werden alle Automarken repariert.

Mit Schreiben vom 28.04.2003, dem Kläger zugegangen am 28.04.2003, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.06.2003 und berief sich auf eine beabsichtigte Stillegung des Betriebes. Gegen diese Kündigung wehrte sich der Kläger mit seiner am 13.05.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage in dem Kündigungsrechtsstreit 10 Ca 1471/03. Das Arbeitsgericht hat mit rechtskräftigem Urteil vom 17.12.2003 (10 Ca 1471/03) der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es liege keine Betriebsstillegung, sondern zum 01.10.2003 ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB von der Beklagten zu 1) auf die Firma ... vor. Im Monat Juli 2003 meldete sich der Kläger arbeitslos. Ihm wurde Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt EUR 1.314,60 netto (30  Kalendertage × EUR 43,82 netto) gewährt. Mit der vorliegenden am 25.06.2004 zugestellten Klage begehrt er die Zahlung des Lohnes für den Monat Juli in Höhe von EUR 2.979,14 brutto (23 Arbeitstage × 7,2 Stunden), abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes. Am 01.08.2003 ist der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen.

Der Kläger trägt vor, ihm sei erst im Dezember 2003 angeboten worden, sich bei der Firma ... vorzustellen. Er verwahre sich ausdrücklich gegen die haltlose Unterstellung, er habe aus persönlichen  Gründen, das Weiterbeschäftigungsangebot nicht angenommen und im Juli 2003 eine „bezahlte Auszeit“ genommen. Er habe im Juli 2003 keine Versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und lediglich Arbeitslosengeld erhalten.   

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 2.979,14 brutto, abzüglich EUR 1.314,60 netto erhaltenen Arbeitslosengeld, zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu zahlen. 

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen. 

Sie tragen vor, der Kläger habe es aus persönlichen Gründen vorgezogen, das Weiterbeschäftigungsangebot nicht anzunehmen. Er habe offenkundig bereits zum damaligen Zeitpunkt die Folgebeschäftigung bei einem anderen Unternehmen in Betracht gezogen. Er habe bereits zum 30.06.2003 die Zusage der Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen gehabt. Er habe dann offenkundig noch eine „bezahlte Auszeit“ zu Lasten der Solidargemeinschaft genommen. Der Kläger sei mit der Erbringung seiner Arbeitsleistung in Verzug gewesen. Er habe definitiv kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung gehabt und auch seine Arbeitsleistung in der Folgezeit nicht mehr angeboten. Er habe im Monat Juli 2003 im Autohaus ... in ... gearbeitet. Die Kammer hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe im Monat Juli 2003 im Autohaus ... in ... gearbeitet, durch Vernehmung des Zeugen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.10.2004 (Bl. 32-35 der Akte) Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach N und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 10 Ca 1471/03 Bezug genommen. 

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Zahlungsklage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner für den Monat Juli 2003 einen Anspruch auf Zahlung von EUR 2.979,14 brutto, abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.314,60 netto, aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach §§ 611, 615, 293 ff. BGB, § 11 Nr. 3 KSchG. 1. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 Satz 1 BGB). Nachdem durch Urteil vom 17.12.2003 in dem Kündigungsschutzverfahren 10 Ca 1471/03 rechtskräftig die Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 28.04.2003 festgestellt worden ist, kann der Kläger für den im Streit befindlichen Monat Juli 2003 die vereinbarte Vergütung verlangen, weil die Beklagte zu 1) nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2003 in Annahmeverzug geraten ist. Sie hat dem Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist am 1. Juli 2003 keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Der Kläger war nicht gehalten, der Beklagten zu 1) seine Dienste anzubieten, sondern konnte eine Arbeitsaufforderung der Beklagten zu 1) abwarten. Dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger, dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. unter vielen: BAG Urteil 18.01.2000 - 9 AZR 932/98 - EzA § 615 BGB Nr. 98; BAG Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - EzA § 615 BGB Nr. 93). Der Annahmeverzug der Beklagten zu 1) hat im Monat Juli 2003 nicht durch ein Arbeitsangebot geendet. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, so muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen (BAG 18. Januar 2000 - 9 AZR 932/98 - a.a.O.). Er muss dies mit der Erklärung verbinden, dass er die Arbeitsleistung als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsvertrags annimmt (BAG 14.11.1985 - 2 AZR 98/84 - EzA § 615 BGB Nr. 46; LAG Rheinland-Pfalz 5.03.1998 - 5 Sa 1073/97 - LAGE § 615 BGB Nr. 57). Deshalb endet der Annahmeverzug nicht, wenn der Arbeitgeber bei seiner Arbeitsaufforderung die Kündigung aufrechterhält. An einer Arbeitsaufforderung in diesem Sinne hat es die Beklagte zu 1) im Monat Juli 2003 fehlen lassen. Ihrer unsubstantiierten Behauptung, dem Kläger sei die Weiterbeschäftigung angeboten worden, lässt sich nicht einmal ansatzweise entnehmen, wann genau und durch wen sie dem Kläger ein Beschäftigungsangebot mit welchem Inhalt unterbreitet und ob sie dieses Angebot mit der Erklärung verbunden hat, sie nehme von ihrer Kündigung vom 28.04.2003 Abstand und wolle die Arbeitsleistung auf Grund des fortbestehenden Arbeitsvertrags annehmen. Die Beklagte zu 1) verkennt, dass der Annahmeverzug allein durch eine Rückkehr  des Arbeitgebers zu dem Vertragszustand beseitigt wird, der ohne die unwirksame Kündigung gelten würde. Der Arbeitnehmer soll nicht durch ein, während des Kündigungsschutzprozesses mit Rücksicht auf diesen gemachtes Beschäftigungsangebot zu einer Vertragsänderung gedrängt werden können.

Die Beklagte zu 1) schuldet dem Kläger deshalb Entgelt für den Monat Juli 2003 in unbestrittener Höhe von EUR 2.979,14 brutto (23 Arbeitstage × 7,2 Stunden × EUR 17,99). Nach § 11 Nr. 3 Satz 1 KSchG muss sich der Kläger auf das Arbeitsentgelt, das ihm die Beklagte zu 1) für die Zeit nach der Entlassung nach § 615 Satz 1 BGB schuldet, anrechnen lassen, was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Arbeitslosenversicherung für die Zwischenzeit gezahlt worden ist, dies sind vorliegend unstreitig EUR 1.314,60. Die geltend gemachten Prozesszinsen rechtfertigen sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger muss sich auf den Verzugslohnanspruch für den Monat Juli 2000 keinen Zwischenverdienst anrechnen lassen. Nach § 11 Nr. 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer im Falle des durch gerichtliche Entscheidung festgestellten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, einen durch anderweitige Arbeit erzielten Verdienst anrechnen lassen. Die Vorschrift ist eine Sonderregelung zu § 615 Satz 2 BGB; sie deckt sich inhaltlich mit jener, trotz des nicht völlig identischen Wortlauts. Den Arbeitgeber trifft im Rahmen der § 11 Nr. 1 KSchG die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe anrechenbare Zwischenverdienste den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung seiner Vergütung während der Zeit des Annahmeverzuges mindern.

Die Beklagten haben nicht zu beweisen vermocht, dass der Kläger im Monat Juli 2003 einen anrechenbaren Zwischenverdienst erzielt hat. Der von ihnen benannte Zeuge ... hat während seiner Vernehmung vor der Kammer bekundet, dass sich der Kläger auf eine Stellenanzeige des Autohauses ... in ... als Kfz-Meister beworben habe. Er habe den Kläger nicht als Arbeitnehmer eingestellt. Der Kläger habe vielmehr ein dreiwöchiges Praktikum abgeleistet. Hierfür habe er dem Kläger keine Vergütung gezahlt. Der von den Beklagten benannte Zeuge hat damit nicht deren Behauptung bestätigt, der Kläger habe im Monat Juli 2003 einen  Zwischenverdienst erzielt. Soweit der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Glaubwürdigkeit des - von ihm benannten - Zeugen bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage angezweifelt hat, braucht dieser Frage nicht nachgegangen zu werden. Selbst wenn die Kammer die Aussage des Zeugen als unglaubhaft wertet, ist den Beklagten der Beweis für ihre Behauptung nicht gelungen, der Kläger habe im Juli 2003 Zwischenverdienst erzielt. Bestätigt der von der beweisbelasteten Partei benannte Zeuge die streitige beweiserhebliche Tatsache nicht, ist der Beweis nicht erbracht. Die beklagte Kommanditgesellschaft als Arbeitgeberin und der Beklagte zu 2) als persönlich haftender Gesellschafter haften zwar nicht gemäß den § 128 HGB; § 161 Abs. 2 HGB als Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB. Sie können aber „als Gesamtschuldner“ (§ 421 BGB) verurteilt werden (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl., § 128 Rz. 19 f., 39; Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 128 Rz. 22). Die Beklagten haben gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen, weil sie in vollem Umfang unterlegen sind. 



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