Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 4 Ca 1524/84

Zum Erfordernis einer Abmahnung vor fristloser Kündigung

Bei einem sonst ohne Beanstandungen seit 16 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis bedarf es, auch bei einer schweren Verfehlung, vor Aussprache einer fristlosen Kündigung einer Abmahnung.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tatbestand

Der Kläger ist seit Juli 1968 ohne Unterbrechung als Angestellter in der L-Bank als Fernmeldetechniker beschäftigt. Nachdem der Kläger am 2. 8. 1984 zu dem Vorwurf gehört worden war, er habe mehr als 45 Minuten auf Kosten der Bank ein privates Telefongespräch mit einer Bekannten in den USA geführt, wurde am 3. 8. 1984 der Personalrat der Bekl. zur beabsichtigten fristlosen Kündigung gehört. Mit Schreiben vom 8. 8. 1984 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung aus. Der Kläger erhob am 10. 8. 1984 Kündigungsschutzklage und trägt vor, es liege kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Er habe mit seiner Bekannten, Frau G, während sich diese in den USA aufgehalten habe, nicht auf Kosten der Bank telefoniert. Die Beklagte trägt vor, am 19. 7. 1984 sei die außergewöhnlich hohe Anzahl von Gebühreneinheiten aufgefallen. Im Zuge der Ermittlungen, wer dieses Gespräch in die USA geführt haben könnte, seien die Mitarbeiter befragt worden. Der Kläger, habe dabei nicht angegeben, dass ihm die Telefonnummer in den USA bekannt sei oder bekannt vorkomme. Erst nachdem bekannt geworden sei, dass außer Herrn B auch der Kläger Verbindungen in die USA habe, sei der Kläger angesprochen worden. Herr S habe am 1. 8. 1984 die sich aus dem Computerauszug ergebende Rufnummer in den USA angerufen und von dort die Bestätigung erhalten, dass sich Frau G, die Bekannte des Kläger, Zeit in dem Haus mit der fraglichen Telefonnummer aufgehalten habe. Daraufhin sei der Kläger am 2. 8. 1984 mit dem nunmehr auf ihn gerichteten Verdacht konfrontiert worden. Man habe jegliches Vertrauen in den Kläger verloren, der eine Stellung innehabe, die viel Vertrauen erfordere. Man könne dem Kläger auch keine andere Tätigkeit anbieten, bei der er seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden könnte, bei der aber das erschütterte Vertrauen nicht erforderlich wäre. 

Das ArbG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. 

 

Entscheidungsgründe 

Die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung beruht auf mehreren Gründen: Einmal liegt hier kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Sollte der Verdacht der Bekl. zutreffen und sollte der Kläger tatsächlich auf Kosten der Bekl. mit seiner Freundin in den USA telefoniert haben und dabei einen Schaden von etwa 230 DM verursacht haben, so wäre dies zweifellos ein schwerer Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, dies noch dazu in einem Bereich, in dem eine Kontrolle sehr schwer möglich ist. Andererseits ist hier angesichts des Bestehens des Arbeitsverhältnisses seit 1968 ein strenger Maßstab an die Anforderungen für einen wichtigen Grund i. S. von § 626 BGB anzulegen. Gerade bei einem sonst ohne Beanstandungen seit 16 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis wäre in einem solchen, erstmaligen Fall einer schweren Verfehlung eine strenge und eindeutige Abmahnung das Mittel gewesen, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte. Zwar sind Abmahnungen bei solchem Verhalten nicht nötig, dessen Vermeidung sich von selbst versteht, weil der Arbeitnehmer in solchen Fällen nicht darauf vertrauen kann, dass solches noch hingenommen werden würde und weil er in solchen Fällen eigentlich die Warnfunktion der Abmahnung nicht braucht, um sein Verhalten demgemäß auszurichten. Andererseits liegt hier, wie schon gesagt, der besondere Fall eines ohne Beanstandungen verlaufenen  Arbeitsverhältnisses seit 1968 vor. Dies muss hier im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung und der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen des § 626 BGB entscheidend zugunsten des Klägers ins Gewicht fallen. Gerade weil ein Arbeitgeber verpflichtet ist, bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, wäre hier das minderschwere Mittel einer Abmahnung am Platze gewesen. 

Eine solche Abmahnung wäre sicherlich auch erfolgversprechend gewesen, da hier keine Anzeichen dafür vorlagen, dass der Kläger sich eine solche Abmahnung nicht hätte als Warnung dienen lassen Die Kündigung ist auch nicht als Verdachtskündigung haltbar, weil der Verdacht möglicherweise dringend, aber nichtdurch Tatsachen objektiv begründet war und weil nicht alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltsgeschehen ist. Die Bekl. hat zwar den Kläger zu diesen Vorwürfen angehört, sie hat auch in den USA angerufen und gefragt, ob Frau G zu dem Zeitpunkt, an dem telefoniert worden ist, in dem Haushalt war, zu dem das US-Telefon gehörte. Sie hat es allerdings nicht für nötig befunden, Frau G selbst dazu zu befragen. Sie hat auch nicht wenigstens einen Versuch in dieser Richtung unternommen. Schließlich wäre damals das Gedächtnis aller Beteiligten noch wesentlich frischer gewesen, als es jetzt zur Zeit der Durchführung der Beweisaufnahme war. Im Rahmen dieser Beweisaufnahme hat die vorsorglich geladene Zeugin G ausgesagt, dass sie sich während ihres US-Aufenthaltes nicht ein einziges Mal mit dem Kläger telefonisch unterhalten habe über eine Dauer von 45 Minuten. Die Bekl. hat auch keinerlei Erklärung dafür gegeben, warum sie Frau G nicht vor der Kündigung einmal vernommen hat. Das Gericht hat die vorsorglich geladene Zeugin dann vernommen, weil auch in diesem Punkt Klarheit gefunden werden musste und weil alle möglichen Wirksamkeitsaspekte der Kündigung nachgeprüft werden mussten. Schließlich wäre im Falle einer späteren Vernehmung der Zeugin G im Instanzenzug das Erinnerungsvermögen naturgemäß schlechter gewesen als zur Zeit der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz. Die Bekl. konnte demnach ihre Kündigung auch nicht auf einen dringenden und durch zumutbare Aufklärungen begründeten Verdacht gründen. Die Kündigung war insgesamt als unwirksam anzusehen.



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