Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 3 Ca 2376/08

Zur Wirksamkeit einer befristeten Arbeitszeitaufstockung

Bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen ist grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung zu prüfen. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB wird nicht durch die §§ 14ff. TzBfG verdrängt. Die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf gehört zum unternehmerischen Risiko, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden kann.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2009 hinaus mit einer regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden unbefristet fortbesteht.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer befristeten Arbeitszeiterhöhung. Der Kläger ist seit dem 02.06.2003 bei der Beklagten als Betriebselektriker zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.434,00 EUR beschäftigt. Der Kläger wurde von der Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 20.05.2003 befristet in Vollzeit vom 02.06.2003 bis 30.11.2003 beschäftigt. Die Befristung wurde mit weiterem Arbeitsvertrag befristet in Vollzeit mit 37,5 Stunden vom 01.12.2003 bis 30.11.2004 verlängert. Mit Vertrag vom 15.11.2004 wurde die Befristung in Vollzeit vom 01.12.2004 bis 01.06.2005 verlängert. Danach erfolgte eine Zweckbefristung vom 02.06.2005 bis 23.12.2005 in Vollzeit mit schriftlichem Vertrag vom 30.05.2005. 

Unter dem 06.12.2005 vereinbarten die Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wobei bis zum 30.06.2006 Vollzeit vereinbart war sowie eine Fortsetzung ab dem 01.07.2006 auf Teilzeitbasis mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 30 Stunden. Zum 01.07.2006 erfolgte dann der Abschluss eines Vertrages zur befristeten Aufstockung der Arbeitszeit auf Vollzeitarbeit, ebenso wie mit weiteren jeweils befristeten Verträgen vom 15.11.2006,   06.11.2007 und zuletzt mit Vertrag vom 17./20.11.2008, dieser befristet auf den 31.03.2009. Insgesamt bestand durchgängig seit der Ersteinstellung eine Arbeitszeitverpflichtung von 37,5 Stunden entsprechend der Vollzeitbeschäftigung. 

Grundlage des letzten befristeten Arbeitszeitaufstockungsvertrages war das Anschreiben der Beklagten an den Kläger vom 17.11.2008, in welchem die Beklagte dem Kläger zwei Optionen zur Wahl stellte mit der Formulierung: 

"Bitte entsprechend ankreuzen: 

A (..) Ich möchte, wie in meinem Teilzeitfestvertrag vom 06.12.2005 geregelt, ab dem 01.01.2009 30  Std. pro Woche arbeiten. 

B (..) Ich nehme das Angebot, bis zum 31.03.2009 37,5 Std. pro Woche zu arbeiten, gerne an. Ich bin mir darüber bewusst, dass ich ab dem 01.04.2009 30 Std. pro Woche arbeiten werde.“ 

Gleichartige befristete Arbeitszeiterhöhungsverträge bot die Beklagte im gleichen Zeitraum 70 Arbeitnehmern an. Seit dem 01.12.2008 wird im gesamten Betrieb der Beklagten Kurzarbeit durchgeführt. Mit seiner am 22.12.2008 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristungsabrede.

Der Kläger trägt vor, das Schichtsystem der Beklagten sei auf die vollschichtige Beschäftigung mit 37,5 Stunden angelegt. Der Kläger habe jeweils in einem Rhythmus von 7 Tagen Frühschicht von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr, an 7 Tagen Spätschicht von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr, an 7 Tagen Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr und 7 Freischichten im Anschluss daran sowie einer zusätzlichen Freischicht gearbeitet. Eine andere Beschäftigung ohne Änderung des Schichtsystems sei kaum möglich. Noch im September 2008 habe die Beklagte einen Elektriker, Herrn F., unbefristet in Vollzeit eingestellt. Im Verhältnis zu diesem werde die Sozialauswahl konkret umgangen. Der Kläger bestreitet die Rechtmäßigkeit der Zweckbefristung vom 23.12.2005. Weiterhin trägt er die Auffassung vor, da er mit Klage vom 22.12.2008 die Befristungsabrede angegriffen habe, seien sowohl der Vertrag vom 17./20.11.2008 als auch der vom 06.11.2007 zu überprüfen. Es bestehe kein die Befristung rechtfertigender Sachgrund. Da sich die Beklagte zu einer Planung im Befristungszeitraum gerade nicht in der Lage sehe, sei der klassische Fall einer Abwälzung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer gegeben. Dies sei aus dem Inhalt des Schreibens vom 17.11.2008 zu entnehmen, wonach die Beklagte ausführt: "Per heute kann jedoch niemand die weitere Entwicklung bei den verschiedenen Fahrzeugen mit notwendiger Planungssicherheit vorhersagen. Wir sind in einigen Fahrzeugmodellen vertreten, die in den kommenden Wochen neu anlaufen und deren Abrufe auch etwas Hoffnung machen." 

Der Kläger beantragt: 

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2009 hinaus mit einer regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden unbefristet fortbesteht. 

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen. 

Sie trägt vor, sie bediene sich bei einer Neueinstellung von Arbeitnehmern des Instruments der kalendermäßigen Befristung des Arbeitsvertrages ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren. Danach sei mit dem Kläger ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis aus sachlichem Grund geschlossen worden. Der Kläger habe Ende des Jahres 2005 aufgrund einer bereits zweieinhalbjährigen Befristung seines Arbeitsvertrages zur Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angestanden. Ende 2005 habe die Beklagte für das Jahr 2006 jedoch einen Auftragsrückgang prognostiziert, so dass eine Übernahme aller befristet eingestellter Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre. Zum damaligen Zeitpunkt seien von der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ca. 70 befristet eingestellte Mitarbeiter betroffen gewesen. Um dem größten Teil dieser Mitarbeiter die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, habe sich die Beklagte gemeinsam mit ihrem Betriebsrat entschieden, den unbefristet übernommenen Mitarbeitern für die Produktion und den Werkstattbereich dauerhaft nur einen 30-Stunden-Arbeitsvertrag anzubieten. Um den Übergang zu erleichtern, sei den Mitarbeitern zunächst noch eine befristete Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf 37,5 Stunden angeboten worden. Nachdem aber in den darauf folgenden Jahren aufgrund erhöhter Lieferabrufe von Kunden jeweils ein ausreichender Arbeitsbedarf auch für eine weitere Vollzeitbeschäftigung der Teilzeitarbeitnehmer zum jeweiligen Zeitpunkt des Auslaufens der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit auf 37,5 Stunden gegeben gewesen sei, seien mit den betroffenen Teilzeitarbeitnehmern in den Jahren 2006, 2007 und 2008 jeweils befristete Erhöhungen ihrer Arbeitszeit auf 37,5 Stunden vereinbart worden.

Die Gründe für die befristete Arbeitszeiterhöhung durch Vereinbarung vom 17./20.11.2008 beruhten ausschließlich in der sozialen Verantwortung der Beklagten, wegen der anstehenden Festtage bis zum Jahreswechsel auf die Rückkehr zur Normalarbeitszeit von 30 Stunden zu verzichten und ihren insgesamt 70 betroffenen Mitarbeitern den Übergang in die Teilzeittätigkeit zu erleichtern. Auch der Betriebsrat habe sich sehr stark für die Mitarbeiter eingesetzt und darauf gepocht, dass in einer derart unsicheren Zeit die Beklagte nicht zwingend auf die Einhaltung der 30-Stunden-Arbeitsverträge ab dem 01.01.2009 bestehen solle. Betriebswirtschaftlich sei aufgrund des Verhältnisses der im 4. Quartal 2008 bis zum 17./20.11.2008 gegenüber den im gleichen Vorjahreszeitraum 2007 erzielten Umsatzzahlen ein Grund für die Befristung der Arbeitszeitverlängerung über den 31.12.2008 hinaus nicht mehr begründbar gewesen. So habe der Umsatzrückgang ca. 20 % betragen. Der von der Beklagten in der Eigenfertigung (ohne Handelsware) erzielte Umsatz habe im Oktober 2007 noch 12.417.000,00 EUR betragen gegenüber 9.975.000,00 EUR im Oktober 2008. Im November 2007 habe die Beklagte noch einen solchen von 11.874.000,00 EUR gegenüber 8.608.000,00 EUR im November 2008 erzielt. Die von der Beklagten am 17.11.2008 für das erste Halbjahr 2009 geäußerte Erwartung einer Umsatzreduzierung von 25 % bis 30 % sei bis zum 30.04.2009 tatsächlich sogar noch übertroffen worden. Wegen der Zahlen im Einzelnen wird auf Seite 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 07.05.2009, Blatt 107 d. A., verwiesen. Der tatsächliche Umsatzrückgang habe durchschnittlich 37,3 % in den ersten vier Monaten des Jahres 2009 betragen. Da am 17./20.11.2008 kein Grund für eine Aufstockung dem Grunde nach bestanden habe, lasse sich betriebswirtschaftlich auch kein Grund für die Dauer der Aufstockung ins Feld führen.

Die Beklagte trägt die Auffassung vor, sie wäre aufgrund der geschilderten Sachlage berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger insgesamt aus sachlichen Gründen i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG bis einschließlich des 31.03.2009 zu befristen. Aufgrund des vorbehaltlosen Vertragsschlusses zur erneuten befristete Arbeitszeiterhöhung vom 17./20.11.2008 könne der Kläger mit seiner Klage nicht mehr die rechtliche Überprüfung der bisherigen Aufstockungsvereinbarung vom 06.11.2007 erreichen. Mit der nur befristeten Verlängerung der Arbeitszeit von 30 auf 37,5 Stunden bis zum 31.03.2009 werde auch keine Sozialauswahl umgangen. Zum Zeitpunkt der Änderung des Arbeitsvertrages des Klägers hätten sich insgesamt 70 Arbeitnehmer in einem unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis von 30 Arbeitsstunden befunden. Die Beklagte habe allen 70 Arbeitnehmern zum gleichen Zeitpunkt eine befristete Verlängerung ihrer Arbeitszeit von 30 auf 37,5 Stunden bis zum 31.03.2009 angeboten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses des Arbeitsvertrages mit Herrn F. am 09.07.2009 sei die Beklagte noch davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch über den 31.12.2008 hinaus im Umfang von 37,5 Stunden fortgesetzt werden würde. Die frei gewordene Stelle eines Elektrikers im Schichtbetrieb sei zuvor ausgeschrieben worden. Der Kläger habe sich darauf aber nicht beworben.

 

Entscheidungsgründe 

Die zulässige Klage ist begründet. 

Antragsgemäß war festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.03.2009 hinaus mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden fortbesteht. Die im Vertrag vom 17./20.11.2008 vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung auf 37,5 Wochenstunden bis zum 31.03.2009 ist unwirksam. 

Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Parteien über den maßgeblichen Inhalt der ihrem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen streiten. 

Der Klageantrag ist auch begründet. 

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht unbefristet über den 31.03.2009 hinaus mit einer Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden fort. Die vertragliche Befristungsabrede zur Arbeitszeiterhöhung ist rechtsunwirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung zu prüfen. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Abschluss mehrerer aufeinander folgender Verträge zur befristeten Aufstockung der regelmäßigen Arbeitszeit. Mit der vertraglichen Vereinbarung des neuen Arbeitsumfangs bringen die Parteien in der Regel zum Ausdruck, dass für das Arbeitsverhältnis nunmehr allein diese Vereinbarung mit dem darin festgelegten Aufstockungsumfang maßgeblich sein soll. Damit wird zugleich eine etwaige unbefristete Arbeitszeiterhöhung aufgrund Vereinbarung aufgehoben (BAG vom 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - AP Nr. 6 zu § 307 BGB). Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Es kann nicht angehen, dass eine zwischen den Parteien wirksam zustande gekommene und einvernehmlich vereinbarte Regelung, die auch inhaltlich beanstandungsfrei ist, nicht zur Anwendung käme, weil eine Vorgängerregelung, die die Parteien nicht mehr für maßgeblich erachten, Fehler aufwies. Nach diesen Grundsätzen unterliegt nur die am 17./20.11.2008 vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung zum 31.03.2009 gerichtlicher Kontrolle. 

Die in dem Änderungsvertrag vom 17./20.11.2008 vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung unterliegt als allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die durch das Anschreiben der Beklagten vom 17.11.2008 vorgegebene Änderung des Arbeitsvertrages ist von der Beklagten für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen, unstreitig ca. 70, vorformuliert worden. Sie ist als allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB in den Arbeitsvertrag einbezogen worden. 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB hinsichtlich der Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht durch die für die Befristung von Arbeitsverträgen geltenden Bestimmungen in §§ 14 ff. TzBfG verdrängt. Die Vorschriften des TzBfG sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht anwendbar (zur befristeten Arbeitszeiterhöhung insbesondere BAG vom 27.07.2005 aaO). Die im Änderungsvertrag vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung ist auch nicht nach § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle als allgemeine Geschäftsbedingung entzogen. Danach gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart wurden. Zwar besteht keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift zur Befristung einzelner Arbeitsbedingungen. Allerdings stellt jedenfalls die befristete Änderung der synallagmatischen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eine Änderung des Hauptleistungsversprechens dar, die einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegt (BAG vom 27.07.2005 aaO mit ausführlicher Begründung). Mit Hinweisen auf die Literatur weist das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung darauf hin, dass es sich hiernach bei der Befristung der Arbeitszeiterhöhung um eine nach § 307 Abs. 3 kontrollfähige Abrede handele. Danach ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nicht die vereinbarte Erhöhung der Arbeitszeit und damit der Umfang der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern deren zeitliche Einschränkung durch die Befristung. Im Falle der Unwirksamkeit der Befristung ist der Umfang der Arbeitszeit -ebenso wie der gesamte Arbeitsvertrag - für unbestimmte Zeit vereinbart (BAG aaO). 

Die vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung durch die Änderung vom 17./20.11.2008hält der Inhaltskontrolle nach § 307 nicht stand. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 27.07.2005 aaO, 18.06.2008 - 7 AZR 245/07 - nicht veröffentlicht). 

Für die bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen vorzunehmende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB gelten andere Maßstäbe, als für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Trotz des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabes sind jedoch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle der Befristung einzelner Vertragsbedingungen Umstände, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnten, nicht ohne Bedeutung. Diese Umstände sind vielmehr bei der Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 BGB zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (BAG 18.06.2008 aaO). 

Nach diesen Grundsätzen wird der Kläger durch die im Änderungsvertrag vom 17./20.11.2008 vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung bis zum 31.03.2009 entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das ergibt sich aus einer Abwägung der Interessen beider Parteien. Der Kläger besitzt als Arbeitnehmer ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs seiner Arbeitszeit, von der die Höhe seines Einkommens und damit seine längerfristige Lebensplanung abhängt. Dieses Interesse wird durch die Befristung der Arbeitszeiterhöhung beeinträchtigt (BAG 18.06.2008 aaO). Diesem Interesse des Arbeitnehmers an einer längerfristigen Lebensplanung dienen erkennbar auch die gesetzgeberischen Wertungen, die ihren Ausdruck finden im allgemeinen Kündigungsschutz, der einen Vertragsinhaltsschutz einschließt, nach §§ 1 ff. KSchG, 626 BGB sowie in der gesetzlich verankerten Einschränkung der Befristungsmöglichkeit von Arbeitsverträgen nach § 14 TzBfG. Das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit wird durch die vorliegende Vertragsgestaltung beeinträchtigt. Dieser Beeinträchtigung der Interessen des Klägers stehen im Streitfall Billigens werte und überwiegende Interessen der Beklagten nicht gegenüber. Hierfür genügt nicht die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf allein. 

Diese gehört zum unternehmerischen Risiko, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden kann. Dieser Grundsatz, der vom Bundesarbeitsgericht zu der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage entwickelt wurde, gilt auch für die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Befristungsvereinbarungen (BAG vom 27.07.2005 aaO). 

Soweit sich die Beklagte überhaupt auf einen vorübergehenden Arbeitskräftemehrbedarf beziehen will, so steht dies im Widerspruch zu dem unstreitigen Sachverhalt, da die Beklagte im gleichen Zeitraum Kurzarbeit beantragt hat. Die Beklagte hat sich hier widersprüchlich verhalten, indem sie im gleichen Zeitraum durch den Abschluss einer Vielzahl von befristeten Aufstockungsverträgen ihr Arbeitskräftevolumen vorübergehend erhöht hat und durch die Einführung von Kurzarbeit ihr Arbeitskräftevolumen (vorübergehend) heruntergefahren hat. Es kann mangels Sachvortrags hierzu seitens des Gerichts nicht beurteilt werden, ob die Beklagte durch die Kombination beider Maßnahmen insgesamt das Volumen verringert oder erhöht hat. 

Soweit die Beklagte ausführt, betriebswirtschaftlich habe sie überhaupt kein Interesse daran gehabt, das Arbeitszeitvolumen zu erhöhen, so kann dies von der Kammer anhand der mitgeteilten Umsatzwerte zwar nicht nachvollzogen werden - die Novemberzahlen können bei Abschluss des Vertrages am 17./20.11.2008 noch nicht vorgelegen haben, inwieweit der Oktoberumsatz im Vergleich mit dem Vorjahresmonat eine ausreichende Prognosegrundlage bot, entzieht sich der Beurteilung durch die Kammer. Allerdings kann auch im Falle der Feststellung eines gänzlich fehlenden Interesses der Beklagten an der von ihr vorgegebenen 

Arbeitszeiterhöhung mit Befristungsklausel auch kein überwiegendes Interesse ihrerseits gegenüber den unabweisbaren Interessen des Klägers festzustellen sein. 

Soweit die Beklagte sich für die Interessenabwägung maßgeblich darauf stützt, die Vereinbarung läge im eigenen arbeitnehmerischen Interesse, so folgt die Kammer dieser Argumentation der Beklagten nicht. Geht es bei der Inhaltskontrolle um die Befristung der Vereinbarung zum Arbeitszeitvolumen, auf das der Arbeitnehmer seine Lebensgrundlage maßgeblich stützt, so ist, wie oben bereits ausgeführt, die Befristungsabrede per se dem Arbeitnehmer ungünstig. Würde jede Klauselinhaltskontrolle damit enden, dass die Befristung einer günstigen Regelung besser ist als "nichts", so würde dies die Klauselkontrolle ad absurdum führen. Vielmehr liegt die Vereinbarung der zeitlichen Befristung der Arbeitszeitaufstockung nicht im Arbeitnehmerinteresse. 

Parallel zu dieser Bewertung in der Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen sind im Befristungsrecht nach § 14 TzBfG solche Sachgründe anerkannt, in denen gerade die Befristungsabrede im Interesse des Arbeitnehmers steht. Dies ist insbesondere die nur befristete Beschäftigung zur Aus-, Fort-, Weiterbildung, die Vereinbarkeit mit den Erfordernissen eines Studiums etc. Im Zusammenhang mit der Befristung auf den Wunsch des Arbeitnehmers fordert die Rechtsprechung, dass objektive Anhaltspunkte vorliegen, dass der Arbeitnehmer gerade an einer befristeten Beschäftigung ein Interesse hat. Es muss der wirkliche, vom Arbeitgeber nicht beeinflusste Wunsch des Arbeitnehmers sein, nur befristet beschäftigt zu werden. Die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers muss bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags unbeeinträchtigt gewesen sein. Der Wille des Arbeitnehmers muss ausschließlich auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sein. Maßstab ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages nur einen befristeten vereinbart hätte (Müller-Glöge in ErfK, 9. Auflage, § 14 TzBfG, Rn 61).

Deshalb trägt auch das Argument der Beklagten in vorliegendem Verfahren nicht, es hätte eine Sachlage vorgelegen, in der auch die Befristung des Arbeitsverhältnisses insgesamt gerechtfertigt gewesen wäre. Für einen befristeten Arbeitsvertrag wäre weder eine Rechtfertigung aufgrund eines vorübergehenden Arbeitskräftemehrbedarfs noch aufgrund des Eigeninteresses des Arbeitnehmers in Betracht gekommen. 

Insgesamt erweist sich die Befristungsklausel in der den Arbeitsvertrag ergänzenden Vereinbarung zur Arbeitszeiterhöhung vom 17./20.11.2008 als unwirksam und die vereinbarte Arbeitszeit gilt unbefristet. 

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO zu tragen. 

Die Streitwertfestsetzung erfolgt in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern des Klägers, §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO, 42 Abs. 3, 4 GKG. Die Kammer hat den Streitwert in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 4 GKG auf die für Bestandsstreitigkeiten geltende Obergrenze von einem Vierteljahresentgelt begrenzt. 



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