Arbeitsgericht Kaiserslautern

Urteil vom - Az: 2 Ca 438/08, 2 Ca 438/08

Sexuelle Belästigung einer Kundin am Arbeitsplatz

Lediglich die Äußerung eines Arbeitnehmers, eine Kundin sehe toll aus oder sei hinreißend, ist keine sexuelle Belästigung. Dies gilt auch für die Äußerung der Kundin gerne mal auf den Po hauen zu wollen, solange es zu keiner unsittlichen Berührung kommt.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.03.08, noch durch die Kündigung vom 03.04.08 aufgelöst worden ist.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 7.500,00 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 25.03.08 sowie einer ordentlichen Kündigung vom 03.04.08. Der Kläger ist seit dem 03.04.97 bei der Beschäftigungsdienststelle Commissary V. als Ladengehilfe beschäftigt. Nach Anhörung der Betriebsvertretung mit Schreiben vom 14.03.08 (Bl. 33 d. A.) kündigte die Markleiterin ... dem Kläger mit Schreiben vom 25.03.08 fristlos zum 26.03.08, weil er eine Kundin sexuell belästigt habe. Mit Schreiben vom 01.04.08 wies der Beklagtenprozessbevollmächtigte die Kündigung zurück mit der Begründung, die vermeintliche Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die USStreitkräfte sei nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen. Nach weiterer Beteiligung der Betriebsvertretung mit Schreiben vom 14.03.08 (Bl. 41 d. A.), das die örtliche Betriebsvertretung zur Kenntnis genommen hatte, kündigte die Marktleiterin dem Kläger nochmals ordentlich mit Schreiben vom 03.04.08 zum 30.09.08. Auch diese Kündigung hat der Klägervertreter mit Schreiben vom 14.04.08 (Bl. 14 d. A.) mit gleicher Begründung zurückgewiesen. 

Der Kläger trägt vor:
Die fristlose Kündigung vom 25.03.08 sei ihm nicht wie auf dem Kündigungsschreiben vermerkt am selben Tag, sondern erst am 28.03.08 zugegangen. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.08 habe er erst am 12.04.08 erhalten und nicht schon am 03.04.08.

Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den US-Streitkräften nicht durch die Kündigung vom 25.03.08 beendet worden ist. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Streitkräften nicht durch die Kündigung vom 03.04.08 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Am 11.03.08 habe der Kläger in der Tiefkühlabteilung die Kundin ... sexuelle angegriffen. Er habe in aggressiver Weise ihre Hand gepackt und habe folgende eindeutige sexuelle Bemerkung gemacht: „Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen.“ Dabei habe er für das Wort klatschen das Wort „spanking“, was nach Websters Ninth New Collegiate Dictionary mit: „Schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen“ übersetzt werde. Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe jedoch mit der Bemerkung fortgeführt: „Ich möchte dich klatschen und dann möchte ich, dass dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich dich geklatscht habe.“ Die entsetzte Kundin habe daraufhin die Polizei gerufen und den Vorfall auf der Wache angezeigt. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Kläger ihr gegenüber bereits seit 6 Monaten unerwünschte sexuelle Anspielungen gemacht habe, wie z. B. „wie toll sie aussehe, wie hinreißend“, ect. Durch den nunmehr körperlichen Angriff durch den Kläger sei die Situation eskaliert, indem der Kläger von verbalen Bemerkungen zu tätlichem Angriff übergegangen sei. Er habe eine weitere Hemmschwelle überschritten und es sei möglich, dass er ohne Entlassung beim nächsten Mal noch weiter gehen würde. Die Kündigungsberechtigung der Marktleiterin ergebe sich aus der Dienstvorschrift USAFEI 36- 702 G. Jeweils mit dem Kündigungsschreiben sei dem Kläger auch ein Auszug aus dieser Dienstvorschrift vorgelegt worden.

Der Kläger wendet hiergegen ein: Es sei zu keiner Zeit zu einer verbalen oder gar körperlichen sexuellen Belästigung einer Kundin gekommen. Frau ... sei ihm persönlich bekannt. Er habe sie im Oktober 2007 kennengelernt, als sie gelegentlich im Markt einkaufte. Zu einem persönlichen Gespräch sei es zur damaligen Zeit gekommen, als diese den Kläger auf Werbeprodukte ansprach. Auf die Frage, ob sie von den ausgestellten Produkten einige haben könnte, habe er ihr mitgeteilt, dass dies derzeit noch nicht möglich sei, da die Verkaufsaktion noch laufe. Er habe sie jedoch darauf hingewiesen, dass er von den Ausstellungsstücken noch einige zu Hause habe und erklärte sich bereit, Frau ... in den nächsten Tagen einige hiervon mitzubringen, was er auch getan habe (Beweis: Parteivernehmung des Klägers). Bis zum 11.03.08, als Frau ... erneut den Markt betrat, habe er sie zu keiner Zeit gesehen, geschweige denn mit ihr gesprochen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Das Arbeitsverhältnis ist weder durch die fristlose Kündigung vom 25.03.08 noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 03.04.08 aufgelöst worden.

I. Die fristlose Kündigung ist bereits nach § 174 BGB unwirksam. Diese Vorschrift gilt auch im öffentlichen Dienst. Die Beklagte kann sich nicht auf § 174 S. 2 BGB berufen, wonach die Zurückweisung ausgeschlossen ist, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Die Beklagte hat nämlich nicht behauptet, dass die Dienstvorschrift, aus der sich die Kündigungsbefugnis der Marktleiterin ergibt, dem Kläger vor Zugang der Kündigung zur Kenntnis gebracht oder sonst wie öffentlich bekannt gemacht worden sei (vgl. hierzu BAG Urteil v. 18.10.2000, NZA 2001, 219 m. w. N.). Es reicht auch nicht aus, wenn das in Kenntnis setzen von der Bevollmächtigung erst gleichzeitig mit der Kündigung erfolgt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift wenn es dort heißt: „in Kenntnis gesetzt hatte“. Dies ergibt sich aber auch aus der Interessenlage. Der Kündigungsempfänger ist nach wie vor im Ungewissen, ob die Kündigung mit wirksamer Vollmacht ausgesprochen worden ist oder nicht. Der Kläger hat die Kündigung auch „wegen“ fehlender Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Dies muss nämlich nicht ausdrücklich erfolgen. Zwar bestreitet er zunächst nur die Kündigungsberechtigung. Er rügt aber auch, dass der erforderliche Nachweis nicht vorliege. Hierbei kann es sich aber nur um die Vollmachtsurkunde handeln. Die Zurückweisung ist auch unverzüglich erfolgt, auch wenn die Kündigung bereits am 25.03.08 zugegangen sein sollte.

II. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.08 ist bereits nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sozial ungerechtfertigt nach § 1 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz findet aufgrund der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Größe der Dienststelle Anwendung. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung u. a. nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Der Kläger hat nach dem Vortrag der Beklagten seine arbeitsvertraglichen Pflichten eindeutig verletzt. Als Verkäufer hat er den Kunden nicht nachzustellen oder diese gar sexuell zu belästigen. Ob vorliegend eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen wäre, kann dahinstehen, weil die Kündigung aufgrund der letztlich vorzunehmenden Interessenabwägung unwirksam ist. Das Verhalten des Klägers mag nach dem Vortag der Beklagten zwar sexuell bestimmt gewesen sein. Indessen hat der Kläger aber nur kundgetan, er würde der Kundin, die er persönlich kennt, gerne einfach einmal auf den Po hauen. Zu einer unsittlichen Berührung ist es indessen nicht gekommen. Der Kläger hat sie auch nicht deshalb an der Hand  gepackt, um derartige Berührungen durchführen zu können. Ersichtlich wollte er lediglich, dass diese ihm weiter zuhört. Was er allerdings mit der weiteren Bemerkung bezweckte, wonach er wünschte, dass ihr Ehemann komme, ist für die Kammer unverständlich. Aus dem weiteren Vorbringen der Beklagten ergibt sich zudem nur, dass der Kläger auch in der Vergangenheit schon versucht hatte, der Kundin näher zu kommen. Wenn er dabei Komplimente gemacht hat, wie z. B. sie sehe toll aus oder sei hinreißend, so ist dies keine sexuelle Belästigung. Gleichwohl hat er selbstverständlich derartige Verhaltensweisen an seinem Arbeitsplatz zu unterlassen. Dies spricht auch dafür, dass eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre. Nach Auffassung der Kammer überwiegt deshalb das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers, zumal dieser bereits 11 Jahre bei der Beklagtenbeschäftigt ist. 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzt.



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