Arbeitsgericht Kaiserslautern

Urteil vom - Az: 8 Ca 1146/11

Tarifvertragliche Erholungsbeihilfe nur für Gewerkschaftsmitglieder

Arbeitnehmer erhalten keine durch Tarifvertrag an Gewerkschaftsmitglieder zugesagte Erholungsbeihilfe (einmalig 100-250 €), wenn sie nicht selbst Gewerkschaftsmitglied sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Sonderzahlung durch den Arbeitgeber selbst oder durch einen Verein erfolgt, dem der Arbeitgeber einen entsprechenden Mitgliedsbeitrag zahlt. Denn selbst bei direkter Auszahlung durch den Arbeitgeber dürfe dieser nach der Gewerkschaftszugehörigkeit differenzieren. Diese Wertung ergebe sich bereits aus dem Tarifvertragsgesetz. Schließlich haben die Tarifpartner lediglich das Mandat für eigene Mitglieder zu handeln.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Berufung wird zugelassen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 200,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten sich über Zahlungsansprüche.

Der Kläger ist seit 21 Jahren bei der Beklagten in A-Stadt beschäftigt und Mitglied der Christlichen Gewerkschaft Metall (im Folgenden CGM).

In den Betrieben der Beklagten sind die Beschäftigten vor allem von der Industriegewerkschaft Metall (im Folgenden: IG-Metall) vertreten. Im Zuge der Sanierungsbemühungen schlossen die Beklagte, Arbeitgeberverbände, Betriebsräte der Standorte Rüsselsheim, Bochum, A-Stadt, des Testzentrums Dudenhofen und des Werkes Eisenach mit der IG-Metall ein sog. "Master Agreement" (Blatt 16ff d. A.).

Zur Reduzierung von Personalkosten wurde dabei der Verzicht und die Verschiebung von Vergütungszahlungen bzw. -erhöhungen für alle Beschäftigten vereinbart (Punkt B des Master Agreements, Blatt 23 d. A.).

In einer sogenannten "Side-Letter" zum "Master-Agreement" wurde Folgendes vereinbart (Blatt 31 d. A.)

"Die vom der IG Metall unter B genannte Zusage zur Einmalzahlung steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die IG-Metall und das Management eine Vereinbarung zum Punkt "Besserstellung für IG-Metall Mitglieder" bis zum 1.9.2010 abschließen."

Diese Vereinbarung wurde lediglich von der Beklagten und der IG-Metall unterzeichnet.

Die Beklagte schloss daraufhin eine Vereinbarung mit dem "Verein zur Förderung von Gesundheit und Erholung der saarländischen Arbeitnehmer e.V." im Folgenden "Saarverein" (Blatt 76ff d. A.), mit der die Beklagte diesem Verein beitrat. Als Mitgliedsbeitrag wurden zwischen 8 und 8,5 Mio Euro vereinbart, die zwischenzeitlich auch von der Beklagten bezahlt sind. Die Satzung dieses Vereins (Blatt 79ff d. A.) sieht die - steuer- und abgabenbegünstigte - Zahlung von sogenannten Erholungsbeihilfen an bei der Beklagten beschäftigte Mitglieder der IG-Metall vor. Die Erholungsbeihilfen genannten Zahlungen waren dabei nach der Dauer der Mitgliedschaft bei der IG Metall gestaffelt (Blatt 89 d. A.) und lagen zwischen 100,- und 250,- Euro.

In den "Metallnachrichten" der IG-Metall für die Beschäftigten bei der Beklagten wurde auf die Erholungsbeihilfen hingewiesen und von einem "Tarifvertrag für Fitness und Gesundheit" geschrieben (Blatt 9 d. A.).

Der Kläger als Mitglied der CGM erhielt keine Erholungsbeihilfe.

Der Kläger trägt vor:

Die Erholungsbeihilfe sei ihn Wahrheit eine reguläre Vergütung, die - zur Umgehung der Steuer- und Abgabenpflicht - und um nicht- und anders gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser zusätzlichen Vergütungszahlung auszuschließen, über den Saarverein abgewickelt wurde.

Der Bericht des ARD-Magazins Monitor (Script Blatt 12ff d. A.) habe gezeigt, dass eine Kontrolle der Verwendung der ausgezahlten Beträge nicht erfolge. Die dort interviewten Beschäftigten hätten erklärt, das Geld für eine Autoreparatur oder für ein schönes Essen verwendet zu haben.

Es liege ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Allenfalls mit einfachen Differenzierungsklauseln in Tarifverträgen dürfte eine Schlechterstellung der nicht in der Mehrheitsgewerkschaft organisierten vereinbart werden. Die "Side-Letter" zum "Master Agreement" stelle aber keinen Tarifvertrag dar, so dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung finde. Es handele sich auch nicht um eine einfache Differenzierungsklausel sondern um eine qualifizierte Differenzierungsklausel, mit der verhindert werden solle, dass die nicht in der IG-Metall organisierten Arbeitnehmern die zusätzliche Vergütung erhalten.

Dem Kläger stünden daher auch die 200 Euro netto von der Beklagten zu.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200 Euro netto Arbeitsentgelt nebst  Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Es liege keine unzulässige Ungleichbehandlung durch die Beklagte vor. Die Beklagte leiste an einzelne Arbeitnehmer überhaupt keine Zahlungen. Die IG-Metall habe mit ihrer Verhandlungsmacht bei einem von der Beklagten vermuteten Organisationsgrad von mehr als 50 % die zusätzliche Leistung in Form des Beitritts zu dem Verein zur Förderung der Gesundheit und Erholung der saarländischen Arbeitnehmer e.V. durchgesetzt. Der Kläger könne nicht Gleichbehandlung mit einem IG-Metall Mitglied verlangen. Auch ein Mitglied der IG-Metall könne keine Ansprüche, wie vom Kläger eingeklagt, von der Beklagten verlangen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nur zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Es gebe keinen Grundsatz, dass Differenzierungsklauseln zwischen organisierten und nicht- bzw. anders organisierten Arbeitnehmern nur aufgrund eines Tarifvertrages erfolgen dürfe. Eine unzulässige Einschränkung der Koalitionsfreiheit liege allenfalls dann vor, wenn durch die zusätzliche Zahlung ein hoher Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt werde sich einer bestimmten Gewerkschaft anzuschließen. Das sei aber hier bei einem Betrag von 200 Euro nicht der Fall und werde vom Kläger auch nicht behauptet.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze sowie auf die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 13.12.2011 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 200,00 EUR netto zzgl. Zinsen.

1.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in Frage. Danach darf der Arbeitgeber bei der Gewährung von Leistung keine sachfremde Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern vornehmen (vgl. BG 21.09.2011, 5 AZR 570/10).

a)

Eine direkte Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes scheidet hier aus, denn die Beklagte hat keinen Arbeitnehmer, auch nicht den Mitgliedern der IG-Metall, die 200,00 EUR Erholungsbeihilfe gezahlt.

b)

Nur falls die Zahlung über den sog. "Saarverein" eine Umgehung darstellen sollte, könnte der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dennoch Anwendung finden, wobei die evtl. Umgehung sozial- oder steuerrechtlicher Vorschriften für die arbeitsrechtliche Beurteilung eine Rolle spielt. Die Beklagte hat die Auszahlung über den "Saarverein" in nachvollziehbarer und von der Klägerseite nicht bestrittene damit begründet, dass damit den betroffenen Arbeitnehmern erspart bleibt gegenüber dem Arbeitgeber zu offenbaren, ob sie Mitglied der IG-Metall sind oder nicht.

c)

Selbst wenn eine direkte Auszahlung erfolgt wäre, durfte die Beklagte eine Differenzierung zwischen den IG-Metallmitgliedern und den nicht oder anders Organisierten vornehmen. Die unterschiedliche Behandlung von tarifvertraglich gebundene und nicht tarifvertraglich gebundenen Arbeitnehmern ist das Tarifvertragsgesetz selbst vorgesehen. In der Praxis werden - aus nachvollziehbaren Gründen - die organisierten und nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer im Regelfall gleich behandelt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die unterschiedliche Behandlung von jedem nach seiner Gewerkschaftszugehörigkeit eine sachfremde Differenzierung darstellt. Die Tarifpartner haben sogar lediglich das Mandat für ihre eigenen Mitglieder und nicht auch für anders oder nicht organisierte zu handeln. Es ist außerdem vor dem Hintergrund der Tarifautonomie bedenklich, wenn ein Arbeitgeber sich mit einer Gewerkschaft auf eine bestimmte Leistung, aus welchen Gründen auch immer, einigt, gezwungen sein soll, diese Leistungen allen auch den nicht oder in anderen Gewerkschaften Organisierten zu gewähren. Nach der Aufgabe der Tarifeinheit durch das BAG (BAG 10 AS 2/10 vom 23.06.2010) stellt sich das Problem, dass evtl. die Auswahl zwischen mehreren möglichen Tarifverträgen von verschiedenen Gewerkschaften, nach denen dann eine Gleichbehandlung erfolgen soll, getroffen werden müsste.

d)

Wie in der Entscheidung zur Differenzierungsklausel, der sog. Trittbrettfahrerentscheidung, darf lediglich die Differenzierung selbst nicht gegen die Tarifautonomie verstoßen. Das ist bei einem Betrag von 200,00 EUR nicht der Fall. Die nichtorganisierten Arbeitnehmer haben (über das Jahr gerechnet) immer noch mehr im Geldbeutel als die in der IG-Metall organisierten trotz Erholungsbeihilfe.

e)

Gegen die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zugunsten des Klägers spricht auch, dass der Arbeitgeber den Gleichbehandlungsgrundsatz bei von ihm selbst gesetzten Regeln anwenden muss. Der Beitritt zum "Saarverein" war aber keine von der Beklagten selbst gesetzte Regel sondern ein von der IG-Metall aufgrund ihrer starken Verhandlungsposition geforderte Bedingung für die Zustimmung zu den Sanierungsmaßnahmen.

f)

Schließlich ließe sich auch ein evtl. Anspruch des Klägers der Höhe nach nicht begründen. Auf die Verteilung der Erholungsbeihilfe durch den "Saarverein" hatte die Beklagte keinen Einfluss. Es ist nicht ersichtlich, welche Zeiten für nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer bei der Höhe der Erholungsbeihilfe zugrunde zu legen sind. Der Kläger trägt hierzu auch nichts vor.

2.

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache war die Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG ausdrücklich zuzulassen.

3.

Nach alledem war wie geschehen zu entscheiden und die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO.



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