Arbeitsgericht Kaiserslautern

Urteil vom - Az: 2 Ca 859/09

Zur Konkretisierung eines Arbeitsvertrages

Wird die von der Arbeitnehmerin zu verrichtende Tätigkeit durch einen (separaten) Vertrag auf eine konkrete Position konkretisiert, wobei dieser Vertrag eine einjährige Probezeit vorsieht und bei Nicht-Bewährung ein Widerrufsrecht des Arbeitgebers, so kann das Widerrufsrecht nach Ablauf der Probezeit nicht mehr ausgeübt werden.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

I. Es wird festgestellt, dass der Entzug der Gruppenleitung der
Außenwohngruppe in B. unwirksam ist.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 3.500,00 Euro.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Entzugs einer Gruppenleiterfunktion. Die Klägerin ist seit dem 01.09.1996 bei der Beklagten als Mitarbeiterin im Erziehungsdienst beschäftigt und ist in der Vergütungsgruppe IV b BAT eingruppiert. Mit Schreiben vom 12.06.1998 (Bl. 7 d. A.) wurde der Klägerin ab dem 01.06.1998 die Leitung der Außenwohngruppe B. zunächst für ein Jahr zur Probe übertragen. In dem Schreiben heißt es weiter: „Bei Bewährung in dieser Funktion wird Ihnen die Gruppenleitung nach einem Jahr endgültig übertragen. Nach 4-jähriger Bewährung haben Sie Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage. Bei Nichtbewährung kann die Beschäftigung in dieser Funktion jederzeit mit sofortiger Wirkung widerrufen und beendet werden. Die Vergütung erfolgt mit Beginn des auf den Widerruf folgenden Monats wieder nach der anschließend übertragenen Tätigkeit (Wegfall der Zulage oder Berichtigung der Eingruppierung). Die Kündigungsrechte beider Vertragspartner werden durch diese Vereinbarung nicht eingeschränkt. Wir danken Ihnen für Ihren bisherigen guten und zuverlässigen Einsatz, ...“ Das Schreiben ist von beiden Parteien unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 13.08.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sich in ihrer Funktion bewährt habe und ihr die Gruppenleitung ab dem 01.06.1999 endgültig übertragen wird. Mit Schreiben vom 04.03.2009 entzog die Beklagte der Klägerin die Leitung der Außenwohngruppe in B. zum 05.03.2009. Auf das Schreiben (Bl. 9 d. A.) wird Bezug genommen. Seit dieser Zeit ist die Klägerin arbeitsunfähig krank.

Die Klägerin trägt vor:
Die Tätigkeit der Gruppenleitung sei Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden und könne ihr nicht einseitig entzogen werden. Es sei auch zu beachten, dass sie Mitglied der Mitarbeitervertretung sei und dem Schutz des Mitarbeitervertretungsrechts im Bereich der evangelischen Kirche der Pfalz unterliege. Die Maßnahme verstoße gegen § 21 des MVG.EKD.

Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Entzug der Gruppenleitung der Klägerin durch das Schreiben der Beklagten vom 04.03.2009 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Nach dem Vertrag vom 12.06.1998 könne die Funktion der Gruppenleitung bei Nichtgewährung jederzeit widerrufen werden. Das Widerrufsrecht sei nicht auf die Probezeit beschränkt. Wegen der Gründe, die zum Entzug der Gruppenleitung führte, wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 04.09.2009 (Bl. 53 ff. d. A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Feststellungsklage ist nach § 256 ZPO zulässig. Ein Arbeitnehmer kann die Feststellung begehren, die Weisung des Arbeitgebers verstoße gegen den Arbeitsvertrag (BAG,  20.01.1960, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 8).

II. Der Entzug der Gruppenleitung durch Schreiben vom 04.03.2009 ist rechtsunwirksam. Die Maßnahme ist nicht durch den Arbeitsvertrag gedeckt. Zwar wurde die Klägerin durch Arbeitsvertrag lediglich als „Mitarbeiterin im Erziehungsdienst“ eingesetzt. Eine Umsetzung konnte dabei mit Tätigkeiten erfolgen, die der Vergütungsgruppe IV b BAT entsprechen. Der Arbeitsvertrag ist aber durch den Vertrag vom 12.06.1998 auf die Tätigkeit der Leitung der Außengruppe B. konkretisiert worden. Die vereinbarte Widerrufsmöglichkeit bezieht sich eindeutig lediglich auf die Bewährungszeit von einem Jahr, wenn es heißt: „Bei Nichtbewährung kann ...“ Dass hierdurch der Arbeitsvertrag geändert werden sollte, ergibt sich auch daraus, dass ausdrücklich die Kündigungsrechte beider Vertragspartner nicht eingeschränkt werden sollten. Ersichtlich wollten die Parteien vermeiden, dass die Übertragung als auf Lebenszeit übertragen angesehen werden könnte und deshalb für die Kündigungsfrist § 624 BGB zur Anwendung käme. Die Vereinbarung vom 12.06.1998 wurde auch von beiden Parteien unterzeichnet. Letztlich wurde der Klägerin dann die Leitung der Außenwohngruppe B. ab dem 01.06.1999 endgültig übertragen. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung dieses Angebots war nach § 151 BGB entbehrlich. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Maßnahme auch nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz unwirksam ist. Eine Versetzung oder Abordnung nach § 21 MVG liegt jedoch unstreitig nicht vor. Es liegt auch keine Umsetzung innerhalb einer Dienststelleunter gleichzeitigem Ortswechsel ( § 42 f MVG) vor, weil die Klägerin zwar aus ihrer bisherigen Position abberufen worden ist, der Klägerin aber noch kein neuer Dienstpostenunter gleichzeitigem Ortswechsel zugewiesen wurde (vgl. VerwG.EKD, Beschluss vom 29.04.2003, Az: I-0124/G 31-02).

Der Klage ist deshalb stattzugeben.

III.Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzt.



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