Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 2 Ca 1666/07

Kleine und große dynamische Verweisungen

Auf einen Tarifvertrag kann mit der so genannte „kleinen dynamische Verweisung“ auf die jeweilige Fassung eines bestimmten Tarifvertrages z.B. des BAT verwiesen werden. In Abgrenzung hierzu betrifft die sogenannte „große dynamische Verweisung“ die Bezugnahme auf die jeweilige Fassung des jeweils einschlägigen Verbandstarifrechts des öffentlichen Dienstes.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 655,36 festgesetzen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten tarifvertragliche Zahlungsansprüche geltend; die Anwendung der betreffenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis ist streitig. Eine Anwendung der klägerseits geltend gemachten Tarifverträge auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit ist unstreitig nicht gegeben. Der am ... 1956, geborene, geschiedene Kläger ist seit dem 01.11.1995 als Arbeitstherapeut bei der Beklagten in deren Einrichtung in Ma. auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages beschäftigt. Der Kläger begehrt von der Beklagten nach dem Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und Ver.di Einmalzahlung für die Jahre 2006 und 2007 entsprechend den unten stehenden Anträgen 1), 2) und 4). Der Kläger begehrt außerdem einen Zeitzuschlag von 35 Prozent für seine Tätigkeit am 24.12.2006 nach dem Tarifvertrag TV-L.  

Der Kläger trägt vor:
Die oben genannten Tarifverträge würden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung finden. Dies ergebe sich aus der Regelung in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vom 26.04.2002: „Die Eingruppierung und Vergütung richten sich nach Bundesangestelltentarifvertrag Bund/Länder (BAT Bund/TdL) in der jeweils gültigen Fassung. Damit handele es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung auf das Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes; eine Verweisungsklausel dieser Art führe zur Anwendung des TVÖD bzw. des TV-L und seinen jeweiligen Überleitungstarifverträgen. Die Ansprüche seien auch rechtzeitig per E-Mail bzw. schriftlich geltend gemacht worden. 

Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Einmalzahlung für das Jahr 2006 100,- EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit dem 31.07.2006 zu zahlen;

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Einmalzahlung für das Jahr 2007 210,- EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit dem 31.01.2007 zu zahlen;

3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 45,36 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 300,- EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit dem 30.09.07 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Das Begehren des Klägers sei ungerechtfertigt, weil die geltend gemachten Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finden würden. Diese Tarifverträge seien im Arbeitsvertrag der Parteien nicht vereinbart. Ergänzende bzw. ersetzende Tarifverträge wie TVÖD bzw. TV-L seien arbeitsvertraglich nicht vereinbart worden. Der Kläger habe seine vermeintlichen Ansprüche auch nicht innerhalb der geltenden Ausschlussfrist geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. 

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche aus dem herangezogenen Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 und dem herangezogenen Tarifvertrag TV-L gegenüber der Beklagten nicht zu. Denn diese Tarifverträge sind im Arbeitsvertrag der Parteien nicht vereinbart worden und finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 26.04.2002 ist unter der Ziffer 2 vereinbart: 

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Dienstverhältnis die vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR). Die Eingruppierung und Vergütung richten sich nach Bundesangestelltentarifvertrag Bund/Länder (BAT Bund/TdL) in der jeweils gültigen Fassung. Der Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst-West und der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes über die Zahlung eines Urlaubsgeldes-West finden auf das Dienstverhältnis Anwendung. 

Nach dieser arbeitsvertraglichen Regelung ist für die Eingruppierung und Vergütung der BAT in der jeweils gültigen Fassung vereinbart, außerdem sind die genannten Zuwendungstarifverträge für Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld vereinbart. Demgegenüber ist in dem Arbeitsvertrag der Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 und der Tarifvertrag TV-L nicht vereinbart worden. Soweit klägerseits die Meinung vertreten wird, dass nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung auf das gesamte Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes handele, sodass diese Verweisungsklausel zur Anwendung des TVÖD bzw. des TV-L und seinen jeweiligen Überleitungstarifverträgen führe, folgt dem die Kammer nicht. Denn bei der Vereinbarung in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 26.04.2002 handelt es sich lediglich um eine sogenannte „kleine dynamische Verweisung“ mit der Bezugnahme auf die jeweilige Fassung eines bestimmten Tarifvertrages, nämlich des BAT, und nicht etwa um eine sogenannte „große dynamische Verweisung“ mit Bezugnahme auf die jeweilige Fassung des jeweils einschlägigen Verbandstarifrechts des öffentlichen Dienstes. Bei Gesamtschau des Arbeitsvertrages vom 26.04.2002 wird ersichtlich, dass die Parteien in diesem Arbeitsvertrag selektiv für unterschiedliche Bereiche unterschiedliche Bezugnahme Klauseln vereinbart haben. So ist etwa grundsätzlich im Satz 1 des Absatzes 2 die Anwendung der Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR) vereinbart, für Kündigungsfristen ist in Absatz 3 des Arbeitsvertrages die gesetzliche Regelung nach BGB vereinbart, der Umfang der Arbeitszeit ist in Absatz 6 des Arbeitsvertrages individuell vereinbart, die Urlaubsdauer ist in Absatz 7 nach § 10 Abs. 5 AVR vereinbart. Hinsichtlich der Eingruppierung und Vergütung ist in Absatz 2 nicht generell auf das Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes Bezug genommen worden; es ist zum Beispiel nicht vereinbart worden, dass sich die Eingruppierung und Vergütung generell nach dem jeweiligen Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes richten solle, bzw. dass sich etwa Eingruppierung und Vergütung nach dem Bundesangestelltentarifvertrag und den diesen BAT eventuell ergänzenden bzw. ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung richten solle. Derartige Formulierungen, die auf eine generelle und große dynamische Verweisung auf das jeweilige Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes hinweisen, fehlen im Arbeitsvertrag. In Absatz 2 des Arbeitsvertrages ist vielmehr neben der Verweisung auf den BAT noch der Zuwendungstarifvertrag Weihnachtsgratifikation und der Tarifvertrag über die Zahlung eines Urlaubsgeldes in Bezug genommen worden; dies spricht ebenfalls für eine lediglich selektive kleine dynamische Verweisung auf die Fassung ganz bestimmter Tarifverträge und nicht etwa auf eine große dynamische Verweisung auf das gesamte jeweils geltende Verbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes. Wenn die Parteien eine große dynamische Verweisung auf das jeweils geltende erbandstarifrecht des öffentlichen Dienstes gewollt hätten, hätte eine entsprechende Formulierung in den Arbeitsvertrag gehört und wäre es dann auch nicht erforderlich gewesen, die Zuwendungstarifverträge für die Weihnachtsgratifikation und das Urlaubsgeld gesondert in Absatz 2 des Arbeitsvertrages aufzuführen. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass arbeitsvertraglich nur eine kleine dynamische Verweisung auf die jeweilige Fassung des BAT und der Zuwendungstarifverträge für Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld vereinbart sind. Die streitgegenständlichen Tarifverträge bezüglich Einmalzahlungen und TV-L sind damit nicht arbeitsvertraglich vereinbart worden. Der Hinweis der Klägerseite auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.11.2002 - 4 AZR 351/01 (in AP Nr. 24 zu § 1 Tarifvertragsgesetz Bezugnahme auf Tarifvertrag) führt vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Entscheidung betrifft lediglich einen zeitdynamischen Geldanspruch nach der Vergütungsgruppe im Rahmen des BAT, dagegen nicht die Problematik nach Inkrafttreten des TVÖD bzw. TV-L. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertentscheidung auf § 61 Abs. 1 ArbGG.



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