Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 1 BV 2843/98

Zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Entlassung von Beamten nach § 35 BBG

Da das Betriebsverfassungsgesetz für jede Art der Kündigung besteht, ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch die vorliegende besondere Art der im Beamtenrecht als „Entlassung“ bezeichneten Kündigung mitbestimmungspflichtig.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor

Unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen wird festgestellt, dass dem Antragsteller bei der Entlassung von Beamten nach § 35 S. 2 Bundesbeamtengesetz ein Mitbestimmungsrecht nach § 102 Betriebsverfassungsgesetzzusteht.

 

Entscheidungsgründe

Gegenstand des vom Betriebsrat am 07. September beschlossenen und von ihm am 02. Oktober 1998 eingeleiteten Beschlussverfahrens ist die vom Arbeitgeber mit seinem Schreiben vom 10. Juli (Bl. 10 f d.A.) angekündigte Entlassung einer an einem Gehirntumor erkrankten 35 Jahre alten Beamtin des gehobenen Dienstes (Besoldungsgruppe A 10), die in einer Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde ... im ... kreis lebt. In dem Schreiben wurde die Beamtin für berechtigt erachtet, die Mitwirkung des Betriebsrats zu beantragen, was sie mit ihrem Schreiben vom 13. Juli (Bl. 32 d.A.) auch getan hat. Außerdem erhob sie mit ihrem Verbandsschreiben vom 28. Juli (Bl. 33 f d.A.) Einwendungen gegen die Entlassungsabsicht, die die örtliche Niederlassung des Arbeitgebers mit ihrem Schreiben vom 17. August (Bl. 28 d.A.) beantwortete. Mit Schreiben vom gleichen Tag an den Betriebsrat (Bl. 6 d.A.) vertrat die Niederlassung die Ansicht, dass er bei der beabsichtigten Entlassung (doch) nicht zu beteiligen sei. Sein Antrag auf Entscheidung durch den Arbeitsdirektor des Arbeitgebers (§§ 29 Abs. 6, 1 Abs. 8 PostPersRG) blieb erfolglos (Bl. 35 d.A.), in Abweichung des für Fälle der vorliegenden Art vom Arbeitgeber aufgestellten Ablaufschemas (Bl. 36-44 d.A.), das auf Seite 4 generell eine Beteiligung des Betriebsrats in analoger Anwendung der gesetzlichen Beteiligung des Personalrats bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand vorsieht.

Im Anhörungstermin beantragte der Betriebsrat festzustellen, dass der Arbeitgeber durch die Kündigung der Beamtin auf Lebenszeit ... sein Mitbestimmungsrecht nach § 102 BetrVG verletzt hat, ihm bei der Entlassung von Beamten nach § 35 S. 2 BBG ein Mitbestimmungsrecht nach § 102 BetrVG zusteht.

Der Arbeitgeber beantragte,
die Anträge zurückzuweisen.

Im Anschluss an die an die Verfahrensbeteiligten in Nr. 5 der Verfügung vom 03. Februar (Bl. 16 f d.A.) gerichtete Frage nach der Zulässigkeit des Rechtswegs konnte dem kurz darauf eingegangenen letzten Heft zum Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts entnommen werden, dass der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 22. Februar 1998 (AP Nr. 14 zu § 2 a ArbGG 1979) in Übereinstimmung mit der ersten Instanz und in Abweichung vom Beschwerdebeschluss der zweiten Instanz im Ergebnis die Auffassung vertreten hat, dass bei einem Streit über ein betriebsverfassungsrechtliches Mitbestimmungsrecht die Rechtswegbestimmung des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG vorrangig ist gegenüber der Rechtswegbestimmung des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz) vom 14. September 1994 (BGBl. 1994 I S. 2353), dessen § 29 Abs. 9 den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Kammer folgt dem. Unstreitig ist die im Bundesbeamtengesetz in § 35 S. 2 vorgesehene und im vorliegenden Fall vom Arbeitgeber beabsichtigte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, aus der der Betriebsrat im Antrag zu 1) fälschlich eine Kündigung gemacht hat, noch nicht erfolgt. Der Vorgang wird zuständigkeitshalber noch bei der der örtlichen Niederlassung übergeordneten Stelle bearbeitet. Somit kann von einer Verletzung des vom Betriebsrat beanspruchten Mitbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber auch noch keine Rede sein. Mit der somit notwendigen Abweisung des Antrags zu 1) steht zugleich fest, dass für den Antrag zu 2) ein Rechtsschutzbedürfnis in Form eines Feststellungsinteresses besteht.

Der folglich zulässige Antrag ist auch begründet.

Denn zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass der Fall der im Antrag bezeichneten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nicht der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung bei Kündigungen (§§ 28, 29 Abs. 8 PostPersRG, 79 Abs. 3 BPersVG) unterliegt; die im Ablauf Schema vorgesehene analoge Anwendung von § 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG überzeugt nicht. Außerdem gelten die vom Arbeitgeber beschäftigten Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer (§ 24 Abs. 2 PostPersRG) und enthalten die §§ 28, 29 PostPersRG - wie im Beschluss des 1. BAG-Senats vom 12. August 1997 (EzA § 99 BetrVG Versetzung Nr. 3) festgestellt - keine abschließende Regelung, so dass das Betriebsverfassungsgesetz mangels abweichender Regelung im Sinne von § 24 Abs. 1 PostPersRG insoweit Anwendung findet, als sonst eine kollektive Mitbestimmung fehlen würde. Da diese nach dem Betriebsverfassungsgesetz für jede Art der Kündigung besteht (§ 102 Abs. 1 S. 1), ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch die vorliegende besondere Art der im Beamtenrecht als Entlassung bezeichneten Kündigung - im allgemeinen Sprachgebrauch des Arbeitslebens ist es nur die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB - mitbestimmungspflichtig.



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