Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 1 CA 1794/06, 1 Ca 1794/06

Zur Abgrenzung der Betriebsstillegung vom Betriebsübergang

Betriebsübergang und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als solche und nicht als Betriebsübergang darstellt.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.07.2007 am 31.01.2007 sein Ende gefunden hat.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 19.958,50 Nachteilsausgleich zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Parteien tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

V. Der Streitwert wird auf EUR 39.917,12 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier gegenüber dem Kläger ausgesprochener ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen und der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs.

Der am 29.04.1966 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. in der Unternehmensgruppe ... seit dem 01.01.1988 zuletzt im Anzeigeninnendienst zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.494,82 EUR beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Sie war aufgrund eines Kommissionsvertrags mit der ... vom 23.12.1986 für diese mit dem Vertrieb von Anzeigen beauftragt. Der Anzeigenvertrieb erfolgte auf eigene Rechnung und im Namen der Beklagten. Neben dem Vertrieb der Anzeigen, der auch die Anzeigenauftragsabwicklung beinhaltete, oblagen der Beklagten unter anderem folgende weitere Aufgaben: Technische Betreuung der Kollektive- und Sonderbeilagen, Belegstelle, Reiseverkauf, Sonderbeilagendisposition, Beilagenberechnung und Statistik. Der Kommissionsvertrag wurde seitens der ... mit Schreiben vom 05.08.2005 zum Ablauf des 31.12.2005 gekündigt (Bl. 20 d. A.). Am 23.06.2006 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten daraufhin die Stilllegung des Betriebes zum 31.12.2006 (Bl. 21 d. A.). Die Tätigkeitsbereiche der Beklagten wurden, teilweise bereits im Laufe des Jahres 2006, wie folgt aufgeteilt: Die Anzeigenverwaltung sowie der hierfür notwendige kaufmännische Bereich werden nunmehr durch die Firma ... wahrgenommen. Diese wurde hierzu seitens der ... beauftragt. Am 11.08.2006 informierte der Verleger der..., Herr ..., die Kunden darüber, dass zukünftig Aufträge ab sofort von dem neuen Dienstleister, der ... bearbeitet würden und gebeten, sich für alle Neuaufträge ausschließlich an diese zu wenden. Die Abwicklung bereits an die Beklagte erteilter Aufträge verbleibe dort. Seit dem 11.08.2006 führten somit die Mitarbeiter der Beklagten nur noch  Restarbeiten aus. Der Reiseverkauf ist auf die ... übertragen worden. Die Belegstelle befindet sich seit ca. September 2006 bei der Firma ... Die Sonderbeilagendisposition ist den Außendienstlern in den verschiedenen Regionalverlagen übertragen worden. Die Akquisition der Kunden erfolgt nunmehr direkt durch die ... die selbst Vertragspartnerin der Kunden wird. Aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 23.06.2006 erfolgte unter dem 26.06.2006 eine Mitteilung an den Betriebsrat, hinsichtlich deren Inhaltes voll umfänglich auf Bl. 22 d. A. verwiesen wird. Mit Schreiben vom 21.07.2006 wurde der Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Ebenfalls am 21.07.2006 nahm die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit die Anzeige von Entlassungen gemäß § 17 KSchG vor. Unter Ziffer 4. ihres Antrages stellte die Beklagte bei der Agentur für Arbeit vorsorglich den Antrag auf Abkürzung der Entlassungssperre. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung am 28.07.2006. Mit Schreiben vom 28.07.2006 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2007 aus (Bl. 4 d. A.). Unter dem Datum 10.08.2006 erteilte die Agentur für Arbeit C-Stadt die Zustimmung zu den angezeigten Entlassungen (Bl. 26 f. d. .). Mit dem Betriebsrat wurde am 27.06., 11.07., 13.07. und 21.07.2006 beraten und verhandelt. Ein Interessenausgleich wurde nicht geschlossen. Im Rahmen der Einigungsstelle am 17.10.2006 wurde lediglich das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlung festgestellt. Mit Schreiben vom 30.10.2006 sowie 22.12.2006 sprach die Beklagte erneutn Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Mit seiner am 03.08.2006 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage, erweitert am 21.11.2006 sowie am 15.01.2007, wendet sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen. Er begehrt Weiterbeschäftigung, sowie hilfsweise im Falle des Unterliegens mit der Kündigungsschutzklage, die Zahlung einer Abfindung.

Er trägt hierzu vor:
Entgegen dem Gesellschafterbeschluss, der die Stilllegung des Betriebes „vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrates“ vorgesehen habe, seien die Kündigungen bereits vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen ausgesprochen worden. Ferner sei die Monatsfrist des § 18 KSchG nicht gewahrt worden. Dass der Betriebsrat seitens der Agentur für Arbeit vor Erlass des Zustimmungsbescheides vom 10.08.2006 nicht angehört wurde, was im Übrigen unstreitig ist, sei der Beklagten anzulasten. Es sei davon auszugehen, dass dies dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt gewesen sei, aufgrund des kurzen Zeitraumes vom 21.07.2006, dem Tag der Anzeige und dem 26.07.2007, dem Tag, an dem bereits der Beklagten die Zustimmung zu den Kündigungen seitens eines Mitarbeiters der Agentur für Arbeit telefonisch signalisiert worden sein soll. Ferner sei der Betriebsrat nicht formal über die geplante Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit unterrichtet worden. Das Schreiben vom 26.06.2006 sei lediglich eine Information über die geplante Betriebsstilllegung und eine Aufforderung zu Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen. Ferner sei der Bundesagentur für Arbeit der Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht dargelegt worden, was im Übrigen unstreitig ist. Dies stehe der Wirksamkeit der Kündigung ebenfalls entgegen. Zudem habe die Kündigung erst nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich, möglicherweise sogar erst nach Abschluss eines Sozialplans erfolgen dürfen. Dies ergebe sich aus der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 ff KSchG. Im Übrigen liege hier keine Betriebsstilllegung, sondern ein Betriebsübergang auf die Firma ... vor. Eine Funktionsnachfolge liege bereits in der Übernahme der zuvor von der Beklagten bearbeiteten Aufträge durch die Firma ... Deren Gründung sei ein von der ... gesteuerter Vorgang. So sei am 08.04.2006 in der ... eine Anzeige geschaltet worden, die den Beginn der Betriebstätigkeit der Firma ... zum 01.06.2006 angekündigt habe, was im Übrigen ebenfalls unstreitig ist. Des Weiteren sei die Internetdomäne von der Firmenanschrift der ... aus beantragt worden. Die Organisationsstruktur der Firma... sei nahezu identisch mit dem organisatorischen Aufbau der Beklagten. Die Abteilung Media-Service bei der ... entspreche der Abteilung überregionale Kunden-/Werbeagentur/-Geschäftsstellenbetreuung der Beklagten. Die Verwaltung der ... beschäftige sich mit der Abrechnung der Anzeigen. Dafür sei bei der Beklagten die Abteilung Stammdaten/Reklamation/Kundenservice zuständig gewesen. Die Firma ... arbeite mit derselben Datenbank wie die Beklagte. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Möglichkeit gehabt, Aufträge, die von der Firma ... angelegt worden seien, zu ändern, zu löschen und umgekehrt habe die Firma ... die Aufträge der Beklagten modifizieren können. Es habe eine gemeinsame Bearbeitung der Buchungsbelege stattgefunden. Mitarbeiter der Beklagten hätten die Möglichkeit gehabt, Anzeigenrechnungen bei der Firma... selbst auszudrucken und umgekehrt habe die Firma ... dies bei der Beklagten tun können. Ferner seien zwei Leistungsträger der Beklagten, Herr ... und Herr ..., nunmehr bei der Firma ... in leitender Position tätig. Herr ... hat dort die kaufmännische Leitung inne, Herr ... die Leistung ..., wobei Herr ... bereits während seiner Tätigkeit bei der Beklagten am Aufbau der Organisations- und Personalstruktur der Firma ... beteiligt gewesen sei. Um die Neuvergabe des zuvor von der Beklagten ausgeführten Auftrages an die Firma ...reibungslos durchführen zu können, habe die ... zusammen mit der Beklagten die Einstellung der Herren ... und ... bei der Firma ... veranlasst. Im Übrigen bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Beklagten, der ..., sowie den aus der ... ausgegliederten Regionalverlagen, so dass hier eine Sozialauswahl hätte durchgeführt werden müssen.

Er beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.07.2006 nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 30.10.2006 nicht aufgelöst worden ist,

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2006 nicht aufgelöst worden ist, im Falle des 0bsiegens mit den Anträgen 1. und/oder 2. und/oder 3.,

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als  kaufmännischen Angestellten im Anzeigeninnendienst weiterzubeschäftigen,

5. hilfsweise, die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen, deren Höhe das Gericht gemäß § 10 festsetzt, einen Betrag in Höhe von 12 Monatsverdiensten jedoch nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt hierzu vor:
Die Firma ... habe von der Beklagten nicht die beiden Leistungsträger übernommen. Die beiden Leistungsträger der Beklagten seien ihre Geschäftsführer und ihr Prokurist, Herr ... Herr ... sei als Prokurist bei der Beklagten zuständig für Statistik und Rechnungswesen gewesen. Hierzu habe die Kontenabstimmung, die Abstimmung mit der Anzeigenbuchhaltung, die Erstellung der Statistik, sowie die Ermittlung und Abrechnung der Vertreterprovisionen einschließlich der Servicebüros gehört. Entsprechende Aufgaben habe er bei der Firma ... nicht. Herr ... sei für die Beklagte als Innendienstleiter tätig gewesen. Ihm haben Belegstelle, Sonderthemendispo, technische Betreuung der Kollektive- und Sonderbeilagen, Reiseverkauf, Auftragsabwicklung und Beilagenberechnung unterlegen. Dies ist im Übrigen unstreitig. Da die ... lediglich die Auftragsabwicklung für den ... ausführe, könne Herr ... bei dieser nicht in gleicher Funktion tätig sein. Auch habe die Firma ... von der Beklagten keinerlei Betriebsmittel, wie z. B. Hardware, Software, Büroausstattung und anderes übernommen, was im Übrigen ebenfalls unstreitig ist. Die gesamte technische Ausstattung sei seitens der Firma ... bei dem Dienstleister ... in Auftrag gegeben worden. Auch Organisationsstrukturen seien von der ... nicht übernommen worden, was bereits die geänderten Arbeitszeiten zeigen würden. Zu keiner Zeit habe die Firma ... auf das EDVBeckRS System der Beklagten Zugriff erhalten und umgekehrt. Die... habe der Beklagten sowie der ... auf ihrem System jeweils einen Zugang eingerichtet. Auf diesem System seien zwei offene Ordner „Aufträge alt“ und „Aufträge neu“ angelegt worden. Über den Zugriff auf den Rechner der ... habe weder die ... auf das Netzwerk der Beklagten zugreifen können, noch umgekehrt. Eine gemeinsame Bearbeitung von Buchungsbelegen habe ebenfalls nicht stattgefunden. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen gewesen, da ein Gemeinschaftsbetrieb nicht vorgelegen habe und alle Arbeitnehmer der Beklagten entlassen worden seien. Eine Abfindung nach § 113 BetrVG müsse unter der Üblichkeit festgesetzt werden, da der Grad der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall äußerst gering gewesen sei und Berücksichtigung finden müsse, dass die Beklagte ihr gesamtes freies Vermögen in den Sozialplan eingestellt habe. Würden einzelne Mitarbeiter über einen Nachteilsausgleich höhere Ansprüche realisieren können, würde dies zu einer Reduzierung der Sozialplanansprüche der übrigen Mitarbeiter führen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die Protokolle vom 06.09.2006, 14.03.2007 sowie 04.07.2007 verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs.1 Ziffer 3 b ArbGG eröffnet.

Die Klage hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.07.2006 zum 31.01.2007 sein Ende gefunden. Eine Weiterbeschäftigung hat nicht zu erfolgen. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, an den Kläger einen Nachteilsausgleich zu zahlen.

Die Kündigung erfolgte ordnungsgemäß.

Zunächst ist die Klage innerhalb der 3-Wochen-Frist der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG eingelegt worden. Die Kündigung erfolgte mit Schreiben vom 28.07.2006. Bereits am 03.08.2006 und damit innerhalb der 3-Wochen-Frist hat der Kläger hiergegen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Koblenz eingelegt.

Die Kündigung ist auch sozial gerechtfertigt. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in dem selben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat, was vorliegend unproblematisch der Fall ist, unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Auch verfügt der Betrieb der Beklagten über die notwendige Zahl von Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung gemäß § 1 Abs. 1, Satz 1 KSchG, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des  Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung dann sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, die aufgrund außerbetrieblicher Umstände, oder infolge innerbetrieblicher Maßnahmen zu einem Rückgang des Arbeitsanfalls bis hin zum Wegfall des Bedürfnisses für die Beschäftigung einer oder mehrerer Arbeitnehmer in dem Bereich führen, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist, der betroffene Arbeitnehmer von allen vergleichbaren Arbeitnehmern sozial am wenigsten schutzwürdig ist und eine umfassende  Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernsten Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihre Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne, nicht weiter zu verfolgen (BAG 27.11.2003, NZA 2004, 477 - 479). Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt jedoch nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern, d. h. ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB stattfinden soll. Betriebsübergang und Betriebsstilllegung schließen sich daher systematisch aus. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als solche und nicht als Betriebsübergang darstellt.

Im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung der Kammer eine Betriebsstilllegung vor. Von einem Betriebsübergang ist nicht auszugehen. § 613 a Abs. 1 BGB regelt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles auf einen andern Inhaber. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zu einer auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (siehe hierzu Erfurter Kommentar, 7. Auflage, 2007, § 613 a BGB Randnummer 6, 10 ff). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) gerade keinen Betriebsübergang dar (BAG 06.04.2006, NZA 2006, 723-727). Vorliegend verfolgt die Firma ... zumindest einen zum Teil anderen Betriebszweck als die Beklagte. Die Beklagte war zuständig für den Vertrieb der Anzeigen im eigenen Namen auftrags der ... Darüber hinaus war sie zuständig für die Belegstelle, den Reiseverkauf, sowie die Kollektive- und Sonderbeilagendisposition. Diese Aufgaben sind nach übereinstimmenden Aussagen der Parteien im Rahmen der Kammerverhandlung nicht auf die Firma ... übergegangen. Dieser wurde seitens der ... lediglich die technische  Anzeigenauftragsabwicklung im Zusammenhang mit der hierfür notwendigen kaufmännischen Bearbeitung übertragen. Dies wurde zunächst seitens des Klägers bestritten, wobei im Rahmen der Kammerverhandlung zwischen den Parteien überwiegend Einigkeit darüber entstanden ist, welche Aufgabengebiete nunmehr von welchen Betrieben/Unternehmen ausgeübt werden. Vertragspartner der Anzeigenkunden ist nunmehr die ... und nicht wie zuvor der Dienstleister, hier die Beklagte, selbst. Nach alldem ist lediglich ein Teilaufgabenbereich auf die Firma ... übertragen worden. Hier käme möglicherweise ein Teilbetriebsübergang in Betracht. Aber auch das ist vorliegend zu verneinen, da es im Übrigen an einer Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit fehlt. Die Firma ... hat weder die Hauptbelegschaft der Beklagten, noch deren materielle Mittel übernommen. Hiergegen spricht auch nicht die Beschäftigung der Herren ... und ... bei der Firma ... Herr ... war als Innendienstleiter zuständig für die Belegstelle, Sonderthemen-Dispo, technische Betreuung der Kollektive- und Sonderbeilagen, Reiseverkauf, Auftragsabwicklung und Beilagenberechnung. Zumindest große Teile dieser Aufgaben des Herrn ... sind unstreitig nicht auf die Firma ... übertragen worden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass Herr ... bei der Firma ... überwiegend mit anderen Aufgaben betraut wird. Herr ... war bei der Beklagten als Prokurist tätig. Zu den Aufgaben des Herrn ... gehörten neben Umsatzstatistik und Rechnungswesen die Ermittlung und Abwicklung der Vertreterprovisionen einschließlich der Servicebüros. Die Abrechnungen der Vertreterprovisionen und Servicebüros entfallen mit dem nunmehrigen Vertrieb der Anzeigen im eigenen Namen durch die ... selbst. Damit ist auch das Aufgabenfeld des Herrn ... bei der Firma ... zumindest teilweise ein anderes. Dass die beiden Mitarbeiter nicht Leistungsträger der Beklagten gewesen sein sollen, wird von der Klägerseite nicht substantiiert bestritten. Allein die Stellung als Prokurist führt nicht automatisch zur Behandlung des Herrn ... als Leistungsträger der Beklagten. Damit werden zwar zwei ehemalige Mitarbeiter der Beklagten seitens der Firma ... beschäftigt, es ist jedoch weder nachvollziehbar, dass diese Leistungsträger der Beklagten gewesen sind, noch dass sie als solche bei der Firma ... beschäftigt werden, zumal sich deren ehemalige und jetzige Aufgabengebiete nicht decken, noch stellen sie die Hauptbelegschaft dar. Auch dass die Struktur der Firma ... der Struktur der Beklagten ähnelt, insbesondere was die Arbeitsverteilung in den verschiedenen Abteilungen und deren Bezeichnung angeht, spricht nicht zwingend für die Übernahme einer Arbeitsorganisation und damit für einen Betriebsübergang. Dies folgt naturgemäß aus der zumindest teilweisen Gleichartigkeit der Tätigkeiten. Das gilt auch für die angebliche gemeinsame EDV-Nutzung in der Zeit des parallelen Tätigwerdens. Hier kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob die Mitarbeiter der Beklagten auf den Rechnern der Firma ... und umgekehrt ausdrucken konnten. Auch wenn man im Übergangszeitraum von August bis Dezember 2006 gemeinsam an der Auftragsabwicklung gearbeitet haben sollte, so spricht das nicht notwendig für das Vorliegen eines Betriebsüberganges, sondern hat sich offensichtlich aus den in der Praxis entstehenden Problemen ergeben. Auch die Kundenbeziehungen der Beklagten wurden seitens der ... nicht übernommen. Kunden der Beklagten waren die einzelnen Anzeigenauftraggeber, da die Beklagte im eigenen Namen deren Vertragspartner wurde. Die Firma ... wird nicht im eigenen Namen tätig. Jetziger Vertragspartner der Anzeigenkunden ist die ..., die nunmehr auch selbst die Akquisition vornimmt. Damit liegt auch eine Übernahme des Kundenstammes nicht vor. Auch die Beantragung der Internet-Domäne von der Anschrift der ... aus, was durchaus auch seitens der sich ebenfalls an der gleichen Anschrift befindlichen Firma ... geschehen sein kann, sowie die Schaltung der Anzeige der ... in der ... sprechen nicht notwendig für einen Betriebsübergang. Der Firma... ist es ebenso wenig wie anderen Unternehmen, nicht verwehrt, in der ... ihre Betriebsaufnahme zu signalisieren. Nach alldem wurde weder ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals, noch materielle oder immaterielle Betriebsmittel der Beklagten übernommen. Die teilweise Fortführung einer Tätigkeit durch die Firma ... stellt jedoch keinen Betriebsübergang dar. Eine Betriebsstilllegung und damit der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses aufgrund der Stilllegungsentscheidung der Beklagten vom 23.06.2006 ist damit zu bejahen. Eine Sozialauswahl musste aufgrund der Kündigung aller Arbeitnehmer nicht getroffen werden. Der zwischen den Parteien bestehende Streit, inwiefern eine solche vorzunehmen war, ist seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes über die Nichtzulassung der Beschwerde (Az: 7 ABN 84/06) gegen die einen gemeinsamen Betrieb ablehnende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (Aktenzeichen: LAG Rheinland-Pfalz, 2 TaBV 16/06) hinfällig. Damit ist vorliegend davon auszugehen, dass ein gemeinsamer Betrieb nicht vorgelegen hat und damit eine Sozialauswahl unter den Mitarbeitern der anderen Betriebe nicht vorzunehmen war.  

1. Die Kündigung verstößt auch nicht gegen den Gesellschafterbeschluss vom 23.06.2006. Darin wurde zwar die Stilllegung des Betriebes „vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrates“ beschlossen. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass es nicht zu Stilllegungsdurchführungen, d. h. zur Aussprache der Kündigungen kommen soll, bevor mit  dem Betriebsrat abschließend über Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt worden ist. Eine derartige Auslegung hätte zur Konsequenz, dass der Betriebsrat durch Verhandlungen die Stilllegung in die Länge ziehen könnte, was wohl kaum im Interesse des Betriebsinhabers liegt. Im Übrigen beinhaltet § 113 BetrVG eine entsprechende Sanktionsnorm bei Nichtwahrung der Interessen des Betriebsrates vor dessen abschließender Beteiligung bei Betriebsänderungen. Nach alldem kann der Beschluss nur derart ausgelegt werden, dass hierdurch verdeutlicht werden sollte, dass die Wahrung der Betriebsratsrechte sichergestellt werden soll, nicht aber, dass mit Durchführung der Stilllegung erst nach Abschluss sämtlicher Betriebsratsbeteiligungen begonnen wird. 2. Die Kündigung verstößt auch nicht gegen §§ 17 ff KSchG. a) Zunächst ist der Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden. Danach hat der Arbeitgeber, der beabsichtigt nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, sowie die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehen Kriterien zu unterrichten. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeit zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte mit dem Schreiben an den Betriebsrat vom 26.06.2006 nachgekommen. Dieses Schreiben erfüllt sämtliche Anforderungen des § 17 Abs. 2. Es nennt die Gründe für die geplanten Entlassungen, nämlich den Stilllegungsbeschluss vom  21.06.2006 zum 31.12.2006. Es verweist hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Mitarbeiter, der Berufsgruppen, der Sozialdaten der einzelnen Mitarbeiter sowie deren Kündigungsfristen auf eine dem Schreiben beiliegenden Anlage 1, womit ebenfalls die Forderungen des § 17 Abs. 2 erfüllt sind. Hinsichtlich der für die Abfindungszahlung vorgesehenen Kriterien wird auf einen noch abzuschließenden Sozialplan verwiesen. Auch auf eine zu treffende Sozialauswahl wird hingewiesen, die jedoch nicht erfolgen könne, da alle Arbeitsplätze von der Betriebsschließung betroffen seien. Des Weiteren erklärt die Beklagte im letzten Absatz auf Seite 1 des Schreibens ausdrücklich: „Ich lade Sie zu folgenden Terminen ein, damit wir  alle Möglichkeiten beraten können, um Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und deren Folgen zu mildern: ...“. Dies entspricht nahezu dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Nach alldem erfüllt das Schreiben vom 26. Juni 2006 die Anforderungen des § 17 Abs. 2 KschG. Der Kläger wendet hiergegen ein, es handele sich lediglich um eine Aufforderung zur Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen. Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG und die Unterrichtung nach § 111 BetrVG seien jedoch in zwei getrennten Verfahren vorzunehmen, wobei der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweisen müsse, in welchem Verfahren er gerade eine Anhörung durchführe. Selbst diese Anforderungen unterstellt, würden sie vorliegend gewahrt. Der Betriebsrat konnte aufgrund der teilweise wortwörtlichen Wiedergabe des § 17 Abs. 2 KSchG erkennen, dass er zur Entlassungsanzeige angehört wird. Dass der Arbeitgeber dies auch mit Schreiben vom 26.06.2006 beabsichtigt hat, zeigt sich darin, dass er noch am gleichen Tag das betreffende Schreiben an die Agentur für Arbeit gefaxt hat, was bei einer Aufforderung zur Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen nicht nachvollziehbar wäre. Auch das Erfordernis, zwei getrennte Unterrichtungsverfahren durchzuführen, bedeutet nicht zwangsläufig die Unwirksamkeit des Schreiben vom 26.06.2006. Dies kann ebenso bedeuten, dass der Betriebsrat im Rahmen der §§ 111 ff. BetrVG nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden ist. Nach alldem wurde der Betriebsrat ausreichend nach § 17 Abs. 2 KSchG beteiligt. b) Die danach erfolgte Beteiligung des Betriebsrates mindestens 2 Wochen vor Erstattung der Anzeige, die am 21.07.2006 erfolgte, hat die Beklagte nach § 17 Abs. 3 KSchG auch hinreichend glaubhaft gemacht, indem sie der Agentur für Arbeit das Schreiben vom 26.06.2006 noch am gleichen Tag, 18.15 Uhr, gefaxt hat. c) Zwar wurden der Bundesagentur für Arbeit nicht, wie in § 17 Abs. 3 KSchG gefordert, der Stand der Beratungen dargelegt. Hierbei ist jedoch zunächst auf das Formular der Bundesagentur für Arbeit hinzuweisen. Dies enthält unter Ziffer 5. „Sonstigen Angaben“ am Rand bei „Bitte Beachten!“ folgenden Hinweis: „ Fehlt die Stellungnahme des Betriebsrates, sollten Sie mit der Anzeige auch den Stand der Beratungen darlegen“. Dieser Hinweis ist durchaus irreführend. Danach kann der Ausfüllende davon ausgehen, dass es sich nicht um ein notwendiges Erfordernis handelt. Dies wird auch im Vergleich zur Randbemerkung zu Ziffer 4. im Antrag auf Abkürzung der Entlassungssperre deutlich, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird: „Auf die Frage, weshalb die Einlassungen nicht früher angezeigt wurden, ist besonders einzugehen“. „Bei Ausfüllen des Formulares kann der Ausfüllende letztlich nicht davon ausgehen, dass die Wirksamkeit seiner Anzeige von der Angabe des Stands der Beratungen abhängt, da dieser lediglich mitgeteilt werden „sollte“, was sich eher wie eine Empfehlung liest. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine falsche Angabe eines  Arbeitgebers in einer Massenentlassungsanzeige folgenlos ist, wenn die Arbeitsverwaltung dadurch nicht in ihrer sachlichen Prüfung beeinflusst wird (BAG, 22.03.2001, AP Nr. 59 zu Art. 101 GG). Dies muss hier erst recht dann gelten, wenn ein derartiger „Soll“-Hinweis im Antragsformular aufgenommen ist. Im Übrigen hat die Agentur der Arbeit der Massenentlassung mit Schreiben vom 10.08.2006 zugestimmt und damit das Vorliegen der Zustimmungsvoraussetzungen inzidenter festgestellt. Die Arbeitsgerichte sind durch die Bestandskraft des Verwaltungsaktes gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Entscheidung der Arbeitsverwaltung nachzuprüfen (BAG 24.10.1996, NZA 1997, Seite 373- 376). d) Der Wirksamkeit der Kündigung steht nicht entgegen, dass sie vor Abschluss bzw. dem Feststellen des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen ausgesprochen wurde. Ein solches Erfordernis ergibt sich weder aus § 17 Abs. 2 KSchG direkt, noch aus richtlinienkonformer Auslegung dessen. Nach Auffassung der Kammer genügt es zur Erfüllung des § 17 Abs. 2 KSchG, dass die Betriebspartner über die Massenentlassung beraten. Ein Mehr kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Das Verfahren zur Nachteilsminderung ist in §§ 111 ff. BetrVG geregelt. § 17 Abs. 2 KSchG spricht ausdrücklich nur davon, dass Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit haben, zu beraten. Den Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen zu fordern, würde den Wortlaut der Vorschrift überdehnen. Im Übrigen würde es im Hinblick auf das gesondert vorgesehene  Verfahren über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans und die zusätzlichen erforderlichen Anhörungen des Betriebsrates zu jeder einzelnen Kündigung nach § 102 BetrVG zu einer ganz erheblichen Verzögerung sozialplanpflichtiger Betriebsänderung kommen (BAG 18.09.2003 AP Nr. 14 zu § 17 KSchG 1969). Auch eine richtlinienkonforme Auslegung gibt dies nicht her. Artikel 2 Abs. 1 des Teils II der Richtlinie 98/59 vom 20.07.1998 schreibt folgendes vor: „Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um  zu einer Einigung zu gelangen“. „Konsultieren“ bedeutet um Rat fragen, beraten, überlegen bzw. beratende Gespräche führen, die möglicherweise am Ende zu einer Einigung führen. Hieraus wird deutlich, dass die Konsultation gerade das Gespräch an sich und die Beratung mit dem Betriebsrat bedeutet, nicht aber die Einigung als solche beinhaltet. Zudem zeigt der Wortlaut eindeutig, dass die Arbeitnehmervertreter zu konsultieren sind, „um zu“ einer Einigung zu gelangen, d. h. maßgebend ist hier der Beratungsvorgang als solcher, nicht aber wie dieser abgeschlossen wird, was der Wortlaut „um zu“ unterstreicht. Dass die Einigung selbst Voraussetzung für eine wirksame Massenentlassung wäre, lässt sich der Regelung damit nicht entnehmen. Nach alldem konnte die Beklagte die Kündigung bereits vor Feststellen des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen am 17.10.2006 aussprechen. e) Der Kündigung steht ebenfalls nicht entgegen, dass die in § 18 Abs. 1 KSchG vorgesehene Monatsfrist nicht gewahrt wurde. Die Kündigung ist bereits am 28.07.2006, d. h. 7 Tage nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit und noch vor Ablauf der Monatsfrist gefertigt worden. Gemäß § 18 Abs. 1 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam. Die behauptete Zusicherung des Mitarbeiters der Agentur für Arbeit, Herrn ..., gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten, er könne die Kündigung bereits nach Anzeigeneingang aussprechen, kann dahinstehen, da vorliegend bereits die Monatsfrist des § 18 KSchG keine Anwendung findet. Nach dem Urteil des EuGH vom 27.01.2005 können Kündigungen nunmehr sofort nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige ausgesprochen werden. In diesem Urteil hat der EuGH entschieden, das Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über  Massenentlassungen, die Konsultations- und Anzeigepflichten des Arbeitgebers vorsehen, dahingehend auszulegen sind, dass die Kündigungserklärungen des Arbeitgebers das Ereignis sind, das als Entlassung gilt. Die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ablauf der Kündigungsfrist stelle nur die Wirkung der Entlassungsentscheidung dar. Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23.03.2006 ausdrücklich angeschlossen. Damit erlangt die Vorschrift des § 18 Abs. 1 KSchG nur noch Bedeutung bei Kündigungen, deren Kündigungsfrist einen Lauf unter einem Monat haben. Kündigungsfristen, die über diesen Monat hinausgehen, fallen hierunter nicht mehr. Die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG muss in diesen Fällen nicht mehr abgewartet werden (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., 2005, Rd-Nr. 1589). Dem folgt auch offensichtlich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23.03.2006 (NZA 2006, 971-976), in dem es ausdrücklich feststellt, dass § 18 Abs. 1 KSchG bei kurzen Kündigungsfristen einen Anwendungsbereich behält. f) Auch eine Nichtbeteiligung des Betriebsrates seitens der Agentur für Arbeit, wie § 20 Abs. 3 KSchG es ausdrücklich vorsieht, kann hier nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen. Fehler der Agentur für Arbeit sind nicht dem Arbeitgeber anzulasten. Die Behauptung der Klägerseite, die Beklagte sei hier nicht schützenswert, da sie aufgrund der Kürze der Zeit von der Nichtanhörung Kenntnis gehabt haben müsse, geht ins Blaue hinein. Im Übrigen hat die Agentur für Arbeit der Massenentlassung mit Schreiben vom 10.08.2006 zugestimmt und damit das Vorliegen der Zustimmungsvoraussetzungen, wie bereits oben erwähnt, inzidenter festgestellt.

Nach alldem war die Kündigung vom 28.07.2006 zum 31.07.2007 ordnungsgemäß. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des rechtskräftigen Verfahrens. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch wird nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Der Kläger ist jedoch vorliegend mit diesem unterlegen. 

Dem Kläger steht jedoch nach § 113 Abs. 1, Abs. 3 BetrVG i. V. m. § 10 KSchG ein Nachteilsausgleich zu. Gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindungszahlung nach § 113 Abs. 1 i. V. m. § 10 KSchG, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Dies ist vorliegend zu bejahen. Die Betriebsstilllegung stellt eine Betriebsänderung nach § 111 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG dar. Aufgrund dessen wurde mit Schreiben vom 28.07.2006 allen Mitarbeitern gegenüber eine ordentliche Kündigung ausgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht versucht. Zwar haben verschiedene Gespräche mit diesem stattgefunden, jedoch fehlt es an dem „Versuch“ eines Interessenausgleichs im Sinne des § 113 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass der Arbeitgeber von sich aus die Einigungsstelle anruft und bis zu einer Feststellung des Scheiterns der Verhandlungen in der Einigungsstelle mit dem Betriebsrat verhandeln muss. Im vorliegenden Fall wurde das Scheitern eines Interessenausgleichs erst im Rahmen der Einigungsstelle am 17.10.2006 festgestellt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 113 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vor. Die Höhe des Abfindungsanspruches richtet sich nach § 10 KSchG. Danach ist als Abfindung ein Betrag von bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Lediglich für den Fall, dass der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat, ist eine Obergrenze von 15 Monatsverdiensten, für den Fall des 55. Lebensjahres und einer Beschäftigungszeit von mindestens 20 Jahren eine Obergrenze von 18 Monatsverdiensten vorgesehen. Innerhalb dieser Höchstbeträge entscheidet das Arbeitsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind insbesondere Lebensalter und Betriebszugehörigkeit, die Aussichten des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt aber auch der Grad der Zuwiderhandlung gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten von Bedeutung (Erfurter Kommentar, 6. Aufl., § 113 BetrVG, Rd-Nr. 6). Im vorliegenden Fall war der Kläger zum  Zeitpunkt des Kündigungszuganges 40 Jahre alt, d. h. nach § 10 Abs. 1 KSchG gilt als Obergrenze 12 Bruttomonatsgehälter. Hiervon war nach Auffassung der Kammer ein Abschlag von 4 Monatsgehältern vorzunehmen, so dass ein Nachteilsausgleich in Höhe von 8 Monatsgehältern festzusetzen war. Eine Reduzierung in dieser Höhe hält die Kammer für angemessen, insbesondere im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers, wobei seine langjährige Beschäftigungszeit von 18 Jahren nicht verkannt wird. Im Hinblick auf das niedrige Lebensalter des Klägers sind seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht als schlecht  einzustufen. Zudem hat der Arbeitgeber zwar gegen seine Pflichten nach § 113 BetrVG verstoßen und die Einigungsstelle nicht rechtzeitig angerufen, jedoch hat er zumindest zuvor mehrfach das Gespräch mit dem Betriebsrat gesucht, bevor es zum Ausspruch der Kündigungen gekommen ist. Ferner wurde nach dem Stattfinden und Scheitern der Einigungsstelle eine zweite Kündigung ausgesprochen, der nicht der die Abfindungszahlungen auslösende Mangel der ersten Kündigung anhaftet, da sie nach Scheitern der Einigungsstelle ausgesprochen wurde. Im Übrigen ist nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass vorliegend ein feststehender „Sozialplantopf“ besteht, sodass sich erhöhte Abfindungszahlungen automatisch reduzierend auf die Abfindungen der übrigen Arbeitnehmer auswirken. Nach alldem hält das Arbeitsgericht eine Abfindungsreduzierung auf 8 Monatsgehälter für angemessen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Dem Streitwert wurden 16 Bruttomonatsgehälter á 2.494,82 EUR zugrunde gelegt, drei für die Kündigungsschutzklage nach § 42 Abs. 3 KSchG, ein Bruttomonatsgehalt für den gestellten Weiterbeschäftigungsantrag sowie 12 Bruttomonatsgehälter für den Antrag auf Nachteilsausgleich. Für eine gesonderte Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG bestand keine Veranlassung.



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