Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 3 Ca 123/12

Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung - Bildungsveranstaltung mit tarifvertraglichem Bezug

Bei der Bewertung, inwieweit eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung den gesetzlichen Vorgaben des § 37 Abs. 6 BetrVG entspricht, kommt es nicht darauf an, welche Kenntnisse zwischen den einzelnen Tagungsteilnehmern ausgetauscht werden. Vielmehr entscheidend sind die geplanten Themen der Veranstaltung. Unbeachtlich hat zu bleiben, wenn neben der Behandlung dieser Themen möglicherweise im Einzelfall Punkte angesprochen werden, die für die Arbeit des Betriebsrates als auch erforderlich angesehen werden können.

Soll eine Fachtagung den Rahmen dafür bieten, gewerkschaftliche Aktivitäten planen und vereinbaren zu können, so werden hierbei keine Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 61,02 € festgesetzt.

4. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten auf der Grundlage eines monatlichen Bruttoentgeltes in Höhe von 1.830,75 € beschäftigt. Die Klägerin ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates.

Am 16.11.2011 nahm die Klägerin aufgrund eines Betriebsratsbeschlusses an der Veranstaltung "Krankenhaustag 2011" teil.

Diese Veranstaltung wurde von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Rheinland-Pfalz ausgeführt. Die entsprechende Einladung wurde mit der Thematik "Der Druck muss raus!" - gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen im Krankenhaus und in der Psychiatrie - überschrieben.

Des Weiteren enthält die Einladung neben der Wiedergabe der Veranstaltungsplanung nachfolgenden Hinweis:

„ver.di macht sich auf den Weg, um in einem trägerübergreifenden Tarifvertrag die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen zu verbessern. Für einen erfolgreichen Tarifvertrag müssen die Kolleginnen und Kollegen durchsetzungsfähig sein.

Am 09.09.2011 haben die Tarifkommissionen erste Regelungsinhalte für einen Tarifvertrag diskutiert und verabschiedet. Nun gilt es, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen zu motivieren und zu aktivieren.

Unsere Fachtagung bietet den Rahmen, für Rheinland-Pfalz konkret die Aktivitäten in allen Einrichtungen zu planen und zu vereinbaren.

Hierzu laden wir alle Interessierten herzlich ein.

Der Druck muss raus!

Die Tagesordnung umfasst am Vormittag einen Vortrag bezogen auf dieses Thema sowie am Nachmittag drei Arbeitsgruppen zu den Themen "Attraktive Aktionsformen", "Wie hole ich die Menschen in meiner Einrichtung ab?" sowie "Wie wird meine Einrichtung aktions- und durchsetzungsfähig?".

Die Beklagte wies den Betriebsrat mit Schreiben vom 09.11.2011 darauf hin, dass ihrer Auffassung nach auf der Veranstaltung vom 16.11.2011 keine Kenntnisse vermittelt würden, die für die Tätigkeit eines Betriebsrates erforderlich i. S. d. § 37 Abs. 6 BetrVG seien.

Der Betriebsrat beschloss am 14.11.2011 gleichwohl, dass die Klägerin zu der Veranstaltung entsandt werde.

Mit der Abrechnung bezogen auf den Monat November 2011 rechnete die Beklagte der Klägerin für den 16.11.2011 keine Vergütung ab.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für den 16.11.2011 in Höhe von 61,02 € brutto.

Die Klägerin trägt u. a. vor,

man dürfe bei der Bewertung der angesprochenen Veranstaltung nicht nur die Einladungsbroschüre berücksichtigen, es sei vielmehr auch auf den diesbezüglichen Internetauftritt abzustellen. Auf der entsprechenden Tagung seien insbesondere in der Arbeitsgruppe 2, an der sie teilgenommen habe, Probleme ausgetauscht worden, die von anderen Teilnehmer aus in privater bzw. öffentlicher Trägerschaft stehenden Kranken- und Pflegeeinrichtungen mitgeteilt worden seien. So sei ihr aufgrund eines Kontaktes mit Kolleginnen aus Idar-Oberstein eine Betriebsvereinbarung zur Gleitzeit und flexibler Arbeitszeit als Entwurf zur Verfügung gestellt worden, der auch bezogen auf die Einrichtung der Beklagten als Vorlage Bedeutung erlangen könnte. Darüber hinaus sei bezogen auf eine vergleichbare Veranstaltung mit Wissen und Wollen der Beklagten eine Teilnahme von zwei Betriebsratsmitgliedern durch die Beklagte akzeptiert worden. Ihr Vergütungsanspruch begründe sich daher aus § 37 Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 BetrVG, § 611 BGB.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 61,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

den Klageantrag abzuweisen.

Die Beklagte erwidert u. a.,

sie sei zur Zahlung der geforderten Vergütung für den 16.11.2011 nicht verpflichtet, denn die Tagung, an der die Klägerin teilgenommen habe, könne nicht als Schulungsveranstaltung i. S. d. § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen werden. Es habe sich um eine Veranstaltung gehandelt, die nach dem Inhalt der Einladung sowie der einzelnen Vorträge bzw. Arbeitsgruppen eindeutige tarifrechtliche bzw. gewerkschaftsrechtliche Inhalte gehabt habe. Als Betriebsratsmitglied sei die Klägerin jedoch verpflichtet, sich im Rahmen der Betriebsratstätigkeit neutral zu verhalten.

Zur Ergänzung des Sachvortrages beider Parteien sowie der Prozessgeschichte wird auf den Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten bezogen auf den 16.11.2011 kein Vergütungsanspruch zu.

Diese Entscheidung beruht auf nachfolgenden wesentlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. §§ 495, 313 Abs. 3 ZPO):

Eine Arbeitergeberin ist gemäß § 37 Abs. 6 ZPO verpflichtet, einem Betriebsratsmitglied, welches aufgrund Betriebsratsbeschlusses an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung teilnimmt, Arbeitsvergütung weiterzuzahlen, soweit diese Schulung Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig.

Gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG haben Betriebsratsmitglieder zwar jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen, die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch jedoch nicht berührt.

Schulungsveranstaltungen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG sind für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Die Zulässigkeit des Schulungsinhaltes richtet sich dabei danach, ob Kenntnisse vermittelt werden, die sich auf Gegenstände beziehen, die zu den Aufgaben des Betriebsrates gehören. Sie sind erforderlich, soweit sie den Betriebsrat befähigen, seiner Schutzfunktion gerecht zu werden. Der Betriebsrat muss in die Lage versetzt werden, durch eine sachgerechte Ausübung seiner Beteiligungsrechte die Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers im gesetzlich vorgesehenen Umfang zu binden.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung kann die Kammer vorliegend bzgl. der Veranstaltung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Rheinland-Pfalz vom 16.11.2011 keinen Ansatzpunkt erkennen, aufgrund derer die entsprechende Veranstaltung als Schulungs- und Bildungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt hat bzw. vermitteln wollte, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind.

Der Einladungsbogen verdeutlicht bereits auf der ersten Seite, dass es sich um einen Aufruf und eine Veranstaltung im Zusammenhang mit möglichen Arbeitskampfmaßnahmen handelt. Verdeutlicht wird dies auf der zweiten Seite dadurch, dass neben der abgedruckten Tagesordnung auf die Zielsetzung eines Abschlusses eines trägerübergreifenden Tarifvertrages abgestellt wird und diesbezüglich die Durchsetzungsfähigkeit von Kolleginnen und Kollegen gefordert wird. Letztlich soll nach Angabe in der Einladung die Fachtagung den Rahmen dafür bieten, die Aktivitäten in allen Einrichtungen planen und vereinbaren zu können.

Die angesprochenen Arbeitsgruppen und die jeweils aufgeführten Themen müssen im Hinblick auf diese Ausführungen verstanden werden und ergeben auch nur diesbezüglich eine sinnvolle Aussage. Aktionsformen, Ansprache von Mitarbeitern in der Einrichtung und Befähigung der Einrichtung zu Aktionen im Sinne einer Durchsetzungsfähigkeit haben erkennbar Bezug in Richtung auf Abschluss eines trägerübergreifenden Tarifvertrages bzw. Haustarifvertrages.

Es kommt nicht darauf an, dass ggfls. zwischen den Tagungsteilnehmern auch betriebsbezogene Themen angesprochen wurden. Selbst wenn die Klägerin in der Arbeitsgruppe 2 über Kolleginnen und Kollegen fachliche Informationen zur Betriebsratstätigkeit erhalten hat, stellt dies, bezogen auf den geplanten Inhalt der Fachtagung, eine beiläufig gewonnene Information dar, die jedoch nicht als Gegenstand und Inhalt der Fachtagung von den Veranstaltern so angedacht war.

Bei der Bewertung, inwieweit eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung den gesetzlichen Vorgaben des § 37 Abs. 6 BetrVG entspricht, kommt es nicht darauf an, welche Kenntnisse zwischen den einzelnen Tagungsteilnehmern ausgetauscht werden. Vielmehr entscheidend sind die geplanten Themen der Veranstaltung. Unbeachtlich hat zu bleiben, wenn neben der Behandlung dieser Themen möglicherweise im Einzelfall Punkte angesprochen werden, die für die Arbeit des Betriebsrates als auch erforderlich angesehen werden können. Es ist auf den beabsichtigten Kerninhalt der Veranstaltung abzustellen. Dieser war vorliegend eindeutig dem Bereich der Vorbereitung tarifvertraglicher Vereinbarungen sowie der Erörterung der Durchsetzbarkeit tarifvertraglicher Forderungen zuzurechnen.

Dies ergibt sich nach voller Überzeugung der Kammer auch aus dem von der Klägerin angesprochenen Internetauftritt "Der Druck muss raus!". Denn neben der Darstellung der Eckpunkte, die als Grundlage des Arbeitsschutzrechtes in einem Gesundheitsschutz-Tarifvertrag enthalten sein sollen, wird eindeutig ausgeführt:

Die Zeit bis zur Entscheidung soll für weitere Gespräche in den Kliniken genutzt werden. Denn eines muss allen Betroffenen klar sein, es wird nichts umsonst geben. Wer eine der oben genannten Forderungen besonders gut und wichtig findet, der muss auch ein Signal geben, dass er bereit ist, für die Durchsetzung einzustehen, wenn nötig auch mit Streik.

Soweit die Klägerin anspricht, dass auf eine Tagung am 06.12.2011 zwei Betriebsratsmitglieder mit Billigung der Beklagten hätten entsandt werden können, verdeutlicht das diesbezüglich vorgelegte Programm, dass auf dieser Veranstaltung, die u. a. auch vom Ministerium für Soziales, Arbeit und Gesundheit und Demographie Rheinland-Pfalz getragen wurde, überwiegend Punkte angesprochen wurden, die zum Betätigungsinhalt des Betriebsrates auf der Grundlage der Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zählen. Auch wenn auf dieser Veranstaltung die ver.di-Campagne "Der Druck muss raus!" in einem dreißigminütigen Referat angesprochen wurde, so haben doch die Themen Arbeitssicherheit, Gesundheitsförderung, Betriebliches Gesundheitsmanagement (einschließlich Betrieblichem Eingliederungsmanagement), Arbeitszeitregelungen, Personalentwicklung sowie Mitarbeiterbefragung den überwiegenden Zeitrahmen der Veranstaltung in Anspruch genommen. Sämtliche Themen, die in der täglichen zulässigen Betriebsratsarbeit gegenständlich angesprochen werden könnten.

Dies war eindeutig aufgrund der von der Klägerin am 16.11.2011 besuchten Fachtagung nicht der Fall. Dies sollte auch nach der entsprechenden Einladung und dem von der Klägerin selbst angesprochenen Internetauftritt bezogen auf diese Fachtagung nicht der Fall sein.

Der Klägerin steht somit auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 BetrVG, § 611 Abs. 1 BGB für den 16.11.2011 kein Vergütungsanspruch zu, denn die von der Klägerin aufgrund Betriebsratsbeschlusses besuchte Schulung hat keine Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich war.

Nach alledem war die Klage mit der sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 495, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteilstenor festzusetzen. Er bemisst sich nach der Höhe der mit dem Leistungsantrag verfolgten Klageforderung.

Die Klägerin ist durch diese Klage nicht in Höhe von mehr als 600,00 € beschwert. Die Entscheidung ist daher rechtskräftig.

Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG ausdrücklich zuzulassen, lagen keine vor.



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