Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 1 Ca 1554/07

Medizinischen Verantwortung

Mit dem Begriff der „medizinischen Verantwortung“ im des der TV-Ärzte/VKA ist insbesondere nicht gemeint, dass der Arzt für seine ärztliche Tätigkeit die Verantwortung trägt. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass dem Arzt die Leitung eines Bereichs im Sinne der Tarifbestimmung übertragen und er auch ärztlich tätig ist.

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 13.200,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus jeweils EUR 1.200,00 seit 1.10.2006, 1.11.2006, 1.12.2006, 1.1.2007, 1.2.2007, 1.3.2007, 1.4.2007, 1.5.2007, 1.6.2007, 1.7.2007 und 1.8.2007 zu zahlen. 

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/12 und die Beklagte zu 11/12. 

IV. Der Streitwert wird auf EUR 14.400,00 festgesetzt.

V. Die Berufung wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Vergütung des Klägers. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01. April 2002 als Facharzt in der Stadtklinik CStadt beschäftigt. Mit Schreiben vom 30. April 2003 (Bl. 33 d. A.) wurde dem Kläger mit Wirkung vom 01. Mai 2003 die psychiatrische Institutsambulanz als Funktionsoberarzt unterstellt. Das Schreiben der Beklagten lautet wie folgt: 

„Änderung der Arbeitszeit und Übertragung eines Funktionsbereiches Sehr geehrter Herr Dr. A., rückwirkend zum 01.04.2003 wird Ihre Arbeitszeit auf die volle jeweils tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit, derzeit 38,5 Std. wöchentlich, festgesetzt. Ihr Arbeitsvertrag gilt insoweit als geändert. Mit Wirkung vom 01.05.2003 wird Ihnen die psychiatrische Institutsambulanz als Funktionsoberarzt unterstellt. Eine Änderung Ihrer Eingruppierung ergibt sich hierdurch nicht. Die beiliegende Einverständniserklärung bitten wir innerhalb von 14 Tagen unterschrieben an uns zurückzusenden.“  Die psychiatrische Institutsambulanz (PIA) gehört nach dem Organigramm der Beklagten (Stand 01.01.2007, Bl. 93 d. A.) zur Abteilung Psychiatrie. Wegen der Einzelheiten der vom Kläger als Leiter der psychiatrischen Institutsamblulanz ausgeübten Tätigkeit wird auf die vom Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Dr. E., erstellte Stellenbeschreibung vom 30. Januar 2007 (Bl. 20 bis 23 d. A.) Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet seit dem 01. August 2006 der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der  kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 Anwendung. Der Kläger wurde durch den Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 aus dem bisher geltenden BAT in den TV-Ärzte/VKA übergeleitet. § 16 TV-Ärzte/VKA enthält zur Eingruppierung in § 16 folgende Regelung: 

„§ 16 Eingruppierung Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert: 

a) Entgeltgruppe I:
Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit. 

b) Entgeltgruppe II:
Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit.

Protokollerklärung zu Buchst. b:

Fachärztin/Facharzt ist die diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c) Entgeltgruppe III
Oberärztin/Oberarzt.

Protokollerklärung zu Buchst. c: 

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/den die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. 

(...)“ 

In der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA heißt es: „Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung „Oberärztin/Oberarzt“ führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.“ Mit Schreiben vom 28. Februar 2007 (Bl. 11 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit: 

 „Überleitung zum TV-Ärzte/VKA 

Sehr geehrter Herr Dr. A., mit Wirkung vom 01.08.2006 leiten wir Sie als Facharzt in die Entgeltgruppe II, Stufe 2 TVÄrzte/ VKA über. Sie dürfen weiterhin den Titel Oberarzt führen.“ 

Hiergegen legte der Kläger mit folgendem Schreiben vom 06. März 2007 (Bl. 12 d. A.) „Widerspruch“ ein:

„Betr.: Widerspruch gegen meine Eingruppierung gemäß Ihrem Schreiben vom 28.02.2007 

Sehr geehrte Frau F., 

hiermit lege ich Widerspruch gegen meine Eingruppierung als Facharzt in die Entgeltgruppe II, Stufe 2 TV-Ärzte/VKA gemäß Ihrem Schreiben vom 28.02.2007 ein. Am 01.05.2003 bin ich zum Leiter des Funktionsbereiches Psychiatrische Institutsambulanz und Funktionsoberarzt von Ihnen ernannt worden (vergleiche beiliegende Kopie). Nach dem ärztlichen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern vom 17.08.2006 erfülle ich hiermit die Voraussetzungen für die Eingruppierung als Oberarzt. Dementsprechend ist daher korrekterweise eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III, Stufe 2 vorzunehmen.“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. März 2007 (Bl. 14-16 d. A.) machte der Kläger die sich aus seiner Eingruppierung in die Entgeltgruppe III, Stufe 2 ergebende Vergütungsdifferenz in Höhe von monatlich EUR 1.200,- mit Wirkung ab dem 1. August 2006 gegenüber der Beklagten geltend.

Mit der am 09. August 2007 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen Klage, die der Beklagten am 10. August 2007 zugestellt worden ist, begehrt der Kläger für die Monate August 2006 bis Juli 2007 die Zahlung der Differenzvergütung in Höhe von insgesamt EUR 14.400,- brutto (12 Monate × EUR 1.200,- brutto), die sich zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung nach Entgeltgruppe II, Stufe 2 und der von ihm begehrten Vergütung nach Entgeltgruppe III, Stufe 2 ergibt.

Der Kläger trägt vor, die von ihm geleitete psychiatrische Institutsambulanz (PIA) sei als ein selbstständiger Funktions- bzw. Teilbereich im Sinne des § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA anzusehen. Die PIA der Stadtklinik C-Stadt sei ein selbstständiger, organisatorisch abgegrenzter Bereich innerhalb des Krankenhauses, welche über eigene Räume, Personal und eigenes Budget verfüge. Das ergebe sich bereits aus dem von der Beklagten vor Einrichtung der Institutsambulanz Psychiatrie erstellten schriftlichen Konzept (Anlage K 14 zum Schriftsatz vom 10. Oktober 2007, Bl. 91 d. A.). Im Übrigen handele es bei der von ihm geleiteten psychiatrischen Institutsambulanz um eine selbstständige, fachärztlich geleitete psychiatrische Abteilung mit regionaler Versorgungsverpflichtung im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB V. Insbesondere sei das Verfahren der Kostenabrechnung in der „PIA“ selbstständig und unabhängig von anderen Ambulanzen und Abteilungen der Klinik. Die Behauptung der Beklagten, ihm seien keine Mitarbeiter unterstellt, sei nicht zutreffend. Vielmehr seien ihm gemäß der Stellenbeschreibung vom 30. Januar 2007 alle Mitarbeiter der PIA organisatorisch und fachlich unterstellt. Insbesondere sei die Arzthelferin der PIA, Frau G., nicht Herrn Dr. H. fachlich unterstellt. Vielmehr arbeite Frau G. nach seinen fachlichen Anweisungen. Darüber hinaus seien ihm auch Frau I. und Herr J. in ihrer Eigenschaft als Suchttherapeuten unterstellt. Die genannten Suchttherapeuten, welche ambulante Einzel-/und Gruppentherapien leiteten, seien ausschließlich in diesem Bereich der PIA tätig und arbeiteten nach seiner Anweisung. Im Übrigen zeige auch die Außen- bzw. Selbstdarstellung der Beklagten, dass es sich bei ihm um einen Oberarzt mit medizinischer Verantwortung in einem selbstständigen Funktionsbereich handele. Zumindest sei das Merkmal der medizinischen Verantwortung für einen selbstständigen Teilbereich der Abteilung für Psychiatrie erfüllt. Mit ihrem Schreiben vom 30. April 2003 habe die Beklagte ihm eine Oberarzttätigkeit im Sinne der Tarifbestimmung ausdrücklich übertragen. Sein Vergütungsanspruch nach der Entgeltgruppe III richte sich nach der Entwicklungsstufe 2, weil er als Leiter der PIA seit dem 01. Mai 2003 und damit seit mehr als drei Jahren die Voraussetzungen für einen Oberarzt im Sinne der Tarifbestimmung erfülle. Für die Zuordnung zur Stufe 2 der Entgeltgruppe III seien die vor dem 01. August 2006 zurückgelegten Zeiten bei demselben Arbeitgeber auf die in Stufe 2 geforderten Voraussetzungen der dreijährigen Tätigkeit als Oberarzt anzurechnen, was auch vom kommunalen Arbeitgeberverband so gesehen werde. Die Vergütungsdifferenz für den Monat August 2006 sei auch nicht durch die in § 37 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA enthaltene Ausschlussfrist ausgeschlossen. Im Hinblick darauf, dass die endgültige Textfassung des Tarifvertrages erst am 22. November 2006 vorgelegen habe, sei der Beginn der Ausschlussfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu berechnen. 

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.400,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz 

aus 1.200,00 EUR vom 01.09.06 bis 30.09.06
aus 2.400,00 EUR vom 01.10.06 bis 31.10.06
aus 3.600,00 EUR vom 01.11.06 bis 30.11.06
aus 4.800,00 EUR vom 01.12.06 bis 31.12.06
aus 6.000,00 EUR vom 01.01.07 bis 31.01.07
aus 7.200,00 EUR vom 01.02.07 bis 28.02.07
aus 8.400,00 EUR vom 01.03.07 bis 31.03.07
aus 9.600,00 EUR vom 01.04.07 bis 30.04.07
aus 10.800,00 EUR vom 01.05.07 bis 31.05.07
aus 12.000,00 EUR vom 01.06.07 bis 30.06.07
aus 13.200,00 EUR vom 01.07.07 bis 31.07.07
aus 14.000,00 EUR ab 01.08.07 

zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. 

Sie erwidert, der Kläger erfülle als Funktionsoberarzt nicht die tariflichen Voraussetzungen nach § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe III. Aus ihrem Schreiben vom 30. April 2003 ergebe sich lediglich, dass dem Kläger als Funktionsoberarzt die psychiatrische Institutsambulanz unterstellt worden sei. Allein aus dem Betreff „Änderung der Arbeitszeit und Übertragung eines Funktionsbereichs“ könne der Kläger nichts für das Vorliegen der Eingruppierungsmerkmale herleiten. Vielmehr ergebe sich aus dem weiteren Text des Schreibens, dass der Kläger lediglich als Funktionsoberarzt geführt worden sei. Die Institutsambulanz sei kein selbstständiger Funktions- oder Teilfunktionsbereich. Ein medizinischer Schwerpunkt oder die Zuständigkeit für eine bestimmte Patientengruppe sei nicht mit einem selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich gleichzusetzen. Aus der von ihr vorgelegten Anlage 1 zum Schriftsatz vom 14. September 2007 (Bl. 57 bis 60) ergebe sich, welche Bereiche vom Gruppenausschuss der VKA für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen als selbstständige Funktionsbereiche im eingruppierungsrechtlichen Sinne angesehen worden seien und welche nicht. Eine Institutsambulanz, die für alle ambulanten Patienten unabhängig von der Erkrankung zuständig sei, erfülle die Voraussetzung eines Teil- oder Funktionsbereiches nicht. Als Orientierungshilfe für die Auslegung, welche medizinischen Sachgebiete als Teil- und Funktionsbereiche im Sinne der Tarifbestimmung in Betracht kämen, könne die „(Muster-)Weiterbildungsordnung“ der Bundesärztekammer in der Fassung vom April 2007 herangezogen werden (Anlage 2 zum Schriftsatz vom 14. September 2007, Bl. 61 bis 63 d. A.). Auch daraus ergebe sich, dass die Institusambulanz nicht als selbstständiger Teil- oder Funktionsbereich anerkannt sei. Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung durch sie habe nicht stattgefunden. Bei ihr habe der Chefarzt Dr. F die Ambulanzermächtigung. Dem Kläger seien auch keine Mitarbeiter unterstellt. Die für die Aufnahme der Patienten in der Ambulanz zuständige Sekretärin Frau G. sei dem Leiter der Patientenaufnahme und des Medizincontrolling, Dr. H., unterstellt. Die vom Kläger angeleiteten Assistenzärzte seien dem Chefarzt Dr. F. unterstellt, der auch die entsprechende Ambulanzermächtigung habe. Dem Kläger seien somit keine ständigen Mitarbeiter zugeordnet. Jeder Assistenzarzt der anderen Stationen habe im Laufe seiner Ausbildung irgendwann mit dem Kläger zu tun. Dieser leite die Assistenzärzte auch fachlich an, ein Unterstellungsverhältnis sei jedoch nicht gegeben. Eine Tätigkeit als reiner Funktionsoberarzt führe nicht zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe III, Stufe 2. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. 

 

Entscheidungsgründe 

Die zulässige Klage ist bis auf die geltend gemachte Vergütungsdifferenz für den Monat August 2006 begründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Differenzvergütungsanspruch für den Monat August 2006 ist wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Im Übrigen kann der Kläger die von ihm auf der Grundlage seiner Eingruppierung in die Entgeltgruppe III, Stufe 2 gemäß § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA zutreffend berechnete Differenzvergütung für die Monate September 2006 bis Juli 2007 beanspruchen, weil er im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberarzt im Sinne von § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA erfüllt und auch die Stufe 2 dieser Entgeltgruppe gem. § 19 Abs. 1 Buchst. c TV-Ärzte/VKA erreicht. 

Die Klageforderung für die Monate September 2006 bis Juli 2007 ist begründet. 

Die vom Kläger auszuübende Tätigkeit als Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz erfüllt die tariflichen Tätigkeitsmerkmale des § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA. 

Mit ihrem Schreiben vom 30. April 2003 hat die Beklagte dem Kläger die medizinische Verantwortung für die psychiatrische Institutsambulanz ausdrücklich übertragen.

Mit dem Begriff der „Verantwortung“ ist die Leitung des betreffenden Teil- oder Funktionsbereichs gemeint. Durch die Verwendung des Adjektivs „medizinisch“ soll lediglich normiert werden, dass der Oberarzt noch als „Arzt“ tätig ist und nicht etwa Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (Bruns, Die Entgeltgruppe III (Oberarzt) des TVÄrzte/ VKA, Arztrecht 2007, 60 ff. [65]; vgl. auch Arbeitsgericht Düsseldorf 12. Juli 2007 - 14 Ca 669/07 - [juris], zu B I 2 a der Gründe). Da der TV-Ärzte/VKA nach seinem § 1 Abs. 1 ausdrücklich für alle „Ärztinnen und Ärzte“, d. h. für alle Arbeitnehmer mit ärztlicher Approbation/Berufserlaubnis gilt, würde die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA ohne das Adjektiv „medizinische“ z. B. auch für einen approbierten Arzt gelten, der den Beruf gewechselt hat und z. B. innerhalb der Verwaltung die verselbstständigte Einkaufsabteilung leitet, der Abrechnungsstelle der Verwaltung vorsteht oder z. B. als Betriebsleiter eines Krankenhausstandorts fungiert. Derartige „Ärzte in nicht ärztlichen Berufen“ sollten nach dem Willen der Tarifparteien aber nicht unter die Entgeltgruppe III fallen (Bruns a. a. O.). Mit dem Begriff der „medizinischen Verantwortung“ ist insbesondere nicht gemeint, dass der Arzt für seine ärztliche Tätigkeit die Verantwortung trägt. Dies unterscheidet den Oberarzt nämlich nicht vom Facharzt. Auch der Facharzt trägt für seine ärztliche Tätigkeit die Verantwortung und muss gegebenenfalls für Behandlungsfehler gerade stehen (Arbeitsgericht Düsseldorf 12. Juli 2007 - 14 Ca 669/07 - [juris], zu B I 2 b der Gründe). Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass dem Arzt die Leitung eines Bereichs im Sinne der Tarifbestimmung übertragen und er auch ärztlich tätig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Arzt die Leitung nur in fachlicher oder auch in disziplinarischer Hinsicht gegenüber den unterstellten Mitarbeitern des betreffenden Bereichs obliegt. Die „medizinische Verantwortung“ im Sinne der Tarifbestimmung schließt auch medizinische oder organisatorische Weisungsrechte des Abteilungsleiters (Chefarzt) und dessen ärztliche Letzter Verantwortung nicht aus (Bruns a. a. O.). Ferner muss die „medizinische Verantwortung“ dem Arzt „vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen“ worden sein. Erforderlich ist danach eine entsprechende ausdrückliche schriftliche oder mündliche Erklärung des Arbeitgebers, während ein konkludentes Verhalten oder die lediglich faktische Herstellung entsprechender Organisationsformen nicht ausreichend sind (vgl. zum Merkmal „ausdrückliche Anordnung“ im BAT: BAG 11. November 1987 - 4 AZR 336/87 - AP BAT 1975 § 22, 23 Nr. 140). 

Im Streitfall hat die Beklagte dem Kläger mit ihrem Schreiben vom 30. April 2003 („Übertragung eines Funktionsbereichs“) ausdrücklich die Leitung der psychiatrischen Institutsambulanz übertragen, indem sie ihm mit Wirkung vom 01. Mai 2003 die psychiatrische Institutsambulanz als Funktionsoberarzt unterstellt hat. Dementsprechend ist der Kläger in der konkretisierenden Stellenbeschreibung vom 30. Januar 2007 als Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz bezeichnet, dem alle Mitarbeiter der psychiatrischen Institutsambulanz fachlich - organisatorisch unterstellt sind. Dabei ist unerheblich, dass dem Kläger disziplinarisch keine Mitarbeiter unterstellt sind. Vielmehr genügt, dass er als Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz gegenüber den dort eingesetzten Mitarbeitern eine fachliche Weisungs- und Aufsichtsbefugnis auszuüben hat, wie gegenüber der ihm fachlich organisatorisch zugeordneten Arzthelferin und Sekretärin der psychiatrischen Institutsambulanz, Frau G., und gegenüber den ihm jeweils zugefeilten Assistenzärzten. Mithin hat die Beklagte dem Kläger gemäß ihrer Unterstellungsanordnung im Schreiben vom 30. April 2003 und der diese konkretisierenden Stellenbeschreibung die ärztliche Leitung der psychiatrischen Institutsambulanz in fachlicher Hinsicht und damit die medizinische Verantwortung für diesen Teilbereich ausdrücklich übertragen. Dem steht nicht entgegen, dass der Chefarzt der Abteilung Psychiatrie, der die psychiatrische Institutsambulanz nach dem Organigramm der Beklagten organisatorisch zugeordnet ist, die medizinische/organisatorische Letztverantwortung trägt und entsprechende Weisungsrechte gegenüber dem Kläger ausübt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der psychiatrischen Institutsambulanz auch um einen selbstständigen Teilbereich im Sinne von § 16 Buchst. c TV Ärzte/VKA. Vorliegend ist unerheblich, ob die psychiatrische Institutsambulanz nach der von der Beklagten vorgelegten Auflistung der vom Gruppenausschuss der VKA für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen anerkannten Funktionsbereiche im Sinne der Vorgängerregelung des BAT (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14. Mai 2007, Bl. 57 bis 60 d. A.) und dem vorgelegten Auszug aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14. Mai 2007, Bl. 61 bis 63 d. A.) nicht als ein selbstständiger Funktionsbereich im Sinne von § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA anzusehen ist. Jedenfalls hat die Beklagte mit der psychiatrischen Institutsambulanz einen selbstständigen Teilbereich geschaffen.

Während der bereits von den Fallgruppen 4 der Vergütungsgruppen BAT I a und b verwandte Begriff „Funktionsbereich“ auch in die Entgeltgruppe III des neuen TV-Ärzte/VKA übernommen wurde, handelt es sich bei dem Begriff „Teilbereich“ im TV-Ärzte/VKA um eine Neuerung. Abweichend vom Begriff „Funktionsbereich“, der unter der Geltung des BAT analog der ärztlichen Weiterbildungsordnung verstanden wurde, bezeichnet der Begriff „Teilbereich“ - ohne Bezug zur ärztlichen Weiterbildungsordnung - jede vorgenommene organisatorische Abgrenzung innerhalb einer Fachabteilung (vgl. Bruns a. a. O. [66]; ArbG Düsseldorf - 14 Ca 669/07 - [juris], zu B I 2 a der Gründe). 

Im Streitfall hat die Beklagte mit der psychiatrischen Institutsambulanz einen solchen organisatorisch abgrenzbaren Teilbereich innerhalb der Abteilung Psychiatrie geschaffen, der auch als selbstständig anzusehen ist. Die Beklagte hat in ihrer Stadtklinik innerhalb der Abteilung für Psychiatrie eine psychiatrische Institutsambulanz im Sinne von § 118 Abs. 2 SGB V eingerichtet, in der festgelegte Patientengruppen gemäß dem zuvor erstellten Konzept (Anlage K 14 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. Oktober 2007, Bl. 91 d. A.) ambulant behandelt werden. In organisatorischer Hinsicht hat die Beklagte die psychiatrische Institutsambulanz verselbstständigt, indem sie die Leitung für diesen abgrenzbaren Bereich dem Kläger übertragen und ihm hierzu eine Arzthelferin bzw. Sekretärin fachlich-organisatorisch zugeordnet, fachliche Weisungsrechte gegenüber den der psychiatrischen Institutsambulanz zugewiesenen Assistenzärzten eingeräumt und - ausweislich des im Kammertermin vom Kläger vorgelegten Lichtbildes - bestimmte Räumlichkeiten zugewiesen hat. Gemäß seiner Stellenbeschreibung, die die Unterstellungsanordnung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 30. April 2003 konkretisiert, tritt der Kläger auch nach außen als Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz auf und ist der verantwortliche Ansprechpartner der Patienten und Angehörigen in der psychiatrischen Institutsambulanz in medizinischen und individuellen Belangen. Danach ist die psychiatrische Institutsambulanz als selbstständiger Teilbereich im Sinne von § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA anzusehen (zum Merkmal „selbstständig“ vgl. auch Bruns a. a. O. [65]). 2. Mithin erfüllt die vom Kläger seit dem 01. Mai 2003 auszuübende Tätigkeit als Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz die tariflichen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe III gem. § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA. Gemäß § 19 Abs. 1 Buchst. c TV-Ärzte/VKA hat er nach dreijähriger oberärztlicher Tätigkeit die Stufe 2 der Entgeltgruppe III im streitgegenständlichen Zeitraum erreicht. Für die Zuordnung zur Stufe 2 der Entgeltgruppe III nach § 19 Abs. 1 Buchst. c TVÄrzte/ VKA sind auch die vor Inkrafttreten des Tarifvertrages zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. Aus der in § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA enthaltenen Regelung ergibt sich nichts anderes. Vielmehr kommt es für die Erreichung der Stufe 2 nach § 19 Abs. 1 Buchst. C TV-Ärzte/VKA allein auf die Dauer einer oberärztlichen Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe III gemäß § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA an, und zwar unabhängig davon, ob die Zeiten bereits vor Inkrafttreten des Tarifvertrages zum 01. August 2006 zurückgelegt worden sind. Darauf wurde auch von Seiten der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in ihrem Rundschreiben vom 18. Dezember 2006 (R 413/2006) ausdrücklich hingewiesen. Nach der zutreffenden Berechung des Klägers errechnet sich nach § 18 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. der Anlage A TV-Ärzte/VKA zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung nach Entgeltgruppe II, Stufe 2 (= EUR 4.800,-) und der von ihm zu Recht beanspruchten Vergütung nach Entgeltgruppe III, Stufe 2 (= EUR 6.000,-) eine Differenzvergütung in Höhe von EUR 1.200,- pro Monat, so dass sich für die Monate September 2006 bis Juli 2007 ein Gesamtanspruch in Höhe von EUR 13.200,- ergibt.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA ist die Monatsvergütung am letzten Tag des Monats für den laufenden Kalendermonat zu zahlen, so dass die Beklagte jeweils zum 01. Des Folgemonats in Verzug geraten ist. 

Der vom Kläger für den Monat August 2006 geltend gemachte Differenzvergütungsanspruch in Höhe von EUR 1.200,- brutto ist hingegen wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. 

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte/VKA verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht nach Satz 2 die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Der Kläger hat die nach § 25 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA zum 31. August 2006 fällige Differenzvergütung für den Monat August 2006 nicht innerhalb von sechs Monaten bis zum 28. Februar 2007 schriftlich geltend gemacht, weil er erstmals mit Schreiben vom 06. und 27. März 2007 seine Vergütung nach Entgeltgruppe III, Stufe 2 des zum 01. August 2006 in Kraft getretenen TV-Ärzte/VKA verlangt hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers steht einem Verfall des Differenzvergütungsanspruchs für den Monat August 2006 nicht entgegen, dass die endgültige Textfassung des Tarifvertrages erst am 22. November 2006 vorlag und der Tarifvertrag rückwirkend zum 01. August 2006 in Kraft gesetzt worden ist. Ausschlussklauseln können auch durch ausdrückliche Verlegung des Wirkungsbeginns vor dem Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Der in der Zukunft liegende Teil der Frist muss jedoch genügend Zeit zur Geltendmachung der Forderung lassen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis 7. Aufl. §§ 194-218 BGB Rn. 54).

Auch wenn die endgültige Textfassung des Tarifvertrages erst am 22. November 2006 vorlag, verblieb dem Kläger bis zum Ablauf der Ausschlussfrist am 28. Februar 2007 noch ein Zeitraum von mehr als drei Monaten und damit genügend Zeit zur Geltendmachung seiner Forderung für den Monat August 2006. Mithin ist der Differenzvergütungsanspruch für den Monat August 2006 nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte/VKA verfallen.  

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der festgesetzte Streitwert beruht auf §§ 3, 5 ZPO. 



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