Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 5 Ca 515/10

Zur Frage der zutreffenden Eingruppierung

Die Verweisung auf die TdL-Richtlinien ist weiter im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BAG dahin auszulegen, dass der Lehrkraft nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene, sondern auch eine höhere Eingruppierung zustehen soll, sofern sie die in den Eingruppierungsrichtlinien genannten Voraussetzungen hierfür erfüllt.

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.04.2010 in die Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrages der Länder höherzugruppieren. 

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. 

III. Der Streitwert wird auf 5.400,00 € festgesetzt. 

IV. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Bewährungsaufstieg für beschäftigte Lehrkräfte durch den TVÜ nicht weggefallen.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Der am ... 1977 geborene Kläger ist staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger und wurde - zunächst befristet - zum  3.09.2007 als pädagogische Fachkraft in den Schuldienst des Landes Rheinland-Pfalz eingestellt. In unmittelbarem Anschluss an zwei befristete Arbeitsverträge erfolgte zum 01.04.2008 die Übernahme in ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Beschäftigungsverhältnis. Diese Übernahme erfolgte durch Arbeitsvertrag vom 13.03.2008, auf den verwiesen wird (vergleiche Blatt 24-26 der Akte). 

Der Kläger wurde dabei in Anwendung der Abschnitte A und B der Richtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrer-Richtlinien der TdL) in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert. Mit Schreiben vom 08.10.2009 beantragte der Kläger den Bewährungsaufstieg in die Entgeltgruppe 9. Dieser Antrag wurde nach Beteiligung des Bezirkspersonalrates für die staatlichen Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen bei der Aufsichtsund Dienstleistungsdirektion mit Schreiben vom 15.01.2010 mit der Begründung abgelehnt, der TV-L kenne eine Möglichkeit der Höhergruppierung wegen Bewährung nicht.

Der Kläger verfolgt nunmehr sein Begehren auf Höhergruppierung im Klageweg. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Er habe sich - unstreitig - in seiner Tätigkeit bewährt. Der Bewährungsaufstieg sei zudem arbeitsvertraglich vereinbart. 

Der Kläger beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.04.2010 in die Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags der Länder höherzugruppieren. 

Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist im Wesentlichen der Auffassung: Der geltend gemachte Höhergruppierungsanspruch stehe dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere könne ein solcher nicht aus den Eingruppierungsrichtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder hergeleitet werden. In dem seit dem 01.11.2006 geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sei ein Bewährungsaufstieg - unstreitig - in eine höhere Entgeltgruppe nicht mehr vorgesehen. Die Lehrerrichtlinien der TdL würden zudem dem Kläger weder unmittelbar, noch in Verbindung mit § 4 des Arbeitsvertrages einen Anspruch auf Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9 verleihen. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck, Systematik und Gesamtzusammenhang sähen die TdL-Richtlinien einen von der tariflichen Lage unabhängigen Höhergruppierungsanspruch nicht vor. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und wegen der Verfahrensgeschichte im Wesentlichen auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

 

Entscheidungsgründe 

Die insgesamt zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann ab dem 01.04.2010 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrages der Länder beanspruchen.

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im Öffentlichen Dienst allgemein üblich Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen keine Bedenken bestehen. 

Der Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrages der Länder (TV-L) folgt aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Entgegen der im Einzelnen dargelegten Auffassung der Beklagten ist in dem Arbeitsvertrag der Parteien auch ein Anspruch auf Höhergruppierung vereinbart. 

Gemäß § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien (vergleiche Blatt 25 der Akte) gelten für die Eingruppierung die Abschnitte A und B der Richtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrerrichtlinien der TdL) in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder. Weiter haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger als pädagogische Fachkraft danach in die Entgeltgruppe 8 TV-L eingruppiert ist. 

Die von § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien in Bezug genommene, einschlägige Bestimmung in Abschnitt B der TdL-Richtlinien lautet wie folgt: als pädagogische Unterrichtshilfen V c nach mehrjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe V b 

Die Auslegung dieser arbeitsvertraglichen Regelung ergibt, dass die Parteien hier auch die Möglichkeit des sogenannten Bewährungsaufstieges vereinbart haben. 

Die Lehrerrichtlinien der TdL sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes als Erlasse des öffentlichen Arbeitgebers zwar grundsätzlich nach den Regeln des Verwaltungsrechtes auszulegen. Ihre Vereinbarung richtet sich allerdings nach den Regeln des BGB. Der Inhalt der Lehrerrichtlinien, der sich als behördeninterne Anweisung darstellt, gehört deswegen weiter dem öffentlichen Recht an. Diesen Rechtscharakter verlieren die Erlasse auch dann nicht, wenn sie kraft einzelvertragliche Vereinbarung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Anwendung finden. Deswegen ist gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille des Hoheitsträgers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks einer Willenserklärung zu haften. Allerdings kann nur derjenige Willensinhalt berücksichtigt werden, der im Erlass oder mit ihm in Zusammenhang stehenden Schriftstücken seinen Niederschlag gefunden hat. Denn der Adressat des Erlasses, also der ihn anwendende Bedienstete, muss ihn aus sich selbst heraus verstehen. Hierbei ist dann insbesondere die systematische und teleologische Interpretation von Bedeutung. Demgemäß ist auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen ein wichtiges Auslegungskriterium (vgl. BAG, 05.07.2006, 4 AZR 555/05 unter Hinweis auf BAG, 06.09.1989, 4 AZR 302/89, ZTR 1990, 26).

Allerdings kommt einer möglicherweise vom Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung abweichenden Verwaltungspraxis keine entscheidende Bedeutung zu. Soweit der Willensinhalt nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung eindeutig festgestellt werden kann, kann sich ein Arbeitnehmer hierauf auch dann berufen, wenn die Praxis des öffentlichen Arbeitgebers davon abweicht. 

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Arbeitgeber mit den Lehrerrichtlinien eine einheitliche Vergütungsordnung schaffen wollte, die die von einem öffentlichen Arbeitgeber und Hoheitsträger in besonderer Weise zu gewährleistende Gleichbehandlung und damit einen bestimmten Gerechtigkeitsstandard beinhaltet. Ordnet der Richtliniengeber in zulässiger Weise einer bestimmten speziellen Tätigkeit eine bestimmte Vergütung zu, so ist auch insoweit davon auszugehen, dass er damit eine abschließende Bewertung treffen will (BAG, 06.09.1989, a. a. O.). Vergütungsrichtlinien sind also, wenn sie zur Grundlage von privatrechtlichen Verträgen mit Arbeitnehmern gemacht werden, mehr als nur verwaltungsinterne Vorgaben, was sich damit auch auf deren Auslegung und Inhaltskontrolle auswirkt. 

Die Verweisung auf die TdL-Richtlinien ist weiter im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BAG dahin auszulegen, dass der Lehrkraft nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene, sondern auch eine höhere Eingruppierung zustehen soll, sofern sie die in den Eingruppierungsrichtlinien genannten Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. nur BAG, 13. Februar 1985, 4 AZR 304/83, AP Nr. 13 zu § 22, 23 BAT Lehrer; 21.07.1993, 4 AZR 408/92, AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG 15.11.1995, 4 AZR 489/94, AP Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Der Kläger kann daher die Vergütung entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der für das Arbeitsverhältnis gültigen TdL-Richtlinien verlangen, die er ausfüllt. 

Daraus folgt, dass die Parteien auch einen Bewährungsaufstieg vereinbart haben. E ist zwar zutreffend und zwischen den Parteien unstreitig, dass der Bewährungsaufstieg ursprünglich in den Regelungen des BAT enthalten war und in dem nunmehr geltenden, neuen Tarifwerk des TV-L nicht mehr vorgesehen ist. Ein solcher Bewährungsaufstieg ergibt sich aber aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien.

Dafür, dass ein solcher Bewährungsaufstieg als arbeitsvertraglicher Anspruch geregelt werden sollte, spricht zunächst der Wortlaut. In der für den Kläger einschlägigen Bestimmung des Abschnitts B der Lehrerrichtlinien TdL ist ausdrücklich die Möglichkeit einer höheren Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b nach mehrjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe vorgesehen. Mit dieser Regelung wird Bezug genommen auf die davorstehende Vergütungsgruppe der pädagogischen Unterrichtshilfen, die grundsätzlich in die Vergütungsgruppe V c (entspricht unstreitig der Entgeltgruppe 8) eingruppiert werden sollen. Darüber hinaus ist auch im Zusammenhang mit einer Vielzahl der anderen Vergütungsgruppen jeweils die Möglichkeit eines Bewährungsaufstieges vorgesehen. Die übrigen Vergütungsgruppen sehen die Möglichkeit eines Bewährungsaufstieges unter bestimmten Voraussetzungen und unter näherer Regelung des entsprechenden Zeitraumes vor. Diese Regelungen machten isoliert betrachtet keinen Sinn, wenn nicht damit die Möglichkeit des Bewährungsaufstieges vereinbart werden sollte. Hätten die Parteien - wie die Beklagte meint - in ihrem Arbeitsvertrag ausschließlich vereinbaren wollen, dass der Kläger in die Entgeltgruppe 8 TV-L eingruppiert ist, ohne  die Möglichkeit eines Bewährungsaufstieges, hätten sie gar nicht auf die Lehrerrichtlinien der TdL verweisen müssen. Wenn dies dem Willen der Parteien entsprochen hätten wäre es ausreichend gewesen, in § 4 Absatz 1 des Arbeitsvertrages nur den dort enthaltenen Satz 2 aufzunehmen, ohne gleichzeitig - wie im Satz 1 geschehen - auf die Lehrerrichtlinien der TdL in der jeweiligen Fassung zu verweisen. 

Neben dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sowie dem Sinn und Zweck der Verweisung auf die Lehrerrichtlinien spricht aber auch deren Systematik dafür, dass die Parteien einen Bewährungsaufstieg arbeitsvertraglich vorgesehen haben. Dies ergibt sich insbesondere aus den Protokollnotizen zu Abschnitt B, die mit der Verweisung auf die Lehrerrichtlinien der TdL gleichfalls zum Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden sind. In diesen Protokollnotizen zu Abschnitt B (vergleiche Blatt 15 der Akte) ist in Nr. 2 zunächst vorgesehen, dass für die Eingruppierung auf diejenige Tätigkeit abzustellen ist, die zeitlich mindestens zur Hälfte und nicht nur vorübergehend auszuüben ist. Dies entspricht der alten Bestimmung des § 22 BAT. Weiter enthält die Protokollnotiz Nr. 2 die folgende Regelung:

„Soweit Tätigkeitsmerkmale einen Aufstieg (z. B. Bewährungsaufstieg, Tätigkeitsaufstieg) enthalten, gilt § 23 b Abschn. A BAT entsprechend. Auf die Bewährungszeit können Zeiten einer entsprechenden Unterrichtstätigkeit im sonstigen anerkannten Schuldienst oder im kirchlichen Dienst nach Maßgabe des Unterabsatzes 2 angerechnet werden.“ Die Protokollnotiz Nr. 2 zu Abschnitt B enthält damit Regelungen zu bestimmten Bewährungsaufstiegssituationen, die zwar im zugrunde liegenden Fall nicht einschlägig sind; gleichzeitig wird aber auch in der Protokollnotiz Nr. 2 zu Abschnitt B zum Ausdruck gebracht, dass in dem Abschnitt B der Lehrerrichtlinien TdL ein Bewährungsaufstieg vorgesehen ist. Die Möglichkeit eines solchen Bewährungsaufstieges setzen die Protokollnotizen des Abschnitt B als gegeben voraus. 

Auch die Auslegung des Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung des Rechtscharakters der Lehrerrichtlinien als Erlasse des öffentlichen Arbeitgebers führt dazu, dass der Bewährungsaufstieg vorgesehen ist. Die Lehrerrichtlinien sind unstreitig von den öffentlichen Arbeitgebern und damit auch von der Beklagten zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt worden, als der BAT (und damit auch der in diesem vorgesehene Bewährungsaufstieg) noch das allgemein gültige Tarifwerk war. Die öffentlichen Arbeitgeber haben hierzu die Lehrerrichtlinien als Grundlage sowohl für die allgemeine Eingruppierung als auch für den Bewährungsaufstieg formuliert, da in der Anlage 1 a zum BAT keine Eingruppierungsvorgaben für diese Berufsgruppe enthalten waren, Die Lehrerrichtlinien waren daher immer sowohl die Grundlage für die erstmalige Eingruppierung als auch für einen späteren Bewährungsaufstieg. Daran hat sich schon deswegen nichts geändert, weil die öffentlichen Arbeitgeber und damit auch die Beklagte nach Ablösung des BAT durch den TVL diese nicht abgeändert und an die veränderte Tarifsituation angepasst haben, sondern diese immer noch in unveränderter Form anwenden. Da bei der Auslegung nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur derjenige Willensinhalt berücksichtigt werden kann, der in dem Erlass oder mit ihm in Zusammenhang stehenden Schriftstücken seinen Niederschlag gefunden hat, und dieser Willensinhalt stets auch die Möglichkeit des Bewährungsaufstieges vorgesehen hat, verfängt das Argument der Beklagten, der TVL kenne keinen Bewährungsaufstieg mehr, nicht, weil dies in den Lehrerrichtlinien selbst bisher keinen Niederschlag gefunden hat. 

Dieser Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien steht auch nicht entgegen, dass in § 4 des Arbeitsvertrages in den Absätzen 4 und 5 bestimmt ist, dass Anpassungen der Eingruppierung aufgrund des Inkrafttretens einer neuer Entgeltordnung auch entgeltgruppenübergreifend erfolgen können (§17 Abs. 4 TVÜ-Länder) und bis zum Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung alle Eingruppierungsvorgänge vorläufig sind und keinen Vertrauensschutz und keinen Besitzstand begründen (§17 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder). Diese Regelungen beziehen sich darauf, dass nicht nur für die Lehrer sondern allgemein eine neue Entgeltordnung noch nicht geschaffen werden konnte. Unabhängig davon also, ob die Lehrer überhaupt von einer solchen neuen Entgeltordnung erfasst sein werden, entfaltet diese Regelungen derzeit noch keine Rechtswirkung. Erst wenn eine solche neue Entgeltordnung zu Stande kommt und die Tätigkeit des Klägers auch noch von dieser erfasst wird, kann sich überhaupt erst wieder die Frage der zutreffenden Eingruppierung stellen. Sollte sich ergeben, dass die Tätigkeit des Klägers einer anderen Entgeltgruppe als der Entgeltgruppe 9 zuzuordnen ist, kann die Beklagte dem Kläger möglicherweise gestützt auf § 4 Abs. 5 des Arbeitsvertrages entgegenhalten, dass dieser keinen Vertrauensschutz gegenüber einer möglichen Rückgruppierung genießt. Die aktuell unter Zugrundelage der Lehrerrichtlinien vorzunehmende Ein- und Höhergruppierung des Klägers wird aber von diesen hypothetischen künftigen Entwicklungen nicht berührt. e. Dem Anspruch des Klägers auf Höhergruppierung steht schließlich nicht entgegen, dass in § 4 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien im Zusammenhang mit der Verweisung auf die Lehrerrichtlinien auch auf die Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder verwiesen ist. Die Anlage 4 zum TVÜ-Länder ist nach ihrer Überschrift die Grundlage für die vorläufige Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für ab dem 01. November 2006 stattfindende Eingruppierungsvorgänge (Länder). Der Kläger verweist insoweit zu Recht darauf, dass diese Verweisung auf die Anlage 4 TVÜ-Länder allein für die Ersteingruppierung relevant sein kann. 

Der damit grundsätzlich aufgrund der Auslegungen des Arbeitsvertrages der Parteien anzunehmende Anspruch des Klägers auf Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe V b führt zu einer Zuordnung zu der Entgeltgruppe 9: Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Teil B der Anlage 4 TVÜ-Länder für die Lehrkräfte, für die nach Nummer 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Anlage 1 A zum BAT nicht gilt, nur hinsichtlich der Vergütungsgruppe V c eine Zuordnung zu einer Entgeltgruppe, nämlich der Entgeltgruppe 8 vorsieht. Dem gegenüber ist in Teil B der Anlage 4 TVÜ-Länder der Vergütungsgruppe V b keine Entgeltgruppe zugeordnet. 

Diese Lücke ist im Wege der zu ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (vergleiche dazu BAG, 09.06.2010, 5 AZR 498/09, BB 2010, 2692). Bei § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien, der auf die Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder verweist, handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegengetreten ist (vergleiche BAG, 24. September 2008, 6 AZR 76/07, BAGE, 128,73). Bei allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv - generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sei. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre. 

Aus der dynamischen Ausgestaltung der Regelung in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien zu der Vergütung des Klägers ergibt sich dabei der Wille der Parteien, diese Vergütung nicht auf die erwähnte Entgeltgruppe 8 TVL festzuschreiben. Vielmehr sollte sich die Vergütung an den Lehrerrichtlinien in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder ausrichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall der in den Lehrerrichtlinien vorgesehenen Höhergruppierung in Folge eines Bewährungsaufstieges eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im Arbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt, bzw. ihr am Ehesten entspricht. 

Deswegen ist auf die Anlage 3 A des TVÜ-Länder zurückzugreifen, die ausweislich ihrer Überschrift für alle Angestellte einschließlich der Lehrkräfte mit Ausnahme des Pflegepersonals im Sinne der Anlage 1 B zum BAT/BAT-0 gilt. In der Anlage 3 A ist die Vergütungsgruppe V b jeweils der Entgeltgruppe 9 zugeordnet. Das gleiche Ergebnis wird erzielt, wenn auf die Anlage 2 zum TVÜ-Länder Teil B zurückgegriffen wird, der gleichfalls für die Lehrkräfte gilt. Die Anlage 2 TVÜ-Länder enthält zwar nach ihrer Überschrift nur die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für am 31. Oktober 2006/01. November 2006 vorhandene Beschäftigte für die Überleitung (Länder). In der Anlage 2 sowie der Anlage 3 zum TVÜ-Länder kommt allerdings mit der jeweils vorgenommenen Zuordnung der Vergütungsgruppe V b zu der Entgeltgruppe 9 eine entsprechende allgemeine Wertentscheidung der Tarifvertragsparteien hinreichend deutlich zum Ausdruck, so dass über diesen Rückgriff auf die Anlagen 2 und 3 die in der Anlage 4 Teil B durch die nicht geregelte Zuordnung der Vergütungsgruppe V b zu einer Entgeltgruppe entstandene Lücke geschlossen werden kann (zur Zuordnung vergleiche auch LAG Hamm, 22.12.2009, 12 Sa 1227/09, Beck RS 2010,67371;) 7. Der Kläger hat daher unter der Voraussetzung einer mehrjährigen Bewährung in der bisherigen Tätigkeit und der bisherigen Vergütungsgruppe auch einen Anspruch auf die höhere Vergütung. Dass sich der Kläger bewährt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Übrigen kann das Vergütungsgruppenmerkmal „mehrjährig“ nach der feststehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dahingehend ausgelegt werden, dass es sich dabei um mindestens zwei Jahre handelt (vgl. BAG, 23.01.1980, 4 AZR 105/78, BAGE 32, 364-373; 18.05.1983, 4 AZR 539/80, AP Nr. 74 zu §§ 22,23 BAT 1975); dies folgt auch daraus, dass unter einer „langjährigen“ Bewährungszeit, die in den Lehrerrichtlinien der TdL vorgesehen ist, in der  Regel ein Zeitraum von mindestens drei Jahren zu verstehen Ist. Da damit arbeitsvertraglich ein Bewährungsaufstieg vorgesehen ist und der Kläger die Bewährungsvoraussetzungen erfüllt hat, hat die Klage insgesamt Erfolg. 

Weil die Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien ergibt, dass in diesem auch die Möglichkeit des Bewährungsaufstieges vorgesehen ist, musste nicht auf die Zweifelsregelung aus § 305 c Absatz 2 BGB zurückgegriffen werden.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen